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Document 52002IE0866

Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Thema "Strategie für den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt der EU"

ABl. C 241 vom 7.10.2002, p. 151–160 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

52002IE0866

Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Thema "Strategie für den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt der EU"

Amtsblatt Nr. C 241 vom 07/10/2002 S. 0151 - 0160


Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Thema "Strategie für den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt der EU"

(2002/C 241/29)

Der Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 12. Juli 2001 gemäß Artikel 23 Absatz 3 seiner Geschäftsordnung, eine Stellungnahme zu dem vorgenannten Thema zu erarbeiten.

Der mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Unterausschuss "Strategie für den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt der EU" nahm seine Stellungnahme am 14. Juni 2002 an. Der Berichterstatter war Herr Christie.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 392. Plenartagung am 17. und 18. Juli 2002 (Sitzung vom 18. Juli) mit 84 Ja-Stimmen bei 6 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme.

1. Rolle und Kontext der Strukturfonds

1.1. Seit 1988 waren für die Strukturmaßnahmen der EU vier Grundsätze maßgeblich: Konzentration der Anstrengungen, Planung der Wirtschaftsförderung, Zusätzlichkeit zu den Anstrengungen der Mitgliedstaaten und Partnerschaft bei der Konzeption und Durchführung von Maßnahmen zur Unterstützung der regionalen Wirtschaft. In den aufeinanderfolgenden Berichten der Kommission - der letzte war der Zweite Kohäsionsbericht - wurde festgestellt, dass die Strukturmaßnahmen stetige Fortschritte gemacht und das wirtschaftliche und soziale Gefälle zwischen den Regionen der EU verringert haben. Erwartungsgemäß waren die Konvergenzgewinne in den Fördergebieten nach Ziel 1 der Strukturfondsverordnungen am auffälligsten. Obwohl die Pro-Kopf-Einkommen in den reichsten Regionen der EU nach wie vor wesentlich höher als die in den ärmsten Regionen verzeichneten sind, deuten die Daten darauf hin, dass sich die Pro-Kopf-Einkommen der ärmsten Regionen der EU seit 1988 immer mehr dem EU-Durchschnittseinkommen nähern.

1.2. Die Auswirkungen der Reformen von 1988 waren beträchtlich und besonders ausgeprägt in den am stärksten benachteiligten Regionen der EU, wo der wirtschaftliche Zusammenhalt große Fortschritte gemacht hat.

1.2.1. Hinsichtlich des am Ausmaß der regionalen Unterschiede bei den Pro-Kopf-Einkommen gemessenen wirtschaftlichen Zusammenhalts sind die Strukturfonds ihren Zielen ein großes Stück näher gerückt. Den von der Kommission in ihrem Zweiten Kohäsionsbericht vorgelegten Daten ist zu entnehmen, dass das Pro-Kopf-Einkommen in den drei ärmsten EU-Staaten (Griechenland, Portugal und Spanien) von 68 % des EU-Durchschnitts im Jahr 1988 auf 79 % im Jahr 1999 gestiegen ist. Nichtsdestoweniger schätzt die Kommission, dass es, selbst wenn die wirtschaftliche Konvergenz in diesem Tempo fortschreitet, weitere 20 bis 30 Jahre dauern wird, bis die Disparitäten zwischen den Pro-Kopf-Einkommen dieser Länder und dem EU-Durchschnitt ausgeglichen sein werden, so langwierig ist diese Entwicklung.

1.2.2. Der soziale Zusammenhalt, der an den Veränderungen der regionalen Arbeitslosigkeit gemessen wird, hat sich als schwerer zu lösendes Problem erwiesen. Obwohl in der EU seit Mitte der 90er Jahre zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen wurden, wodurch die Arbeitslosenquote von über 11 % auf rund 8 % sank, vergrößerten sich die regionalen Unterschiede bei der Arbeitslosigkeit im Laufe der 90er Jahre nach ihrer Verringerung in den späten 80er Jahren, die durch ein großes Beschäftigungswachstum gekennzeichnet waren. Wie im Zweiten Kohäsionsbericht festgestellt wird, betrug die Arbeitslosigkeit in Regionen mit der niedrigsten Arbeitslosigkeit durchschnittlich 3 % (ungefähr wie in den frühen 70er Jahren), während sie in Regionen mit der höchsten Arbeitslosigkeit durchschnittlich 23 % betrug (und damit viel höher war als in den frühen 70er Jahren). Laut dem Ersten Zwischenbericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt betrug die Beschäftigungsquote in den oberen 10 % der EU-Regionen im Jahr 2000 durchschnittlich 77,2 %, während sie in den unteren 10 % bei nur 46 % lag.

1.2.2.1. Ein Lichtblick war die leichte Abnahme der Zahl der sog. Langzeitarbeitslosen (die über ein Jahr lang arbeitslos waren); sie sank von 1997 bis 1999 von 49 % auf 46 % der Gesamtzahl der Arbeitslosen. Allerdings variiert die Langzeitarbeitslosigkeit, was auch auf andere Aspekte der Arbeitslosigkeit zutrifft, innerhalb der EU ganz erheblich; ihre Spanne liegt zwischen über 60 % in Süditalien, einigen griechischen Regionen und Belgien und weniger als 20 % in einigen Regionen Österreichs, des Vereinigten Königreichs und Finnlands. Das Niveau der Langzeitarbeitslosigkeit ist - selbst in Zeiten verhältnismäßig starken Wirtschaftswachstums - besonders schwer zu senken.

1.2.2.2. Jugendarbeitslosigkeit ist ein weiteres Merkmal der EU-Arbeitsmärkte. In Spanien, Finnland und Italien betrug die Jugendarbeitslosigkeit 1999 national über 30 %, lag in einigen italienischen und spanischen Regionen aber bei über 50 %.

1.2.2.3. Obwohl die Arbeitslosigkeit von Frauen seit Beginn der 1990-er Jahre gesunken ist und im Jahre 2000 einen Stand von unter 10 % erreicht hat, ist in vielen Mitgliedstaaten und Regionen doch noch eine deutliche Kluft zwischen den Geschlechtern zu bemerken. Dieses spezielle Problem wird sich zweifellos mit der Erweiterung verschärfen und eine Erhöhung der Erwerbsquote der Frauen ist und bleibt für die EU insgesamt eine Grundlage für erhebliche Wachstumsmöglichkeiten.

1.3. Die Arbeitsmarktentwicklungen in der EU machen deutlich, welche Herausforderungen noch zu bewältigen sind, um die vor zwei Jahren auf dem Gipfel von Lissabon festgelegten Beschäftigungsziele zu erreichen. Damals setzte sich die EU zum Ziel, die Beschäftigungsquote (von 63,8 % im Jahr 2000) auf 70 % bis zum Jahr 2010 zu steigern und die Zahl der berufstätigen Frauen auf 60 % zu erhöhen. Diese Ziele erhielten seither auf den Gipfeln von Nizza und Barcelona weitere Zustimmung durch die Staats- und Regierungschefs.

1.3.1. Die Politik der EU für den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt ist für die Verwirklichung der Beschäftigungsziele von Lissabon unbestreitbar von zentraler Bedeutung. Die Strukturpolitik der EU stellt ein Schlüsselinstrument zur Steigerung des Wachstumspotentials in den rückständigen und im industriellen Niedergang befindlichen Regionen und somit zur Erhöhung der Beschäftigungsförderungsmöglichkeiten in solchen Regionen dar.

1.4. Kurzfristig sind einige Sorgen hinsichtlich der Verstetigung des Fortschritts auf dem Wege zu einem größeren wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt noch nicht ausgeräumt:

1.4.1. Erstens hängt ein anhaltend hoher Beschäftigungszuwachs vom Anhalten eines verhältnismäßig starken Wirtschaftswachstums in den EU-Staaten ab. Das Abflauen der Konjunktur in den USA hat sich zusammen mit den harten wirtschaftlichen Nachwirkungen der Terroranschläge vom 11. September 2001 und der fortdauernden Unsicherheit auf den Finanzmärkten weltweit so negativ auf die Volkswirtschaften der EU ausgewirkt, dass die Prognosen über das Wirtschaftswachstum im nächsten Jahr nach unten korrigiert werden mussten. Aus den aktuellen Daten geht hervor, dass das Wirtschaftswachstum der EU im Jahr 2001 gegenüber der ursprünglichen Prognose von 3 % nur 1,7 % erreichte.

1.4.2. Zweitens gibt es in vielen Volkswirtschaften der EU trotz der hohen Arbeitslosigkeit Arbeitskräftemangel. Dies deutet auf die Entstehung von Qualifikationslücken hin, denen am Besten durch eine vorausschauende Politik begegnet werden kann, die alle Beteiligen, einschließlich Arbeitgeber und Arbeitnehmer, mit einbezieht und die darauf ausgerichtet ist, die Fähigkeiten der Arbeitskräfte an die wechselnden Umstände der Wirtschaftsentwicklung anzupassen.

1.4.3. Drittens klagen manche über die mangelnde Flexibilität der EU-Arbeitsmärkte, die die Unternehmen ihres Erachtens davor zurückschrecken lässt, zusätzliche Arbeitskräfte einzustellen, weil sie befürchten, im Falle eines Wirtschaftsumschwungs nur schwer wieder Personalkürzungen vornehmen zu können.

1.4.4. Viertens könnten sich regionale Unterschiede bei der Arbeitslosigkeit vergrößern, wenn sich sektorale Wirtschaftskrisen häufen, was in stark von der Landwirtschaft oder der Fischerei abhängigen Regionen besonders wahrscheinlich ist. Weitere Reformen der Gemeinsamen Agrarpolitik werden unweigerlich weitere Arbeitsplatzverluste in ländlichen Gebieten mit sich bringen, wodurch sich die soziale Kluft zwischen jenen Regionen und dem EU-Durchschnitt noch vertiefen dürfte.

1.4.5. Alle oben angeführten Faktoren verdeutlichen das anhaltende Erfordernis einer starken Strukturpolitik in den benachteiligten Regionen der EU.

1.5. Die Hauptanstrengungen, die die EU zur Lösung von Armutsproblemen unternommen hat, sind auf Fortschritte bei der Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts gerichtet. Obwohl die Anstrengungen der EU mit Hilfe der Strukturfonds nur einen kleinen Teil des gesamten Maßnahmenpakets zur Bekämpfung der Armut darstellen - die meisten Maßnahmen sind einzelstaatlich - bleibt der Aspekt der Wirtschaftsförderung und Schaffung von Arbeitsplätzen der Strukturfonds ein sichtbares und wirksames Element in der breitangelegten EU-weiten Bekämpfung der Armut.

1.5.1. Zu den wichtigsten Faktoren, die bei anhaltenden Niedrigeinkommen eine Rolle spielen, gehören Arbeitslosigkeit, niedriges Bildungsniveau und starke wirtschaftliche Abhängigkeit der Familie. Zwar spielen auch außerhalb der Reichweite der EU-Politik liegende demografische Faktoren eine Rolle, doch dürften ein anhaltendes Wirtschaftswachstum und höhere Beschäftigungsniveaus den Anteil der Personen mit niedrigen Einkommen verringern. Unter solchen Bedingungen haben die Strukturfonds der EU die größten Erfolgsaussichten bei der Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung.

1.6. Dieser Überblick über den Interventionskontext und die Leistungen der Strukturfonds zeigt deutlich, dass sie bei den EU-Politiken zur Steigerung des Wirtschaftswachstums, Förderung der Beschäftigung und Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung in den benachteiligten Regionen der EU immer noch eine zentrale Rolle spielen. Offensichtlich bleibt aber auf dem Gebiet des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts in den EU-Regionen noch viel zu tun.

1.7. Wie wichtig ein größeres Maß an wirtschaftlichem und sozialem Zusammenhalt ist, kann jedoch nicht nur an den der Gesellschaft der EU daraus erwachsenden Vorteilen abgelesen werden, sondern wird auch klar, wenn man darüber nachdenkt, welche Folgen es hätte, wenn dieser Zusammenhalt nicht verbessert würde. In diesem Falle, d. h. wenn die EU-Maßnahmen zur Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts wieder eingeschränkt würden, dürfte eine grundlegende Voraussetzung für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft verloren gehen und sich der materielle Wohlstand der marginalisierten und ausgegrenzten Gruppen der Gesellschaft wohl verschlechtern, was durchaus zu einer Gefährdung des gegenwärtigen Maßes an politischer Solidarität in der EU führen könnte. Wie die derzeitige "Governance"-Debatte deutlich macht, muss die EU beweisen, dass sie für die Grundbedürfnisse ihrer Bürger wichtig ist. Jedes Nachlassen der Anstrengungen der EU zur Erzielung eines größeren wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts schadet zwangsläufig der Glaubwürdigkeit der EU als politisches und wirtschaftliches System, das die Erwartungen der Normalbürger erfuellen kann.

2. Die größten Herausforderungen für die Politik der EU zugunsten des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts

2.1. Ein Kernpunkt in der bevorstehenden Debatte über die Zukunft der Strukturfonds wird die Frage sein, welche Gründe dafür vorgebracht werden, dass die EU an ihrer Politik zur Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts festhalten oder diese gar ausbauen soll. Nach Ansicht des Ausschusses sollte die EU an ihrer zentralen Aufgabe der Gestaltung und Bereitstellung der Strukturfonds festhalten. Dies würde nicht nur gewährleisten, dass die bisher durch Strukturmaßnahmen erzielten Erfolge konsolidiert und noch verbessert würden, sondern wäre auch im Hinblick auf die wohl zu erwartenden künftigen Herausforderungen für den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt angebracht.

2.2. Erweiterung: Im Zuge der bevorstehenden Erweiterung wird die EU bis zu zehn Länder mit generell niedrigen Pro-Kopf-Einkommen, Arbeitslosigkeitsproblemen und wirtschaftlicher Rückständigkeit (obwohl es unter den Beitrittsländern ganz klare Ausnahmen gibt) aufnehmen. Zwar wird allein schon die Mitgliedschaft in der EU die wirtschaftlichen Perspektiven dieser Länder (und die der 15 EU-Länder) - durch größere Handelschancen und ausländische Direktinvestitionen - verbessern, doch dürfte der Prozess des wirtschaftlichen Aufholens höchstwahrscheinlich nicht rasch genug voranschreiten, um die rechtmäßigen Erwartungen der Bürger dieser Länder zu erfuellen, wenn diese keine Wirtschaftshilfe erhalten, wie sie durch die Strukturfonds gegeben werden könnte. Außerdem liegen die Vorteile, die die Strukturfonds bringen, nicht nur im finanziellen Bereich, sondern auch in der Weitergabe wichtiger Lehren in wirtschaftlicher Entwicklung, die seit ihrer Reform im Jahr 1988 gezogen wurden. Die EU muss unbedingt weiterhin die Möglichkeit haben, sich einen Überblick über die regionalwirtschaftlichen Entwicklungsanstrengungen zu verschaffen, um zu gewährleisten, dass in den neuen Mitgliedstaaten diesbezüglich die besten Praktiken angewandt werden.

2.3. Globalisierung: Das Phänomen der Globalisierung wird sich unweigerlich noch verstärken. Dies dürfte im Hinblick auf die Tätigkeiten der Strukturfonds zweierlei Auswirkungen haben: Erstens wird sich dadurch wohl die Beschäftigungsstruktur in allen Produktionssektoren der EU verändern, da globale Unternehmen ihre Einkaufs- und Verkaufsstrategien nach den neuen Chancen richten, die sich im Zuge der schrittweisen Liberalisierung des internationalen Handels im Güter- und Dienstleistungsbereich ergeben werden. So könnte es durchaus sein, dass die EU einem stetig steigenden Druck zur wirtschaftlichen Anpassung ausgesetzt sein wird, der den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt auf eine entsprechend harte Probe stellen wird. Zweitens könnte sich der Anteil der Unternehmensinvestitionen innerhalb der EU verringern, da sowohl inländische als auch ausländische Unternehmen abwandern, um anderswo lukrativere Investitionsmöglichkeiten zu nutzen. Je stärker die Investitionen der EU außerhalb ihrer Grenzen zunehmen und/oder die Investitionen in der EU abnehmen, desto schwerer wird ein Beschäftigungs- und Einkommenswachstum in der EU zu erreichen sein.

2.3.1. In diesem Zusammenhang werden sich gemeinsame koordinierte Kohäsionsanstrengungen auf EU-Ebene als immer wichtiger erweisen, zumal einzelne Mitgliedstaaten kaum in der Lage sind, eine Politik zu entwickeln, mit der sie die sich aus dieser Situation ergebenden wirtschaftlichen Ungleichgewichte kompensieren könnten.

2.3.2. Der Ausschuss betont besonders die Notwendigkeit von Strukturfondsmaßnahmen, die die regionalen Ungleichgewichte in den Bereichen Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität ausbalancieren. Nur unter dieser Voraussetzung werden alle Regionen der EU in der Lage sein, die Vorteile, die sich aus dem Globalisierungsprozess ergeben, für sich zu nutzen. Dies stimmt mit der Strategie von Lissabon überein und macht die Entwicklung der Humanressourcen zum zentralen Element des zukünftigen wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts.

2.4. Ungleichgewichte zwischen Zentrum und Peripherie: Erweiterung und Globalisierung als Gesamtproblematik betrachtet bergen die akute Gefahr für die Gesamtwirtschaft, dass das Zentrum-Peripherie-Gefälle in der EU als Ganzes noch größer wird. Diese Problematik wurde vom Ausschuss schon früher erörtert und er stellt fest, dass ihr Vorhandensein von der Kommission in ihrem Zweiten Kohäsionsbericht ausdrücklich anerkannt wurde.

2.4.1. Häufig wird der Begriff des Wirtschaftsdualismus zur Beschreibung einer Wirtschaft benutzt, die durch ein blühendes wirtschaftlich dynamisches Zentrum mit hohem Beschäftigungsstand und eine Peripherie mit langsamem Wachstum, hoher Arbeitslosigkeit und wirtschaftlicher Schwunglosigkeit gekennzeichnet ist. Er beschreibt in der Tat die Situation einer Koexistenz zweier unterschiedlicher (und sich potentiell noch weiter auseinander entwickelnder) Wirtschaften in ein und demselben Wirtschaftsraum. Das Problem in solchen Fällen besteht darin, dass die Marktkräfte, wenn sie sich selbst überlassen bleiben, mehr dazu tendieren, die Entwicklung, die zum Wirtschaftsdualismus führt, zu konsolidieren als sie umzukehren. Die Gefahr des Wirtschaftsdualismus liegt darin, dass er das längerfristige Produktionspotential des gesamten Gebiets schwächt, weil er das Produktions- und Wettbewerbspotential der Peripherie zerstört. Außerdem kann er im Hinblick auf den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt zu einer inakzeptablen Auseinanderentwicklung führen.

2.4.2. Zwar profitieren die im Zentrum des Wirtschaftsraums angesiedelten Unternehmen von ihrem Standort, doch wird mit den Maßnahmen zugunsten des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts angestrebt, die relative Attraktivität der Randgebiete zu erhöhen. Dieses Ziel wird nicht am besten dadurch erreicht, dass die Standortwahl der Unternehmen durch Auflagen eingeschränkt wird, sondern vielmehr dadurch, dass weiterhin Maßnahmen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Randgebiete entwickelt und durchgeführt werden: Investitionen in das Humankapital, Modernisierung der Wirtschaftsinfrastruktur (Kommunikations- und Verkehrssysteme) sowie Maßnahmen zur Verbesserung der allgemeinen örtlichen Attraktivität und Ausstattung (Forschungs- und Bildungseinrichtungen, Verbesserung der Umwelt usw.).

2.4.3. Als schlagendes Argument für eine weitere Verfeinerung und Fortentwicklung der Strukturpolitiken der EU ist anzuführen, dass wenn sie unterbliebe, die wirtschaftlichen Vorteile von Globalisierung und Erweiterung nur einigen wenigen zentralen Regionen in der EU zugute kämen. Gleichzeitig müssten die vielen Randgebiete (zu denen die stark benachteiligten Berggebiete und Inselregionen gehören) zwangsläufig zwar nicht unbedingt absolute, aber sicherlich relative Verluste hinnehmen. Die räumliche Verteilung der Wirtschaftstätigkeit in der EU hat sich zwar in den letzten 20 bis 30 Jahren kaum geändert, doch werden die kombinierten Auswirkungen der Europäischen Währungsunion, der Erweiterung um die MOEL und der sich immer mehr beschleunigenden Globalisierung in den nächsten zehn Jahren höchstwahrscheinlich zu einer noch größeren Zusammenballung von Wirtschaftsunternehmen führen. Deshalb gibt es allen Grund für eine Fortführung der Strukturmaßnahmen auf EU-Ebene, um diesen neuen möglicherweise sehr radikalen Herausforderungen gerecht zu werden.

2.5. Makroökonomische Stabilität: Fortschritte auf dem Gebiet des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts lassen sich in einem Klima makroökonomischer Stabilität und anhaltenden Wirtschaftswachstums wesentlich leichter erzielen. Die Vollendung der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion hat zu einer stärkeren politischen und wirtschaftlichen Stabilität der EU insgesamt geführt und die Rolle der EU in der Weltwirtschaft gestärkt. Gleichwohl können in Zukunft nur effektivere wirtschaftspolitische Grundzüge der EU-Kommission und stärker koordinierte Verfahren mit verbindlichen Entscheidungen die notwendige europäische Wirtschaftspolitik voranbringen. Der makroökonomische Policy-Mix auf Gemeinschaftsebene und eine den unterschiedlichen Strukturen der Mitgliedsländer gerecht werdende Umsetzung muss daher durch eine aktive Strukturpolitik auf allen Ebenen gestärkt und ergänzt werden. Bei einem die EU ungleichmäßig treffenden asymmetrischen Schock kann es sein, dass die wirtschaftliche Stabilität einiger Länder um der Stabilität der Mehrheit willen auf das Spiel gesetzt wird.

2.5.1. Bisher hat die EU noch keine wirtschaftspolitischen Instrumente entwickelt, die ausdrücklich der Stabilisierung des Beschäftigungs- und/oder Einkommensniveaus auf einzelstaatlicher oder regionaler Ebene dienen sollen. Angesichts der für das gesamte Eurogebiet einheitlichen Geldpolitik und der Zwänge, die sich aus dem Wachstums- und Stabilitätspakt für die Stabilisierungspolitiken in den Mitgliedstaaten ergeben (d. h. Verringerung des Haushaltsdefizits) könnte sich die Nachfrage nach strukturpolitischen Maßnahmen der EU mittelfristig erhöhen. In ihrer derzeitigen Form sind die Strukturfonds nicht so ausgestattet, dass sie auf plötzliche Störungen des Beschäftigungs- oder Einkommensniveaus innerhalb der Mitgliedstaaten reagieren können. Dies kann dazu führen, dass die EU-Bürger sich fragen, welche Rolle die EU bei unerwarteten wirtschaftlichen Turbulenzen spielt, d. h. ob sie dazu beiträgt oder es versäumt, darauf zu reagieren.

2.5.2. Zwar spricht vieles für die Schlussfolgerungen von Lissabon und die Methode der offenen Koordinierung der Politiken, doch sollte die EU wohl über ein stärkeres Engagement für Strukturmaßnahmen nachdenken (und diesen nach Möglichkeit eine zusätzliche Stabilisierungsfunktion geben), um Mitgliedstaaten oder Regionen mit wirtschaftlichen Problemen, die sonst nicht angemessen bekämpft werden können, entsprechend helfen zu können.

2.6. Das europäische Sozialmodell: Das europäische Sozialmodell und die soziale Marktwirtschaft bestimmen nach wie vor ganz entscheidend die Wirtschafts- und Sozialregelungen der Europäischen Union. Indem diese Regelungen die Beteiligung aller Akteure an der Beschlussfassung über wirtschaftliche und soziale Fragen ermöglichen, sind sie der Beherzigung der Prinzipien der Solidarität und der sozialen Integration durch die Unionsbürger förderlich. Nicht von ungefähr ist das europäische Sozialmodell die wichtigste Voraussetzung für die Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung in den Mitgliedstaaten der EU. Jeder Schritt zu einer radikalen Änderung dieser Regelungen läuft Gefahr, dem Zusammenhalt zu schaden und zusätzliche Strukturmaßnahmen der EU erforderlich zu machen.

2.6.1. Gleichzeitig ist es wichtig, dass die Regelungen des europäischen Sozialmodells das Funktionieren der EU-Arbeitsmärkte weiterhin unterstützen, indem sie die das Wirtschaftswachstum antreibende Unternehmenskultur fördern. Beschäftigung wie auch Investitionen im privaten und im öffentlichen Sektor bleiben die wichtigsten Waffen im Kampf gegen soziale Ausgrenzung und Armut vor allem in Gesellschaftsgruppen, die traditionell Schwierigkeiten haben, eine Beschäftigung zu finden, insbesondere Frauen, Jugendliche und Langzeitarbeitslose sowie andere ausgegrenzte oder benachteiligte Teile der Gesellschaft. Deshalb sollte die Entwicklung der Arbeitsmarktpolitiken der EU auch weiterhin auf eine dynamische Marktwirtschaft zugeschnitten sein, die in der Lage ist, den Anforderungen eines verstärkten internationalen Wettbewerbs gerecht zu werden.

2.6.2. Infolgedessen ist es wichtig, dass nötige Reformen der Arbeitsmarktpraktiken der EU dort fortgeführt werden, wo dies zu Erhöhungen des Beschäftigungsniveaus und Fortschritten beim angestrebten wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt führt. Auf diese Weise können Strukturmaßnahmen der EU schließlich voll auf diejenigen Regionen konzentriert werden, die die Unterstützung am nötigsten haben. Diese Auffassung entspricht den Schlussfolgerungen des Gipfels von Lissabon, auf dem sich die Staats- und Regierungschefs zur Modernisierung des europäischen Sozialmodells verpflichtet haben.

2.7. Währungsunion. Obwohl die Währungsunion der EU erhebliche wirtschaftliche Vorteile bringen wird, besteht die Gefahr, dass Regionen, die von negativen Schocks betroffen sind, nur schwer gegen einen sich daraus ergebenden Anstieg der lokalen Arbeitslosigkeit werden ankämpfen können. Gleichzeitig könnten die Anforderungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts die Fähigkeit der nationalen Regierungen beeinträchtigen, unter einem solchen Schock leidende Regionen direkt zu unterstützen. In diesem Zusammenhang werden die Strukturfonds künftig möglicherweise eine größere Rolle spielen als bisher.

3. Die Zukunft der Politiken für den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt

3.1. Offensichtlich stehen Wirtschaft und Gesellschaft der EU vor vielfältigen Herausforderungen, worauf sich die Debatte über die Zukunft der Strukturfonds nach 2006 einstellen muss. Um eine Antwort auf diese Herausforderungen zu finden, ist es sinnvoll, zuerst über fünf grundlegende Fragen nachzudenken, die in der künftigen Politik und der anstehenden (politischen) Debatte anzusprechen sind:

3.1.1. Ist die EU zu der Verpflichtung bereit, auch nach 2006 die seit den politischen und finanziellen Reformen von 1988 unternommenen Anstrengungen fortzusetzen, um den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt in der Union als Ganzes zu stärken?

3.1.2. Soll nach 2006 mit demselben Ansatz für den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt weitergearbeitet werden, der seit 1988 verfolgt wird und auf den vier Grundsätzen Konzentration, Programmplanung, Partnerschaft und Zusätzlichkeit beruht?

3.1.3. Wie können wir die aus der Vergangenheit gezogenen Lehren in die Planung und Durchführung künftiger Kohäsionspolitik integrieren, d. h. Regelungen für vorbildliche Verfahrensweisen finden?

3.1.4. Welche Rolle soll die Kommission in der künftigen Kohäsionspolitik spielen? Soll die derzeitige Regelung, bei der die Kommission die Planung und Durchführung der Politik gemeinsam mit den Mitgliedstaaten leitet, beibehalten werden, oder sollen die Mitgliedstaaten eine größere Rolle in diesem politischen Prozess spielen?

3.1.5. Welche Rolle sollen die Wirtschafts- und Sozialpartner im Rahmen einer überarbeiteten Regelung für die Planung und Durchführung der Kohäsionspolitik übernehmen?

3.2. Künftiger Zusammenhalt. Der wirtschaftliche und soziale Zusammenhalt stellt für die Europäische Union eine vertragliche Verpflichtung dar und sollte nicht durch kurzfristige Erwägungen gefährdet werden. Seit langem ist der Ausschuss der Ansicht, dass dazu auch die Bereitschaft der Mitgliedstaaten gehört, einen EU-Haushalt in der für die Verwirklichung dieses Ziels erforderlichen Höhe zu finanzieren. Dies erfordert möglicherweise eine Änderung der auf dem Gipfel von Berlin festgelegten Obergrenze für Strukturfondsausgaben im Verhältnis zu den Gesamtausgaben. Außerdem sind die auf dem Gipfel von Lissabon dargelegten Beschäftigungsziele selbstverständlich mit den Aktivitäten im Rahmen der Strukturfonds der EU - und besonders mit den Maßnahmen, die speziell zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der rückständigen sowie der im industriellen Niedergang befindlichen Regionen vorgesehen sind - vereinbar und können durch sie gefördert werden.

3.2.1. Regionen mit einem niedrigen Pro-Kopf-Einkommen benötigen erhebliche Transferzahlungen, wenn innerhalb der einzelnen Mitgliedstaaten und unionsweit ein vergleichbares Niveau des privaten und öffentlichen Verbrauchs erreicht werden soll. Um eine langfristige Abhängigkeit zu vermeiden, sind Regelungen erforderlich, die sicherstellen, dass die weniger wohlhabenden Regionen über die für ihre wirtschaftliche Entwicklung notwendigen Voraussetzungen verfügen und die Qualität der dortigen öffentlichen Dienstleistungen anderen Regionen vergleichbar ist.

3.2.2. Hier geht es darum, dass die Strukturmaßnahmen der EU nach 2006 angemessen finanziert, sinnvoll ausgerichtet und korrekt verwaltet werden müssen, wenn sie weiterhin Erfolg zeitigen sollen. Die derzeitige Obergrenze für die pro Mitgliedstaat aufzuwendenden Strukturfondsmittel (4 % des jeweiligen BIP) muss möglicherweise angesichts des Bedarfs an regionaler Wirtschaftsentwicklung in den Beitrittsstaaten geändert werden. Gleichzeitig ist es natürlich von grundlegender Bedeutung, dass diese Länder in der Lage sind, die Strukturfondsbeihilfen im Rahmen von Wirtschaftsförderungsprogrammen, die die regionale Wirtschaftsentwicklung unterstützen und nicht zur Verzerrung der örtlichen Arbeits- und/oder Kapitalmärkte führen, auch tatsächlich in Anspruch zu nehmen.

3.3. Die vier Grundsätze des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts. Aufgrund der von der Kommission - sowohl im Zweiten Bericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt als auch im Ersten Zwischenbericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt - angeführten Argumente hält es der Ausschuss für erforderlich, die vier Grundprinzipien der Strukturfonds im Zeitraum nach 2006 beizubehalten und weiterzuentwickeln.

3.3.1. Von diesen vier Grundsätzen ist wahrscheinlich die Zukunft der Konzentration am stärksten umstritten. Angesichts der mit der Erweiterung verbundenen Herausforderungen scheint sich ein - von diesem Ausschuss unterstützter - Konsens darüber abzuzeichnen, dass das Ziel 1 der Strukturfonds nach 2006 beibehalten werden soll, und zwar nicht nur für die Beitrittsstaaten. Allerdings müsste die Schwelle von 75 % des durchschnittlichen Pro-Kopf-BIP in der EU für die Förderfähigkeit unter Ziel 1 möglicherweise heraufgesetzt werden, um sicherzustellen, dass derzeit förderfähige Regionen, die auch nach 2006 unterstützungsbedürftig sind, ihre Förderfähigkeit nicht aufgrund der statistischen Wirkung der Erweiterung verlieren, durch die der EU-Durchschnitt des Pro-Kopf-BIP sinkt und einige der derzeitigen Empfänger somit oberhalb der Schwelle für die Förderfähigkeit zu liegen kommen.

3.3.1.1. Bei der nächsten Überprüfung sollte den speziellen Bedürfnissen der Inseln, der Bergregionen, der dünn besiedelten und der äußersten Randgebiete der EU besondere Aufmerksamkeit zuteil werden.

3.3.2. Auch die Zukunft von Ziel 2 ist zu erwägen. Seit den Reformen im Rahmen der Agenda 2000 fallen unter Ziel 2 nicht nur Industriegebiete mit rückläufiger Entwicklung, sondern auch städtische, ländliche und von der Fischerei abhängige Gebiete mit Strukturproblemen. Nach Ansicht dieses Ausschusses sollte die Kategorie Ziel 2 beibehalten werden, obwohl der Umfang der Unterstützung (wie der Interventionssatz der Strukturfonds oder die Definition förderfähiger Projekte) möglicherweise korrigiert werden muss.

3.3.2.1. Dass die gebietsbezogenen Beihilfen im Rahmen von Ziel 2 weiterhin als notwendig anerkannt werden, hat seinen Grund nicht nur in der anhaltend problematischen Wirtschaftsentwicklung, die auf die beihilfefähigen Regionen wahrscheinlich zukommt. Es beruht auch auf der Erkenntnis, dass die Strukturfonds der EU ein Schlüsselelement für die fortgesetzte Unterstützung der Regionalpolitik der einzelnen Mitgliedstaaten und die Beteiligung privater Investoren an den Bemühungen um die Entwicklung der regionalen Wirtschaft sind. Zudem ist die EU-Politik für die Mitgliedstaaten ein wichtiger Mechanismus, der ihnen dabei hilft, vorbildliche Ansätze für die regionale Wirtschaftsentwicklung in ihre politischen Maßnahmen zu integrieren. In beiderlei Hinsicht bringt die Strukturpolitik der EU den Ziel-2-Regionen einen erheblichen zusätzlichen Nutzen.

3.3.3. Auch die Verpflichtung der EU, die Humanressourcen über horizontale Maßnahmen im Rahmen von Ziel 3 der Strukturfonds zu entwickeln, muss unbedingt weiterhin Priorität haben. Mittels dieser Maßnahmen wird die EU die Beschäftigungsquote und die Wirtschaftswachstumsrate langfristig erhöhen und die auf dem Gipfel von Lissabon dargelegten Ziele verwirklichen können.

3.4. Vorbildliche Verfahrensweisen der regionalen Wirtschaftsentwicklung. Wie es der Ausschuss weiter oben angedeutet hat, bieten die Strukturpolitik der EU und die damit einhergehenden Verordnungen eine Grundlage für die unionsweite Verbreitung vorbildlicher Maßnahmen im Bereich der regionalen Wirtschaftsentwicklung. Zwar gibt es aufgrund der unterschiedlichen lokalen Wirtschaftssituationen und -potentiale wohl keinen Ansatz, der in allen Mitgliedstaaten funktioniert, aber die Kommission verfügt über umfangreiches Material darüber, welche Verfahrensweisen am erfolgreichsten bzw. am unwirksamsten sind. Es liegt im allgemeinen Interesse, dass die Kommission diese Informationen bei der Planung der Strukturfondsverordnungen für die Zeit nach 2006 sowie bei der Gestaltung der flankierenden Verwaltungsmaßnahmen nutzt.

3.4.1. Ein Beispiel hierfür stellen die aus der Wirtschaftsentwicklung der neuen deutschen Bundesländer gezogenen Lehren und die Bedeutung dieser Erfahrungen für die mittel- und osteuropäischen Beitrittsstaaten dar.

3.5. Die Rolle der Kommission: Inwieweit sollte die Rolle der Regierungen und Verwaltungen der Mitgliedstaaten - sowohl auf staatlicher Ebene als auch darunter - bei der Gestaltung und Durchführung der Strukturfondsprogramme geändert werden? Der Ausschuss ist immer noch davon überzeugt, dass die Tatsache, dass die EU die Endkontrolle über die Verwendung der Strukturfondsmittel hat, entscheidenden Anteil an den von den Strukturfonds bislang erzielten Erfolgen, insbesondere in den Ziel-1-Regionen, hatte. Wie bereits weiter oben festgestellt, ist die Kommission so nicht nur in der Lage, die Verantwortung für die Ausgabe von Gemeinschaftsmitteln zu übernehmen, sondern hat die ganz wichtige Aufgabe sicherzustellen, dass die Regionalentwicklungsprogramme mit den Gesamt- und Einzelzielen der Fonds übereinstimmen und dass alle die Fondsmittel empfangenden Behörden diese nach bewährten Verfahren verwenden.

3.5.1. Eine engagierte, vorausschauende Regionalpolitik im Bereich von Sach- und Humankapital unter der Ägide der Strukturfonds ist für das Aufholen weniger wohlhabender Regionen unabdingbar. Dies erfordert eine fortlaufende Bewertung von Effizienz und Langzeitwirkungen; der Schwerpunkt der Bewertung sollte nicht in erster Linie auf kurzfristigen Beschäftigungszuwächsen liegen. Die Kommission ist die für diese Aufgabe am besten geeignete Institution, die auch einen angemessenen Grad der Koordination zwischen der Strukturpolitik und anderen EU-Politiken garantieren kann.

3.6. Subsidiarität. Gleichzeitig liegt es klar auf der Hand, dass bei der Gestaltung und Verwaltung der Strukturfondsprogramme das Subsidiaritätsprinzip wirksam und voll zum Tragen kommen muss. Dies bedeutet jedoch eine volle aktive Beteiligung der unterhalb der staatlichen Ebene angesiedelten Regierungen/Verwaltungen und der Wirtschafts- und Sozialpartner und nicht - zumindest nicht nur - dass den staatlichen Behörden eine größere Rolle übertragen wird. Nach Ansicht des Ausschusses hat kein Vorschlag einen Sinn, der faktisch darauf hinausläuft, dass die Regierungen der Mitgliedstaaten wieder die Kontrolle über die Strukturfondsmittel erhalten, wie dies vor 1988 der Fall war.

3.6.1. Vielmehr sollten die Regeln für die Strukturfonds weiterhin gemeinsame Prioritäten der EU bei der Ausarbeitung und der Umsetzung von Strukturmaßnahmen wiederspiegeln. Hierzu könnte in Zukunft beispielsweise gehören, dass die Verwendung der Fondsmittel an strengere Bedingungen (wie im Fall der leistungsgebundenen Reserve) geknüpft wird. Die Kommission könnte (z. B. bei der Zahl der zu schaffenden Arbeitsplätze und der zu erzielenden Wachstumsrate) den Ergebnissen, die mit den Fondsmitteln erzielt werden sollen, größeres Gewicht beimessen. In einer Situation erhöhter Nachfrage nach ohnehin begrenzten Mitteln ist es unerlässlich, dass mit den eingesetzten Mitteln ein größtmöglicher Nutzen erzielt wird.

3.7. Abstufung der Unterstützung: Der Ausschuss ersucht die Kommission, eine stärkere Abstufung der Interventionssätze der Strukturfonds, insbesondere für Ziel-1-Regionen, in Erwägung zu ziehen. Da es vielleicht nicht möglich ist, die größere Nachfrage nach Strukturfondsmitteln in einer erweiterten EU vollständig zu finanzieren, könnte es sich als notwendig erweisen, den Privatsektor (und die von ihm mobilisierten Finanzmittel) stärker in die Aktivitäten auf dem Gebiet der regionalen Entwicklung einzubeziehen. Ein Weg hierzu besteht darin, sich im Rahmen der Strukturfondsverordnungen für die Zeit nach 2006 - soweit dies möglich und den Zielen der EU-Politik zuträglich ist - stärker auf öffentlich-private Partnerschaften zu stützen. Wahrscheinlich wird dies beispielsweise in derzeitigen Ziel-2-Regionen sinnvoller sein als in Ziel-1-Regionen der Beitrittsstaaten.

3.8. Die Rolle der einzelstaatlichen Politiken: Strukturfondsmaßnahmen werden dort am Besten greifen, wo sie mit der Reform nationaler Maßnahmen und Verfahrensweisen einhergehen, die die Möglichkeiten für regionales Wirtschaftswachstum entweder nicht nutzen oder unterbinden. Die einzelstaatlichen Politiken spielen eine wichtigere Rolle, weshalb es unrealistisch ist zu erwarten, dass EU-Maßnahmen die Auswirkungen einzelstaatlicher Politiken, die die wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede zwischen den Regionen vergrößern, wieder ausgleichen.

3.8.1. Im Rahmen der makroökonomischen Bedingungen der Europäischen Währungsunion behalten die Mitgliedstaaten die Kontrolle über ihre innerstaatliche Haushaltspolitik, obwohl diese den Bedingungen des Wachstums- und Stabilitätspaktes unterliegt. Es besteht die Gefahr, dass in Zeiten eines konjunkturellen Abschwungs oder eines asymmetrischen Schocks bestimmte Mitgliedstaaten die Bestimmungen des Wachstums- und Stabilitätspakts nicht mehr einhalten können.

3.8.1.1. Zu solchen Zeiten steigen die Sozialausgaben des Staates, während die Steuereinnahmen sinken, was zu einer Erhöhung des Defizits der öffentlichen Hand bis in die Nähe von 3 % des BIP (der im Pakt festgelegten Obergrenze) oder gar darüber führen kann. Tritt dies ein, müssen die Regierungen die öffentlichen Ausgaben drosseln und/oder Steuererhöhungen vornehmen; beide Maßnahmen verstärken aber den Konjunkturabschwung und erschweren den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt. Deshalb ist es natürlich wichtig, dass die Mitgliedstaaten eine Politik des in der Regel ausgeglichenen Haushalts oder des Haushaltsüberschusses verfolgen, damit sie bei einem Konjunkturabschwung über die erforderliche finanzielle Flexibilität für entsprechende antizyklische Maßnahmen verfügen. Sonst lässt sich der angestrebte wirtschaftliche und soziale Zusammenhalt viel schwerer erreichen.

3.8.2. Für die gemeinschaftsweiten Kohäsionsanstrengungen ist die Entwicklung der Bildungsressourcen generell von zentraler Bedeutung. Fehlt es an angemessenen Bildungs- und Ausbildungsangeboten, dürften die Erfolge der Strukturmaßnahmen der EU bescheidener ausfallen als sie eigentlich sein könnten. Nach Ansicht des Ausschusses sollte bei der Erstellung der Regionalentwicklungspläne der Konzeption nationaler Bildungs- und Ausbildungspolitiken und der Entwicklung der Humanressourcen ganz allgemein sowie deren Verknüpfung mit durch die Strukturfonds finanzierten Maßnahmen größere Aufmerksamkeit gewidmet werden, um den Nutzen der Regionalpolitik der EU zu maximieren. Dies ist in den Ziel-1-Regionen, in denen tendenziell zu wenig in Bildungsressourcen investiert wird, besonders wichtig.

3.8.2.1. Zudem dringt der Ausschuss darauf, Bildung und Ausbildung in den förderfähigen Regionen größere Aufmerksamkeit zu schenken. Wenn das wirtschaftliche Potential einzelner Regionen ausgeschöpft werden soll, müssen der private wie der öffentliche Sektor in ausreichendem Maße in Bildung und Ausbildung einbezogen sein, die ja zu einem großen Teil von Unternehmen und anderen nichtstaatlichen Akteuren vermittelt werden.

3.8.3. In den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Lissabon wurde das Konzept einer neuen, "offenen" Methode der Politikkoordinierung unter den Mitgliedstaaten eingeführt, um sicherzustellen, dass die Mitgliedstaaten die strategischen Ziele der Union auf kohärente Weise verfolgen. Der Ausschuss betrachtet die politischen Maßnahmen zur Wirtschaftsentwicklung als ein Beispiel für die mögliche Anwendung der "offenen" Methode. Dies fördert nicht nur die Verbreitung vorbildlicher Wirtschaftsentwicklungsmaßnahmen, sondern trägt auch zur Kohärenz der Wirtschaftsentwicklungsstrategien in und zwischen Ziel-1- und Ziel-2-Regionen bei. Darüber hinaus ist die Ausdehnung der "offenen" Methode auf die Regionalpolitik vollkommen mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar; sie sollte allerdings nicht die finanziellen Verpflichtungen der EU im Rahmen der Strukturfonds ersetzen.

3.9. Erweiterung: Durch die Erweiterung verändert sich der Kontext, in dem die Kohäsionsmaßnahmen der EU stattfinden, grundlegend: betrachtet man nur die Erweiterung um zentral- und osteuropäische Bewerberländer, so vergrößert sich das Gebiet der EU um über ein Drittel und ihre Bevölkerung nimmt um 36 % zu, doch der Wohlstand der EU erhöht sich nur um etwa 5 %. Dementsprechend wird die EU nach 2004 bis zu zehn neue Mitgliedstaaten mit einem Pro-Kopf-Einkommen haben, das weniger als halb so hoch wie der derzeitige EU-Durchschnitt sein wird. Dies wird die EU mit völlig neuen Kohäsionsproblemen konfrontieren und das dringende Erfordernis einer erheblichen Aufstockung der für die EU-Kohäsionspolitiken bestimmten Mittel nach sich ziehen.

3.9.1. Eines der noch ungelösten Grundprobleme ist die Fähigkeit der Beitrittsstaaten, die Strukturfonds effektiv gemäß den einschlägigen Verordnungen zu verwalten. Deshalb muss die Kommission unbedingt Mittel für die Unterstützung dieser Staaten bei der Vorbereitung der erforderlichen Verfahren und Verwaltungsregelungen vor dem Beitritt bereitstellen.

3.10. Übergangsprobleme. Die Erweiterung bringt nicht nur finanzielle Herausforderungen mit sich, sondern auch das Problem, dass einige der derzeit im Rahmen der Strukturfonds geförderten Regionen wahrscheinlich nicht mehr förderfähig sein werden. Dies führt nicht nur zu politischen Problemen, sondern möglicherweise zu erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten in weiterhin unterentwickelten Regionen, die nicht in der Lage sind, genügend nachhaltige Arbeitsplätze zu schaffen.

3.10.1. Der Ausschuss hat die Auffassung vertreten, dass es falsch wäre, jeder Ziel-1-Region automatisch die Förderfähigkeit durch Strukturfondsmittel wieder abzusprechen, die unfähig ist, das Kriterium der Erzielung eines nachhaltigen Wirtschaftswachstums und der Schaffung von Arbeitsplätzen zu erfuellen, obwohl sie ein durchschnittliches Pro-Kopf-Einkommen von über 75 % des EU-Durchschnitts vorweisen kann.

3.10.1.1. Für solche Fälle sollte die Kommission geeignete Regelungen für einen schrittweisen Abbau der Förderung vorsehen oder den Grenzwert für die Förderfähigkeit auf über 75 % anheben, um den rechtmäßigen Bedürfnissen der Regionen mit Entwicklungsrückstand in der gesamten EU gerecht zu werden. Der Grenzwert von 75 % wurde 1988 entsprechend den damaligen wirtschaftlichen Verhältnissen in der EG gewählt. Angesichts des Ausmaßes der Veränderungen, die im Zuge der bevorstehenden Erweiterung zu erwarten sind, erscheint es aber wenig sinnvoll, an diesem Grenzwert festzuhalten. Eine rechtzeitige Diskussion zur Lösung dieses Problems ist von grundlegender Bedeutung. In dieser Angelegenheit geht es um viele wichtige Fragen, und die Kommission und die Mitgliedstaaten sollten versuchen, einen Konsens zu finden, der den Bedürfnissen der Ziel-1-Regionen so gut wie möglich Rechung trägt.

4. Die künftige Kohäsionsdebatte

4.1. Den obigen Ausführungen ist zu entnehmen, dass auf die Wirtschafts- und Kohäsionspolitik der EU in den nächsten Jahren einige bedeutende Herausforderungen zukommen werden. Nichtsdestoweniger ist es wichtig, dass die EU in ihren Anstrengungen zur Förderung des Zusammenhalts nicht allgemein nachlässt, da diese nach wie vor zu den grundlegenden Verpflichtungen im Rahmen der EU-Verträge gehört. Daher sollte nach Ansicht des Ausschusses jetzt mit der Erörterung der künftigen Kohäsionspolitik der EU begonnen werden. Es wäre sicher falsch, diese Debatte in ein enges Zeitkorsett zu zwängen, da in diesem Falle das Ergebnis wohl eher durch finanzielle als durch wirtschaftliche und soziale Erwägungen geprägt würde.

4.2. Als eine der Informationsgrundlagen für seine Erörterungen führte der Ausschuss am 29. April 2002 eine Reihe von Anhörungen durch, in deren Rahmen verschiedene Organisationen ihre Vorstellungen von der Zukunft der Maßnahmen für den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt der EU äußerten.

4.2.1. Der allgemeine Tenor der Bemerkungen der in der Anhörung vertretenen Organisationen deckte sich weitgehend mit den in der Stellungnahme vertretenen Standpunkten des Ausschusses. In diesem letzten Abschnitt seien die verschiedenen erörterten Themen rekapituliert.

4.3. Es herrscht klares Einvernehmen darüber, dass die territoriale Hilfe nach Ziel 1 der Strukturfonds auch nach 2006 beibehalten werden sollte. Zwar ist man sich bewusst, dass dies von den Mitgliedstaaten große finanzielle Anstrengungen erfordert, doch ist man sich generell darüber einig, dass dieses Opfer gebracht werden muss. Der Bedarf an wirtschaftlichem und sozialem Zusammenhalt der Bewerberländer ist enorm, aber auch eine beträchtliche Anzahl von Regionen der bisherigen 15 EU-Mitgliedstaaten benötigen über das Jahr 2006 hinaus weiterhin Hilfe, da sonst die bisher aus der Inanspruchnahme der Strukturfondsbeihilfen gezogenen Gewinne leicht in ihr Gegenteil verkehrt werden könnten.

4.3.1. Folglich ist es auch unerlässlich, dass Regionen, die bislang nach Ziel 1 förderfähig sind und deren Förderfähigkeit nach 2006 lediglich durch die statistischen Auswirkungen der Erweiterung auf das durchschnittliche Pro-Kopf-BIP gefährdet würde, weiterhin unterstützt werden. Dies kann entweder in Form der Erhöhung des Grenzwerts von 75 % oder durch eine zufriedenstellende mittelfristige Unterstützung während einer Übergangszeit geschehen. Entscheidet man sich für die letztgenannte Möglichkeit, so muss sich die Länge der Übergangszeit nach der tatsächlichen Verbesserung der wirtschaftlichen Bedingungen in den förderfähigen Regionen richten.

4.4. Die unmittelbaren finanziellen Auswirkungen der Erweiterung auf den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt bedingen zusammen mit dem anhaltenden Bedarf der Regionen der heutigen 15 EU-Mitgliedstaaten an Ziel 1-Fördermitteln, dass die derzeitige Obergrenze der Strukturfondsmittel von 0,45 % des BIP höchstwahrscheinlich angehoben werden muss. Der Ausschuss plädiert hierfür als unweigerlich aus der Erweiterung zu ziehende Konsequenz. Bei jeder Neufestlegung der Obergrenze sollte der Verpflichtung aus dem Vertrag, für einen stärkeren wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt zu sorgen, Rechnung getragen werden.

4.5. Bisher hat sich hinsichtlich der Zukunft der Ziel 2-Hilfe nach 2006 noch kein klares Konzept herausgeschält. Zwar steht fest, dass die für Ziel 1 bereitgestellten Gesamtmittel angehoben werden müssen, doch sind nicht alle damit einverstanden, dass dies auf Kosten der Ziel 2-Hilfe geschieht.

4.5.1. Der Ausschuss wurde verschiedentlich auf die Bedeutung dieser Hilfe, insbesondere bei unerwarteten wirtschaftlichen Schocks, die bestimmte Wirtschaftszweige in bestimmten Regionen destabilisieren, sowie als Instrument zur Erleichterung der wirtschaftlichen Diversifizierung in Regionen, die bislang von im Niedergang befindlichen traditionellen Industriezweigen abhängen, hingewiesen. Dieses Problem dürfte sich sowohl durch die Erweiterung als auch durch den sich beschleunigenden Globalisierungstrend für die bisherigen Mitgliedstaaten und die Bewerberstaaten noch verschärfen.

4.5.1.1. Die Kommission sollte ernsthaft in Erwägung ziehen, im EU-Haushalt eine Fazilität einzurichten, die der Stabilisierung des Regionaleinkommens im Falle eines unerwarteten wirtschaftlichen Schocks dient, auf den der betroffene Mitgliedstaat aufgrund der haushaltspolitischen Zwänge, die ihm durch den Wachstums- und Stabilitätspakt auferlegt wurden, nicht reagieren kann. Diese Fazilität braucht, da sie nur in Ausnahmefällen in Anspruch genommen würde, nicht groß zu sein, und könnte nur unter strengen, von Kommission und Rat gemeinsam festgelegten Bedingungen gewährt werden. Sie könnte als verbesserte "own-initiative facility" bezeichnet werden.

4.5.2. Es gibt zwei grundlegende Punkte, auf die der Ausschuss aufmerksam machen möchte: Erstens sollte es weiterhin eine Fazilität im Rahmen der Strukturfonds geben, mit deren Hilfe die EU auf unerwartete wirtschaftliche Schocks, die eine bestimmte Region stark zu destabilisieren drohen, reagieren kann. Hierfür könnte eine Erweiterung und weitere Konsolidierung des Konzepts der Gemeinschaftsinitiativen vorgesehen werden. Zweitens sollten die ganz besonderen Bedürfnisse der geographisch benachteiligten Regionen (z. B. Randgebiete, ländliche Gebiete, Berggebiete und Küstenregionen) weiterhin durch die gemeinschaftlichen Strukturfonds unterstützt werden.

4.5.3. Genauso wie im Falle der Ziel 1-Regionen ist die wirtschaftliche Benachteiligung eng mit sozialer Benachteiligung verknüpft, weshalb es wichtig ist, dass die Anstrengungen auf EU-Ebene weiterhin allen benachteiligten Regionen und nicht nur den prioritär geförderten unter ihnen zugute kommen.

4.5.4. Allerdings könnten u. U. auch alternative Lösungen für bestimmte Arten von Problemen des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts in Ziel 2-Regionen angewandt werden. Diesbezüglich empfiehlt der Ausschuss insbesondere, die Möglichkeit der Anwendung der Methode der offenen Koordinierung in diesem Bereich zu prüfen. Die Mitgliedstaaten würden hierbei politische Einzelziele für Maßnahmen zugunsten des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts (Benchmarks) aufstellen, um sodann ihre nationale Wirtschaftspolitik hieran zu orientieren. Dies hat nicht nur den Vorteil einer gewissen Entlastung des EU-Haushalts, sondern gewährleistet auch, dass die Entscheidungen auf der dafür geeignetsten Ebene entsprechend der Regelung für das Regieren in Europa getroffen werden.

4.5.4.1. Wird eine "offene Methode" in diesem Politikbereich angewandt, so ist es unbedingt notwendig, dabei die wichtigsten Lehren umzusetzen, die seit den Reformen von 1988 aus der breiten Anwendung einer gemeinschaftlichen Methode der Strukturförderung, insbesondere im Wege von Partnerschaft und Programmplanung, gezogen wurden. So ist es unerlässlich, dass bei jeder Vergrößerung der Rolle der Mitgliedstaaten im Rahmen der Kohäsionsbemühungen der EU die Prinzipien dieser Politik, die für ihren Erfolg ausschlaggebend waren, weiterhin beachtet werden.

4.5.5. Der Ausschuss empfiehlt zwar zu prüfen, ob die offene Methode geeignet ist, einen Teil der Probleme der derzeitigen Ziel 2-Regionen bei der Entwicklung ihrer Wirtschaft zu bewältigen, doch sollten hierbei stets die jeweils bewährtesten Verfahren für die Anwendung, Umsetzung und Überwachung berücksichtigt werden.

4.6. Bei jeglichen Maßnahmen für den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt sollten Investitionen in Politikbereiche, die für die Vergrößerung des langfristigen Wirtschaftswachstumspotentials der Region notwendig sind, weiterhin Priorität haben. Öffentliche Maßnahmen mithilfe der Strukturfonds werden in benachteiligten Regionen auf drei Gebieten weiterhin eine entscheidende Rolle spielen:

- bei Investitionen in die wirtschaftliche Infrastruktur;

- bei Investitionen in Bildungs- und Ausbildungsprogramme;

- bei Investitionen in Technologien und den Technologietransfer.

4.7. Der Ausschuss findet es ermutigend, dass der wirtschaftliche und soziale Zusammenhalt bis zur nächsten Etappe strukturpolitischer Maßnahmen einer umfassenderen Überprüfung unterzogen werden soll. Seit den Reformen von 1988 wurde der wirtschaftliche und soziale Zusammenhalt nach engen wirtschaftlichen Kriterien - Pro-Kopf-Einkommen und Arbeitslosenzahlen - definiert. Zwar haben beide Indikatoren den Vorzug der leichten Zugänglichkeit, Objektivität und Vergleichbarkeit, doch spiegelt keiner von ihnen die wichtigen Aspekte der sozialen Benachteiligung wider, denen begegnet werden muss. Der Wirtschafts- und Sozialausschuss empfiehlt, in den Arbeiten des Ausschusses für Sozialschutz angemessene Indikatoren für die soziale Integration zu definieren, und unterstreicht, dass bei diesen Indikatoren zusätzlich die Gebietskomponente berücksichtigt werden muss.

4.8. Es herrscht allgemeine Einigkeit darüber, dass Ziel 3-Maßnahmen wesentlicher Bestandteil einer erfolgreichen Strategie zur Erreichung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts sind und auch bei künftigen Reformen der Strukturpolitik beibehalten werden sollten. Eine wichtige Aufgabe im Rahmen dieses Ziels ist es, für die am meisten benachteiligten Gruppen der Gesellschaft effektive Wege der Integration in den Arbeitsmarkt zu entwickeln. In diesem Zusammenhang sollte auch der Rolle der Unternehmen - oder des Unternehmertums - bei der Durchführung von Ausbildungs- und Umschulungsmaßnahmen Aufmerksamkeit gewidmet werden. Nach allgemeiner Auffassung hat die kulturelle und bildungspolitische Einstellung zum Unternehmertum einen großen Einfluss auf die Entfaltung des wirtschaftlichen Potentials einer Region, auch wenn dieser Einfluss nicht messbar ist. Deshalb drängt der Ausschuss darauf, dass solche Erwägungen in den Überprüfungsprozess sowohl auf EU-Ebene als auch in den Mitgliedstaaten einbezogen werden.

Brüssel, den 18. Juli 2002.

Der Präsident

des Wirtschafts- und Sozialausschusses

Göke Frerichs

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