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Document 52002IE0850

Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Direktbesteuerung von Unternehmen"

ABl. C 241 vom 7.10.2002, p. 75–80 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

52002IE0850

Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Direktbesteuerung von Unternehmen"

Amtsblatt Nr. C 241 vom 07/10/2002 S. 0075 - 0080


Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Direktbesteuerung von Unternehmen"

(2002/C 241/14)

Der Wirtschafts- und Sozialausschluss beschloss am 17. Januar 2002 gemäß Artikel 23 der Geschäftsordnung, eine stellungnahme zu dem vorgenannten Thema zu erarbeiten.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 25. Juni 2002 an. (Berichterstatter: Herr Malosse - Mitberichterstatterin: Frau Sánchez Miguel).

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 392. Plenartagung am 17. und 18. Juli 2002 (Sitzung vom 17. Juli) mit 127 Ja-Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme.

1. Einleitung

1.1. Am 23. Oktober 2001 unterbreitete die Kommission dem Rat, dem Europäischen Parlament und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss eine Mitteilung mit folgendem Titel: "Ein Binnenmarkt ohne steuerliche Hindernisse - Strategie zur Schaffung einer konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage für die grenzüberschreitende Unternehmenstätigkeit in der Europäischen Union".

1.2. In dieser Mitteilung erläutert die Kommission, welche Maßnahmen sie in den nächsten Jahren im Bereich der Unternehmensbesteuerung für erforderlich und tatsächlich durchsetzbar hält, um die einschlägigen Regelungen an die neuen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen anzupassen und einen effizienteren Binnenmarkt ohne steuerliche Hindernisse zu schaffen. Die Körperschaftsteuer macht in der Europäischen Union 3,2 % des BIP aus.

1.3. Nach Überzeugung der Kommission ist es bisher nicht gelungen, die Regelungen der Unternehmensbesteuerung in der EU an Entwicklungen wie Globalisierung, wirtschaftliche Integration des Binnenmarktes und Wirtschafts- und Währungsunion anzupassen. Die Kommission hält daher einen neuen Ansatz für unerlässlich, um das steuerliche "Wohlbefinden" der Wirtschaftsteilnehmer zu gewährleisten.

1.4. Zur Fundierung dieses neuen Ansatzes stützt sich die Kommission auf die Ergebnisse einer ausführlichen wirtschaftlich-rechtlichen Studie, die es ihr ermöglicht hat, einerseits die tatsächliche Steuerbelastung der Unternehmen in den einzelnen Mitgliedstaaten der Union aufzuzeigen und andererseits die Bereiche festzustellen, in denen die Regelungen der Unternehmensbesteuerung die grenzüberschreitende Wirtschaftstätigkeit im Binnenmarkt hemmen und somit die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in der EU unterminieren.

1.5. Bevor diese Mitteilung ausführlich gewürdigt werden soll, ist ganz allgemein festzustellen, wie wichtig diese Initiative der Kommission ist, die seit den Schlussfolgerungen des Ruding-Ausschusses von 1992 ohne Beispiel geblieben ist. Die größte Neuerung darin ist zweifellos der Vorschlag, eine konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage einzuführen.

1.6. Die Initiativstellungnahme des EWSA fügt sich in den Rahmen der von der Europäischen Kommission in ihrer Mitteilung angestoßenen Debatte ein. Dabei werden aber auch sämtliche Faktoren berücksichtigt, die zur Herausbildung starker Wettbewerbsdisparitäten zwischen den Unternehmen im Binnenmarkt geführt haben: Sozialabgaben, Kapital- und Arbeitskosten, allgemeine wirtschaftliche Rahmenbedingungen, Infrastrukturniveau und öffentliche Dienstleistungen, Ausbildung und Qualifizierung des Personals. Es muss in diesem Kontext festgestellt werden, dass der Steuerfaktor entscheidend sein kann, aber nicht der allein ausschlaggebende Faktor bei der Standortwahl von Investitionen ist.

2. Die Sachverhaltsfeststellungen in der Studie der Europäischen Kommission

Diese Studie enthält zunächst zahlreiche Hinweise auf die tatsächliche Steuerbelastung der Unternehmen in den einzelnen Mitgliedstaaten der Union.

2.1. Für Vergleichszwecke sind der Kommission zufolge nicht nur die Nominalsätze, sondern die effektiven Steuersätze zu untersuchen, d. h. die Steuer, die von den Unternehmen für ein bestimmtes Geschäft tatsächlich zu entrichten ist.

2.2. Die Kommission hat festgestellt, dass die Besteuerung zwar nur einer der bestimmenden Faktoren bei Investitions- und Finanzierungsentscheidungen ist, doch dass die erhebliche Spannbreite der effektiven Steuersätze zwischen den Mitgliedstaaten eine tiefgreifende Analyse erfordert. Bei den effektiven Körperschaftsteuersätzen in der EU bestehen erhebliche Abweichungen - die bis zu 30 % reichen - die hauptsächlich auf die Disparitäten bei den einzelstaatlichen gesetzlichen Steuersätzen zurückzuführen sind und weniger auf Unterschiede bei der Steuerungsbemessungsgrundlage.

2.3. Trotz der unterschiedlichen Bemessungsgrundlage sind die Sätze nach Ansicht der Kommission ein guter Indikator für die globale Steuerbelastung. Die Kommission ist jedoch nach wie vor der Auffassung, dass die Festsetzung der Körperschaftsteuersätze eine Frage ist, die gegenwärtig in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten verbleiben muss.

2.4. In einem zweiten Schritt werden in der Studie einige Steuerhindernisse festgestellt, die die grenzüberschreitende Wirtschaftstätigkeit im Binnenmarkt hemmen. Das Bestehen von 15 verschiedenen Regelwerken für die Festsetzung der Steuerbemessungsgrundlage im Binnenmarkt zieht nicht nur erhebliche Befolgungskosten nach sich, sondern verursacht zahlreiche Probleme bei der Besteuerung von Konzernumsätzen ("Verrechnungspreise") und erhöht die Gefahren der Doppelbesteuerung.

In diesem Bereich werden in der Studie der Kommission einige nachteilige Folgen aufgezeigt:

2.4.1. Die Unternehmen müssen ihre Gewinne in getrennten Buchführungen nach dem Fremdvergleichsgrundsatz den einzelnen Steuergebieten zurechnen.

2.4.2. Die Mitgliedstaaten gewähren ungern die Abzugsfähigkeit für Verluste verbundener Unternehmen, deren Gewinne sich ihrem steuerlichen Zugriff entziehen.

2.4.3. Grenzüberschreitende Unternehmensumstrukturierungen können dazu führen, dass Veräußerungsgewinne besteuert und andere Abgaben erhoben werden.

2.4.4. Kollidierende Besteuerungsrechte können Doppelbesteuerung zur Folge haben.

2.5. Zu diesen Schwierigkeiten kommen hinzu die Unterschiede bei den Vorschriften, der Steuererhebung, der Einlegung von Rechtsmitteln und der Steuerprüfung, d. h. die unterschiedlichen Steuerpraktiken, die noch schwieriger zu beurteilen sind als die Basistexte.

3. Der Strategievorschlag der Europäischen Kommission

Die von der Kommission vorgeschlagene Strategie, um das steuerliche "Wohlbefinden" der Marktteilnehmer zu erreichen, sieht zwei Etappen vor:

3.1. An erster Stelle dieser Strategie stehen einige gezielte Maßnahmen zu Fragen wie Ergänzung der Richtlinien über Dividendenzahlungen und Fusionen, grenzübergreifender Verlustausgleich, Verrechnungspreise und Doppelbesteuerungsabkommen.

3.2. An zweiter Stelle ist die Kommission jedoch überzeugt, dass langfristig die Unternehmen die Möglichkeit erhalten müssen, auf der Grundlage einer konsolidierten Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage für ihre gesamte grenzüberschreitende Unternehmenstätigkeit in der EU besteuert zu werden, damit ihnen die Mehraufwendungen erspart bleiben, die aus dem derzeitigen ineffizienten Nebeneinander von 15 unterschiedlichen Steuerregelwerken resultieren.

4. An Erster Stelle: eine kurzfristige Strategie in Form gezielter Massnahmen

Die Kommission ist der Auffassung, dass einige gezielte Maßnahmen "zugleich erste Schritte zur Vorbereitung einer umfassenden Lösung darstellen" und ab sofort die Verbesserung der geltenden Vorschriften und ihre Anwendung Priorität erhalten muss.

4.1. Leichtere Anwendung der Rechtsprechung des Gerichtshofes

Die Kommission will zu wichtigen EuGH-Urteilen Orientierungshilfen ausarbeiten, um eine den Verträgen und der Rechtsetzung der Gemeinschaft konforme Anwendung zu erleichtern. Im Jahre 2001 hat die Kommission bereits ein Programm von Sitzungen mit Vertretern der Mitgliedstaaten eingeführt, das sie fortführen und erweitern will.

4.2. Mutter-/Tochter- und Fusionsrichtlinien

Grenzüberschreitende Einkommensströme und Umstrukturierungen unterliegen oftmals einer zusätzlichen Besteuerung. Die Mutter-/Tochter- und Fusionsrichtlinien haben nicht sämtliche Probleme in diesem Bereich lösen können.

4.2.1. Die Kommission will Änderungen an den Mutter-/Tochter- und Fusionsrichtlinien vorlegen, verbunden mit eingehenden Orientierungshilfen, wie die Bestimmungen anzuwenden sind.

4.2.2. Die Kommission hatte bereits im Jahre 1993 Vorschläge zur Änderung dieser Richtlinien unterbreitet (Ausweitung des Anwendungsbereichs, um alle Formen von körperschaftsteuerpflichtigen Gesellschaften zu erfassen), sie vertritt jedoch nunmehr die Auffassung, dass diese Richtlinien auch ausgeweitet und verbessert werden müssen, um ein breiteres Spektrum an Steuern und Vorgängen abzudecken. Ihr Anwendungsbereich muss auch die Einrichtungen erfassen, die künftig in der Rechtsform der Europäischen Gesellschaft ("societas europeae" - SE) betrieben werden.

4.2.3. Die Möglichkeiten eines grenzübergreifenden Verlustausgleichs sind sehr begrenzt, und es kommt häufig vor, dass Konzerne die in einem Mitgliedstaat des Binnenmarktes erzielten Gewinne versteuern müssen, ohne dass sie parallel dazu die in einem anderen Mitgliedstaat erlittenen Verluste verrechnen können.

4.2.4. Die Kommission wird ihren Richtlinienvorschlag von 1990 zurückziehen, in dem die Berücksichtigung von Verlusten vorgesehen war, die in ständigen Betriebsstätten und Tochtergesellschaften von Unternehmen in anderen Mitgliedstaaten angefallen waren; dieser Vorschlag hat sich für die Mitgliedstaaten als inakzeptabel erwiesen.

4.2.5. Um die Vorbehalte der Mitgliedstaaten gegen jegliche Gemeinschaftsinitiative in diesem Bereich zu überwinden, schlägt die Kommission vor, 2002 eine Runde von Vorbereitungstreffen zur Klärung technischer Fragen mit Vertretern der Mitgliedstaaten abzuhalten, um einen neuen verbesserten Vorschlag mit gegebenenfalls weiterem Anwendungsbereich auszuarbeiten, und bis Ende 2003 einen Bericht vorzulegen, welche Rechtsakte sie initiieren will.

4.3. Verrechnungspreise

Die Frage der Verrechnungspreise ist international gesehen einer der umstrittensten Punkte zwischen Unternehmen und Steuerverwaltungen, ja sogar zwischen den Steuerverwaltungen selbst.

4.3.1. Die Besteuerung von Waren- und Dienstleistungsumsätzen innerhalb multinationaler Unternehmen ist von umso größerer Bedeutung, als diese Umsätze in den letzten Jahren einen enormen Umfang angenommen haben und heute fast die Hälfte des Welthandels ausmachen. Die Steuerverwaltungen haben über die multinationalen Unternehmen und ihre internen Handelsgeschäfte einen durch ihre territoriale Zuständigkeit zwangsläufig eingeschränkten Blickwinkel, und eine globale Betrachtung der Vorgänge ist unmöglich.

4.3.2. Es trifft zu, dass die Preisgestaltung für diese Umsätze nicht immer den Marktgesetzen unterliegt und die Unternehmen häufig verdächtigt werden, ihre globale Steuerbelastung zu senken, indem sie Gewinne in die Länder mit der interessantesten Besteuerung verlagern. Die Steuerverwaltungen beanstanden daher Preise, die nach ihrer Auffassung nicht den Preisen entsprechen, die zwischen unabhängigen Unternehmen ausgehandelt worden wären, und die Gefahr der Doppelbesteuerung ist groß, denn die Vorgehensweisen unterscheiden sich je nach Mitgliedstaat. So kann ein Preis in einem Mitgliedstaat als zu hoch und in einem anderen als zu niedrig bezeichnet werden, was in beiden Fällen zu Berichtigungen führt, ohne dass sich die Verwaltungen über den "angemessenen Preis" verständigen können.

4.3.3. Trotz der insbesondere von der OECD vorangetriebenen Aktivitäten zur Festlegung gerechter Grundsätze ist das Risiko von Streitigkeiten zwischen den Steuerverwaltungen sehr hoch, da deren Hauptanliegen die Erhaltung der Steuereinnahmen ist. Daher kommt es häufig zu Doppelbesteuerung.

4.3.4. Außerdem können die internationalen Steuerübereinkommen nicht effizient auf dieses Problem angewandt werden, denn die vorgeschlagenen Lösungen regeln in keiner Weise das Problem der Gefahr einer unterschiedlichen Beurteilung durch die Mitgliedstaaten, da diese nur eine Teilansicht der Vorgänge haben.

4.3.5. Somit stellt sich das Problem, das in Zukunft in einem europäischen Binnenmarkt noch energischer angegangen werden muss, dass gemeinsame Lösungen für die Europäische Union gefunden werden müssen.

4.3.6. Daher schlägt die Kommission die Einrichtung eines "Gemeinsamen Forums der EU für Verrechnungspreise" mit Vertretern der Mitgliedstaaten in der ersten Hälfte des Jahres 2002 vor. Ziel soll eine verbesserte Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen Mitgliedstaaten und Unternehmen in der Frage der Besteuerung konzerninterner grenzübergreifender Geschäfte sein. Außerdem besteht in den Mitgliedstaaten die Tendenz, den Unternehmen immer umfangreichere Dokumentationspflichten für Verrechnungspreise aufzuerlegen. Das genannte Forum könnte einige Fragen klären, die ohne den Erlass von Rechtsakten gelöst werden können, z. B. die Vorab-Verrechnungspreiszusagen, die Dokumentationspflichten und die Methoden zur Festsetzung von Verrechnungspreisen im Rahmen der OECD-Leitlinien.

4.4. Das Schiedsübereinkommen und die Doppelbesteuerungsabkommen

Die Regelungen zur Milderung der Doppelbesteuerung bei grenzübergreifenden Aktivitäten, seien es bilaterale Doppelbesteuerungsabkommen oder das Übereinkommen von 1990 zur Beseitigung von Beurteilungsunterschieden zwischen nationalen Steuerverwaltungen im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen (Schiedsübereinkommen - 90/436/EWG), funktionieren nicht zufriedenstellend.

4.4.1. Die Kommission will 2003 einen Richtlinienvorschlag zur Überprüfung und Verbesserung des Schiedsübereinkommens vorlegen und seine Bestimmungen durch den Gerichtshof auslegen lassen.

4.4.2. 2004 will die Kommission eine Mitteilung über die Doppelbesteuerungsübereinkommen vorlegen, in der die Notwendigkeit hervorgehoben wird, einige Bestimmungen der bilateralen Abkommen zwischen Mitgliedstaaten gemäß dem OECD-Mustersteuerabkommen anzupassen, um sie mit den Grundsätzen des EG-Vertrags besser in Einklang zu bringen. Mittelfristiges Ziel ist es, eine EU-Version des OECD-Mustersteuerabkommens und des dazugehörigen Kommentars zu erarbeiten, die den spezifischen Anforderungen der Zugehörigkeit zur Gemeinschaft Rechnung trägt, bzw. auch ein multilaterales EU-Übereinkommen zu erstellen.

5. An Zweiter Stelle: eine langfristige Strategie für eine konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage

Dies ist die wichtigste Innovation der Mitteilung.

5.1. Selbst wenn die oben erwähnten verschiedenen gezielten Maßnahmen einen gewissen Fortschritt bei der Beseitigung der Steuerhindernisse ermöglichen, ist sich die Kommission bewusst, dass das Hauptproblem, nämlich das Nebeneinander von 15 verschiedenen Steuerregelwerken im Binnenmarkt, weiterhin bestehen bleibt. Die tieferen Ursachen des Problems müssen also an der Wurzel angegangen werden.

5.2. In der der Mitteilung beigefügten Studie werden die Überlegungen ziemlich weit vorangetrieben und die Wirkungen einer theoretischen Harmonisierung bestimmter Merkmale der Steuerregelungen simuliert.

5.3. Die signifikanteste Wirkung ließe sich durch die Einführung eines einheitlichen Regelsteuersatzes in der EU erzielen. Kein anderes der untersuchten Szenarien lässt sich damit wirkungsmäßig vergleichen.

5.4. Die Kommission ist jedoch der Auffassung, dass die Festlegung einer konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage für die gesamte grenzüberschreitende Unternehmenstätigkeit in der EU eine potenziell geeignete Lösung wäre, um die Effizienz zu verbessern, die Einfachheit und Transparenz der Körperschaftsteuerregelungen zu fördern und insbesondere die Befolgungskosten zu senken.

5.5. Die Einführung einer konsolidierten Bemessungsgrundlage würde es den Unternehmen mit grenzüberschreitenden und internationalen Tätigkeiten in der EU ermöglichen:

- das Einkommen des gesamten Konzerns anhand eines einzigen Regelwerks zu berechnen und

- für steuerliche Zwecke konsolidierte Bilanzen zu erstellen, um die potenziellen steuerlichen Wirkungen rein konzerninterner Geschäfte auszuschalten.

5.6. Um dieses Ziel zu erreichen, werden in der Studie der Kommission mehrere denkbare technische Ansätze aufgezeigt. Die untersuchten Lösungsmöglichkeiten sind Folgende.

5.6.1. Besteuerung im Sitzland der "Muttergesellschaft". Die konsolidierte Bemessungsgrundlage eines multinationalen Konzerns würde gemäß den Steuergesetzen des Sitzstaates der "Muttergesellschaft" berechnet (d. h. des Staates, in dem sich der Gesellschaftssitz befindet).

5.6.2. Besteuerung nach einer einheitlichen konsolidierten Bemessungsgrundlage. Die konsolidierte Bemessungsgrundlage eines multinationalen Konzerns würde nach ganz neuen harmonisierten Regeln, die in der gesamten Europäischen Union anwendbar sind, berechnet.

5.6.3. Europäische Körperschaftsteuer: Die Körperschaftsteuer würde auf europäischer Ebene erhoben und das Steueraufkommen würde (zumindest teilweise) in den Haushalt der Europäischen Union fließen.

5.6.4. Obligatorische Harmonisierung der bestehenden Bemessungsgrundlagen. Im Unterschied zu den drei oben aufgezeigten Lösungsansätzen, die neben den nationalen Steuersystemen bestehen würden, würde die konsolidierte Bemessungsgrundlage für sämtliche Unternehmen in der Europäischen Union nach harmonisierten Regeln berechnet.

5.7. Die künftigen Entwicklungen in Bezug auf eine Europäische Gesellschaft (Statut europäischen Rechts für die KMU, wie in der am 21. März 2002 verabschiedeten Initiativstellungnahme des WSA vorgeschlagen(1) ermöglichen es ebenfalls, ggf. für diese Gesellschaften eine allgemeine Körperschaftsteuerregelung und eine konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage für deren sämtliche Unternehmenstätigkeiten in der EU vorzusehen.

5.8. Für diese zweite Phase eröffnet die Kommission eine echte Debatte über die künftige Gestalt der Unternehmensbesteuerung in Europa und unterbreitet mehrere Lösungsansätze, für die klare Entscheidungen getroffen werden müssen.

6. Zu beachtende Grundprinzipien

6.1. Der EWSA unterstützt den ehrgeizigen Ansatz der Europäischen Kommission. Seiner Auffassung nach obliegt es effektiv der europäischen Exekutive, Vorschläge zu unterbreiten, die den Anforderungen der europäischen Integration entsprechen.

6.2. Der EWSA bedauert jedoch, dass der Anwendungsbereich der Vorschläge der Europäischen Kommission sich im Wesentlichen auf die Frage der Steuerhindernisse für grenzüberschreitende Unternehmenstätigkeiten erstreckt, während die steuerlichen Disparitäten alle Unternehmen betreffen, insbesondere die kleinen. Der EWSA meint, dass die negativen Auswirkungen einer fehlenden Transparenz sowie allzu starker Disparitäten nicht unterschätzt werden dürfen; sie können schwerwiegende Wettbewerbsverzerrungen mit den Wirkungen eines Steuerdumping hervorrufen.

6.3. Die Gewährleistung eines lauteren Wettbewerbs zwischen Unternehmen muss, wie im Ruding-Bericht hervorgehoben wird, bei jeder steuerrechtlichen Initiative der Gemeinschaft Priorität haben.

6.4. Die Gleichbehandlung aller Unternehmenskategorien, insbesondere der kleinsten Unternehmen, muss mehr als ein Ziel sein, nämlich eine zwingende Vorgabe, die in allen Stadien der Verwirklichung dieses Projekts zu beachten ist.

6.5. Diese steuerpolitischen Vorschläge müssen in Einklang mit den großen politischen Zielen der Europäischen Union stehen. Gemäß den in Cardiff und Luxemburg beschlossenen Strategien ist es beispielsweise wichtig, dass durch diese Vorschläge ein beschäftigungsfreundliches Klima geschaffen wird und sie also in Bezug auf die zwei Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital steuerpolitisch neutral sein müssen. Diese Vorschläge müssen auch in die auf dem Lissabonner Gipfel des Europäischen Rates beschlossenen Ziele der Wettbewerbsfähigkeit eingebettet sein und daher eine Besteuerung fördern, die die Schaffung und Entwicklung von Unternehmen und Arbeitsplätzen begünstigt.

6.6. Der EWSA begrüßt einen Ansatz, der auf die Vereinfachung der Steuerregelungen sowohl für grenzüberschreitende Tätigkeiten als auch für die Tätigkeit auf dem nationalen Markt abzielt. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es wichtig, auf die Transparenz der Regelungen für die Unternehmensbesteuerung in der Europäischen Union abzustellen.

6.7. Der EWSA vertritt die Auffassung, dass sich die Union an steuerpolitischen Lösungsansätzen orientieren muss, die in Ländern gefunden wurden, in denen unter Beachtung der Unterschiedlichkeit und Souveränität der Landesgebiete unterschiedliche Regelungen dem Grundsatz eines lauteren Wettbewerbs nicht abträglich sind und unter transparenten Bedingungen angewandt werden. In dieser Hinsicht sollte das Beispiel der Schweizerischen Eidgenossenschaft näher untersucht werden, denn es scheint der Schweiz gelungen zu sein, Subsidiarität und Harmonisierung in Einklang zu bringen.

6.8. Der EWSA betont, dass die Steuerregelung eng mit dem Harmonisierungsprozess für die Rechnungslegungsvorschriften verknüpft werden muss.

6.8.1. Der Europäischen Union ist es nicht gelungen, die Rechnungslegungsverpflichtungen der europäischen Unternehmen wirklich zu harmonisieren. Zwar trifft es zu, dass die Verabschiedung der vierten und siebten Gesellschaftsrichtlinie die nationalen Rechnungslegungsvorschriften der Unternehmen angeglichen haben, die Abänderungen und Besonderheiten je nach Unternehmensform haben jedoch zu einer Gesamtheit von Vorschriften geführt, die keine Harmonierung ermöglicht.

6.8.2. Die Anwendung der internationalen Rechnungslegungsstandards (IAS) könnte eine Lösung darstellen; sie sind bereits für börsennotierte Gesellschaften, für Finanzgesellschaften und für Versicherungsgesellschaften in den Rechtsvorschriften der Gemeinschaft(2) verankert. Zweck dieser internationalen Standards ist jedoch eine Information der Investoren über die Rechnungslegung, während für die Körperschaftsteuer eine Rechnungslegung erforderlich ist, die den Vermögensstand des Unternehmens widerspiegelt, um das für jedes Steuerjahr erzielte Ergebnis festzustellen.

6.9. Der EWSA unterstützt den Standpunkt, die Steuervorschläge der EU mit den Rechtsstatuten für Europäische Gesellschaften zu verknüpfen. Diese Statuten müssen gemäß der Initiativstellungnahme des WSA zu einem Gesellschaftsstatut europäischen Rechts für KMU(3) für jede Unternehmenskategorie zugänglich sein.

6.10. Der EWSA vertritt die Auffassung, dass die bevorstehende Erweiterung der EU um Länder mit einem im Allgemeinen sehr deutlich unter dem Durchschnitt liegenden Einkommen ein Faktor zur Beschleunigung jeder europäischen Initiative im Bereich der Unternehmensbesteuerung ist. Einerseits nämlich kann diese Erweiterung die im Binnenmarkt bestehenden steuerlichen Disparitäten nur verschärfen und andererseits ist es nützlich, einige gemeinsame Grundsätze für Länder festzulegen, die dabei sind, ihre Steuerrechtsordnung auf völlig neuen Grundlagen zu errichten.

7. Standpunkte des EWSA

7.1. In Bezug auf die erste Etappe unterstützt der EWSA zunächst die Vorschläge der Europäischen Kommission zum beschleunigten Erlass von Bestimmungen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung und begrüßt insbesondere den Vorschlag für ein "Gemeinsames Forum der EU für Verrechnungspreise".

7.1.1. Nach Ansicht des EWSA handelt es sich bei diesen Vorschlägen um einen wichtigen Schritt zur Beseitigung der Steuerhindernisse im Binnenmarkt. Diese Initiativen haben allerdings keine Auswirkungen auf die übermäßigen Steuerverzerrungen, die im Binnenmarkt fortdauern und sich mit der Erweiterung noch zu verschärfen drohen.

7.1.2. Der EWSA fordert nachdrücklich, dass diese erste Phase mit praktischen Lösungen unverzüglich umgesetzt wird.

7.2. Was die folgende Etappe betrifft, so begrüßt der EWSA(4) das Ziel eines Binnenmarktes ohne Steuerhindernisse. Seiner Ansicht nach kann dieses Ziel nur ein Mittel sein, um zur Festlegung gemeinsamer Grundsätze zu gelangen, die einen Binnenmarkt fördern, in dem lauterer Wettbewerb herrscht. Diese gemeinsamen Grundsätze sollten auch die Ziele Vereinfachung, Wettbewerbsfähigkeit und Schaffung von Arbeitsplätzen fördern.

7.2.1. Der EWSA hält es für unerlässlich, Bedingungen für eine Transparenz der Steuerregelungen in der Europäischen Union zu schaffen, die die Vorstufe für die Herstellung von Bedingungen lauteren Wettbewerbs sind. In diesem Zusammenhang ist der vierte von der Kommission vorgeschlagene Lösungsansatz einer harmonisierten Bemessungsgrundlage allein in der Lage, dieses Ziel zu erreichen. Die drei anderen Lösungsvorschläge der Europäischen Kommission (ausgenommen der Vorschlag für eine europäische nichtfakultative Steuer) dürften zwei unterschiedliche Regelungen für die Unternehmen schaffen, je nachdem ob diese nur innerhalb oder auch außerhalb ihrer nationalen Grenzen tätig sind. Diese Lösungen würden eine Art Steuerprivileg schaffen, ein Steuersystem der zwei Geschwindigkeiten. Sie sind daher nicht akzeptabel.

7.2.2. Das Ziel einer harmonisierten Bemessungsgrundlage für sämtliche Unternehmen in der EU ist mit der Steuerhoheit der Mitgliedstaaten und der Regionen der EU vereinbar, denn sie belässt ihnen die Möglichkeit, den Hebesatz festzulegen. Hier muss betont werden, dass die harmonisierte Bemessungsgrundlage wegen ihres Transparenzeffekts die Wirtschaftsteilnehmer in die Lage versetzen würde, starken Druck auf die nationalen Steuerbehörden auszuüben, was wegen der Undurchsichtigkeit der Steuerregelungen derzeit nicht der Fall ist. Mittelfristig wäre es wünschenswert, dass eine echte Konvergenz bei der Höhe der direkten Unternehmenssteuern erzielt wird. Eine Zwischenetappe könnte darin bestehen, Bandbreiten für die Steuersätze oder Referenzsätze festzulegen, die insbesondere den Zielen des Lissabonner Gipfels entsprechen, die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu dynamisieren.

7.2.3. Bei der Untersuchung einer harmonisierten Bemessungsgrundlage sollte die Europäische Kommission auch die Notwendigkeit einer im Verhältnis zu den Produktionsfaktoren neutralen Besteuerung berücksichtigen, insbesondere mit dem Ziel vor Augen, die Beschäftigung nicht nachteilig zu beeinflussen.

7.2.4. Der EWSA begrüßt es, dass der Prozess zur Festlegung einer harmonisierten Bemessungsgrundlage von Unternehmen erprobt wird, die für ein europäisches Statut votiert haben, wobei ihnen jedoch im Vergleich zu anderen Unternehmen keine Erleichterung der Steuerbelastung eingeräumt werden darf. Um diese Unternehmen jedoch zu unterstützen und die europäischen Gesellschaftsstatuten attraktiv zu machen, könnte ihnen eine konsolidierte Bemessungsgrundlage gemäß dem zweiten Lösungsansatz der Europäischen Kommission vorgeschlagen werden, was für die Unternehmen mit transnationalen Aktivitäten eine Vereinfachung darstellen würde. Der EWSA begrüßt es, dass alle Unternehmen ungeachtet ihrer Organisationsform und Größe für ein europäisches Statut votieren können. Der EWSA bittet diesbezüglich die Europäische Kommission, unverzüglich seinen Vorschlag für die Schaffung eines europäischen Statuts für KMU zu prüfen.

7.2.5. Der EWSA begrüßt ferner die Vorschläge der Institutionen, die es ermöglichen würden, eine steuerrechtliche Transparenz im Binnenmarkt zu erreichen, und insbesondere die Abänderung des Einstimmigkeitserfordernisses im Kapitel Unternehmensbesteuerung. Er begrüßt ferner das im Vertrag von Nizza festgelegte Verfahren einer verstärkten Zusammenarbeit, das es einer Gruppe von Mitgliedstaaten ermöglichen würde, Pionierarbeit gemäß den Gemeinschaftsregeln zu leisten.

Brüssel, den 17. Juli 2002.

Der Präsident

des Wirtschafts- und Sozialausschusses

Göke Frerichs

(1) ABl. C 125 vom 27.5.2002, S. 100 "Zugang der KMU zu einem Statut europäischen Rechts" (INT/109).

(2) ABl. C 260 vom 17.9.2001, S. 86 "Anwendung internationaler Rechnungslegungsgrundsätze" (INT/101).

(3) ABl. C 125 vom 27.5.2022, S. 100 "Zugang der KMU zu einem Statut europäischen Rechts" (INT/109).

(4) ABl. C 48 vom 21.2.2002, S. 73 "Steuerpolitik in der Europäischen Union - Prioritäten für die nächsten Jahre" (ECO/072) und ABl. C 149 vom 21.6.2002, S. 73 "Steuerwettbewerb und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen" (ECO/067).

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