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Document 52002AE0860

Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Leistungen der Daseinsvorsorge"

ABl. C 241 vom 7.10.2002, p. 119–127 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

52002AE0860

Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Leistungen der Daseinsvorsorge"

Amtsblatt Nr. C 241 vom 07/10/2002 S. 0119 - 0127


Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Leistungen der Daseinsvorsorge"

(2002/C 241/23)

Mit Schreiben von Herrn Prodi vom 10. Januar 2002 ersuchte die Kommission den Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um die Ausarbeitung einer Sondierungsstellungnahme zu dem vorgenannten Thema zu erarbeiten.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 19. Juni 2002 an. Berichterstatter war Herr Hernández Bataller.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 392 Plenartagung am 17. und 18. Juli 2002 (Sitzung vom 17. Juli) mit 58 gegen 11 Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme.

1. Einleitung

1.1. In verschiedenen Rechtsakten der Gemeinschaft(1) hat man sich um eine Definition des theoretischen Konzepts und der praktischen Merkmale der Leistungen der Daseinsvorsorge bemüht. Dabei hat sich eine Definition herauskristallisiert, die im Wesentlichen noch heute gilt(2). Dieser Definition zufolge sind

- Leistungen der Daseinsvorsorge marktbezogene oder nichtmarktbezogene Tätigkeiten, die im Interesse der Allgemeinheit erbracht und daher von den Behörden mit spezifischen Gemeinwohlverpflichtungen verknüpft werden;

- Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse marktbezogene Tätigkeiten, die im Interesse der Allgemeinheit erbracht und daher von den Mitgliedstaaten mit besonderen Gemeinwohlverpflichtungen verbunden werden.

1.1.1. Darüber hinaus können die Leistungen der Daseinsvorsorge als Bestandteil des europäischen Sozialmodells in folgende Kategorien eingeteilt werden:

- Dienstleistungen, mit denen ein hoheitliches Handeln der Behörden verbunden ist und die den "Hoheitsrechten" gleichkommen;

- Sozialleistungen, die von den Behörden auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene erbracht werden;

- Sozialleistungen, die von gemeinnützigen Organisationen erbracht werden;

- Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, die entweder von öffentlichen oder von privaten Unternehmen oder von gemischtwirtschaftlichen Unternehmen erbracht werden.

1.1.2. Das Konzept der Leistungen der Daseinsvorsorge ist dynamisch und entwicklungsfähig. Es umfasst solche Leistungen, die für das Alltagsleben der Menschen wichtig sind. Als konkrete Beispiele können genannt werden: der öffentliche Verkehr, der Postdienst, die Telekommunikation, der Rundfunk, der Erhalt des Kulturerbes, das Bildungswesen, die Krankenhäuser, die Gesundheitsdienste, die Hafendienste, die Abfallbeseitigung, die Versorgung mit Trinkwasser und Energie (insbesondere Strom und Erdgas)(3).

1.1.3. Leistungen der Daseinsvorsorge zeichnen sich im Wesentlichen durch einen gleichberechtigten Zugang und die Vermeidung jeder Art von Diskriminierung sowie durch Kontinuität und Anpassungsfähigkeit aus. Sie beruhen auf folgenden Prinzipien und Zielen: Universalität, Sicherheit, faire Preisgestaltung, Qualität (das Qualitätsniveau muss von der zuständigen Behörde festgelegt werden), Effizienz (diese muss mit objektiven Mitteln überprüft werden), demokratische Kontrolle, Transparenz, öffentliche Verantwortung der Entscheidungen bezüglich der Verwaltung der technischen und finanziellen Ergebnisse, die Konzertierung insbesondere mit den Arbeitnehmern und ihren Gewerkschaften sowie den Nutzern bzw. Verbrauchern und deren repräsentativen Vereinigungen.

1.2. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat seinerseits eine umfangreiche Palette von Wirtschaftsaktivitäten ermittelt, die als dem vorgenannten Konzept zugehörig erachtet werden(4). Seit kurzem zählt der EuGH dazu auch die Verwaltung einer der herkömmlichen Formen der Sozialversicherung(5) (der Versicherung gegen Berufsunfälle und Berufskrankheiten), die Organisation von Messeveranstaltungen(6) (zur Gewährleistung der Qualität und der Sicherheit dieser Veranstaltung) und die Verarbeitung ungefährlicher Bauabfälle(7).

1.3. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Gemeinschaftsinstitutionen gemäß den Verträgen ursprünglich keine spezifischen Aufgaben hinsichtlich der Definition und der Gewährleistung von Leistungen der Daseinsvorsorge im Rahmen des europäischen Integrationsprozesses zu erfuellen hatten. Sie beschäftigten sich deshalb mit diesem Problem nur am Rande: So kontrollierten sie, ob das staatliche Handeln möglicherweise im Widerspruch zum freien Wettbewerb und zu den grundlegenden wirtschaftlichen Freiheiten des Binnenmarktes steht.

1.4. Im Zuge der fortschreitenden europäischen Integration, die durch die politischen Erfolge der Verträge von Maastricht und Amsterdam weiter verstärkt worden ist, trägt Artikel 16 des EG-Vertrags der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass die Grundsätze und Bedingungen für das Funktionieren der Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse so gestaltet sind, dass sie ihren Aufgaben nachkommen können. Deshalb ist eine umfassende Definition des Gemeinschaftskonzepts, der Ziele und Aufgaben der Leistungen der Daseinsvorsorge (Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse)(8) notwendig. Vor allem aber müssen diese Ziele und Aufgaben in übereinzelstaatliche Rechtsinstrumente umgesetzt werden(9).

1.5. Die Kommission erachtet die Leistungen der Daseinsvorsorge als einen Stützpfeiler der europäischen Gesellschaften und unterstreicht die Notwendigkeit eines Tätigwerdens des öffentlichen Sektors im Falle eines unzureichenden Marktangebots. Damit die Leistungen ihren Zweck erfuellen können, ist ein finanzielles Gleichgewicht erforderlich, das durch öffentliche Ausgleichszahlungen, die mit dem Vertrag vereinbar sind, hergestellt werden kann.

1.6. Die Strategie der Kommission beruht auf einem Zweiphasen-Ansatz: In einem ersten Schritt soll ein gemeinschaftsrechtlicher Rahmen für staatliche Beihilfen für solche Unternehmen geschaffen werden, die mit der Erbringung von Leistungen der Daseinsvorsorge beauftragt sind. Nach der Auswertung der Erfahrungen mit der Anwendung dieses Rechtsrahmens könnte in einem zweiten Schritt eine Verordnung erlassen werden, durch die bestimmte Beihilfen im Bereich Leistungen der Daseinsvorsorge von der Verpflichtung zur vorherigen Unterrichtung ausgenommen werden (es handelt sich hierbei um die Gruppenfreistellung).

2. Sektorale Vorschriften

2.1. Im Bereich des Verkehrs verfolgen die auf Gemeinschaftsebene verabschiedeten Vorschriften und Initiativen zwar unterschiedliche, aber komplementäre Ziele.

2.1.1. Im Bereich des Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehrs haben die Behörden der Mitgliedstaaten gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 des Rates vom 26. Juni 1969 die Möglichkeit, öffentliche Dienstleistungsaufträge an Verkehrsunternehmen zu vergeben, in denen die Häufigkeit, Kapazität, Fahrstrecke, Fahrpreise und -pläne sowie die Kontinuität der Dienstleistung festgelegt werden.

2.1.2. Die Kommission hat einen neuen Rechtsrahmen vorgeschlagen(10), um bessere Dienstleistungen für die Verbraucher zu ermöglichen, die Kosten unter Kontrolle zu halten und ein hohes Sicherheitsniveau zu gewährleisten. In diesem Vorschlag wird der Begriff des "regulierten Wettbewerbs" eingeführt, der im Wesentlichen auf der Revision der Vorschriften über die ausschließlichen Rechte in einem frei zugänglichen Markt beruht. Der Ausschuss(11) begrüßt die in dem Vorschlag eingeführten zentralen Instrumente zur Marktordnung, insbesondere die Verpflichtung der zuständigen Behörden zur Bereitstellung angemessener öffentlicher Personenverkehrsdienste, die Festlegung von Qualitätskriterien, die Zahlung eines finanziellen Ausgleichs für die Kosten, die durch die Erfuellung der gemeinwirtschaftlichen Anforderungen entstehen, den Ausgleich der Kosten für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen, die Gewährung ausschließlicher Rechte (auf Zeit) und die Organisation des Wettbewerbs über Ausschreibungen.

2.1.3. Es wird erwartet, dass durch die vorgeschlagenen Maßnahmen die Zufriedenheit der Verbraucher mit allen städtischen Verkehrsbetrieben zunimmt und die Eisenbahn als Verkehrsmitel - für das die Kommission die ehrgeizigsten Maßnahmen vorzuschlagen beabsichtigt - wieder attraktiver wird.

2.1.4. Obwohl das Bündel von Richtlinien zur Infrastruktur mittelfristig die Zufriedenheit der Verbraucher merklich steigern kann, hält auch der Ausschuss(12) ein Tätigwerden der Gemeinschaft für notwendig: Aus institutionellen, sozialen, wirtschaftlichen und verkehrspolitischen Gründen benötigt das gesamte System einen hohen Grad an Anschlussfähigkeit und Integration.

2.2.1. Im Bereich des Luftverkehrs haben die den Linienfluggesellschaften(13) auferlegten gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen (insbesondere hinsichtlich der Wahl der Flugstrecke) im Allgemeinen deshalb zu zufriedenstellenden Ergebnissen geführt, weil die Unternehmen mit den günstigsten Bedingungen den Zuschlag für die Dienstleistungserbringung erhalten haben(14). Gleichwohl muss nach der Vollendung der am 1 Juli 1998 begonnenen schrittweisen Öffnung des Luftverkehrsmarktes noch ein transparentes rechtliches und wirtschaftliches System endgültig festgelegt werden, das sich auf die Verpflichtungen zur Bereitstellung regelmäßiger Flüge in die Gebiete in Randlage, die Inselgebiete sowie die Gebiete mit Entwicklungsrückstand bezieht.

2.2.2. Die Kommission spricht sich in ihrem Weißbuch zur Verkehrspolitik(15) auch für hochwertige öffentliche Dienstleistungen aus. Des Weiteren hat sie einen Vorschlag zur Stärkung der Rechte von Reisenden unterbreitet; dieser bezieht sich vor allem auf Ausgleichsleistungen im Fall der Verspätung oder der Nichtbeförderung, die in einem Missbrauch der Überbuchungspraxis durch die Luftverkehrsunternehmen begründet sind(16) (für bestimmte Bahnstrecken wurden bereits mehrfach Ausgleichsleistungen erbracht).

2.3.1. Im Hinblick auf die Seekabotage ist der EuGH zu dem Urteil gelangt, dass es rechtmäßig ist, wenn die Behörden bestimmten Unternehmen gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegen und gleichzeitig an andere Unternehmen so genannte "öffentliche Dienstleistungsaufträge" vergeben(17). Bezüglich der Revision der Verordnung (EG) Nr. 3577/92 hat der Ausschuss(18) daran erinnert, dass in verschiedenen Mitgliedstaaten für die Inselkabotage öffentliche Betriebspflichten auferlegt werden, die die Regelmäßigkeit, die Streckenführung und die Häufigkeit der Zwischenstopps betreffen und die zwangsläufig zu einem ausschließlichen Einsatz der Schiffe für diese Zwecke führen.

2.3.2. In Bezug auf die von der Kommission vorgeschlagenen Richtlinie über den Marktzugang für Hafendienste(19) unterstützt der Ausschuss(20) die Ausweitung der Pflicht zur Transparenz und getrennten Buchführung auf alle Häfen des transeuropäischen Netzes. Allerdings meldet er auch Bedenken hinsichtlich anderer Aspekte des Vorschlags an.

2.3.3. Die Kommission beabsichtigt, die notwendige Infrastruktur für regelrechte "Hochgeschwindigkeitsseewege" zu entwickeln, indem die verschiedenen Transportarten miteinander verknüpft werden und die Verbindung zwischen dem Seeweg, den Wasserstraßen und der Eisenbahn (mittels Systemen von Verbundfahrscheinen) sichergestellt wird.

2.4.1. Die Richtlinien über die Errichtung eines Binnenmarktes im Energiebereich - d. h. die Richtlinie 96/92/EG über Strom und die Richtlinie 98/30/EG über Gas - haben die Nutzung des Verteilernetzes durch verschiedene Unternehmen sowie das Recht bestimmter Verbrauchergruppen auf freie Wahl des Anbieters ermöglicht(21). In dieser Hinsicht lieferte das Urteil des Gerichtshofes vom 23. Oktober 1998 einen wichtigen Impuls(22).

2.4.2. Dennoch verfügen die traditionellen Energieunternehmen noch immer über wichtige Marktanteile. Gleichzeitig wird anderen Unternehmen der Zugang zum Verteilernetz durch unzureichend begründete Ablehnungen oder Mängel bei der Infrastruktur erschwert, z. B. fehlende Verbindungsmöglichkeiten. Auch wenn das Qualitätsniveau der Dienstleistungen insgesamt hoch ist, kommt es in der Folge mitunter zu überhöhten Preisen (ausgenommen für Industriekunden), die darüber hinaus zwischen den Mitgliedstaaten schwanken(23).

2.4.3. Die Kommission hat neue Vorschläge für den Sektor unterbreitet(24). Der Ausschuss hat diese Vorschläge zwar grundsätzlich begrüßt, doch hat er auch hervorgehoben, dass durch den Prozess der Marktöffnung bestimmte Schwierigkeiten entstehen können, z. B. hinsichtlich der Entflechtung der Unternehmensaktivitäten, der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen, des territorialen und sozialen Zusammenhalts und der Auswirkungen auf die Umwelt und den Arbeitsmarkt(25).

2.5.1. Im Telekommunikationsbereich hat sich der Begriff des Universaldienstes durchgesetzt, der genau definiert ist. Die Unternehmen müssen sich an diese Begriffsbestimmung, die nicht notwendigerweise mit Sonderrechten verbunden ist, halten. Die Definition muss in regelmäßigen Abständen aktualisiert werden, um sie dem raschen technologischen Fortschritt im Telekommunikationsbereich anzupassen(26). Allerdings berücksichtigt die gegenwärtige Definition weder den Internet-Breitbandanschluss noch den Mobilfunk (das mobile Telefonieren ist aber auch für viele Verbraucher mit niedrigem Einkommen eine akzeptable Alternative zum Telefonieren im Festnetz)(27).

2.5.2. Die Kommission hat für den Telekommunikationsbereich einige Vorschläge erarbeitet, unter denen der Vorschlag zum Universaldienst und zu den Nutzerrechten hervorzuheben ist(28). Nach Ansicht des Ausschusses(29) sollte der Ausbau des raschen öffentlichen Zugangs zum Internet bereits Teil des Universaldienstes sein, denn er ist unerlässlich, damit auch Personen mit niedrigem Einkommen, der "dritte" Sektor, die gemeinnützigen Organisationen und die Anwender in gering besiedelten Regionen Zugang zu den fortgeschrittenen Diensten haben und eine im Einklang mit den demokratischen und sozialen Zielen der Europäischen Union stehende Informationsgesellschaft errichtet werden kann.

2.6.1. Im Bereich der Postdienste hat der geltende Rechtsrahmen(30), der den Universaldienst und insbesondere den "minimalen Universaldienst" definiert, zur Effizienzsteigerung der Unternehmen und der Qualitätsverbesserung der Dienstleistungen beigetragen: Dies gilt sowohl für die Breite der Produktpalette im Allgemeinen als auch für die Schnelligkeit der grenzüberschreitenden Postzustellung im Besonderen.

2.6.2. Am 20. Mai 2000 hat die Kommission einen neuen Richtlinienvorschlag(31) verabschiedet, mit dem eine weitere Liberalisierung des Marktes und eine Verbesserung der Verbraucherrechte erreicht werden sollen. So sollen das Beschwerdeverfahren und die außergerichtliche Beilegung von Streitigkeiten durchgängig auf alle Anbieter von Postdienstleistungen und nicht nur auf Anbieter von Universaldienstleistungen Anwendung finden. Zwar hält auch der Ausschuss(32) eine weitere Marktöffnung für unvermeidlich, doch muss dieser Prozess seiner Ansicht nach in geregelten Bahnen und unter voller Berücksichtigung der Interessen der einzelnen Beteiligten und vor allem der sozialen Nebenwirkungen vollzogen werden.

2.6.3. Es ist vorhersehbar, welche Fortschritte in diesem Sektor dank der neuen Technologien (z. B. E-Mail) mittelfristig erreicht werden. Aufgrund der Fortschritte des Universaldienstes wird es möglich sein, allen Nutzern den Zugang zu den Dienstleistungen zu erleichtern.

2.6.4. Da die Terminologie des ursprünglichen Kommissionsvorschlags(33) beibehalten wird, besteht auch im geänderten Vorschlag die Schwierigkeit der Definition des Begriffs "spezielle Dienste" im internationalen Rechtsrahmen.

2.7.1. In Bezug auf den audiovisuellen Sektor im digitalen Zeitalter hat die Kommission ihre Grundsätze und Leitlinien festgelegt(34). Der Ausschuss(35) ist der Auffassung, dass Ziele von allgemeinem Interesse, wie Rede- und Meinungsfreiheit, Pluralismus, kulturelle und sprachliche Vielfalt, Schutz Minderjähriger und der Menschenwürde, Verbraucherschutz u. a. im digitalen Zeitalter nicht lahmgelegt werden dürfen. Er hält es für geboten, diese Ziele zu schützen und zu stärken, da sie von grundlegender Bedeutung für die Demokratie sind.

2.7.2. Der Ausschuss(36) vertritt zudem die Ansicht, dass Rundfunk und Fernsehen als öffentlich-rechtliche Dienste kulturelle, gesellschaftliche und demokratische Funktionen erfuellen, die zum Wohle aller sind. Sie haben daher höchste Bedeutung für die Sicherung der Demokratie, des Pluralismus, des sozialen Zusammenhalts und der kulturellen und sprachlichen Vielfalt. Deshalb bedauert er, dass er nicht bereits vor der Mitteilung der Kommission über die Rechtsvorschriften über staatliche Beihilfen für öffentliche Rundfunkanstalten konsultiert wurde(37).

2.8. Der Ausschuss(38) hat seine Position hinsichtlich der Rolle der privaten Sozialdienste ohne Gewinnzweck im Rahmen der Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa dargestellt. Dabei hat er auf deren wichtige Rolle im Kampf gegen die soziale Ausgrenzung und für den sozialen Zusammenhalt hingewiesen und festgestellt, dass es schwierig ist, einerseits die Kompetenzbereiche und andererseits die spezifischen Merkmale der Wirtschaftsaktivitäten der Sozialdienste achten zu wollen.

3. Die Situation nach dem Gipfel von Nizza (7. bis 11. Dezember 2000) und von Barcelona (15. und 16. März 2002)

3.1. Die Bemerkungen des Ausschusses(39) zur Situation der Leistungen der Daseinsvorsorge nach dem Vertrag von Amsterdam sind von besonderer Bedeutung im Licht der formellen Erklärung des Europäischen Rates von Nizza zur Grundrechtscharta der EU(40), in der der Zugang zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse anerkannt wird (Artikel 36)(41).

3.2. Auch wenn die Charta vorläufig einen nicht verbindlichen Status hat - allerdings wurde sie bereits in den Schlussvorträgen mehrerer Generalanwälte des EuGH und in den Urteilen des Gerichtes erster Instanz angeführt -, bietet sie doch eine erste juristische Grundlage, die zur Rechtfertigung des Handelns der Behörden auf einzelstaatlicher und übereinzelstaatlicher Ebene genügt(42).

3.3. Darüber hinaus werden in der Erklärung des Europäischen Rates von Nizza vom 11. Dezember 2000 zu den gemeinwirtschaftlichen Diensten, deren "Stellenwert" und "unersetzliche Rolle" bei der Gewährleistung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit unterstrichen. Dementsprechend werden in der Erklärung mehrere Ziele bzw. Anliegen der gemeinwirtschaftlichen Dienste in Europa genannt: Schutz der Verbraucherinteressen, Sicherheit der Benutzer, sozialer Zusammenhalt und Raumordnung sowie nachhaltige Entwicklung.

3.4. In ähnlicher Weise wird in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Barcelona der verstärkte Wettbewerb öffentlicher Dienste und netzgebundener Unternehmen gefordert, "und zwar unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Bedarf der Verbraucher gedeckt und die Transparenz dieser Märkte durch geeignete ordnungspolitische Instrumente sichergestellt werden muss" (Ziffer 17) und mit dem Ziel, die Effizienz zu erhöhen sowie für ein hohes Qualitätsniveau und stärkere Nachhaltigkeit zu sorgen (Ziffer 36).

4. Allgemeine Bemerkungen

4.1.1. Die Leistungen der Daseinsvorsorge, die von großer Bedeutung im alltäglichen Leben der Bürger sind, erweisen sich als ein Wert, der dem europäischen Sozialmodell eigen ist und sich in den Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten widerspiegelt. So bilden z. B. die Sozialschutzsysteme, die Gesundheitssysteme, die unterschiedlichen gemeinnützigen Organisationen im Gesundheits- und Sozialsektor weiterhin das Gerüst des europäischen Sozialmodells.

4.1.2. Deshalb ist für den Fortschritt des politischen und wirtschaftlichen Integrationsprozesses in der Europäischen Union ein ganzes Paket von Maßnahmen erforderlich. Es erscheint angezeigt, diese Maßnahmen im Rahmen der gegenwärtigen Debatte über die für 2004 angekündigte Vertragsrevision zu entwickeln. Deshalb ist der Ausschuss der Auffassung, dass in Artikel 3 des EG-Vertrags auf die Erbringung von Leistungen der Daseinsvorsorge als eine der Maßnahmen, die die Gemeinschaft zur Erfuellung ihrer Ziele ergreifen muss, hingewiesen werden sollte.

4.2. Denkbar ist eine Legaldefinition der Leistungen der Daseinsvorsorge, die eine offene Liste mit sozialen Werten umfasst, welche die Existenz dieser Leistungen rechtfertigen und für deren Förderung und Schutz die nationalen und die supranationalen Behörden gleichermaßen verantwortlich sind. Gleichzeitig sollte in dieser Definition die Beziehung, die zwischen dem Zugang zu diesen Leistungen und der Unionsbürgerschaft besteht, herausgestellt werden.

4.3. Über die gemeinsamen Grundsätze hinaus sollte der künftige Gemeinschaftsrahmen einen Mechanismus beinhalten, der es erlaubt, das Subsidiaritätsprinzip auch gemäß funktionalen(43) und nicht bloß territorialen Kriterien anzuwenden. Dies wird sich auch auf die Rolle der Verwalter der Netzinfrastruktur auswirken. Die Verwalter haben auf der Grundlage des dezentralisierten Regulierungssystems, das durch die Richtlinien über die Marktöffnung angeregt wurde, die Zahl ihrer Genehmigungs- und Überwachungsverfahren vervielfacht und dadurch den Austausch von Waren und Dienstleistungen zwischen den Mitgliedstaaten erschwert(44).

4.4. Der Ausschuss hält es für notwendig, dass die Kommission einen Vorschlag für eine Rahmenrichtlinie vorlegt, die die politischen Grundsätze im Zusammenhang mit den Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse stärken und den Mitgliedstaaten die erforderliche Flexibilität auf diesem Gebiet verleihen soll. In diesem Rechtsinstrument sollte die Bedeutung herausgestellt werden, die die Europäische Union den Leistungen der Daseinsvorsorge und dem (den europäischen Bürgern eigenen) Recht auf Zugang zu diesen Leistungen beimisst. Um größtmögliche Rechtssicherheit zu erzielen, sollten darin auch einige mit dem Gemeinschaftsrecht verbundene Begriffe unter umfassender Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips geklärt werden.

4.5. Als Rechtsgrundlage für die vorgenannte Rahmenrichtlinie sollte die Kommission mehrere Artikel des EG-Vertrags heranziehen, wie beispielsweise Artikel 2, in dem als Ziele der Gemeinschaft ein hohes Beschäftigungsniveau und ein hohes Maß an sozialem Schutz, die Gleichstellung von Männern und Frauen, die nachhaltige Entwicklung, die Hebung der Lebenshaltung und der Lebensqualität, der wirtschaftliche und soziale Zusammenhalt, die Solidarität genannt werden; Artikel 3, in dem die unterschiedlichen Ziele der Gemeinschaft aufgezählt werden; Artikel 16; die Prinzipen der Subsidiarität, Verhältnismäßigkeit und Neutralität; Artikel 36 der Grundrechtscharta sowie Artikel 86 und 87 EGV.

4.6. Der Richtlinienvorschlag sollte eine Begründung für die Bereitstellung einer Leistung der Daseinsvorsorge enthalten. Diesbezügliche Gründe können wirtschaftlicher oder sozialer Natur sein. Zu den wirtschaftlichen Gründen zählen: die übermäßigen Kosten einer notwendigen Investition, die Knappheit an Gütern oder an für die Erbringung der Dienstleistung notwendigen Elementen, die nachhaltige Entwicklung. Zu den sozialen Gründen zählen: der soziale Zusammenhalt zwecks Verringerung der regionalen, sozialen und wirtschaftlichen Unterschiede (damit jeder voll am gesellschaftlichen Leben teilhaben kann), die Gleichheit aller Menschen in Bezug auf den Zugang zu den Leistungen, die Wahrung der Grundrechte, die Bekämpfung der sozialen Diskriminierung, die wirtschaftliche Gerechtigkeit im Wege der Tarifanpassung oder der Anwendung von Sozialtarifen, die Stützung der Nachfrage der Bürger (insbesondere durch die Einführung steuerlicher Maßnahmen) und die Festlegung von Vorschriften, welche die Beteiligung der (in Organisationen zusammengeschlossenen) Bürger an der Bewertung der Zugänglichkeit und der Qualität der nach einem Vergabe- oder Konzessionssystem verwalteten Dienste ermöglichen.

4.7. Der Ausschuss befürwortet ein Gleichgewicht zwischen Allgemeininteresse und Wettbewerb. Auf allen Ebenen ist es Aufgabe der Behörden, das beste Verhältnis zwischen der Optimierung der kurz- oder langfristigen Kosten-Nutzen-Analyse, den Zielen von allgemeinem Interesse der betreffenden Dienstleistung oder anderer möglicherweise betroffenen Dienstleistungen zu ermitteln. Dabei sollten die Kriterien vorherrschen, die auf einer nachhaltigen wirtschaftlichen, sozialen und umweltpolitischen Entwicklung beruhen.

4.8. Gemäß den Prinzipien der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit müssen die Behörden Gemeinwohlverpflichtungen festlegen, die gewährleisten, dass die Dienstleistungserbringer die ihnen übertragenen spezifischen Aufgaben erfuellen, vorausgesetzt, dass die Entwicklung des Handelsverkehrs nicht in einer Weise betroffen ist, die nicht im Interesse der Gemeinschaft ist.

4.8.1. Der Ausschuss befürwortet die Aufrechterhaltung des wirtschaftlichen und finanziellen Gleichgewichts bei der Dienstleistungserbringung. Seiner Auffassung nach sind jene finanziellen Leistungen der öffentlichen Hand, die zur Entschädigung der mit der Dienstleistungserbringung beauftragten Unternehmen für die Kosten dienen, die sich aus den allgemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen ergeben, mit den Gemeinschaftsvorschriften im Rahmenrichtlinienvorschlag vereinbar. Zudem muss die Errichtung besonderer Finanzierungsmechanismen für zusätzliche Verpflichtungen erwogen werden. Dabei muss grundlegend unterschieden werden zwischen der öffentlichen Finanzierung, die auf dem Wege über die Steuern von der gesamten Gesellschaft getragen wird, und der Gewährung ausschließlicher Rechte für das Unternehmen, das die gemeinwirtschaftlichen Leistungen erbringt, mit dem Ziel des Kostenausgleichs für defizitäre Dienste, wobei in diesem Fall der solidarische Ausgleich von den Benutzern und nicht den Steuerzahlern finanziert wird. Als weitere Finanzierungsmöglichkeiten wären noch Quersubventionen und soziale Beihilfen zu nennen.

4.8.2. Die Definition der Leistungen der Daseinsvorsorge muss auf der geeignetsten Ebene und in Absprache mit den unterschiedlichen europäischen, nationalen und regionalen Ebenen vorgenommen werden. Darüber hinaus obliegt es den Behörden, die neuen sozialen Bedürfnisse und die technologischen Fortschritte - vor allem jene der Informationsgesellschaft - bei der Festlegung der Ziele und der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen zu berücksichtigen.

4.9. Im Hinblick auf die Funktionsweise der Dienste müssen auch die folgenden, den jeweiligen Merkmalen angepassten Grundsätze beachtet werden:

- Der gleichberechtigte Zugang: Dieser beruht auf einem Diskriminierungsverbot und der besonderen Berücksichtigung der sensibelsten Verbrauchergruppen. Ziel ist es, die soziale Ausgrenzung zu vermeiden. Die Dienstleistung muss zu einem günstigen, fairen, gerechten und transparent gestalteten Preis erbracht werden.

- Die Kontinuität der Dienstleistungserbringung: Die Erbringung der Dienstleistung muss dauerhaft, regelmäßig und ohne Unterbrechung sowie unbeschadet der Voraussetzungen der höheren Gewalt und der möglichen sektorspezifischen Ausnahmeregelungen erfolgen.

- Die Universalität: Dienstleistungen müssen auch dann erbracht werden, wenn ihre obligatorische Erbringung aus kommerziellen Überlegungen oder Rentabilitätsgründen nicht angeraten wäre, wie etwa im Fall von Dienstleistungen in ländlichen Gebieten, Inselgebieten, Regionen mit Entwicklungsrückstand oder in äußerster Randlage.

- Die Qualität: Die Dienstleistungserbringung muss sich an quantitativen und qualitativen Kriterien ausrichten. Diese Kriterien sind in den Basisverordnungen festgelegt und werden regelmäßig überprüft. Das Qualitätsniveau der Dienstleistungen muss von der zuständigen Behörde auf sektorieller Ebene sichergestellt werden.

- Die Anpassungsfähigkeit: Die Dienstleistungserbringung muss regelmäßig den politischen Prioritäten der Gemeinschaft, den Bedürfnissen der Gesellschaft und der Gebietskörperschaften, der technologischen und wirtschaftlichen Entwicklung und den sich aus dem Interesse der Allgemeinheit ergebenden Erfordernissen angepasst werden.

- Diese allgemeinen Grundsätze sind durch sektorspezifische Grundsätze zu ergänzen, wobei u. U. zur Ergänzung der Rahmenrichtlinie noch sektorspezifische Richtlinien erforderlich sein könnten.

4.10. Es muss ein Schutzsystem eingerichtet werden, um die Verbraucherrechte zu gewährleisten und eine schnelle und wirksame Umsetzung der Verbraucherrechte zu erzielen. Insbesondere müssen Beschwerdeverfahren geschaffen werden, die sich durch Einfachheit, Transparenz, Schnelligkeit und Objektivität auszeichnen. Darüber hinaus sind für einige Dienstleistungen Systeme zur Entschädigung, Kostenerstattung und Ersatzleistung einzurichten. In diesen Fällen sollten die Ausgleichsleistungen, wenn bestimmte Voraussetzungen erfuellt sind, in automatischer Weise und festgelegter Höhe erbracht werden, so wie dies bereits heute bei Überbuchungen im Flugverkehr geschieht.

4.11. Es ist erforderlich, das Regulierungssystem der unterschiedlichen Dienstleistungen festzulegen. Die Regulierungsbehörden - die eine einzelne Behörde oder ein Zusammenschluss von Behörden sein können - erfuellen folgende Aufgaben:

- die Bewertung der Dienstleistung im Hinblick auf die Nutzer,

- die Überprüfung der mit der Erbringung der Dienstleistungen beauftragten Unternehmen durch die Regulierungsbehörde, insbesondere die Steuerprüfung und die Verhängung von Sanktionen im Hinblick auf unlauteres Verhalten bei der Erbringung öffentlicher Dienstleistungen,

- die Regulierung, die es den zuständigen Behörden erlaubt, im Rahmen klar abgesteckter rechtlicher Grenzen Maßnahmen zu ergreifen, die im freien Spiel der Marktkräfte allein nicht durchgeführt würden.

4.11.1. Vor allem in den Fällen, in denen die Dienstleistungen von mehreren Unternehmen erbracht werden, ist es Aufgabe der Regulierungsbehörde, die Tätigkeit der Unternehmen sowie die Erreichung der Ziele von allgemeinem Interesse, die Erfuellung der Wettbewerbsvorschriften, die Tarife, die Qualität der Dienstleistung und den Verbraucherschutz zu überprüfen. Die Behörde muss erforderlichenfalls auch dafür Sorge tragen, dass die öffentlichen Finanzmittel, die zur Erreichung der Ziele von allgemeinem Interesse bestimmt sind, den Gemeinschaftsvorschriften entsprechen - vor allem den abgeleiteten Rechtsvorschriften über das Funktionieren des Binnenmarktes, deren Überwachung Aufgabe der Kommission ist.

4.11.2. Das Recht auf Information der Nutzer, Verbraucherverbände, Gewerkschaften, Umweltvereine sowie jeder betroffenen sozialen Gruppe muss sichergestellt sein. Dieses Recht muss explizit im Statut der Regulierungsbehörde genannt werden.

4.12. Jede Behörde wählt nach dem Prinzip der "freien Wahl des Verwaltungstyps" das Statut der Unternehmen für die unterschiedlichen Leistungen der Daseinsvorsorge, für die sie zuständig ist. Natürlich können Leistungen direkt von einer Behörde oder indirekt mittels eines öffentlichen, privaten, sozialwirtschaftlichen oder gemischtwirtschaftlichen Unternehmens erbracht werden.

4.12.1. Wenn private Unternehmen mit der Erbringung von Dienstleistungen betraut werden, muss die Auswahl unter Beachtung der gemeinschaftlichen Ausschreibungsvorschriften und der Grundsätze der Öffentlichkeit, des Wettbewerbs und der Transparenz erfolgen.

4.13. Die Beziehungen zwischen den Dienstleistungsunternehmen und den Behörden müssen in einem Vertrag festgehalten werden. Ein solcher Vertrag soll insbesondere folgende Punkte enthalten:

- Ziele, Grundsätze der Preisgestaltung und wesentliche Finanzierungsbestimmungen des jeweiligen Unternehmens;

- Sonderrechte oder etwaige ausschließliche Rechte des jeweiligen Unternehmens (damit dieses das Ziel der Dienstleistung erreichen kann);

- finanzielle Belastungen aufgrund defizitärer Aktivitäten, die nicht auf einer normalen kommerziellen Grundlage ausgeglichen werden können, für die aber Ausgleichsleistungen erbracht werden müssen (da die Unternehmen im Hinblick auf ein Ziel von allgemeinem Interesse zu diesen Aktivitäten verpflichtet wurden). Gemäß dem Transparenzprinzip muss es eine getrennte Buchführung für die Ausgaben der Aktivitäten von allgemeinem Interesse geben (diese Aktivitäten müssen dabei deutlich von den übrigen Aktivitäten unterschieden werden).

4.14. Zur Förderung der demokratischen Teilhabe und der Bürgerbeteiligung sollten die Erbringer der Leistungen der Daseinsvorsorge die Nutzer und vor allem die Verbraucherverbände konsultieren und sie an der Bewertung der Ergebnisse beteiligen. Diese zur organisierten Zivilgesellschaft gehörenden Verbände müssen sich an der Definition und Evaluation der Dienstleistungen in der Weise beteiligen, die im Hinblick auf den jeweiligen Sektor und die Art der Dienstleistung am probatesten ist. Ziel ist es, die Zusammenarbeit der Dienstleistungserbringer und den Schutz der Bürgerrechte im Rahmen einer korrekten Dienstleistungserbringung und die Vertretung der Verbände in den Regulierungsbehörden zu gewährleisten.

4.15. Die Information, Anhörung und Beteiligung der Arbeitnehmer und ihrer Vertreter sind wichtig für eine ausgehandelte Modernisierung der Organisation der Dienstleistungen. In diesem Zusammenhang muss die Förderung des sozialen Dialogs sowie der Beteiligung der Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsvertreter zur Entwicklung von repräsentativen Instanzen führen. Nach Ansicht des Ausschusses ist der Begriff des Allgemeininteresses untrennbar mit den für das europäische Sozialmodell kennzeichnenden vorbildhaften Beziehungen zwischen den Sozialpartnern verbunden.

4.16. Der Ausschuss befürwortet die Errichtung einer Beobachtungsstelle für Leistungen der Daseinsvorsorge. Diese Stelle sollte die Bedingungen untersuchen, unter denen die Leistungen in den Mitgliedstaaten erbracht werden, sowie Informationen zusammentragen, die die Leistungen betreffen. Außerdem sollte sie zum Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten beitragen und eine Diskussion über ihre Arbeitsweise im Rahmen der Gemeinschaftsinstitutionen anregen.

4.17. Nach Auffassung des Ausschusses dürfen aufgrund der Unterscheidung zwischen wirtschaftlichen und nicht wirtschaftlichen Aktivitäten die Wettbewerbsvorschriften und Binnenmarktvorschriften nicht auf Dienstleistungen angewandt werden, die im Zusammenhang mit den nationalen Bildungssystemen und der Versicherungspflicht in einem Grundsystem der Sozialversicherung stehen. Dasselbe gilt für Dienstleistungen, die von sozialen, karitativen oder kulturellen Einrichtungen ohne Gewinnzweck erbracht werden.

4.17.1. Die Behörden müssen die kulturellen Interessen der Bürger als Leistungen der Daseinsvorsorge verteidigen, indem sie folgende Rechte gewährleisten:

- das Recht auf ständigen und geschützten Zugang zu bestimmten kulturellen Gütern, z. B. zu Büchern oder audiovisuellen Medien,

- das Recht auf hohe Qualität des öffentlichen Rundfunks,

- das Recht auf allgemeinen Schutz des kulturellen Umfelds der Dienste der Informationsgesellschaft (nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch intellektueller, ästhetischer und moralischer Hinsicht).

4.18. Der Ausschuss betont die Notwendigkeit eines spezifischen Ansatzes in Bezug auf die Erbringung und Finanzierung der Dienstleistungen der öffentlichen Rundfunkanstalten, um den Schutz der Grundrechte (vor allem jener Rechte, die sich auf den Empfang und die Verbreitung von Informationen beziehen) sowie die Beachtung der Grundsätze der Demokratie und des Pluralismus (auf die bestimmte Konzentrationsprozesse einen negativen Einfluss ausüben können) zu gewährleisten.

Brüssel, den 17. Juli 2002.

Der Präsident

des Wirtschafts- und Sozialausschusses

Göke Frerichs

(1) Vgl. die Mitteilung der Kommission über die Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa (ABl. C 281 vom 26.9.1996, S. 3); Stellungnahme CES 949/1999, verabschiedet auf der Plenartagung am 20. und 21.10.1999 (Berichterstatter: Herr Hernández Bataller).

(2) Vgl. die Mitteilung der Kommission vom 29.9.2000 (KOM(2000) 580 endg.) und den Bericht der Kommission für den Europäischen Rat in Laeken vom 17.10.2001 (KOM(2000) 598 endg.).

(3) In diesem Dokument werden die Leistungen der Daseinsvorsorge untersucht, die in den Zuständigkeitsbereich der Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft fallen.

(4) Z. B. die Trinkwasserversorgung, der Erhalt der Schiffbarkeit einer Wasserstraße, die konstante Stromversorgung, Fernsehsendungen, grundlegende Dienstleistungen der Post, die Verwaltung des öffentlichen Telekommunikationsnetzes, die Aufrechterhaltung einer verlustbringenden Flugstrecke usw.

(5) Urteil des EuGH vom 22.1.2002 (Rechtssache C-218/00). Zuvor war bereits ein ähnliches Urteil am 17.2.1993 in den verbundenen Rechtssachen C-159/91 und C-160/91 ergangen.

(6) Schlussanträge des Generalanwalts Alber vom 29.5.2001 in der Rechtssache C-439/99, Ziffern 67-69 und 147-148; Urteil des EuGH vom 15.1.2002 in der Rechtssache C-349/99.

(7) Urteil des EuGH vom 23.5.2000 (Rechtssache C-209/98).

(8) Diese werden in Artikel 16 des EG-Vertrages zu den "gemeinsamen Werten" der Union gezählt und als wichtig für die "Förderung des sozialen und territorialen Zusammenhalts" erachtet.

(9) Falls die Gemeinschaft in der Lage ist, die Leistungen der Daseinsvorsorge mit demselben Engagement sicherzustellen wie die wirtschaftlichen Freiheiten und die Wirksamkeit des Binnenmarktes, wird sie eine neue Stufe im Integrationsprozess erreichen, die ihre Besonderheit im Vergleich zu den anderen internationalen Organisationen verstärken wird.

(10) "Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Maßnahmen der Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit Anforderungen des öffentlichen Dienstes und der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge für den Personenverkehr auf der Schiene, der Straße und auf Binnenschifffahrtswegen" (KOM(2000) 7 endg.).

(11) Stellungnahme des WSA zum "Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Maßnahmen der Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit Anforderungen des öffentlichen Dienstes und der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge für den Personenverkehr auf der Schiene, der Straße und auf Binnenschifffahrtswegen", KOM(2000) 7 endg., ABl. C 221 vom 7.8.2001.

(12) Stellungnahme des WSA zum "Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Interoperabilität des konventionellen transeuropäischen Eisenbahnsystems", KOM(1999) 617 endg. ABl. C 204 vom 18.7.2000.

(13) Mindestfrequenz, Flugpläne, verwendete Maschinen und angebotene Kapazität; Verordnung (EWG) Nr. 2408/92 des Rates vom 23.7.1992.

(14) KOM(1999) 182 endg. vom 20.5.1999.

(15) "Weißbuch: Die europäische Verkehrspolitik bis 2010 - Weichenstellungen für die Zukunft" (KOM(2001) 370 endg.).

(16) Verordnungsvorschlag des Europäischen Parlaments und des Rates über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Betreuungsleistungen für Fluggäste im Falle der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen (KOM(2001) 784 endg.).

(17) Urteil vom 20.2.2001, Analir und andere, Rechtssache C-205/99.

(18) Stellungnahme des WSA zu dem "Vorschlag für eine Verordnung (EG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 des Rates vom 7. Dezember 1992 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf den Seeverkehr in den Mitgliedstaaten (Seekabotage)" und dem "Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Besatzungsvorschriften für den Linienverkehr mit Fahrgastschiffen und Fahrgastfährschiffen im Betrieb zwischen Mitgliedstaaten" (KOM(98) 251 endg., ABl. C 40 vom 15.2.1999).

(19) "Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Marktzugang für Hafendienste" (KOM(2001) 35 endg.).

(20) Stellungnahme des WSA zu dem "Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Marktzugang für Hafendienste" (KOM(2001) 35 endg., ABl. C 48 vom 21.2.2002).

(21) Die Richtlinien regeln die Marktöffnung, den Netzzugang, die getrennte Buchführung, die Berechnung der Tarife, die Verpflichtung zur Strom- und Gaslieferung sowie die Möglichkeit, dass die Mitgliedstaaten die Verpflichtungen im Zusammenhang mit öffentlichen Dienstleistungen in fünf konkreten Bereichen festlegen: Umweltschutz, Sicherheit, Regelmäßigkeit und Qualität der Versorgung sowie Preispolitik.

(22) Rechtssache C-158/94, C-159/94 bzw. C-160/94.

(23) SEK(2001) 1998, S. 4, 7 und 34.

(24) "Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 96/92/EG und 98/30/EG über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und den Erdgasbinnenmarkt" und "Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Netzzugangsbedingungen für den grenzüberschreitenden Stromhandel" (KOM(2001) 125 endg.).

(25) Stellungnahme des WSA zu dem "Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 96/92/EG und 98/30/EG über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und den Erdgasbinnenmarkt" und dem "Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Netzzugangsbedingungen für den grenzüberschreitenden Stromhandel" (KOM(2001) 125 endg., ABl. C 36 vom 8.2.2002).

(26) Richtlinien 97/33/EG, 97/13/EG und 98/10/EG.

(27) KOM(2000) 580 endg., S. 19-20.

(28) "Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten" (KOM(2000) 392 endg.).

(29) Stellungnahme des WSA zu dem "Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten" (KOM(2000) 392 endg., ABl. C 139 vom 11.5.2001).

(30) Richtlinie 97/67/EG.

(31) "Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 97/67/EG im Hinblick auf die weitere Liberalisierung des Marktes für Postdienste in der Gemeinschaft" (KOM(2000) 319 endg.).

(32) Stellungnahme des WSA zu dem "Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 97/67/EG im Hinblick auf die weitere Liberalisierung des Marktes für Postdienste in der Gemeinschaft" (KOM(2000) 319 endg., ABl. C 116 vom 20.4.2001).

(33) Geänderter Vorschlag vom 21.3.2001 (KOM(2001) 109 endg.), ABl. C 180 vom 26.6.2001.

(34) "Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Grundsätze und Leitlinien für die audiovisuelle Politik der Gemeinschaft im digitalen Zeitalter" (KOM(1999) 657 endg.).

(35) Stellungnahme des WSA zu der "Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Grundsätze und Leitlinien für die audiovisuelle Politik der Gemeinschaft im digitalen Zeitalter" (KOM(1999) 657 endg., ABl. C 14 vom 16.1.2001).

(36) Stellungnahme des WSA zu der "Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Grundsätze und Leitlinien für die audiovisuelle Politik der Gemeinschaft im digitalen Zeitalter" (KOM(1999) 657 endg., ABl. C 14 vom 16.1.2001).

(37) ABl. C 320 vom 15.11.2001, S. 5.

(38) Stellungnahme des WSA zum Thema "Private Sozialdienste ohne Erwerbszweck im Kontext der Daseinsvorsorge in Europa", ABl. C 311 vom 7.11.2001.

(39) Stellungnahme des WSA zum Thema "Leistungen der Daseinsvorsorge", ABl. C 368 vom 20.12.1999.

(40) ABl. C 364 vom 18.12.2000.

(41) In Artikel 36 der Grundrechtscharta ist festgehalten: "Die Union anerkennt und achtet den Zugang zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, wie er durch die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten im Einklang mit dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft geregelt ist, um den sozialen und territorialen Zusammenhalt der Union zu fördern."

(42) Moreiro González, C.: "La optimización de la acción institucional a favor de los DF y del Estatuto de Ciudadanía de la Unión", in: Tratado de Niza. Análisis, comentarios y texto, Ed. Colex, 2002, S. 113-133.

(43) Für diese Form der Subsidiarität setzt sich die Kommission in ihrem Weißbuch zum Europäischen Regieren ein (KOM(2001) 428 endg.).

(44) Ein Beispiel aus neuerer Zeit für die durch das gegenwärtige System hervorgerufene Rechtsunsicherheit ist das Urteil des EuGH vom 13.12.2001 in der Rechtssache C-79/00.

ANHANG

zur Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses

Folgender Änderungsantrag, der mehr als ein Viertel der abgegebenen Stimmen erhielt, wurde im Verlauf der Beratungen abgelehnt.

Ziffer 4.4

Am Ende dieser Textstelle sollte folgender Wortlaut angefügt werden: "Die Richtlinie sollte aber auch wirksame Garantien gegen Verzerrungen des Binnenmarktes beinhalten. Die Rahmenrichtlinie stellt zwar die Prinzipien klar, greift aber nicht in die Umsetzung derzeitiger und künftiger sektorspezifischer Richtlinien ein, in denen der öffentliche Versorgungsauftrag und die Universaldienstverpflichtung in diesem Sektor - wie etwa im Telekommunikations- und Energiebereich - geregelt ist."

Begründung

Die Achtung des Subsidiaritätsgrundsatzes ist wichtig und notwendig, und in den meisten Fällen dürften sich in diesem Zusammenhang allenfalls geringfügige Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarktes ergeben. Gleichwohl sollte ausdrücklich festgestellt werden, dass etwaige Verzerrungen vermieden werden müssen, wobei jedoch der Anspruch des Bürgers auf Dienstleistungen respektiert werden muss. Bezüglich Dienstleistungsbereichen mit offenkundigem binnenmarktbezogenem und grenzüberschreitenden Wirkungsgrad - wie etwa Energie und Telekommunikation - wurde diesem Umstand bereits in der Form Rechnung getragen, dass in den bestehenden und auch in den in der Entwurfsphase befindlichen Richtlinien zur Regulierung dieser Sektoren Bestimmungen über die Universaldienstverpflichtung und den öffentlichen Versorgungsauftrag enthalten sind, die weitgehend den gleichen Prinzipien folgen, wie sie auch Teil einer künftigen Rahmenrichtlinie sein sollten. Diese sektorbezogenen Richtlinien müssen natürlich vollinhaltlich umgesetzt und respektiert werden.

Abstimmungsergebnis

Ja-Stimmen: 22, Nein-Stimmen: 43, Stimmenthaltungen: 1.

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