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Document 52001IE0244

    Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Gemeinsame Fischereipolitik"

    ABl. C 139 vom 11.5.2001, p. 96–102 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

    52001IE0244

    Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Gemeinsame Fischereipolitik"

    Amtsblatt Nr. C 139 vom 11/05/2001 S. 0096 - 0102


    Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Gemeinsame Fischereipolitik"

    (2001/C 139/18)

    Der Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 13. Juli 2000 gemäß Artikel 23 Absatz 2 der Geschäftsordnung, eine Stellungnahme zu dem vorgenannten Thema zu erarbeiten.

    Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 1. Februar 2001 an. Berichterstatter war Herr Chagas.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 379. Plenartagung am 28. Februar 2001 und 1. März 2001 (Sitzung vom 1. März) mit 57 gegen 5 Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme.

    1. Einleitung

    1.1. Eingangs sei daran erinnert, dass der Erfolg der Gemeinsamen Fischereipolitik von verschiedenen Faktoren abhängt: dem Gleichgewicht zwischen Ressourcen und Fischereiaufwand, einem hohen Maß an Transparenz bei der Festlegung und Durchführung der Politik, einer gewissen Flexibilität bei der Umsetzung der Maßnahmen, der Steigerung der Effizienz der Kontrollen, einer wirklichen Beteiligung der Betroffenen, der Lösung der mit der Umstrukturierung des Sektors und der Reduzierung der Fangkapazitäten einhergehenden sozialen Probleme.

    1.2. Man sollte nicht aus den Augen verlieren, dass das Hauptziel der Gemeinsamen Fischereipolitik darin besteht, die Lebensfähigkeit des Sektors zu gewährleisten und die Einkommen der in diesem Sektor Beschäftigten zu verbessern, was nur möglich ist, wenn die Nachhaltigkeit der Fischereitätigkeiten sichergestellt wird.

    2. Eine vernünftige und nachhaltige Politik zur Erhaltung und Bewirtschaftung der Ressourcen

    a) Aufgrund des generellen Zustands der Bestände ist die Erhaltung der Fischereiressourcen in den Gewässern der EU-Mitgliedstaaten angesichts der Überfischung und der Notwendigkeit des Schutzes der am stärksten vom Aussterben bedrohten Arten nicht länger nur ein Ziel, sondern eine absolute Priorität. Dieser Priorität muss daher von allen - den Gemeinschaftsinstitutionen, den Mitgliedstaaten und dem gesamten Fischereisektor - Rechnung getragen werden, da sie die Ausgangsbasis für die Stabilität und Nachhaltigkeit der Fischereitätigkeiten und das Überleben eines für zahlreiche Regionen der Gemeinschaft wichtigen Wirtschaftszweigs ist.

    b) Im Zusammenhang mit der Abnahme der Fischereiressourcen muss auch auf den sehr wichtigen Punkt hingewiesen werden, dass die Fänge nicht nur für den menschlichen Verzehr bestimmt sind. Über 1/3 der weltweiten Fänge (30 Mio. Tonnen Fisch) sind für die Produktion von Fischmehl bestimmt. Diese Industrie ist für die gegenwärtige generelle Verknappung der Ressourcen mitverantwortlich. Obwohl diese Wirtschaftstätigkeit in der EU klar abgegrenzt und von geringer Bedeutung ist, weil sie sich weitgehend auf ein bestimmtes Gebiet beschränkt, stellt sich die legitime Frage nach ihren tatsächlichen Auswirkungen auf andere im gleichen Lebensraum vertretene Arten. Die Kommission sollte dieser Frage mit wissenschaftlicher Unterstützung nachgehen.

    2.1. Zwölf-Meilen-Zone

    2.1.1. Bei der Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik ist dies eine zentrale Frage, die eindeutig geklärt werden muss, bevor der Rechtsrahmen und die Leitparameter für die Entwicklung dieses Sektors abgesteckt werden können. Der WSA hat betont(1), dass die seit 1972 geltende Ausnahme von der Freiheit des Zugangs zu den Küstengewässern im Rahmen eines weitreichenden Konsenses auf der Ebene der Mitgliedstaaten und des Fischereisektors selbst immer wieder verlängert wurde.

    2.1.2. Wird ab 2002 der Grundsatz der Gleichheit des Zugangs zu den Gewässern angewandt, so würde dies zu schwerwiegenden Störungen führen, deren politische wie auch wirtschaftliche und soziale Folgen nicht abzusehen sind.

    2.1.3. Angesichts der Störungen, die die Anwendung einer solchen Maßnahme im wirtschaftlichen und sozialen Gefüge bestimmter Küstengebiete der Europäischen Union, und zwar vor allem in den am stärksten von der Fischerei abhängigen Regionen, verursachen könnte, empfiehlt der Ausschuss, zum Schutz der traditionellen Fangtätigkeiten der Küstenbevölkerung die Beschränkung des Zugangs zur 12-Meilen-Zone beizubehalten und die derzeitige Ausnahmeregelung langfristig festzuschreiben.

    2.2. Zugang zur Nordsee

    Nach den Bestimmungen der Beitrittsverträge endet die Beschränkung des Zugangs am 31. Dezember 2002. Da der Zugang zu den meisten Beständen bereits klar abgegrenzt und geregelt ist, müssen die Fischereifahrzeuge Finnlands, Portugals, Schwedens und Spaniens hinsichtlich des Zugangs zur Nordsee denen der übrigen EU-Mitgliedstaaten gleichgestellt werden.

    2.3. TAC und Quoten

    2.3.1. Trotz seiner Unzulänglichkeiten gibt es keine glaubwürdige Alternative zu dem derzeitigen System für die Regelung der Fangtätigkeit, das darin besteht, zulässige Gesamtfangmengen (TAC) festzulegen, die dann in Form von Quoten unter den Mitgliedstaaten aufgeteilt werden.

    2.3.2. Der Ausschuss bekräftigt seinen Standpunkt, dass die Politik zur Anpassung der Fangkapazitäten an die verfügbaren Ressourcen weiterhin von diesem System der TAC und Quoten, das allerdings zu verbessern ist, flankiert werden sollte. Die Einhaltung der festgelegten TAC und Quoten muss gewährleistet werden.

    2.3.3. In diesem Sinne könnte ein Mehrjahresansatz für die Festlegung der TAC größere Stabilität bei der Bewirtschaftung des Fischereiaufwands bewirken, obgleich es - wie die TAC- und Quotenvorschläge der Kommission für 2001 erkennen lassen - notwendig ist, den Zustand der Bestände genauer zu überwachen, um drastische Reduzierungen der TAC mit den damit verbundenen wirtschaftlichen und sozialen Folgen zu vermeiden.

    2.3.4. Die Kenntnis des Umfangs und der Entwicklung der wirtschaftlich genutzten Populationen in den Gemeinschaftsgewässern ist von höchster Wichtigkeit und eine Grundvoraussetzung für die gesamte Ausrichtung der politischen Maßnahmen zur Bewirtschaftung der Meeresressourcen.

    2.3.5. Den Gutachten des wissenschaftlich-technischen und wirtschaftlichen Fischereiausschusses (STEFC) und den Empfehlungen der internationalen Organisationen wäre es nur zuträglich, wenn sie sich durch große wissenschaftliche Genauigkeit auszeichnen und eine Untersuchung der biologischen, wirtschaftlichen und sozialen Aspekte umfassen würden, da diese die Grundlage für die Festlegung der TAC bilden. Andererseits werden der Arbeit des STEFC stets Grenzen gesetzt sein, solange in seine Gutachten über den Rat "Verbesserungen und Anpassungen" oder sonstige "Erwägungen" zur Änderung der Daten einfließen.

    2.3.6. Die Höhe der TAC wird unter diesen Umständen eher durch politische denn wissenschaftliche Erwägungen bestimmt.

    2.3.7. Der Ausschuss ist mit einer solchen Vorgehensweise nicht einverstanden. Er ist überdies der Auffassung, dass zur Gewinnung genauerer Erkenntnisse mehr Gelder in die einschlägige Forschung fließen müssen, so dass der Bedeutung, die die Forschung für eine nachhaltige Fischereitätigkeit der Gemeinschaft hat, Rechnung getragen wird.

    2.3.8. Im Rahmen einer angemessenen und vernünftigen Bewirtschaftung der Ressourcen müssen auch Maßnahmen vorgesehen werden, die ein Reagieren auf eine eventuelle Verlagerung der Fangtätigkeit auf Arten, die keinen Quotenregelungen unterliegen, ermöglichen, um der Überfischung einen Riegel vorzuschieben.

    2.4. Relative Stabilität

    2.4.1. Das Prinzip der ausgewogenen Aufteilung der verfügbaren Ressourcen, mit dem die ausgewogene Bewirtschaftung der Meeresressourcen und die Stabilität der Fischereitätigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten sichergestellt werden soll, muss gewahrt werden.

    2.4.2. Der Ausschuss betont erneut, dass dieses Prinzip mit den Änderungen und Anpassungen, die durch die Entwicklung der Lage seit 1983 im Großen und Ganzen zu rechtfertigen sind, beibehalten werden muss.

    2.5. Strukturmaßnahmen

    2.5.1. Die strukturpolitischen Maßnahmen scheinen angesichts der nach wie vor bestehenden Überkapazitäten nicht von sehr großem Erfolg gekrönt zu sein.

    2.5.2. Die diesbezüglichen Bemühungen müssen auch mit dem Blick auf die Notwendigkeit fortgesetzt werden, die Erneuerung und Modernisierung der Gemeinschaftsflotte voranzutreiben, wobei die Qualität der Bedingungen für die Aufbereitung des Fangs sowie die Verbesserung der Lebensqualität an Bord und der Sicherheit der Besatzungen im Vordergrund stehen muss. Hierzu sollte das Konzept der Kapazität dahingehend neu definiert werden, dass nicht mehr nur die Gesamttonnage der Flotte und die Motorleistung berücksichtigt wird, sondern zwischen aktiver Kapazität, die zu Fischereiaufwand führt, und passiver Kapazität, die diesbezüglich keine Auswirkungen hat, unterschieden wird(2). Dadurch könnte eine deutliche Verbesserung der Lebensbedingungen und der Sicherheit an Bord ermöglicht werden.

    2.6. Mehrjährige Ausrichtungsprogramme (MAP)

    2.6.1. Die MAP gehören ebenso wie die TAC und Quoten zu dem Paket von Maßnahmen, mit denen die Auswirkungen der Überfischung und die Gefahr der Dezimierung bestimmter Arten eingedämmt werden sollen. Die Anstrengungen zur weiteren Senkung des Fischereiaufwands im Rahmen der laufenden Programme scheinen nicht sehr erfolgreich gewesen zu sein, wie dem Zwischenbericht der Kommission(3) zu entnehmen ist. Die Hauptursache scheint zu sein, dass im Rahmen dieser Vierten mehrjährigen Ausrichtungsprogramme die tatsächliche Reduzierung der Kapazitäten in einigen Mitgliedstaaten nicht zufriedenstellend war. Es sollte eine angemessenere Form und ein klarer Bezugsrahmen gefunden werden, um kohärente, für alle verbindliche Maßnahmen festzulegen, durch die diese Programme zu einem auch tatsächlich wirkungsvollen Instrument der Bewirtschaftung werden können. Für Zuwiderhandlungen müssen Sanktionen festlegt werden, die auch wirklich abschrecken.

    2.6.2. Niemand bestreitet, dass die Bestände stark abgefischt sind und dies hohe Einkommensausfälle sowohl für die Reeder als auch die Fischer zur Folge haben könnte. Deshalb sind bei Anpassungen oder Reduzierungen der Flotte soziale und wirtschaftliche Unterstützungsmaßnahmen vollauf gerechtfertigt.

    2.7. Technische Maßnahmen

    2.7.1. Trotz der Probleme bei der Regelung mittels technischer Maßnahmen gibt es weiterhin einen gewissen Spielraum für Fortschritte, der genutzt werden kann, sofern der entsprechende politische Wille vorhanden ist und die Forschung - z. B. in Richtung selektiverer Fanggeräte - unterstützt wird.

    2.7.2. Die Berufsverbände des Fischereisektors - insbesondere diejenigen, die am längsten bestehen und diesen Sektor und seine Fangtechniken genauestens kennen - können hierbei eine große Hilfe sein.

    2.8. Kontrolle

    2.8.1. So perfekt das institutionelle Gefüge und das Regelwerk auch sein mögen, muss doch in jedem Fall darauf geachtet werden, wie die Praxis aussieht. Die Tatsache, dass wir über die erforderlichen Rechtsinstrumente für die Probleme im Fischereisektor verfügen, hilft nichts, wenn diese Instrumente nicht auch angewandt werden. Die Überwachung der durch Vorschriften geregelten Fischereitätigkeiten ist der Schlüssel zur Gewährleistung einer angemessenen Bewirtschaftung der Ressourcen. Es ist nicht miteinander zu vereinbaren, dass das Regelwerk auf Gemeinschaftsebene festgelegt wird, die Kontrolle jedoch nationalen Behörden obliegt, und solange dieses Problem nicht gelöst ist, werden der Gemeinsamen Fischereipolitik stets Grenzen gesetzt sein.

    2.8.2. Trotz aller bisherigen Bemühungen bestehen sowohl im Hinblick auf die Rechtsvorschriften als auch bei der Kontrolle de facto weiterhin Unterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten. Das alte Problem, dass in den einzelnen Mitgliedstaaten nicht nur unterschiedliche Sanktionen vorgesehen sind, sondern diese auch unterschiedlich gehandhabt werden, ist ebenfalls noch nicht ausgeräumt.

    2.8.3. Die Kontrollbefugnisse der Kommission sind immer noch zu begrenzt, um eine größtmögliche Effizienz und einheitliche Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften zu gewährleisten.

    2.8.4. Ohne gemeinschaftliche Rechtsvorschriften, mit denen die Sanktionen wie auch die Kriterien für ihre Anwendung vereinheitlicht werden, ist die Kontrollpolitik nur schwer umzusetzen. Nach Ansicht des Ausschusses sollte der Kommission die Möglichkeit gegeben werden, in dieser Richtung tätig zu werden.

    2.9. Forschung und Entwicklung

    2.9.1. Eine wirkungsvolle Politik zur Bewirtschaftung der Meeresressourcen ist nur möglich, wenn sie sich auf eine genaue Kenntnis der Bestandsgröße und der Entwicklung der in den Gemeinschaftsgewässern gefischten Arten stützt.

    2.9.2. Eine umfassende Forschungs- und Entwicklungspolitik muss die Grundlage für eine vernünftigere, effizientere und in sich stimmigere Nutzung der Meeresressourcen bilden.

    2.9.3. Der Bedeutung der Forschung für die Zukunft, für die Lebensfähigkeit und Nachhaltigkeit der GFP muss Rechnung getragen werden, indem die hierfür bereitgestellten Mittel aufgestockt werden.

    2.10. Erhaltung der Meeresumwelt

    2.10.1. Es setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass das Meer ein empfindliches Ökosystem und die Qualität der Meeresumwelt ein wesentlicher Faktor für die Stabilität nicht nur des Fischereisektors, sondern auch aller anderen vom Meer abhängigen Wirtschaftszweige ist.

    2.10.2. Die Fischerei ist auf biologische Gegebenheiten angewiesen, die sehr stark durch Umweltfaktoren beeinflusst werden. In Bezug auf die Fischerei herrscht heutzutage Übereinstimmung darüber, dass die Umweltqualität die Entwicklungsfähigkeit von Lebewesen wie auch ihre Verwertbarkeit für die menschliche Ernährung unmittelbar beeinflusst. Der Gehalt an gelöstem Sauerstoff und Nährstoffen, die Verunreinigung durch chemische Schadstoffe, Nuklearabfälle und pathogene Mikroorganismen wie auch bestimmte Fehler beim Umweltschutz in den Küstengebieten haben enormen Einfluss auf die Ökosysteme und die Qualität der Gewässer. Leider gibt es unzählige Beispiele dafür, dass das Meer als Müllkippe betrachtet wird und sich zu einem Sammelbecken für Verschmutzungen aller Art entwickelt. Selbst in der EU gibt es noch Einstellungen und Praktiken, die die Meeresumwelt beeinträchtigen und die Arten schädigen. Auch in diesem Bereich müsste das Verursacherprinzip angewandt und demzufolge den Geschädigten Schadensersatz geleistet werden.

    2.10.3. Es ist notwendig, gezielte Forschungsarbeiten und Studien über die Auswirkungen der Verschmutzung, des Klimas und der Luftqualität auf die Meeresumwelt durchzuführen und spürbare Fortschritte im Sinne eines integrierten Küstenzonenmanagements dahingehend zu erzielen, dass bewährte Umweltpraktiken angewandt werden.

    3. Wirtschaftliche Nachhaltigkeit

    3.1. Wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt

    3.1.1. Um neue Ansätze für die Steigerung der Produktivität, die Verbesserung der Lebensbedingungen der Fischer oder sonstiger Aspekte in diesem Sektor zu ermöglichen, muss das derzeitige Ungleichgewicht zwischen verfügbaren Ressourcen und vorhandenen Kapazitäten beseitigt werden.

    3.1.2. Die Fischerei und die gesamte ihr vor- und nachgelagerte Wirtschaftstätigkeit ist für die Regionen, in denen sie betrieben wird, weitaus wichtiger, als ihr prozentualer Anteil am BIP erkennen lässt.

    3.1.3. Sie ist der Lebensnerv dieser Regionen, von dem die Entwicklung verschiedener Formen von Gemeinwesen abhängt, die für das soziale Gleichgewicht und die Gestaltung der Zukunft des Gebiets eine wichtige Rolle spielen, deren wirtschaftliche Bedeutung sich aber nur schwer in Zahlen ausdrücken lässt.

    3.1.4. Einer Revision der Gemeinsamen Fischereipolitik der EU oder diesbezüglichen Änderungsvorschlägen müssen stets gezielte Studien und Untersuchungen vorausgehen, bei denen die Auswirkungen auf die Lage dieses Sektors in den einzelnen Mitgliedstaaten und insbesondere in den am stärksten von den Fischerei abhängigen Regionen berücksichtigt werden. Die am stärksten betroffenen Regionen müssen dabei unterstützt werden, neue Beschäftigungsmöglichkeiten zu fördern oder eine Umstrukturierung des Sektors einzuleiten.

    3.1.5. Die Gemeinsame Fischereipolitik muss in die Anstrengungen zur Gewährleistung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts voll einbezogen werden, indem durch entsprechende Anpassungen die erforderlichen Voraussetzungen für die Erhaltung der Arbeitsplätze, die Förderung der lokalen Produktion, die Steigerung des Lebensstandards der Bevölkerung und die Sicherstellung der Versorgung geschaffen werden.

    3.1.6. Die Küstenfischerei, deren soziale Rolle offensichtlicher ist und die die lokale wirtschaftliche Dynamik in den Küstengebieten garantiert und stabilisiert, muss im Rahmen der GFP stärker unterstützt werden.

    3.2. Sozialpolitik

    3.2.1. Die notwendigen Umstrukturierungen und die Einschnitte, die in sämtlichen Mitgliedstaaten zur Anpassung der Flotten an die vorhandenen Bestände vorgenommen werden müssen, müssen durch eine aktive Sozialpolitik flankiert werden.

    3.2.2. Diese Politik muss über wirtschaftliche und soziale Begleitmaßnahmen die Abwrackung von Fischereifahrzeugen und den Abgang von Personal unterstützen, gleichzeitig aber dafür sorgen, dass die Abgänge durch vorgezogenen Ruhestand durch neue, jüngere Erwerbstätige ausgeglichen werden.

    3.2.3. Das Programm "PESCA" war in der Praxis kein großer Erfolg. Der Ausschuss ist aber dennoch der Auffassung, dass ein spezifisches sozialpolitisches Instrument für diesen Sektor beibehalten werden muss.

    3.3. Gesundheit und Sicherheit

    3.3.1. Arbeitsbedingungen

    3.3.1.1. Die Gemeinschaftsvorschriften über die Arbeitsbedingungen und die Arbeitsumwelt sind nur in geringem Maße auf den Fischereisektor zugeschnitten. Andererseits ist die Fischerei eine der gefährlichsten Tätigkeiten in Europa.

    3.3.1.2. Der Ausschuss vertritt die Auffassung, dass Mindestnormen für die Arbeits- und Lebensbedingungen an Bord von Fischereifahrzeugen festgelegt werden müssen, u. a. Grenzwerte für Lärm und Vibration, Anforderungen an die Unterbringung sowie Auflagen für die sachgemäße Bedienung der Fanggeräte.

    3.3.2. Konstruktion und Ausstattung von Fischereifahrzeugen

    Durch die Einführung von für alle Fischereifahrzeuge geltenden Mindestsicherheitsstandards und von Mindestanforderungen für Sicherheitseinrichtungen könnte die Zahl der Unfälle im Fischereisektor beträchtlich gesenkt werden. Der Ausschuss empfiehlt daher, dass das Protokoll von Torremolinos aus dem Jahr 1997 von sämtlichen Mitgliedstaaten unterzeichnet wird und auf der Grundlage dieses Protokolls gemeinschaftliche Rechtsvorschriften erlassen werden, die für sämtliche Fischereifahrzeuge unabhängig von ihrer Größe gelten.

    3.3.3. Ausbildung und Befähigungszeugnisse

    3.3.3.1. Das Fehlen von Mindestnormen für die Sicherheitsausbildung sämtlicher Besatzungsmitglieder von Fischereifahrzeugen ist eine weitere Ursache für die zahlreichen Unfälle, die durch eine bessere Schulung in Sicherheitstechniken und -verfahren vermieden werden könnten.

    3.3.3.2. Der Ausschuss hält es für dringend notwendig, in der EU derartige Ausbildungsanforderungen einzuführen. Daher sollte als vorrangiges Ziel angestrebt werden, dass sämtliche Mitgliedstaaten das STCW-F-Übereinkommen (1995)(4) über Mindestnormen für die Ausbildung von Seeleuten ratifizieren und umsetzen.

    3.3.4. Nachwuchsprobleme und Beschäftigung

    3.3.4.1. In vielen Regionen, die von der Fischerei abhängig sind und in diesem Sektor auf eine lange Tradition zurückblicken können, wird es immer schwieriger, Nachwuchs zu finden. Nach Ansicht des Ausschusses kann dieser Sektor für junge Fischer dann attraktiver werden, wenn es neben der Gewährleistung eines angemessenen Verdienstes auch gelingt, in die Sicherheit und die Erfuellung der internationalen Normen zu investieren und die Arbeits- und Lebensbedingungen an Bord zu verbessern. Die Beihilfen und Anreize für die Modernisierung der Flotten müssen so konzipiert werden, dass sie zur Verwirklichung dieses Ziels beitragen.

    3.3.4.2. Die jüngste Krise, die durch den ungewöhnlichen Anstieg der Kraftstoffpreise ausgelöst wurde, hat auch deutlich gemacht, dass über einige Formen der Entlohnung im Fischereisektor nachgedacht werden muss, da auch dieser Faktor potentielle Kandidaten abschreckt. Bei einigen in diesem Sektor weit verbreiteten Entlohnungspraktiken wird ein derartiger Preisanstieg direkt in die Lohnberechnung mit einbezogen, was für das Einkommen vieler Fischer schwerwiegende Folgen hat.

    3.3.4.3. Der Ausschuss empfiehlt den Sozialpartnern, sich insbesondere auf einzelstaatlicher Ebene um die Lösung dieses Problems zu bemühen und mehr Stabilität bei den Einkommen zu schaffen, was sich auch positiv auf die Attraktivität des Sektors für neue Arbeitskräfte auswirken dürfte.

    3.4. Gemeinsame Marktorganisation

    3.4.1. Die GMO ist ein Instrument der Gemeinsamen Fischereipolitik, das mit Blick auf eine integrierte Entwicklung des Sektors mit den anderen Instrumenten abgestimmt werden muss.

    3.4.2. Der Ausschuss hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass mit der Sicherstellung der Lebensfähigkeit dieses Sektors, der für die Wirtschaft und die Dynamik bestimmter Regionen und damit für die dortige Bevölkerung von entscheidender Bedeutung ist, gleichzeitig auch das Überleben und die Wettbewerbsfähigkeit einer Produktion ermöglicht wird, deren Erzeugnisse aufgrund ihres Nährwertgehalts für eine gute und ausgewogene Ernährung immer nachdrücklicher empfohlen werden.

    3.4.3. Es muss verstärkt darauf geachtet werden, dass die Mechanismen der gemeinsamen Marktorganisation entbürokratisiert werden und in eine Qualitätspolitik sowie diejenigen Faktoren investiert wird, durch die mit Fischereierzeugnissen ein echter Mehrwert erzielt werden kann.

    3.4.4. Die Versorgung des Gemeinschaftsmarktes zum Ausgleich des Defizits an Fischereierzeugnissen muss unter optimalen Bedingungen garantiert werden, um gravierende Nachteile für die Verbraucher wie auch einen wichtigen Teil der Fischereiwirtschaft zu vermeiden.

    3.4.5. Bei der Sicherstellung der Versorgung über Fänge aus Drittlandsgewässern und über die Einfuhr von Fisch muss jedoch unbedingt auf die Einhaltung des Gemeinschaftsrechts, der einschlägigen internationalen Vorschriften und der ordnungsgemäßen Verfahrensweisen bei der Fischereitätigkeit geachtet werden.

    3.4.6. Bei Erzeugnissen aus Drittländern, die im Binnenmarkt den heimischen Erzeugnissen Konkurrenz machen, werden die Rechtsvorschriften jedoch nicht immer eingehalten. Der Ausschuss weist nochmals darauf hin, dass es bei der Einfuhr und bei Anlandungen durch Fischereifahrzeuge, die unter einer Drittlands- bzw. unter einer Billigflagge fahren, notwendig ist, die Einhaltung der Rechtsvorschriften unionsweit strenger zu kontrollieren.

    3.4.7. Die Einführung einer Etikettierung für Fischereiprodukte, mit der ordnungsgemäße Verfahrensweisen bei der Fischereitätigkeit sowie die Einhaltung der Hygiene- und Gesundheitsvorschriften bescheinigt werden, könnte dem Verbraucher die Gewähr dafür bieten, dass er ein gesundes Produkt aus vorschriftsmäßigem Fang erwirbt.

    4. Internationale Dimension

    4.1. Fischereiabkommen mit Drittländern

    4.1.1. Mit Hilfe dieser Fischereiabkommen kann die EU ihr chronisches Versorgungsdefizit bei Fischereierzeugnissen verringern und dabei die Weiterführung der traditionellen Tätigkeiten der Gemeinschaftsflotte ermöglichen.

    4.1.2. Auf diese Weise konnte bisher das Gleichgewicht des Binnenmarktes im Großen und Ganzen gewährleistet und in gewissem Umfang auch die unverzichtbare Stabilität der Einkommen der Fischer sichergestellt werden.

    4.1.3. Bei der Verlängerung der Abkommen muss jedoch angesichts der jüngsten Entwicklungen gründlich nachgedacht werden. Bestehende Abkommen sollten verlängert werden, wie dies bei dem Abkommen mit dem Königreich Marokko der Fall ist, und das vorhandene Instrumentarium sollte durch den Abschluss neuer Abkommen ergänzt werden.

    4.1.4. In jedem Fall muss - im Hinblick sowohl auf die Beschäftigung als auch die Versorgung des Gemeinschaftsmarktes - wann immer möglich den sogenannten Abkommen der ersten Generation Vorrang eingeräumt werden.

    4.1.5. Zum anderen muss die EU bei den Abkommen mit Drittländern, und zwar insbesondere bei den sogenannten Abkommen der zweiten Generation, darauf achten, dass sie einer Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage der Fischer wie auch der Bevölkerung dieser Länder förderlich sind. Das IAO-Übereinkommen über die Vereinigungsfreiheit muss in sämtliche neuen Abkommen mit aufgenommen werden.

    4.2. Illegale, nicht durch Vorschriften geregelte und nicht angemeldete Fischereitätigkeit

    4.2.1. Der illegalen, nicht durch Vorschriften geregelten und nicht angemeldeten Fangtätigkeit widmen mittlerweile verschiedene internationale Organisationen ihre Aufmerksamkeit. Als Ergebnis dieser Arbeiten haben die Vereinten Nationen und die FAO verschiedene internationale Kodizes und Abkommen angenommen.

    4.2.2. Der Ausschuss ist der Meinung, dass die Umsetzung dieser Abkommen ein entscheidender Schritt hin zu einer angemessenen Bewirtschaftung der Meeresressourcen ist, und empfiehlt, dass die Kommission ihre Unterzeichnung auf allen Ebenen fördern sollte.

    4.2.3. Er vertritt außerdem die Auffassung, dass sich die Inspektionstätigkeit auch auf die im Protokoll von Torremolinos von 1997 und im STCW-F-Übereinkommen festgelegten Sicherheits- und Ausbildungsaspekte sowie die Einhaltung der gemeinschaftlichen Rechtvorschriften über die Bewirtschaftung der Bestände und der einschlägigen internationalen Kodizes und Abkommen erstrecken sollte.

    4.3. Vertretung der EU in regionalen Fischereiorganisationen

    4.3.1. In diesem Bereich wäre es notwendig, die Rolle der Kommission zu stärken und ihr mehr Mittel zur Verfügung zu stellen.

    4.3.2. Es könnte eine stärkere Einbeziehung der Berufsverbände des Fischereisektors und der Wirtschafts- und Sozialpartner erwogen werden, insbesondere durch ihre Beteiligung an der Vorbereitung der Treffen.

    4.4. Erweiterung der Europäischen Union

    4.4.1. Es ist von größter Wichtigkeit, die Sozialpartner bei den verschiedenen Aspekten der Verhandlungen hinzuzuziehen und die Auswirkungen der Erweiterung auf sämtliche Bereiche der GFP - insbesondere auf die Nutzung der Ressourcen und den Arbeitsmarkt - zu berücksichtigen.

    4.4.2. Wie auch in den anderen Sektoren ist es unverzichtbar, dass die neuen Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt ihres Beitritts den acquis communautaire in vollem Unfang übernommen haben, damit die Einhaltung der in der EU geltenden Qualitäts- und Sicherheitsstandards gewährleistet ist.

    5. Entbürokratisierung der GFP

    Über das bereits Gesagte hinaus scheinen zwei Punkte für die Entbürokratisierung der GFP in ihren sämtlichen Teilbereichen extrem wichtig zu sein: zum einen die Stärkung der Rolle und der Befugnisse der Kommission, die die Interessen der EU am Besten vertreten kann, und zum andern - durch die Aufwertung der Rolle der lokalen Zusammenschlüsse von Fischern - die Schaffung der Voraussetzungen für ein stärker dezentralisiertes bzw. regionalisiertes Management bestimmter Aspekte der Gemeinsamen Fischereipolitik.

    6. Schlussfolgerungen

    6.1. Bei der Betrachtung der GFP ist es unvermeidlich, Bilanz zu ziehen, unter Umständen Kritik an ihren Unzulänglichkeiten und Grenzen zu üben und vor allem auch Entwicklungsperspektiven aufzuzeigen, um sie auf die Herausforderungen der nächsten Jahre vorzubereiten.

    6.2. Damit diese Herausforderungen so gut wie möglich bewältigt und die festgestellten Unzulänglichkeiten beseitigt werden können, müssen sich alle - Berufsverbände, Wirtschafts- und Sozialpartner, Mitgliedstaaten, Gemeinschaftsinstitutionen - mit viel Weitblick und Flexibilität darum bemühen, die bestmöglichen Lösungen für die bestehenden Probleme zu finden.

    6.3. In jedem Fall ist es notwendig, eine genauere Kenntnis der Gegebenheiten in diesem Sektor zu gewinnen und die Rolle der Beteiligten und ihrer berufsständischen Organisationen zu stärken, da der Erfolg einer Fischereipolitik davon abhängt, dass ihre Ziele von den Reedern und Fischern mitgetragen werden.

    6.4. Ihre Erfolgsaussichten sind umso größer, je mehr sie dazu beiträgt, die gemeinschaftlichen Ressourcen optimal auszuschöpfen, Mehrwert zu schaffen, die Lebensfähigkeit der Unternehmen zu sichern sowie angemessene Einkommen und moderne Sozialbedingungen zu garantieren.

    6.5. Mit großem Interesse wird das versprochene Grünbuch der Kommission erwartet, das Überlegungen und Vorschläge enthalten soll, die möglicherweise zu einer Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik führen könnten. Wie stets in der Vergangenheit wird der Ausschuss diese für die Zukunft des Sektors wichtige Debatte aufmerksam verfolgen und seine Stellungnahme dazu abgeben.

    Brüssel, den 1. März 2001.

    Der Präsident

    des Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Göke Frerichs

    (1) ABl. C 268 vom 19.9.2000, S. 39-41.

    (2) Nicht jede Erhöhung der Tonnage eines Schiffes ist unbedingt gleichbedeutend mit einer Erhöhung seiner Fangkapazität. Eine Erhöhung der Tonnage eines Schiffes, die nicht der Steigerung der Fangkapazität, sondern lediglich der Verbesserung der Arbeits- und Sicherheitsbedingungen dient, darf daher nicht zu einer wirtschaftlichen Benachteiligung führen.

    (3) KOM(2000) 272 endg.

    (4) Internationales Übereinkommen über Normen für die Ausbildung, die Erteilung von Befähigungszeugnissen und den Wachdienst von Seeleuten (STCW-F/1995).

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