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Document 52001IE0042

Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Die Erschöpfung der Rechte aus der Gemeinschaftsmarke"

ABl. C 123 vom 25.4.2001, p. 28–33 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

52001IE0042

Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Die Erschöpfung der Rechte aus der Gemeinschaftsmarke"

Amtsblatt Nr. C 123 vom 25/04/2001 S. 0028 - 0033


Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Die Erschöpfung der Rechte aus der Gemeinschaftsmarke"

(2001/C 123/05)

Der Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 13. Juli 2000 gemäß Artikel 23 Absatz 3 seiner Geschäftsordnung, eine stellungnahme zum vorgenannten Thema zu erarbeiten.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten des Ausschusses beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 10. Januar 2001 an (Berichterstatterin war Frau Sánchez Miguel).

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 378. Plenartagung am 24. und 25. Januar 2001 (Sitzung vom 24. Januar) einstimmig folgende Stellungnahme.

1. Einleitung

1.1. Mit dieser Stellungnahme bringt der Wirtschafts- und Sozialausschuss seine Unterstützung für den Beschluss der Kommission von Mai 2000 zum Ausdruck, die gegenwärtige Regelung über die gemeinschaftsweite Erschöpfung der Rechte aus Marken nicht zu ändern, u. a. wegen der Notwendigkeit, den Schutz europäischer, durch ihre Marken unterscheidbar gekennzeichneter Waren und Dienstleistungen aufrechtzuerhalten.

1.2. Marken sind Bestandteil des Rechtskorpus gewerblicher und geistiger Eigentumsrechte. Die markenrechtliche Diskussion auf europäischer Ebene dreht sich in erster Linie um die Frage des Beitritts der Europäischen Gemeinschaft zum Madrider Protokoll sowie um die Regelung über die gemeinschaftsweite Erschöpfung der Rechte.

1.3. Die Gemeinschaftsgesetzgebung(1) im Bereich der Rechte des gewerblichen Eigentums (Muster, Marken, Urheber- und verwandte Schutzrechte) basiert auf dem Grundsatz der gemeinschaftsweiten Erschöpfung der Rechte. Zweck dieser Regelung ist es, den freien Verkehr von Waren in der EU sicherzustellen; dazu legt sie fest, dass der Inhaber einer Marke die Einfuhr von Erzeugnissen seiner Marke unterbinden kann, deren erstes Inverkehrbringen außerhalb der EU erfolgte.

1.4. Die Kommission hat im November 1999 eine Arbeitsunterlage vorgelegt, die als Grundlage für künftige, eingehendere Diskussionen in der Gruppe der auf Ersuchen des Rates von den Mitgliedstaaten benannten Sachverständigen über einen möglichen Standpunkt der EU zu einer eventuellen Änderung der gegenwärtigen Regelung über die gemeinschaftsweite Erschöpfung von Rechten dienen sollte.

1.5. Auf der Tagung des Rates (Binnenmarkt) am 25. Mai 2000 führten die Minister einen kontroversen Meinungsaustausch über die wesentlichen Ergebnisse der jüngsten Diskussionen auf Sachverständigenebene. Auf dieser Ratstagung unterrichtete Kommissionsmitglied Frederik Bolkestein die Minister der Mitgliedstaaten über den Beschluss der Kommission, keine Änderung an der gegenwärtigen Regelung über die gemeinschaftsweite Erschöpfung von Rechten vorzuschlagen.

1.6. Die Regelung war auf Ersuchen des Europäischen Parlaments im Wege von Artikel 13 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates und von Artikel 7 der Richtlinie Nr. 89/104/EWG des Rates aufgenommen worden.

2. Allgemeine Bemerkungen: Für und Wider einer Änderung der Regelung über die gemeinschaftsweite Erschöpfung von Markenrechten

2.1. Die NERA-Studie

2.1.1. Im November 1998 gab die Kommission eine Studie zu den "Folgen der Wahl der Erschöpfungsregelung im Bereich des Markenrechts" in Auftrag, die von den Instituten National Economic Research Associates (NERA), SJ Berwin & Co und IFF Research ausgearbeitet wurde.

2.1.2. Hauptzweck der Studie war die Prüfung der wirtschaftlichen Auswirkungen einer möglichen Änderung der Regelung über die Erschöpfung von Markenrechten auf die Europäische Union. Die Studie befasste sich mit den Auswirkungen der Erschöpfungsregelung (der gemeinschaftsweiten und der internationalen) auf Preise und Handelsvolumen, Produktstrukturen und Märkte sowie Verbraucher und untersuchte die Wirkung dieser Regelungen auf gesamtwirtschaftliche Indikatoren, wie z. B. die Beschäftigung.

2.1.3. Die Studie kam zu dem Schluss, dass die einzigen eindeutigen Nutznießer eines möglichen Übergangs von der Regelung über die gemeinschaftsweite Erschöpfung zu einer Regelung über die internationale Erschöpfung die Parallelimporteure und der Verkehrssektor sein würden. Für die nationalen Im- und Exporteure und Hersteller würde sich eine Änderung dagegen äußerst nachteilig auswirken.

2.1.4. Eine Umstellung des Systems würde den Verbrauchern eine praktisch kaum spürbare Preisreduzierung (zwischen 0 und 2 %) bringen. Die Studie machte auch deutlich, dass sich der anfängliche Preisrückgang langfristig wieder verlieren dürfte.

2.1.5. Die Studie enthält keine Quantifizierung der möglichen Beschäftigungsverluste, die eine Systemumstellung mit sich bringen würde, deutet jedoch an, dass es wahrscheinlich zu Arbeitsplatzverlusten bei den "nationalen" Anbietern eines Erzeugnisses kommen werde, während bei den "ausländischen" Anbietern neue Arbeitsplätze entstehen dürften.

2.1.6. In weiteren Schlussfolgerungen der Studie wird darauf hingewiesen, dass eine Umstellung des Systems der gemeinschaftsweiten Erschöpfung auch für die Produktqualität, die Verfügbarkeit der Waren für die Verbraucher sowie für Kundendienstleistungen Folgen haben würde.

2.2. Die öffentliche Anhörung

2.2.1. Am 28. April 1999 veranstaltete die Kommission eine öffentliche Anhörung, an der 180 Vertreter verschiedener Interessenverbände teilnahmen, u. a. Inhaber von Marken aus verschiedenen Gewerbebereichen, Verbraucher, Parallel- und Einzelhändler.

2.2.2. In der Anhörung wurde sowohl für eine Änderung als auch für die Beibehaltung der gegenwärtigen Regelung über die gemeinschaftsweite Erschöpfung plädiert:

- Die Befürworter einer Beibehaltung der gegenwärtigen gemeinschaftsweiten Erschöpfungsregelung machten geltend, dass eine eventuelle internationale Erschöpfungsregelung den wirtschaftlichen Wert der Rechte an Marken mindern würde, was unerwünschte Folgen für Forschung und Innovation haben und zu weniger Investitionen führen würde, mit der Folge eines Anstiegs der Arbeitslosigkeit.

- Ein weiteres Argument wider eine internationale Erschöpfungsregelung wurde von verschiedenen Teilnehmern vorgebracht, die auf den engen Zusammenhang zwischen dem Parallelhandel und der widerrechtlichen Verwertung von Marken hinwiesen.

- Die Argumente für eine Änderung der gegenwärtigen Regelung stützen sich allein auf die geringeren Preise (Rückgang um 0 bis 2 % gemäß der NERA-Studie), die den europäischen Verbrauchern zugute kommen würden.

- Ein möglicherweise umfangreicheres Produktangebot war ein weiteres Argument der Befürworter einer internationalen Erschöpfungsregelung.

2.3. Die Sachverständigengruppen im Rat

2.3.1. Die Kommission hat verschiedene Sitzungen mit Vertretern der Mitgliedstaaten und beteiligter Gruppen veranstaltet. Auf der Grundlage der im November 1999 von den Kommissionsdienststellen erarbeiteten Arbeitsunterlage fanden zwei Sitzungen auf der Ebene einzelstaatlicher Sachverständiger statt.

2.3.2. Der WSA teilt insbesondere die folgenden der von den nationalen Sachverständigen angeführten Argumente:

- Die Einführung und Nutzung neuer Technologien wie z. B. E-Commerce können den Verbrauchern ein breiteres Produktangebot zu niedrigeren Preisen bescheren. Eine Änderung der gegenwärtigen Erschöpfungsregelung aus Preisgründen wäre dann weniger relevant.

- Oftmals sind die Produkte nicht nur durch Marken geschützt, sondern durch mehrere Rechte des geistigen Eigentums (gewerbliche Modelle und Muster). Die Einführung einer internationalen Erschöpfungsregelung nur für Marken hätte daher nur eine begrenzte Wirkung für wenige Wirtschaftszweige.

- Das europäische Markenrecht wird durch die Richtlinie Nr. 89/104/EWG (einzelstaatliche Marken) und die Verordnung (EG) Nr. 40/94 (Gemeinschaftsmarke) geregelt. Die Erschöpfungsregelung muss für beide Arten von Marken (einzelstaatliche und Gemeinschaftsmarke) gleich sein. Eine eventuelle Koexistenz zweier verschiedener Systeme würde auf dem Markt und bei den Verbrauchern Verwirrung stiften, insbesondere bei der Frage, ob ein Produkt einer bestimmten Marke rechtmäßig in Verkehr gebracht wurde oder nicht.

2.4. Folgen einer möglichen Umstellung der Regelung

2.4.1. Folgen im Gemeinschaftsrecht

2.4.1.1. An erster Stelle und als Vorbemerkung hält es der Ausschuss für unerlässlich, dass für einzelstaatliche Marken und die Gemeinschaftsmarke die gleiche Erschöpfungsregelung gelten muss. Dabei ist gar nicht gewährleistet, dass es zu einer Änderung der Erschöpfungsregelung für beide Rechtsinstrumente, die diesen Bereich regeln (die Richtlinie für einzelstaatliche Marken und die Verordnung für die Gemeinschaftsmarke), kommt, da die Richtlinie mit einer qualifizierten Mehrheit im Rat geändert werden kann, während die Änderung der Verordnung Einstimmigkeit erfordert.

2.4.1.2. Einige Mitgliedstaaten werden sich wahrscheinlich einer Änderung der Verordnung widersetzen, so dass es zu einer Koexistenz zweier verschiedener Erschöpfungsregelungen käme, was in der Wirtschaft und bei den Verbrauchern nur Verwirrung stiften kann. Die Regelung über die gemeinschaftsweite Erschöpfung dient der Integration des Binnenmarktes. Eine internationale Erschöpfungsregelung könnte dagegen die europäischen Unternehmen benachteiligen, weil es einen solchen Integrationsprozess auf internationaler Ebene bisher nicht gibt. Besonders betroffen wären die KMU, da diese wegen der geringeren Kosten die einzelstaatliche Markenregelung gewählt haben.

2.4.2. Folgen für andere Rechte des geistigen Eigentums

2.4.2.1. Marken sind nur ein Element des Rechtskorpus im Bereich des geistigen und gewerblichen Eigentums. In der Praxis sind die meisten Produkte durch ein komplexes Bündel von Rechten des gewerblichen Eigentums, Marken, Patenten, Urheberrechten, Mustern und Modellen geschützt. Es kommt nur selten vor, dass die Marke das einzige gewerbliche Schutzrecht ist, durch das ein Produkt geschützt wird. Bei einer Musik-CD ist z. B. die Musik durch das Urheberrecht, die verwendete Technik durch Patente und die Marke durch Markenrechte geschützt.

2.4.2.2. Man muss sich darauf einstellen, dass die gesetzgeberischen Verfahren für Rechte des geistigen und gewerblichen Eigentums kompliziert und langwierig sind. Die Debatte in der Frage der Muster und Modelle begann auf europäischer Ebene 1993 und ist immer noch nicht beendet. Die Kommission vertrat vor kurzem in einer Verlautbarung(2) die Ansicht, dass eine Änderung der Erschöpfungsregelung für Marken keine große Wirkung auf den Markt haben würde, weil die meisten Produkte durch eine ganze Reihe geistiger Eigentumsrechte geschützt seien. Die Kommission hält es nicht für sinnvoll, die internationale Erschöpfungsregelung für alle Rechte des geistigen Eigentums einzuführen.

2.4.3. Folgen für das Wirtschaftswachstum in Europa

2.4.3.1. Eine Änderung der Regelung über die gemeinschaftsweite Erschöpfung könnte langfristig Investitionen in neue Produkte hemmen oder sogar dazu führen, dass auf dem Markt gut etablierte Markenerzeugnisse wegen der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit mit Importwaren zurückgezogen werden.

2.4.3.2. Außerdem ist vorstellbar, dass Markeninhaber beschließen, den Umfang von Kundendienstleistungen oder anderen Eigenschaften ihrer Erzeugnisse zu verringern, die Parallelimporteure den europäischen Verbrauchern nicht zu bieten brauchen, weil sie nicht den Gemeinschaftsvorschriften unterliegen.

2.4.3.3. Die Regelung über die gemeinschaftsweite Erschöpfung der Rechte entspricht der Notwendigkeit, die Integration des Binnenmarktes voranzutreiben. Eine internationale Erschöpfungsregelung würde die europäischen Unternehmen einem Wettbewerb aussetzen, bei dem sie im Nachteil wären, weil ein vergleichbarer Integrationsprozess auf internationaler Ebene bisher noch nicht stattgefunden hat. Die Marktzugangsbedingungen für Erzeugnisse aus Drittstaaten sind dort ganz anders als innerhalb der EU.

2.4.3.4. Der Binnenmarkt hat eine wirtschaftliche Integration und eine Preisangleichung in der EU hervorgebracht. Diese Bedingungen sind jedoch auf dem Weltmarkt nicht gegeben. So bilden die WTO-Mitgliedstaaten keine Zoll- oder Währungsunion wie die EU, nicht einmal eine Freihandelszone. Zwischen diesen Staaten bestehen noch viele tarifliche und nichttarifliche Hemmnisse sowie bedeutende Unterschiede in Bezug auf die Volkswirtschaften, Rechtsordnungen, Ressourcen und Entwicklung, Kontrollen und Regulierungen.

2.4.3.5. Neben den Auswirkungen, die eine veränderte Regelung auf die europäischen Hersteller haben könnte, muss man die Vertriebswege für die Produkte, insbesondere den Fachhandel und die Franchiseunternehmen, berücksichtigen. Gegenwärtig ermöglichen die Franchisesysteme den europäischen Verbrauchern den Zugang zu klar festgelegten Qualitätsprodukten. Eine veränderte Regelung könnte bei den europäischen Verbrauchern Verwirrung stiften; diese könnten auf ein Produkt stoßen, dessen Marke zwar einen Referenzrahmen aufweist, dessen Eigenschaften aber nicht ihren Erwartungen entsprechen.

2.4.3.6. Ein weiteres wichtiges Thema für den Binnenmarkt ist die Gefahr der Nachahmung und Markenpiraterie bei Produkten aus Drittländern. Diesbezüglich ist gemäß der Aussage im Grünbuch zur Bekämpfung von Nachahmungen und Produkt- und Dienstleistungspiraterie im Binnenmarkt(3) und gemäß der Mitteilung zu seiner Umsetzung folgendes zu bedenken:

- die negative Auswirkung dieser Produkte auf die europäische Wirtschaft;

- die Gefahr der Ausnutzung von Parallelimportkanälen für diese Produkte;

- die notwendige Kohärenz bei den Maßnahmen, die die Kommission bei der Ausführung des Grünbuchs ergreift.

2.4.3.7. Schließlich kann der Parallelhandel auch wegen der Unterschiede bei Verwaltungsabläufen und Arbeitskosten anders kalkulieren. Die Gemeinschaft hat sich durch ihre Politik um einen Abbau solcher Unterschiede in der EU bemüht; auf internationaler Ebene wird dagegen nichts unternommen.

3. Gründe für die Beibehaltung der gegenwärtigen Regelung über die gemeinschaftsweite Erschöpfung von Rechten

3.1. Verbraucher

3.1.1. Der Wirtschafts- und Sozialausschuss stellt fest, dass die europäischen Verbraucher von heute neben wettbewerbsfähigen Preisen ein gewisses Maß an Qualität und Kundendienst verlangen, was seinen Niederschlag auch in den Gemeinschaftsvorschriften findet. Vor allem aber wollen sie für ihr Geld auch das bekommen, was ihren Erwartungen entspricht. Markenhersteller verwenden manchmal unterschiedliche Muster oder Geschmacksrichtungen für verschiedene Märkte. So haben z. B. die beliebtesten europäischen Zahnpastamarken Minzgeschmack; in Indonesien bevorzugt man dagegen den Geschmack von Gewürznelken. Ein anderes Beispiel ist der Verkauf von Motorschmierölen, deren Bestandteile je nach Klima, in dem die Verbraucher sie benutzen werden, verschieden sein können.

3.1.2. Das Inverkehrbringen von Erzeugnissen, die nicht für die klimatischen und technischen Bedingungen europäischer Verbraucher gedacht sind, kann eine Gefahr für deren Sicherheit darstellen. In diesem Zusammenhang sind in Anbetracht der vielfältigen Kontrollen, denen der europäische Pharmasektor zum Schutz der Verbrauchergesundheit unterworfen ist, insbesondere die möglichen Folgen des Parallelimports pharmazeutischer Erzeugnisse für die Gesundheit der europäischen Bevölkerung zu bedenken.

3.1.3. Verfügbarkeit: Die gegenwärtige Regelung über die gemeinschaftsweite Erschöpfung von Rechten sichert die Verfügbarkeit der Produkte in all ihren Erscheinungsformen und Produktreihen, nicht nur die am stärksten nachgefragten. So wird z. B. ein offizieller Händler einer Jeans-Marke seinen Kunden alle Größen anbieten und nicht nur die gängigsten für die normal großen Bevölkerungssegmente.

3.1.4. Kundendienstleistungen: Die europäischen Verbraucher erhalten beim Kauf eines Produktes eine Reihe von Dienstleistungen vom Hersteller, die sie bei parallel importierten Erzeugnissen vergeblich suchen. Für ein Fernsehgerät, das bei einem nicht autorisierten Händler gekauft wurde, gibt es möglicherweise keinen Inbetriebnahmedienst und keine Garantieleistungen bei Betriebsstörungen. Oft ist auch die bei Importprodukten mitgelieferte Bedienungsanleitung gar nicht in der Sprache des Verbrauchers verfasst, sondern in der Sprache des Landes, in dem der Parallelimporteur die Ware gekauft hat.

3.1.5. Nachahmungen und Pirateriewaren: Die von Parallelimporteuren benutzten Kanäle sind oft die gleichen wie für die Einfuhr von Nachahmungen. Eine internationale Erschöpfungsregelung könnte eine Zunahme der Produktpiraterie in der EU begünstigen, deren schädliche Auswirkungen auf das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes in den auf das Grünbuch eingegangenen Antworten bekräftigt wurden. Wie in Ziffer 2.4.3.6 ausgeführt, würden die negativen Auswirkungen auf das europäische Wirtschaftswachstum auch auf die Verbraucher durchschlagen. Beweispflichtig für die Übereinstimmung mit den Gemeinschaftsvorschriften sind die Importeure dieser Waren. Außerdem ist auf die gravierenden Folgen hinzuweisen, die Nachahmungen und Produkt- und Dienstleistungspiraterie auf den Verbraucherschutz sowie die öffentliche Gesundheit und Sicherheit haben können. Berücksichtigt man, dass einige Nachahmungen Alltagsgebrauchsgüter sind, steigt das Risiko besorgniserregend an, zu den von der Europäischen Kommission 1999(4) aufgedeckten interessantesten Fällen zählen 530000 nachgeahmte Zahnbürsten und 21 Tonnen gefälschter Reis bzw. Energiegetränke. Qualität und Ursprung der Produkte entgehen vollständig der Kontrolle der Behörden der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten.

3.1.6. Preise: Die Befürworter des Parallelhandels stützen sich fast ausschließlich auf das Argument niedrigerer Preise. Die NERA-Studie hat jedoch gezeigt, dass der Preisrückgang kaum spürbar (zwischen 0 und 2 %) sein würde und sich langfristig wieder verlieren dürfte. Eine weitere Feststellung der Studie ist ein zu erwartender Einnahmeverlust bei den Herstellern von bis zu 35 %, der geringere Investitionen im Bereich der Forschung und Entwicklung europäischer Produkte nach sich ziehen würde. Die europäischen Hersteller müssen aber ständig Innovationen entwickeln, um im Wettbewerb mithalten und den Verbrauchern einen größeren Mehrwert bieten zu können. Dieser Mehrwert liegt immer mehr im "geistigen" Inhalt der Marke (sei es eine technische Innovation oder ein neues Image), weshalb der Schutz des geistigen Eigentums immer mehr an Bedeutung gewinnt.

3.2. Gemeinschaftsrecht

3.2.1. Die Beibehaltung der gegenwärtigen Regelung über die gemeinschaftsweite Erschöpfung von Rechten würde weder Änderungen am Gemeinschaftsrecht im Bereich der Marken noch an anderen Rechten des gewerblichen oder geistigen Eigentums, insbesondere Verordnung und Richtlinie erfordern.

3.3. Binnenmarkt

3.3.1. Die gegenwärtige Regelung über die gemeinschaftsweite Erschöpfung von Rechten ist ein natürlicher Bestandteil des Binnenmarktes, in dem die Grenzen für den freien Verkehr von Waren und Arbeitnehmern wegfallen und die Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten sich in einem Prozess der Konvergenz einander annähern.

3.3.2. Die Wettbewerbsregeln der EU dienen dazu, mögliche Beschränkungen der Marktintegration abzuwenden; dies gilt auch für Einschränkungen der Freiheit der Verbraucher, innerhalb der EU zu kaufen, was sie wollen und wo sie wollen. Die gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln sind auch die geeignete Grundlage für etwaige Klagen von Unternehmen, die sich durch eine eventuelle marktbeherrschende Stellung bedroht oder diskriminiert fühlen.

3.3.3. Die gegenwärtige Regelung über die gemeinschaftsweite Erschöpfung bietet den Herstellern und dem Handel Sicherheit für ihre Investitionen in die Erforschung und Entwicklung neuer Produkte.

3.4. Handelsbeziehungen mit Drittländern

3.4.1. Zu berücksichtigen ist vor allem, dass die Erschöpfungsregelung hinsichtlich der Gemeinschaftsmarke Bestandteil des Binnenmarkts ist, der eine Konvergenz der Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten anstrebt und die Hemmnisse für den freien Warenverkehr beseitigen will.

3.4.2. Auf weltweiter Ebene lassen sich die europäische Integration und die Bemühungen zum Abbau der Hemmnisse für den freien Warenverkehr im Rahmen des WTO-Prozesses nicht miteinander vergleichen. Ebenso wenig gibt es einen parallelen politischen Prozess, der auf die Verringerung der bestehenden Unterschiede zwischen der EU und Drittländern abzielt.

3.4.3. Marken sind in internationaler Hinsicht von großer Bedeutung. Europäische Unternehmen, die auf dem Weltmarkt bestehen wollen, müssen sich dem Wettbewerb durch Unternehmen stellen, deren Produktionskosten erheblich unter den europäischen liegen. Die Regelung über die gemeinschaftsweite Erschöpfung von Rechten trägt ein Stück weit zum Schutz dieser Unternehmen sowie nichteuropäischer Unternehmen, die im Binnenmarkt tätig sind, bei.

3.4.4. Die internationale Erschöpfungsregelung hätte zur Folge, dass eine Gemeinschaftsmarke sich auf den Märkten der Entwicklungsländer, die Grenzpreise praktizieren, nicht durchsetzen könnte, da diese Waren sofort in die EU zurückgelangen und den Basismarkt zerstören würden. Jene Unternehmen, die weiterhin eine Grenzpreisstrategie verfolgen würden, stuenden vor der Wahl, entweder nicht mehr zu exportieren oder ihre Produktion aus der EU heraus auf jene Märkte mit geringeren Kosten zu verlagern.

3.4.5. Ferner ist zu bedenken, dass Paralleleinfuhren aus Drittländern die Produktion, die Investitionen und die Innovation in der EU erheblich beeinträchtigen können. Die Folge wäre wahrscheinlich ein Rückgang der europäischen Ausfuhren und ein stärkerer Anreiz, die Produktion an Orte mit geringeren Kosten als den in der EU üblichen zu verlagern.

3.4.6. Die angemessenste Antwort auf mögliche Missbräuche seitens einiger Unternehmen ist die Anwendung der gemeinschaftlichen Wettbewerbsvorschriften(5).

Brüssel, den 24. Januar 2001.

Der Präsident

des Wirtschafts- und Sozialausschusses

Göke Frerichs

(1) Richtlinie Nr. 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken; Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke; Richtlinie 87/54/EWG vom 16. Dezember 1986 über den Rechtsschutz der Topographien von Halbleitererzeugnissen; Richtlinie 91/250/EWG des Rates vom 14. Mai 1991 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen; Richtlinie 92/100/EWG des Rates vom 19. November 1992 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums; Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates vom 27. Juli 1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz; Richtlinie 96/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken.

(2) Amtliche Verlautbarung der Kommission vom 7. Juni 2000.

(3) Stellungnahme Malosse, ABl. C 116 vom 28.4.1999. "Grünbuch - Bekämpfung von Nachahmungen und Produkt- und Dienstleistungspiraterie im Binnenmarkt" (KOM(1998) 569 endg.) Mitteilung "Folgemaßnahmen zum Grünbuch über die Bekämpfung von Nachahmungen und Produkt- und Dienstleistungspiraterie im Binnenmarkt" (KOM(2000) 789).

(4) Jahresbericht über die Zolltätigkeiten der Gemeinschaft im Bereich Nachahmungen und Produkt- und Dienstleistungspiraterie 1999.

(5) Insbesondere von Artikel 82 EGV über die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung.

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