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Document 51998AC0790

Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der "Mitteilung der Kommission: Europäische Kapitalmärkte für kleine und mittlere Unternehmen: Aussichten und potentielle Hemmnisse für ihre Entwicklung"

ABl. C 235 vom 27.7.1998, p. 13 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

51998AC0790

Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der "Mitteilung der Kommission: Europäische Kapitalmärkte für kleine und mittlere Unternehmen: Aussichten und potentielle Hemmnisse für ihre Entwicklung"

Amtsblatt Nr. C 235 vom 27/07/1998 S. 0013


Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der "Mitteilung der Kommission: Europäische Kapitalmärkte für kleine und mittlere Unternehmen: Aussichten und potentielle Hemmnisse für ihre Entwicklung" (98/C 235/04)

Die Kommission beschloß am 13. Mai 1998, den Wirtschafts- und Sozialausschuß gemäß Artikel 198 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu der vorgenannten Mitteilung zu ersuchen.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Industrie, Handel, Handwerk und Dienstleistungen nahm ihre Stellungnahme am 6. Mai 1998 an. Berichterstatter war Herr Pezzini.

Der Ausschuß verabschiedete auf seiner 355. Plenartagung (Sitzung vom 27. Mai 1998) mit

101 gegen 1 Stimme bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme.

1. Allgemeine Bemerkungen

1.1. Die konstruktiven, anhaltenden Bemühungen der Europäischen Kommission zur Förderung europäischer Kapitalmärkte für kleine und mittlere Unternehmen sind sehr lobenswert. Diese Initiativen sind schon in der "Mitteilung der Kommission. Bericht über die Möglichkeiten einer bildschirmgestützten europäischen Börse für wachstumsstarke junge Unternehmen" () beschrieben worden, zu der der Ausschuß keine Stellungnahme abgegeben hat. Dadurch ist die Kommission einer Aufforderung des Ausschusses nachgekommen, eine Machbarkeitsstudie über einen anerkannten europäischen Markt durchzuführen, der den europäischen Unternehmen, insbesondere KMU, Zugang zu (Risiko-) Kapital verschafft.

1.2. Mit der nun vorliegenden Mitteilung, in der dieses Thema weiter behandelt wird, hat die Kommission ein konstruktives Dokument hervorgebracht. Jedoch wurde nicht allen Punkten, so z. B. der praktischen Funktionsweise der EU-Rechtsvorschriften über den Wertpapierhandel, im Detail die gebührende Aufmerksamkeit gewidmet. Bisweilen hält der Ausschuß andere Faktoren als die von der Kommission angeführten für bedeutsam.

1.3. Über eine angemessene Verfügbarkeit von Finanzmitteln hinaus gibt es in der Tat eine Reihe anderer Faktoren, die die Möglichkeiten der Unternehmen beeinflussen, eine relevante Dimension zu erlangen. Die wichtigsten dieser Faktoren sollen in der vorliegenden Stellungnahme untersucht werden, um zu einer besseren umfassenden Einschätzung der in diesem Bereich vorhandenen Probleme zu gelangen. Einige der ausgesprochenen Empfehlungen gehen auf eine Studienreise des Ausschusses in die Vereinigten Staaten im November 1997 zurück. Die Idee zu diesem Besuch ergab sich insbesondere aus der Bezugnahme auf die US-Kapitalmärkte in der Einleitung der Mitteilung der Kommission sowie aus der Aufforderung von Präsident Santer in seiner Rede vor dem Wirtschafts- und Sozialausschuß am 28. Oktober 1997, die Lage in den Vereinigten Staaten zu untersuchen. Daher wird in der folgenden Stellungnahme ein wesentlich umfassenderes Thema als das der Mitteilung der Kommission, die sich ausschließlich auf Kapitalmärkte für KMU bezieht, behandelt.

1.4. Eine weitere kritische Anmerkung zu der Mitteilung ist, daß die neuen europäischen Kapitalmärkte nur für die Unternehmen von Interesse sind, die zwar aus technischer Sicht als KMU eingestuft werden (weniger als 250 Beschäftigte, Umsatz unter 40 Millionen ECU und eine Bilanz in der Größenordnung von 27 Millionen ECU), jedoch neue Einheiten mittlerer Größe mit besonders hoher Innovationsfähigkeit bzw. Unternehmen mit besonders hoher Kapitalintensität darstellen.

1.5. Auch in den Vereinigten Staaten machen die Unternehmen, die Finanzmittel von ungenannt bleiben wollenden privaten Investoren (den sogenannte "Business Angels") oder aus Risikokapitalfonds erhalten, höchstens 2 % der Gesamtzahl aus, wobei ihre Wachstumschancen jedoch überdurchschnittlich hoch sind. Nach Schätzung der Kommission gibt es in der gesamten Europäischen Union höchstens 20 000 Unternehmen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt mit ihren Aktien an die Börse gehen könnten. Angesichts der Wachstumsrate und der erheblichen Zahl neu geschaffener Arbeitsplätze sind dies jedoch gleichzeitig die vielversprechendsten Unternehmen, weshalb die Kommission deren Finanzbedarf zu Recht so große Aufmerksamkeit gewidmet hat, der in Europa in der Vergangenheit weniger berücksichtigt wurde als in den Vereinigten Staaten.

2. Zusammenfassung des Kommissionsdokuments

2.1. Im wesentlichen enthält die Mitteilung folgende Ziele: Erforschung der möglichen Hindernisse, die der Zulassung von KMU-Aktien zu den Kapitalmärkten im Wege stehen; Anregung einer Debatte auf europäischer Ebene über geeignete Bedingungen für den Zugang zu Aktienkapital; Veranschaulichung der von verschiedenen Initiativen zur Schaffung neuer Finanzmärkte in der Europäischen Union erzielten Erfolge, z. B. EASDAQ-Markt (European Association of Securities Dealers Automatic Quotation) und Initiative "Euro-NM" (Neuer Markt); Beschreibung der Grundzüge der heutigen und künftigen Initiativen der Kommission zur Überwindung der Hindernisse bei der Entwicklung von Kapitalmärkten für KMU und der Sicherstellung eines ordentlichen Funktionierens derselben.

2.2. In der Mitteilung werden zwei wesentliche Bereiche aufgezeigt, die für die Entwicklung dieser Kapitalmärkte potentielle Hindernisse darstellen. Dies sind zunächst die Einstellungen, Fähigkeiten und Zwänge, die für kleine und mittlere Unternehmen typisch sind. Dabei handelt es sich insbesondere um die Einstellung der KMU zu ihrer Finanzierung, ihre Kompetenzen (oder mangelnde Kenntnisse) im Bereich der Finanzverwaltung und die ihnen für den Zugang zum Aktienmarkt entstehenden Kosten.

2.3. Es gibt noch eine weitere Reihe von Hindernissen: der grenzüberschreitende Handel mit Aktien auf gesamteuropäischen Aktienmärkten, besondere Währungsprobleme, von Land zu Land unterschiedliche Steuer- und Rechnungslegungspraktiken, Unternehmensführung und institutionelle Anleger. Nach Ansicht der Kommission wäre in einigen dieser Bereiche eine rasche und vollständige Anwendung des geltenden Gemeinschaftsrechts nützlich. Hinsichtlich der institutionellen Anleger und des freien Kapitalverkehrs erklärt die Kommission, wenn die diskriminierenden einzelstaatlichen Beschränkungen nicht abgeschafft würden, könnten Vertragsverletzungsverfahren beim Gerichtshof erforderlich werden.

3. Besondere Bemerkungen zur Mitteilung

3.1. Einleitung

Der Ausschuß billigt die in der Einleitung wiedergegebenen Ansichten unter dem Vorbehalt der Ausführungen unter Ziffer 1 der vorliegenden Stellungnahme.

3.2. Fortschritte bei der Entwicklung von Kapitalmärkten für KMU in der Europäischen Union und ihre Perspektiven

3.2.1. In Europa bestehen derzeit einige Kapitalmärkte, die den Bedürfnissen der innovativen und schnell wachsenden Unternehmen aufgeschlossener gegenüberstehen als die herkömmlichen Aktienmärkte. Zwei davon, der EASDAQ-Markt und die Initiative Euro-NM, haben gesamteuropäische Ambitionen. Der Londoner AIM (Alternative Investment Market) scheint sich dagegen heute vor allem auf das Vereinigte Königreich zu konzentrieren.

3.2.2. Die Wachstumsraten der Unternehmen, die Zugang zu diesen Märkten finden möchten, liegen wahrscheinlich weit höher als die in Kapitel II Absatz 2 (Seite 2) der Kommissionsmitteilung genannten 10 %. Vergleicht man den Umsatz 1997 mit 1996, so hatten drei Viertel der Unternehmen, deren Aktien auf dem EASDAQ-Markt gehandelt werden, eine Umsatzsteigerung von über 25 % zu verzeichnen, fast ein Drittel eine Umsatzsteigerung von über 100 %.

3.2.3. Solche Märkte werden langfristig Erfolg haben, wenn sie einer ausreichenden Zahl innovativer Unternehmen den Zugang ermöglichen, da diese im allgemeinen das Interesse der Investoren wecken. Jegliche direkte Initiative zur Steigerung der Zahl dieser zugelassenen Unternehmen kann nur begrüßt werden, insbesondere in Bereichen wie der Biotechnologie. Leider besteht kein völlig zuverlässiges System, mit dem schon in der Anfangsphase festgestellt werden könnte, welche Unternehmen Chancen für ein rasches Wachstum und langfristig positive Ergebnisse haben. Ihre Fähigkeit, externe Investitionen anzuziehen, wird davon abhängen, welcher Wert ihrem Management beigemessen wird.

3.2.4. Deshalb müssen die Anstrengungen darauf konzentriert werden, Unternehmensgründungen zu fördern und sicherzustellen, daß diese Unternehmen Zugang zu Finanzierung und rechtzeitiger Beratung haben, um ihre Managementqualität zu verbessern und die "Mortalitätsrate" der Unternehmen zu verringern, die nach Einschätzung der europäischen Beobachtungsstelle für KMU derzeit mit 50 % in den ersten fünf Jahren ihres Bestehens sehr hoch liegt. In der EU sind bereits zufriedenstellende Systeme im Einsatz, die zum Zeitpunkt der Festlegung der Unternehmenspolitiken Hinweise liefern können. Ein Beispiel dafür ist das italienische Finanzinstitut "Artigiancassa".

3.2.4.1. Angesichts der mangelnden Kapitalausstattung und der Unfähigkeit, Sicherheiten für Darlehen zu bieten, stellen sich den neuen Unternehmen zwei gemeinsame Probleme:

In allen Mitgliedstaaten sollte ein System zur Kreditabsicherung mit Vorzugsbedingungen für Kredite in relativ geringer Höhe oder Kleinkredite verfügbar gemacht werden. Die Modalitäten dieses Angebots (vom Staat zur Verfügung gestellte Systeme oder sonstige Mechanismen wie die Systeme für gegenseitige Bürgschaften) sollten unter Berücksichtigung der einzelstaatlichen Gegebenheiten beschlossen werden. Da Kleinunternehmen nicht die Form einer Aktiengesellschaft wählen, muß ihren spezifischen Erfordernissen besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden.

Der Hoechstbetrag sollte vielleicht nicht so hoch liegen wie der von der Small Business Administration in den USA vorgesehene (1 Millionen Dollar, davon 750 000 abgesichert), mindestens jedoch bei 250 000 ECU. Wenn diese Systeme korrekt verwaltet werden, dürften sie für die öffentlichen Finanzen keine übergroße Belastung darstellen. Derzeit belaufen sich die notleidenden Kredite in den USA auf weniger als 2,5 % der durch Sicherheiten abgedeckten Gesamtsumme, und die Belastungen der Unternehmen für die Kreditgewährung würden diese Auswirkungen teilweise abdecken. Angesichts der Erfahrungen mit Systemen für gegenseitige Bürgschaften beläuft sich der sogenannte "Multiplikator" zur Berechnung der Fähigkeit von Konsortien, Kreditbürgschaften zu leisten, auf den Faktor 22. Somit könnte bei einer 50 %igen Absicherung und mit einem hypothetischen Risikokapitalfonds in Höhe von 100 ECU ein Kredit von 4 400 ECU abgesichert werden. Darin sind eine Kreditausfallquote von 4 % sowie die Kosten der Solvabilitätsprüfung enthalten.

3.2.4.2. Einer der Hauptgründe für geschäftliches Scheitern ist mangelnde Branchenkenntnis und Inkompetenz. Dabei bestehen hier keine Geheimnisse: In den meisten Fällen handelt es sich um Kenntnisse, die vermittelt werden können, sofern der Berater über die nötige Branchenerfahrung verfügt und Talent für seine Beratungstätigkeit hat. Bedauerlicherweise nehmen diejenigen, die Beratung am dringendsten benötigen, sie nur selten in Anspruch.

Alle Mitgliedstaaten sollten in Zusammenarbeit mit den entsprechenden privatwirtschaftlichen Organisationen sicherstellen, daß jeder Selbständige, Eigentümer oder Leiter eines KMU gegen ein geringes Entgelt eine individuelle Betriebsberatung in Anspruch nehmen kann. Diese Berater mit Mentorfunktion sollten Erfahrung mit betrieblichen Problemen gesammelt haben und Mitglieder einer Branchenorganisation (möglicherweise einschließlich der nationalen Organisationen der KMU und des Handwerks) sein, die in der Lage ist, ihre Grundbildung und ständige Weiterbildung sicherzustellen. Es müßte erwogen werden, ob die Gewährung einer Bürgschaft für einen Kredit von der Inanspruchnahme dieser Art von Unternehmensberatung abhängig gemacht werden kann.

Die Schaffung eines solchen Systems wäre zwar nicht unbedingt so kostengünstig wie das SCORE der Small Business Administration, deren Berater lediglich eine Kostenerstattung erhalten, doch braucht es auch nicht allzu kostspielig zu sein. Der britische Small Firms Service mit 300 Beratern kostete im letzten Jahr seines Bestehens (1990) nur etwa 14 Millionen ECU. Da durch die Schaffung solcher Einrichtungen die Zahl der Konkurse sinkt und die Aufnahme von Wirtschaftstätigkeiten ohne die erforderlichen Kenntnisse gebremst wird, stellt dies auf nationaler Ebene eine hervorragende Investition dar. Bei einer Ausweitung dieses Systems könnte der Prozentsatz der Konkurse erheblich gesenkt und sogar Spitzenwerte von 80 % erreicht werden.

3.2.4.3. Nicht alle Unternehmen, die ihren Betrieb einstellen, tun dies jedoch aufgrund unzureichender Finanzmittel oder schlechter Verwaltung. Sehr viele können den Belastungen durch Rechtsvorschriften nicht standhalten. Vielen potentiellen Unternehmern muß aufgrund der damit verbundenen bürokratischen Verpflichtungen davon abgeraten werden, sich selbständig zu machen. Die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten räumen diese Probleme zwar ein, jedoch müssen die Initiativen beschleunigt werden, um dem Abhilfe zu schaffen.

In den Vereinigten Staaten brauchen neue Unternehmen lediglich die Sozialbeiträge zu bezahlen und den Steuerbehörden die erforderlichen Erklärungen vorzulegen. Die Mitgliedstaaten sollten diesem Beispiel folgen, die neuen Unternehmen auferlegten Formalitäten auf ein unerläßliches Mindestmaß beschränken und dabei gleichzeitig die verschiedenen wirtschaftlichen und sozialen Strukturen berücksichtigen. Darüber hinaus sollte eine Erhöhung der Parameter bezüglich der Befreiung von der Mehrwertsteuerregistrierung in Erwägung gezogen werden, wie es die Mehrwertsteuerrichtlinien bereits erlauben, um kleineren Unternehmen zu helfen.

Diese Reform wäre haushaltsneutral, weil die Verwaltungsausgaben für Unternehmen, die geringe Mehrwertsteuerbeträge abführen, das erzielte Mehrwertsteueraufkommen überschreiten. Darüber hinaus würde dies den Unternehmen einen gewissen Freiraum verschaffen, um sich mit diesem System vertraut zu machen, das viele für kompliziert halten und das die Bezahlung einer externen Steuerberatung erfordert, um den vorgesehenen Pflichten nachzukommen.

3.2.4.4. In den Vereinigten Staaten ist es leicht, ein Unternehmen zu gründen und es zu Hause zu betreiben, sofern es keine Lärmbelästigung und keinen Schadstoffausstoß verursacht. Die Frage muß erlaubt sein, ob Unternehmen wie Microsoft und Dell Computers, die beide in einer Garage entstanden sind, in einigen europäischen Ländern jemals das Licht der Welt hätten erblicken können.

Die Behörden müssen bei der Zulassung neuer Unternehmen mehr auf den Inhalt als auf die Form achten und die Zulassungsverfahren vereinfachen. Die Beschränkungen bei der Aufnahme einer Unternehmertätigkeit in den eigenen vier Wänden und ihrer Ausübung während eines begrenzten Zeitraums müssen gelockert werden, sofern dies den Beschäftigten, anderen Personen und der Umwelt keinen Schaden zufügt.

3.2.4.5. Da eines der wesentlichen Ziele, die es zu verfolgen gilt, in der Förderung der Gründung innovativer Unternehmen besteht, muß die amerikanische Erfahrung berücksichtigt werden, daß sich diese Unternehmen leichter in der Nähe von Hochschul- und Forschungszentren ausbreiten. Sofern in Europa überhaupt schon solche Zentren bestehen, sind sie nicht zahlreich und groß genug.

Prioritär muß einerseits die Schaffung einer größeren Zahl von Hochtechnologieparks in der Nähe von Universitäten und sonstigen Forschungszentren gefördert und andererseits die Gesamtqualität der bereits vorhandenen verbessert werden, um die Möglichkeiten zu verbessern, wissenschaftliche Erkenntnisse zu vermarkten. Von vitaler Bedeutung ist es auch, in beiden Fällen Unterstützung durch Risikokapitalfonds sicherzustellen.

Die Europäische Kommission muß die bewährtesten der derzeit in den Mitgliedstaaten angewandten Praktiken prüfen und die Ergebnisse verbreiten, um weitere Entwicklungen zu fördern.

3.2.4.6. Amerikanische Hochschulabsolventen sind viel eher geneigt als ihre europäischen Kollegen, Unternehmen zu gründen oder sich an einer Unternehmertätigkeit zu beteiligen. Dies liegt vielleicht an der stärkeren Verfügbarkeit von Finanzmitteln für Unternehmen in der Gründungs- bzw. Anlaufphase (mit diesem Mangel beschäftigt man sich derzeit im Anschluß an die außerordentliche Tagung des Europäischen Rates in Luxemburg zur Beschäftigung); vielleicht liegt es auch an der Verfügbarkeit von Unternehmensberatung durch Experten. Ein weiterer Beweggrund könnte kultureller Natur sein, da wissenschaftlicher Erfolg in Europa wohl wesentlich höheres Prestige genießt als wirtschaftlicher.

Es müssen Lösungen zur stärkeren Sensibilisierung der Wissenschaftler für die Möglichkeit einer kommerziellen Verwertung ihrer theoretischen Erkenntnisse untersucht werden, insbesondere in Unternehmen, an denen sie beteiligt wären. Gegebenenfalls müssen Anreize vorgesehen werden, so z. B. die stärkere Verfügbarkeit von Geldern für die reine Forschung in den Universitätsabteilungen, in denen Wissenschaftler Interesse an Initiativen dieser Art zeigen. Die Mitgliedstaaten sollten darüber hinaus die traditionellen Beschränkungen lockern, die die Wissenschaftler daran hindern, jegliche Art von Wirtschaftstätigkeit auszuüben.

Es müssen auch Probleme praktischer Art gelöst werden, nicht zuletzt die Anerkennung des geistigen Eigentums, insbesondere in Fällen, in denen Forschungszentren zur Gänze vom Staat finanziert werden. Das Auftreten von Schwierigkeiten darf jedoch nicht als Vorwand für Untätigkeit dienen.

3.2.4.7. Ein weiterer Grund für die geringere Kommerzialisierung von Forschungsergebnissen in Europa kann darin bestehen, daß es in Europa offenbar schwieriger und kostspieliger ist, Entdeckungen patentieren zu lassen, als in den Vereinigten Staaten.

Die Absicht der Kommission, rasch Entwürfe von Vorschriften zur Einführung eines wirklichen europäischen Patents vorzulegen, ist positiv zu bewerten. Der Ausschuß fordert den Rat und das Europäische Parlament auf, diese Vorschriften ebenso wie den wichtigen Richtlinienentwurf über das Gebrauchsmuster rasch zu prüfen und zu verabschieden.

3.2.4.8. In den Gebieten der USA mit starker Unternehmertätigkeit werden Unternehmer, die scheitern, weniger stark bestraft. Die Gesetze der einzelnen Staaten erlauben es ihnen, aus ihren Fehlern zu lernen und ihre bisherige oder eine neue Wirtschaftstätigkeit wiederaufzunehmen.

Die Mitgliedstaaten sollten ihre Konkursgesetzgebung überprüfen und versuchen, Änderungen einzuführen, um die Zahl von Konkursen zu verringern, sofern diese nicht unumgänglich sind, und jenen Unternehmern, die keinen Erfolg hatten, aber in gutem Glauben gehandelt haben, größere Möglichkeiten zu geben, noch einmal von vorn zu beginnen.

3.2.5. Ein weiterer Faktor, der sich ausschlaggebend auf den Erfolg oder Mißerfolg solcher Märkte auswirken wird, ist das Vorhandensein ausreichenden Interesses seitens der Investoren. Zwar scheint das bisher von den institutionellen Anlegern gezeigte Interesse ermutigend zu sein, dies gilt jedoch nicht für die privaten Investoren. Einer der Gründe, die das mangelnde Interesse der privaten Anleger in Europa für Aktien erklären, worauf sich auch Kapitel II Absatz 7 der Kommissionsvorlage bezieht, ist zweifellos kulturellen Ursprungs. Europa hat nicht die gleiche Unternehmenskultur wie die Vereinigten Staaten. Im Investitionsbereich wurde hier traditionell der Sicherheit von Investitionen mit festem Zinssatz größere Bedeutung beigemessen als der Möglichkeit, durch Investitionen in Aktien höhere Gewinne zu erzielen. Es ist vorherzusehen, daß die Einführung der gemeinsamen Währung in Europa zu einer Veränderung des Investitionsverhaltens führen wird. Die Rendite von Staatsanleihen wird tendenziell sinken, ebenso die Höhe dieser Emissionen. Dies bedeutet, daß die Investoren Alternativen in Erwägung ziehen müssen.

3.2.6. Die Haltung der Investoren scheint sich bereits zu verändern. Das scheinbar mangelnde Interesse für Aktien könnte auch auf die geringen Möglichkeiten zurückzuführen sein. Aus den jüngsten Entwicklungen, darunter dem Erfolg von Aktienemissionen bei Privatisierungen, könnte man schließen, daß möglicherweise eine "unterdrückte" Nachfrage besteht, die die Schätzungen übersteigt. Jedenfalls ist es wahrscheinlich, daß die meisten privaten Kleinanleger indirekte Beteiligungen durch Investmentfonds, Versicherungsgesellschaften und Pensionsfonds besitzen. Es gilt zu vermeiden, daß überholte einzelstaatliche Vorschriften, die in einem Gebiet mit gemeinsamer Währung eine immer geringere Existenzberechtigung haben (vgl. auch Ziffer 4.1.4), die Investitionspolitiken dieser institutionellen Anleger einschränken.

3.2.7. Expandierende Unternehmen haben einen hohen Kapitalbedarf; oft wird ihre Wachstumsrate in Europa durch fehlende Mittel behindert. Dieses Problem stellt sich in den Vereinigten Staaten weniger, da es dort eine größere Vielfalt an Geldquellen gibt. Es gibt die sogenannte "Business Angels" (informelle private Anleger), dies sind oft erfolgreiche Geschäftsleute, die bereit sind, ziemlich beträchtliche Beträge (den Quellen zufolge 50-100 000 Dollar) in Unternehmen zu investieren, die ein rasches Wachstum versprechen. Darüber hinaus wird die Auffassung vertreten, daß die Ratschläge und Kontakte, die diese Leute den Unternehmen verschaffen können, mindestens ebenso nützlich sind wie die von ihnen investierten Gelder. Einer der Anreize, der ihnen geboten wird, besteht darin, unter bestimmten Voraussetzungen etwaige Verluste mit Steuerverbindlichkeiten ausgleichen zu können, die für andere Tätigkeiten anfallen. Solche Investoren scheint es auch in Europa zu geben. Es handelt sich jedoch nicht um ein verbreitetes Phänomen; darüber hinaus beklagen sich die potentiellen Anleger, wie schwierig es sei, geeignete Unternehmen zu finden. In den USA hat unlängst die Small Business Administration versucht, die Verbindungen in den Vereinigten Staaten durch die Schaffung einer nationalen Datenbank zur Förderung der Kontakte zu verbessern.

Die Mitgliedstaaten sollte Möglichkeiten erforschen, um inoffizielle private Investitionen zu fördern, und dabei auf Steueranreize und die Schaffung von Netzwerken zur Erleichterung der Kontakte in den entsprechenden Bereichen setzen.

3.2.7.1. Wenn die Beteiligung der informellen privaten Anleger nicht mehr ausreichen sollte, müßten theoretisch Risikokapitalfonds solange effizient für die Unternehmen mit den größten Wachstumschancen eingreifen, bis diese an der Börse zugelassen werden können. In der Praxis erfolgt dies auch in den Vereinigten Staaten nur für eine ziemlich geringe Zahl von Unternehmen, wobei die durchschnittliche Investitionshöhe schrittweise steigt. Die Small Business Administration hat versucht, diese Lücke teilweise zu schließen, indem sie Bürgschaften für Risikokapitalinvestitionen in geringer Höhe bietet.

Da der Rat zur Kenntnis genommen hat, daß hier ein Problem besteht (Ziffer 48 der Schlußfolgerungen von Luxemburg), hat die Kommission durch die Vorlage eines Entwurfs für einen Beschluß reagiert, durch den die Gewährung solcher Bürgschaften ermöglicht werden soll. Zu diesem Vorschlag wird der Ausschuß eine getrennte Stellungnahme abgeben.

3.2.8. Eine bemerkenswerte Charakteristik der Vereinigten Staaten ist die Zahl von Kleinunternehmen, denen es gelingt, so stark zu wachsen, bis sie die Größe eines mittleren Unternehmens haben. Dies kann an der Kapitalbesteuerung liegen, die in den Vereinigten Staaten in den 80er Jahren gesenkt wurde. Die Eigentümer eines Unternehmens sind eher geneigt, die Risiken im Zusammenhang mit einem raschen Wachstum auf sich zu nehmen, wenn sie bei Börsenzulassung oder Verkauf des Unternehmens einen beträchtlichen Anteil der erzielten Gewinne für sich behalten können. Wenn sie sich für keine dieser beiden Lösungen entscheiden, können sie daran interessiert sein, das Unternehmen jüngeren Familienmitgliedern zu überlassen, ohne Erbschaftssteuer zahlen zu müssen, durch die dem Unternehmen das für den Betrieb und für die Finanzierung der weiteren Expansion erforderliche Kapital genommen wird.

Die Mitgliedstaaten sollten die Auswirkungen untersuchen, die die Kapital- und Erbschaftsteuer für das Wachstum der KMU haben, und die ggf. erforderlichen Reformen durchführen. Es handelt sich um Initiativen, die der Ausschuß schon wiederholt als wünschenswert bezeichnet hat.

Der Ausschuß bemerkt, daß es für die Regierungen schließlich um das gesamte Steueraufkommen und nicht um die Höhe der Steuersätze gehen sollte.

3.2.9. Darüber hinaus müssen den Investoren qualitativ hochwertige Informationen geliefert werden, insbesondere über neue Aktienemissionen. Bei Emissionen in beträchtlicher Größenordnung ist dies schwierig, aber machbar, kleinere Angebote bringen jedoch bei grenzüberschreitenden Emissionen zweierlei Schwierigkeiten mit sich. Erstens fehlt eine gemeinsame Definition des öffentlichen Angebots im Rahmen der Europäischen Union; und zweitens legen die Mitgliedstaaten die Bestimmungen über die gegenseitige Anerkennung in der Richtlinie über den Prospekt restriktiv aus (). Oft verlangen sie die Übersetzung umfangreicher Dokumente sowie eine beträchtliche Menge von Zusatzinformationen und die Veröffentlichung kostspieliger Anzeigen in nationalen Tageszeitungen. Dies ist zwar völlig legitim, zwingt jedoch die Emittenten von "KMU-Aktien", das Anfangsaktienangebot auf die Öffentlichkeit eines einzigen Mitgliedstaats zu beschränken und in anderen Ländern auf private Aktienanlagen professioneller Investoren zu setzen. Darüber hinaus führt die starke Unterschiedlichkeit der nationalen Normen über die Veröffentlichung in der Praxis zum Ausschluß vieler privater Investoren, sei es aufgrund mangelnder Informationen oder weil in ihrem Staat nur eine private Anlage angeboten wird. Diese beiden Faktoren haben die negative Auswirkung, die Liquidität auf dem Sekundärmarkt zu beschränken und die Börsennotierungen der Aktien nach unten zu drücken. Wenn diese Schwierigkeiten nicht überwunden werden, wird es praktisch unmöglich sein, die verfügbaren Ressourcen und das potentiell in Europa vorhandene Interesse an Aktionen neuer KMU zu nutzen. Dann werden auch die Kapitalmärkte für KMU trotz ihres Potentials nicht in der Lage sein, Finanzmittel für die künftigen europäischen Vorreiter in Industrie und Handel zu liefern.

3.3. Potentielle Hemmnisse für die Zulassung von KMU an Börsen

Unter dieser Überschrift werden in der Mitteilung der Kommission fünf Fragen gestellt, auf die hier in der gleichen Reihenfolge eingegangen werden soll.

3.3.1. Gibt es in Europa genügend KMU, die börsengeeignet und -fähig sind, und wenn ja, wie lassen sie sich ermitteln?

3.3.1.1. Aus den in der Mitteilung der Kommission erwähnten bisher durchgeführten Teilstudien scheint hervorzugehen, daß eine ausreichende Zahl von Unternehmen börsenwillig und potentiell börsenfähig ist. Nicht sicher ist hingegen, ob sie dazu schon bereit oder sich überhaupt der Chancen des Börsenzugangs bewußt sind. Da Unternehmen dazu neigen, ihre Operationen nur ungern vor Fremden zu enthüllen und Informationen der Öffentlichkeit in wesentlich geringerem Maße als in den USA zugänglich sind, kann man sich nur schwer Systeme vorstellen, mit denen dies herausgefunden werden könnte. Vielleicht könnten professionelle Berater (Bankiers, Anwälte, Steuerberater) und Organisationen (Handelskammern usw.) bewogen werden, zum Aufzeigen potentiell börsenfähiger Unternehmen beizutragen.

3.3.2. Sind Eigentümer von KMU, die an die Börse gehen wollen, bereit, eine etwaige Einschränkung ihrer Unternehmenskontrolle in Kauf zu nehmen, die häufig mit dem Verkauf von Aktien an Dritte einhergeht?

3.3.2.1. Die Eigentümer von KMU sollten keinen Börsengang erwägen, wenn sie nicht bereit sind, die Tatsache zu akzeptieren, daß dadurch ihre Kontrolle über das Unternehmen eingeschränkt wird und sie für ihre Arbeit einem größeren Personenkreis gegenüber rechenschaftspflichtig sind. Während sich die Unternehmensgründer aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg allmählich zurückziehen, scheinen ihre Nachfolger viel eher bereit zu sein, im Gegenzug für externe Finanzierungen und die daraus folgenden größeren Expansionschancen auf einen Teil ihrer Kontrolle zu verzichten. Hinzu kommt, daß diejenigen, die bereits Risikokapital erhalten oder informelle private Investitionen angezogen haben, schon daran gewöhnt sind, daß ihre Entscheidungen von außen beurteilt werden. Die Vorstellung der Kommission, es könnte sich eine größere Zahl von Unternehmen bewerben, wenn die Behörden Sensibilisierungskampagnen durchführten, um geeignete KMU von den Vorteilen der Börsennotierung zu überzeugen, muß noch aufmerksamer als bisher durchdacht werden, da die Beratung über den für ein Unternehmen geeignetsten Markt und ähnliche Probleme eindeutig in den Zuständigkeitsbereich eines professionellen Beraters fallen.

3.3.3. Verfügen KMU über die Bereitschaft und die Sachkenntnis, den hohen Anforderungen in bezug auf Finanzinformationen und Transparenz im Zuge einer Börsennotierung nachzukommen?

3.3.3.1. Die Vorbereitung einer Börsennotierung kann durch das Erfordernis, zahlreiche Finanzinformationen vorzulegen, behindert werden. Abgesehen von den dadurch anfallenden Kosten ist eine beträchtliche Anstrengung erforderlich, da die Unternehmensleiter dadurch von den erforderlichen Anstrengungen zur Entwicklung des Unternehmens abgelenkt werden. Dies sind jedoch Erfordernisse, die untrennbar mit der sowohl von den Anlegern als auch von den Aufsichtsbehörden geforderten Transparenz verbunden sind. Es ist schwer nachzuvollziehen, wie das Problem durch die Anregung der Kommission gelöst werden könnte, im Bereich der Finanztransparenz ähnliche Normen wie für Gesellschaften mit beschränkter Haftung anzuwenden. Dadurch würde Unternehmen, die kein externes Beteiligungskapital suchen und auch nie die Absicht hatten, dies zu tun, eine weitere Belastung aufgebürdet.

3.3.3.2. Zu dem anderen Vorschlag, den Unternehmen, die einen Emissionsprospekt vorbereiten, Ausbildung im Finanzbereich zu bieten, ist zu bemerken, daß die Banken, die die Aktenemission begeben, und nicht die betroffenen Unternehmen den Emissionsprospekt vorbereiten und die Rechnungsprüfer die Richtigkeit und Darstellung der Zahlen prüfen. Es ist zu hoffen, daß die Unternehmen, die dieses Stadium erreicht haben, bereits ein ausreichendes Kompetenzniveau im Finanzbereich erworben haben. Andernfalls werden sie Schwierigkeiten haben, die einer Kapitalgesellschaft (etwa einer Aktiengesellschaft) auferlegten Verpflichtungen zu erfuellen.

3.3.4. Haben KMU Zugang zu der entsprechenden Fachberatung und Unterstützung, derer sie zur Vorbereitung einer Börsenzulassung bedürfen?

3.3.4.1. Potentielle erstmalige öffentliche Aktienemissionen in Höhe von unter 100 Millionen ECU werden wohl auf Schwierigkeiten stoßen, weil sie für die großen Investitionsbanken nur von geringem Interesse sind. In einigen der wichtigsten Finanzzentren gibt es zwar Unternehmen, die bereit sind, sich mit Emissionen in durchaus bescheidener Höhe zu befassen, dies sind jedoch sporadische Fälle, und es könnten Schwierigkeiten dabei auftreten, angemessene Unterstützung und Hilfe zu erhalten. Dies ist ein sensibler Punkt, weil der Name der Gesellschaft, die die Börsenzulassung fördert, wichtig ist, um potentielle Investoren anzuziehen. Denn sie fungieren als Filter, Auswahlgremien, Ausbilder, Vorbereiter und Helfer der KMU, die Zugang zu einem Aktienmarkt finden wollen. Es bleibt zu hoffen, daß durch die Wirtschaftsund Währungsunion mit dem verstärkten Wettbewerb auf den Finanzmärkten eine größere Zahl von Unternehmen bereit ist, sich mit kleinen Emissionen zu beschäftigen, ggf. auch in einem anderen Land als dem ihres Hauptsitzes.

3.3.5. Sind KMU bereit und fähig, die laufenden Kosten der Börseneinführung sowohl für die Zulassung selbst als auch für die laufenden Folgekosten zu tragen?

3.3.5.1. Für die Börsenzulassung fallen hohe Kosten an, wenngleich der in der Mitteilung genannte Anteil von 20 % des Kapitalaufkommens sich wohl auf eine Emission in sehr geringer Größenordnung bezieht. Bei der NASDAQ dürften die Kosten 7-9 % des Emissionswerts betragen. Es wäre nicht sehr sinnvoll, Sonderhilfen zu bieten, um die Kosten einer erstmaligen Börsennotierung von KMU zu tragen, die Emissionen in sehr beschränkter Größenordnung durchführen, da die Provisionen erst anfallen, wenn das neue Kapital eingegangen ist. Die Börsen nehmen diese Art Emissionen jedenfalls nicht mit Begeisterung auf, da sie nach der Börsenzulassung tendenziell nicht liquide sind und sich die Höhe der geforderten Provisionen kaum rechtfertigen läßt.

3.3.5.2. Es werden einige Anstrengungen unternommen, um den Erfordernissen der kleineren KMU entgegenzukommen, von denen nur einige eine Aussicht haben, zu einer künftigen Hochtechnologiegesellschaft mit internationalen Ambitionen zu werden. Zwei Initiativen scheinen in diesem Sinne erwähnenswert:

- Der Verband der Handelskammern der Lombardei (Italien) hat vor kurzem einen Sekundärkapitalmarkt für Unternehmen mit Mindestkapital von 500 000 ECU geschaffen.

- Im Januar 1997 hat die irische Börse ihren "Developing Companies Market" (Markt für wachstumsstarke Unternehmen) ins Leben gerufen: Dies ist ein Kapitalmarkt mit weniger belastenden Voraussetzungen als bei Aktien der amtlichen Notierung, wobei u.a. die Vorlage der Rechnungslegung nur eines Jahres und nicht dreier Jahre gefordert wird. Darüber hinaus ist vorgesehen, daß lediglich 10 % der Aktien der Öffentlichkeit angeboten werden müssen.

Weitere Initiativen dieser Art sind erforderlich, da durch sie Kapitalmärkte für Unternehmen geschaffen werden, die die ersten Schritte wagen, wobei die Zulassungskosten relativ beschränkt sind.

3.3.5.3. Darüber hinaus gibt es in Deutschland schon seit längerem einen Markt namens "Freiverkehr", auf dem die Anteile von 500 nicht an der Börse notierten Gesellschaften gehandelt werden.

3.3.5.4. Es könnte von Nutzen sein, die Schaffung eines Internet-Marktes zu fördern, insbesondere für Aktien von kleineren KMU. Im Juni 1997 hat die australische Börse (AS = Australian Stock Exchange) die Absicht angekündigt, im Februar 1998 einen alternativen Kapitalmarkt (Alternative Capital Market) zu gründen, auf dem nicht börsennotierte Unternehmen jeglicher Größe über Anzeigen im Internet Investitionen suchen können. Die AS rechnet, daß es in Australien etwa 1 Millionen KMU gibt, von denen wahrscheinlich 10 % ein tatsächliches Wachstumspotential aufweisen und 2 % an der Gewinnung von externem Aktienkapital Interesse haben könnten. Die Unternehmen, die auf den Markt treten wollen, müssen externe Beratungsgesellschaften in Anspruch nehmen, die von der AS zugelassen sind und überwacht werden und die den Unternehmen und Kunden über das Internet zugesandte Informationen nachträglich prüfen müssen. Einige Angaben sind obligatorisch, jedoch keineswegs so komplex wie in einem Emissionsprospekt.

3.3.5.5. Es muß ein Emissionsprospekt erstellt und der Securities and Exchange Commission übermittelt werden, jedoch obliegt es den betreffenden Unternehmen, den Preis der Aktien festzulegen, was eine geringe Transparenz auf dem Sekundärmarkt mit sich bringt. Bisher scheinen die meisten der auf diese Weise emittierten Aktien an Investoren in geographischer Nähe zu dem Unternehmen verkauft worden zu sein.

3.3.5.6. Eine ziemlich weiterentwickelte neue Form von Emissionen, die die mittleren Unternehmen betrifft, sind die sogenannten Public Venture Offerings. Sie werden nun in den Vereinigten Staaten u.a. auch über Internet angeboten. Dabei beläuft sich das Finanzaufkommen im allgemeinen auf 5-10 Millionen Dollar. Der Securities and Exchange Commission und den Aufsichtsbehörden jedes einzelnen Staates, in dem die Aktien angeboten wird, muß ein Prospekt vorgelegt werden, wonach keinerlei Vorschriften über die Publizität des Angebots eingehalten werden müssen. Dieses kann von maximal fünf institutionellen und einer unbegrenzten Zahl privater Investoren unterzeichnet werden. Die Aktien dürfen nach dem Emissionstag 18 Monate lang nicht gehandelt werden. Dies ist vielleicht gerade wegen ihrer Neuartigkeit eine schwer zu nutzende Finanzierungsform. Eine einzige Investitionsgesellschaft hat sich bereit erklärt, die Angebote von vier von 2 000 interessierten Unternehmen durchzuführen. Dennoch scheint dieses Finanzinstrument effektive Möglichkeiten zu bieten.

3.3.5.7. Ein Problem, das es in Angriff zu nehmen gilt, wenn solche Entwicklungen in Europa gefördert werden sollen, ist eine angemessene Reglementierung und Kontrolle sowie Möglichkeiten zur Vermeidung von Betrugsfällen. Nicht einmal die Securities und Exchange Commission in den Vereinigten Staaten ist bisher in der Lage, ein Regelwerk zu erlassen. Dies bedeutet, daß sich die Europäische Kommission selbst erschöpfend mit dieser gesamten Problematik befassen und dabei möglichst einen normativen Rahmen vorsehen muß, der die Entwicklung eines gut funktionierenden, transparenten und gerechten Aktienmarktes für KMU erlaubt.

Der Ausschuß erkennt die von der Europäischen Kommission im Rahmen des elektronischen Handels unternommenen konstruktiven Anstrengungen an und unterstützt diese. Er fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Beratungen auf dieser Grundlage aufzunehmen und dabei nach Möglichkeit die Kontakte zu der US-amerikanischen Securities and Exchange Commission aufrechtzuerhalten, um ein angemessenes Regelwerk zu erarbeiten, das auf Wertpapiere angewandt werden kann, die Investoren über das Internet angeboten werden.

3.4. Potentielle Hemmnisse für den grenzüberschreitenden Handel mit Aktien an europäischen Börsen für KMU

3.4.1. Von der Kommission hervorgehobene Punkte

3.4.1.1. Währungsprobleme

Der Ausschuß stimmt der Vorstellung der Kommission zu, daß die Währungsprobleme nur mit der Einführung des Euro und durch den dadurch dem grenzüberschreitenden Wertpapierhandel verliehenen Impuls gelöst werden können. Dies hängt natürlich davon ab, wie viele Mitgliedstaaten von Anfang an die gemeinsame Währung einführen, und kann nicht unabhängig von der Wirtschaftsleistung der EU betrachtet werden.

3.4.1.2. Die Regulierung des Aktienmarkts auf EU-Ebene

3.4.1.2.1. Die Europäische Union zählt ca. 18 Wertpapiermärkte und 18 Aufsichtsbehörden. In den Vereinigten Staaten gibt es drei wesentliche oder "nationale" Aktienmärkte, die allesamt beträchtliche Effizienz aufweisen und auf für die Investoren und Unternehmen zufriedenstellende Weise funktionieren. Seit der Kongreß 1996 Gesetzesvorschriften erlassen hat, die Vorrang vor der Gesetzgebung der einzelnen US-Staaten haben, wenn Aktien auf diesen Märkten gehandelt werden, ist nur eine Aufsichtsbehörde zuständig, nämlich die Securities and Exchange Commission. Die heute in Europa bestehende fragmentarische Regelungsstruktur und die hier tätigen Anlagegesellschaften können mit dem amerikanischen Modell nicht effizient konkurrieren.

3.4.1.2.2. Derzeit erlaubt die Gemeinschaftsgesetzgebung über Finanzdienstleistungen den freien Kapitalverkehr und gewährt Niederlassungsfreiheit. Es fehlt jedoch jegliche einheitliche Auslegung der Vorschriften durch die nationalen Aufsichtsbehörden. Davon abgesehen, daß die von den Vorschriften über Finanzdienstleistungen gebotenen Möglichkeiten auf nationaler Ebene auf die unterschiedlichste Weise genutzt wurden, sind dies möglicherweise die wesentlichen noch bestehenden Probleme hinsichtlich der Organisation und des Funktionierens der Aktienmärkte in der Europäischen Union. Die Lösung kommt nicht allein durch die gemeinsame Währung, auch wenn diese die Voraussetzung dafür darstellt. Der Finanzdienstleistungssektor wird die damit verbundenen Vorteile nämlich solange nicht voll nutzen können, wie die derzeitigen Gesetze und Vorschriften gelten.

3.4.1.2.3. Die Bestimmungen der Richtlinie über den Börsenprospekt bringen besondere Probleme mit sich für die Unternehmen aus einem Mitgliedstaat, die die Zulassung zu einem Markt eines anderen Mitgliedstaates beantragen. Diese Richtlinie sieht keine automatische gegenseitige Anerkennung des nach Artikel 12 zur Erlangung der Zulassung zu einem reglementierten Markt erstellten Prospekts vor, obwohl eine Prüfung durch eine zuständige Einrichtung vorgeschrieben ist. Einige dieser Einrichtungen sind bereit, eine Bestätigung über ihre Prüfung des Prospekts auszustellen, andere nicht. In der Tat verhindert die aufgrund der unterschiedlichen Arten und Weisen, auf die einige der in der Richtlinie über den Prospekt enthaltenen Optionen völlig legal in nationales Recht umgesetzt wurden, vorhandene Vielfalt der auf nationaler Ebene erlassenen Vorschriften, daß die in Artikel 21 Absatz 1 dieser Richtlinie vorgesehene gegenseitige Anerkennung des Prospekts ungehindert verwirklicht werden kann.

3.4.1.2.4. Wie schon unter Ziffer 3.2.9 ausgeführt, rühren erhebliche Schwierigkeiten daher, daß einige Behörden die Übersetzung des Prospekts und die Erteilung zusätzlicher, in ihrem Land vorgesehener Informationen über die Einkommenssteuerregelung verlangen, die vor Ort auf die Finanzinstitute angewandt wird, die die Finanzdienstleistung des Emittenten im betreffenden Mitgliedstaat organisieren, sowie über die Modalitäten der Veröffentlichung der Mitteilungen für die Investoren. In der Praxis bürden sie damit kleinen Emittenten eine fast untragbare Last auf.

3.4.1.2.5. Läßt man zu, daß diese Anomalien fortbestehen, so werden einige der sich aus dem Vorhandensein einer gemeinsamen europäischen Währung ergebenden Vorteile gefährdet, und es wird eine Situation geschaffen, in der die europäischen Kapitalmärkte gegenüber den US-amerikanischen im Nachteil sind. Letztere sind nicht nur effizient, sondern bieten den Unternehmen auch eine Auswahl und vergrößern die Chancen der Investoren. Dies scheint im wesentlichen von einem Umfeld von Vorschriften abzuhängen, das die Transparenz sichert und den Wettbewerb fördert. Dadurch wiederum wird die Dimension des Marktes vergrößert und werden die Kosten reduziert, sowohl für die Investoren als auch für die Unternehmen, die Kapital anziehen wollen. Die Europäische Union verfügt zwar derzeit über einen Gesamtrahmen von Vorschriften, die die Märkte und Finanzdienstleistungen regeln, diese Vorschriften sind jedoch äußerst komplex, ihre Anwendung wird durch zusätzliche nationale Bestimmungen noch komplizierter gemacht, und sie unterliegen der Kontrolle der nationalen Aufsichtsbehörden.

Die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten müssen untersuchen, ob die geltenden Gesetze und Vorschriften die heute erforderliche Perfektionierung der Kapitalmärkte fördert, und sie müssen entsprechende Initiativen ergreifen, um die erforderlichen Korrekturen anzubringen, insbesondere im Hinblick auf die Richtlinie über den Prospekt. Es wären keine umfassenden Änderungen erforderlich, um diese zu einem effizienten Instrument zu machen; erforderlich wäre es allerdings, daß einige Mitgliedstaaten auf bestimmte vorgesehene gesetzgeberische Optionen verzichten würden, die zu einer Zeit vorgesehen wurden, als die Finanzmärkte noch wesentlich nationaler geprägt waren als heute. Angesichts der Tatsache, daß es ohnehin unwahrscheinlich ist, in nächster Zukunft zur Schaffung einer europäischen Aufsichtsbehörde nach dem Modell der Securities and Exchange Commission zu gelangen, sind größere Anstrengungen erforderlich, um sicherzustellen, daß die Durchführung auf nationaler Ebene kohärenter gestaltet wird, als dies bisher der Fall ist.

3.4.1.3. Unterschiede der nationalen Gesetze und Praktiken

3.4.1.3.1. Besteuerung

Zwar hat die Kommission recht, daß in den meisten Fällen Doppelbesteuerungsabkommen bestehen, dies gilt jedoch nicht für alle Mitgliedstaaten. Zwei von ihnen weisen in dieser Hinsicht besondere Probleme auf. Der Grund für die Schwierigkeiten scheint jedoch der Mangel an Informationen über die verschiedenen einzelstaatlichen Verhältnisse zu sein und nicht so sehr die Unterschiede selbst.

Dies ist eine Lücke, die die Kommission zu schließen versuchen könnte, indem sie selbst einen erschöpfenden Leitfaden zu diesem Thema erstellen oder seine Erstellung fördern würde.

3.4.1.3.2. Rechnungslegungsnormen

Der Ausschuß teilt die Auffassung der Kommission, wonach diese kein großes Problem darstellen; für die Analytiker indessen, von denen zahlreiche "öffentliche" Informationen über die Unternehmen stammen, wäre es hilfreich, wenn die Rechnungslegung häufiger nach den internationalen Rechnungslegungsnormen vorgenommen würde. Mit diesem Aspekt müssen sich die Börsen anhand interner Regelungen befassen, und nicht gleich die Europäische Kommission. Damit dies funktioniert, müssen jedoch einige Mitgliedstaaten - wie im Grundsatz vereinbart wurde - die innerstaatlichen Rechtsvorschriften ändern, um den Unternehmen die Anwendung der internationalen Normen zu gestatten. Bekanntlich haben sie sich dazu verpflichtet, und sie werden aufgefordert, rasch zu handeln.

3.4.1.3.3. Unternehmensführung

3.4.1.3.3.1. Es erscheint sinnvoll, auf europäischer Ebene Diskussionen über das erforderliche Maß an Normen für die Unternehmensführung zu diskutieren. Es mag jedoch Zweifel an Lösungen angebracht sein, die sich auf rechtliche Bestimmungen stützen, insbesondere angesichts der Schwierigkeit, eine Richtlinie, die die Zustimmung der Rates erlangen könnte, oder als Alternative kohärente nationale Normen auszuarbeiten.

3.4.1.3.3.2. Ein erstes Problem wirft die Ausarbeitung einer angemessenen Definition der Unternehmensführung auf. Die Definition von Ernst & Young in einem für die Kommission erarbeiteten Bericht (alle Betriebs- und Kontrollregeln, die die Tätigkeit der Unternehmen in einem bestimmten historischen und geographischen Rahmen regeln) ist sehr weit gefaßt. Angesichts der Tatsache, daß in einigen Mitgliedstaaten selbst die grundlegendsten Konzepte der Unternehmensführung nicht besonders entwickelt sind, könnte es insbesondere auf europäischer Ebene extrem schwierig sein, diese Definition in Rechtsvorschriften umzusetzen. Es besteht u.a. die Gefahr, daß die notwendige Flexibilität des Managements in einem sich rasch entwickelnden Geschäftsumfeld unnötig eingeschränkt wird und daraus für Europa weitere Nachteile im Wettbewerb mit den Drittländern entstehen.

3.4.1.3.3.3. Auch die Verhaltenskodizes müssen eine gewisse Flexibilität zulassen, damit daraus für die kleineren Unternehmen keine übermäßige Belastung entsteht. Ein europäischer Aktienmarkt legt bereits einige Grundprinzipien der Unternehmensführung fest, die die Unternehmen, deren Aktien zum Handel zugelassen werden, erfuellen müssen und auch weiterhin erfuellen werden:

- Zum Verwaltungsrat müssen mindestens zwei unabhängige Mitglieder zählen. (Damit sind alle Führungskräfte und die Beschäftigten des Unternehmens oder der angeschlossenen Unternehmen, Aktionäre mit Beteiligungsrechten von mehr als 20 % und all jene ausgeschlossen, die in irgendeiner Beziehung zu dem Unternehmen stehen, die ihre Entscheidungsfreiheit beeinflussen könnte.)

- Es muß ein Ausschuß für die Bezüge geschaffen werden, der sich vollständig aus unabhängigen Führungskräften zusammensetzt und der gemäß den besten internationalen Praktiken die Gehälter und Zuwendungen für die Mitglieder des Verwaltungsrats und die Führungskräfte festlegt.

- Es ist ein Aufsichtsausschuß zu bilden, der zum größten Teil aus unabhängigen Führungskräften besteht.

- Alle mit dem Unternehmen im Zusammenhang stehenden Geschäftsvorgänge sind regelmäßig zu überprüfen; hierfür ist ein Gremium vorzusehen, das wie der Aufsichtsausschuß größtenteils aus unabhängigen Mitgliedern besteht und das auch die Umstände prüfen muß, unter denen Interessenkonflikte entstehen könnten.

3.4.1.3.3.4. Wenn andere europäische Börsen ähnliche verbindliche Regeln erlassen würden, wären die Probleme der Unternehmensführung, die mit den sogenannte "public limited companies" (eine Art von Aktiengesellschaft, die es im Vereinigten Königreich gibt) verbunden sind, zumindest in bezug auf das allgemeine Verhalten der Mitglieder des Verwaltungsrates, die Verantwortung für die Unternehmensführung tragen, größtenteils überwunden. In der Zukunft können weitere Probleme auftreten. Da dieser Bereich relativ neu ist, könnte es sinnvoll sein, schrittweise vorzugehen und sich mit eventuellen Mißbräuchen nur zu befassen, wenn sie auftreten, wobei vorzugsweise auf andere Instrumente als die Rechtsetzung zurückgegriffen werden sollte.

3.4.1.3.4. Institutionelle Anleger

Zwei Hauptfaktoren bedingen den geringeren Umfang der für Risikokapitalinvestitionen verfügbaren Finanzmittel in Europa: es gibt eine geringere Anzahl von Pensionsfonds, die auf dem Kapitalisierungssystem beruhen, und wenn es Pensionsfonds gibt, ist ihre Investitionspolitik in einigen Mitgliedstaaten beträchtlichen Einschränkungen unterworfen. Angesichts der demographischen Probleme, die sich in Europa für das kommende Jahrhundert abzeichnen, kann zu recht angenommen werden, daß die Schaffung von mehr Pensionsfonds unabdingbar ist. Um die größtmöglichen Ergebnisse zu erzielen, müssen diese Fonds außerdem imstande sein, die höheren Erträge zu nutzen, die bedeutende Investitionen in Risikokapital ermöglichen. Der Ausschuß ist wie die Kommission der Auffassung, daß institutionellen Anlegern im Hinblick auf den Erfolg dieser Märkte große Bedeutung zukommt und daß überholte und überfluessige Beschränkungen für Investitionen durch Pensionsfonds abgeschafft werden müssen.

Ungeachtet der Notwendigkeit angemessener, rigoros zu kontrollierender Garantien sollte es für Pensionsfonds möglich sein, Investitionsstrategien zu verfolgen, die stärker den Interessen ihrer Mitglieder entsprechen.

4. Weitere wichtige Aspekte, die zu berücksichtigen sind

4.1. Begrenzte Reichweite des Konzepts des "geregelten Markts"

4.1.1. Das rechtliche Konzept des "geregelten Markts" findet lediglich auf die Richtlinie über Wertpapierdienstleistungen und die Richtlinie über Eigenkapitalausstattung, jedoch auf keine andere EU-Richtlinie über Finanzdienstleistungen Anwendung. Daraus ergeben sich verschiedene Konsequenzen:

i) Es scheint, daß die zum Handel zugelassenen Aktien in einigen Fällen als unnotierte Wertpapiere eingestuft werden könnten, auch wenn sie Kontroll- und Transparenzkriterien unterliegen, die den von einer amtlichen Börse vorgeschriebenen Kriterien gleichkommen oder sogar strenger sind als diese.

ii) Im Falle einer Einstufung als "unnotierte Wertpapiere" dürften die Finanzdienstleistungsunternehmen diese bei der Berechnung der Solvabilitätskoeffizienten nicht berücksichtigen, was Beschränkungen für institutionelle Anleger zur Folge hätte.

iii) Investoren, die im Rahmen von OGAW (Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren) tätig sind, können gemäß den aus der Richtlinie 85/611/EWG resultierenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften verpflichtet werden, den betreffenden geregelten Markt zu überprüfen, bevor sie in Aktien, die auf diesem Markt gehandelt werden, investieren.

iv) Die Richtlinie 88/627/EWG über die bei Erwerb und Veräußerung einer bedeutenden Beteiligung an einer börsennotierten Gesellschaft zu veröffentlichenden Informationen gelangt nicht zur Anwendung. Dies könnte dazu führen, daß eine erhebliche Beteiligung an einem auf diesen Märkten gehandelten Unternehmen erworben werden könnte, ohne daß der Käufer in irgendeiner Weise verpflichtet wäre, das betreffende Unternehmen oder den betreffenden Markt darüber zu informieren.

4.1.2. Es wird angenommen, daß die Kommission davon ausgeht, daß die Definition eines "geregelten Markts" die Gewährleistung der Zuverlässigkeit dieses Marktes impliziert. Wenn zudem noch die strengen Regeln einbezogen werden, die den Unternehmen auferlegt sind, deren Aktien auf diesem Markt gehandelt werden, ist es natürlich unangebracht, strengere Vorschriften als die an den "amtlichen Börsen" geltenden Vorschriften anzuwenden oder zu wählen. Die Kommission könnte ersucht werden zu prüfen, wie diese Anomalie behoben werden kann.

4.2. Die Erfahrungen in den USA

4.2.1. Trotz der erheblichen wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede zwischen den USA und der Europäischen Union könnten die in den USA gemachten Erfahrungen genutzt werden, um die Lage der KMU insbesondere aus finanzieller Sicht und auf der Ebene der Unternehmensberatung zu verbessern und dadurch zur Gründung einer größeren Zahl von neuen Unternehmen und folglich zur Schaffung von Arbeitsplätzen beizutragen.

4.2.2. Wenn neue Initiativen eingeleitet oder bestehende Strukturen im Lichte der gewonnenen Erfahrungen angepaßt werden, bedeutet das nicht, daß unternehmerische Aktivitäten überall in Europa Nutzen bringen. Dies ist auch in den USA nicht der Fall. Der Aufschwung der innovativen Sektoren und der Dienstleistungen (die Abgrenzung zwischen diesen beiden wird immer schwieriger) scheint sich auf Hochleistungszentren im Umfeld von Universitätsinstituten oder auf Gebiete wie den westlichen Teil von Washington DC zu konzentrieren.

4.2.3. Der verhältnismäßig hohe Anteil von Unternehmensgründungen in den USA hat zum Teil kulturelle Gründe, da Unternehmergeist, Unabhängigkeit und Flexibilität in der Bevölkerung weiter verbreitet sind. Will man - wie die Kommission zu beabsichtigen scheint - mit Hilfe des Schulsystems einen größeren Unternehmergeist fördern, so erfordert dies Zeit, mindestens eine Generation.

4.2.4. Die Politik der Regierungen in Europa muß darauf ausgerichtet sein, die Gründung neuer Unternehmen zu erleichtern und zu verhindern, daß der Prozentsatz der Unternehmensaufgaben während der ersten fünf Betriebsjahre über dem der USA liegt; darüber hinaus muß einer größeren Anzahl von Unternehmen die Möglichkeit geboten werden, eine mittlere Größe zu erreichen.

4.2.5. Es muß das Ziel sein, den KMU, insbesondere neuen KMU, den Zugang zur Beratung zu ermöglichen. Die Mitgliedstaaten haben - vorzugsweise nach Konsultation der Sozialpartner - darüber zu entscheiden, wer diese Beratung erbringen soll, ob sie Regierungsstellen übertragen wird, ob Dritte damit beauftragt werden oder ob sie auf sonstige Weise erbracht werden soll. Auf jeden Fall müßten sie sicherstellen, daß der "Ausschlußeffekt" möglichst gering gehalten und gleichzeitig vermieden wird, daß die Unterstützung auf eine Art und Weise geleistet wird, daß daraus kurzfristig ein unlauterer Wettbewerbsvorteil entsteht.

5. Analyse der Schlußfolgerungen der Kommission

5.1. Die Schlußfolgerungen der Kommission in ihrer Mitteilung können nicht in Frage gestellt werden, wenn auch festgestellt werden kann, daß bis zur Erreichung des Ziels einer KMU-Beteiligungskultur in Europa noch ein weiter Weg zurückzulegen ist. Die Aussichten sind angesichts der neuen, positiven Bemühungen der Gesetzgeber und der nationalen Regelungsbehörden, die überfluessigen Hürden zu beseitigen, nicht so düster. Wichtig ist insbesondere, daß die Innovation auf den Wertpapiermärkten nicht durch Regelungsprobleme verzögert oder gar verhindert wird. Es ist stets im Auge zu behalten, daß die Gesetzgeber und die Wertpapiergesetze folgende Hauptziele verfolgen:

- Regelung der Beziehungen zwischen dem Aktienhändler und dem Kunden, damit letzterer weder unangemessen behandelt noch Betrugsrisiken ausgesetzt wird;

- allgemeiner Schutz der Investoren vor Betrug und Marktmanipulationen.

5.2. Das bedeutet nicht, daß versucht wird, die Investoren vor dem Marktrisiko zu bewahren oder die speziellen nationalen Marktinteressen zu schützen: Dies würde auf den heutigen globalen Finanzmärkten ohnehin immer schwieriger.

5.3. Die grundlegende wirtschaftliche Aufgabe der Aktienmärkte ist es, passives Sparkapital auf produktive Investitionen hinzulenken. Derzeit ist es für Investmentgesellschaften aufgrund der restriktiven Haltung der Regelungsorgane und der nationalen Gesetzgeber in bezug auf die Genehmigung der Börsenprospekte, die Definition des öffentlichen Angebots und die Frage, welche Wertpapiere als "Euro-Wertpapiere" (vgl. Artikel 3 Buchstabe f der Richtlinie 89/298/EWG über den Prospekt) definiert werden können, nicht möglich, das optimale Liquiditätsniveau auf dem Markt zu gewährleisten. Die Kommission müßte sicherstellen, daß dieser Artikel auf nationaler Ebene korrekt angewandt wird.

5.4. Um die Gründung von Unternehmen und die Schaffung von Arbeitsplätzen mit der Unterstützung effizienter Finanzmärkte, die denen der USA vergleichbar sind, zu optimieren, muß Europa - in jedem Fall unter Wahrung seiner spezifischen sozialen Identität - folgendermaßen vorgehen:

- Es ist sicherzustellen, daß eine größere Zahl solider Unternehmen die Zulassung zu den Aktienmärkten beantragt. Dies impliziert folgendes: die Gesamtzahl der Unternehmen ist zu steigern; es muß vermieden werden, daß sie durch knappe Finanzmittel beeinträchtigt werden; ihnen muß der Zugang zu einer Unternehmensberatung durch kompetente Fachleute ermöglicht werden; es muß vermieden werden, daß ihre Entwicklung durch überfluessige Reglementierungen verzögert wird, und ein leichterer Schutz ihrer Innovationen muß ermöglicht werden.

- In jeder Phase der Unternehmensentwicklung sind größere Investitionen in Aktienkapital zu fördern.

- Es ist sicherzustellen, daß für die entstehenden Unternehmen eventuell auf regionaler Ebene Aktienmärkte zur Verfügung stehen, von denen aus die Unternehmen dann zu größeren nationalen oder europäischen Märkten wechseln können, sobald sie einen angemessenen Entwicklungsstand erreicht haben. Des weiteren sind die vom Internet gebotenen Möglichkeiten zu nutzen.

- Die europäischen Rechtsvorschriften über Wertpapiere sollten überarbeitet werden, um eine größere Transparenz und einen größeren Wettbewerb zu fördern und das reibungslose Funktionieren eines wirklich europäischen Finanzdienstleistungssektors zu ermöglichen.

5.5. Der Ausschuß erkennt an, daß einige Mitgliedstaaten in den verschiedenen Fällen bereits über Mechanismen verfügen, die bestens geeignet sind, um das Problem anzugehen; weitere Instrumente dürften infolge der im November 1997 abgehaltenen Sondertagung des Europäischen Rates zum Thema Beschäftigung eingeführt werden. Mit den betreffenden Empfehlungen soll die Entwicklung eines globalen Rahmens angeregt werden, der die Entwicklung der KMU und die Schaffung neuer Arbeitsplätze in der gesamten Europäischen Union erleichtert, während die noch bestehenden Lücken im derzeitigen System geschlossen werden sollen. Da die Mehrzahl der Unternehmen KMU sind, wird sich dies wiederum positiv auf das allgemeine Niveau des wirtschaftlichen Wohlstands in der Europäischen Union auswirken. Die Maßnahmen werden nach den Traditionen und Strukturen der verschiedenen Mitgliedstaaten ausgerichtet.

6. Zusätzliche Bemerkungen

6.1. Der Ausschuß begrüßt die positive Politikentwicklung, wie sie in der Kommissionsmitteilung "Risikokapital - ein wichtiger Beitrag zur Schaffung von Arbeitsplätzen" () aufgezeigt wird. Die Mehrzahl der vorgeschlagenen Initiativen stützt sich auf dasselbe Konzept wie diese Stellungnahme. Der Ausschuß befürwortet die in der Mitteilung vertretenen Ansichten und wünscht, zur weiteren Politikentwicklung in diesem Bereich gehört zu werden.

Brüssel, den 27. Mai 1998.

Der Präsident des Wirtschafts- und Sozialausschusses

Tom JENKINS

() KOM(95) 498 endg. vom 25.10.1995.

() Richtlinie 89/298 EWG des Rates vom 17 April 1980 zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, Kontrolle und Verbreitung des Prospekts, der im Falle öffentlicher Angebote von Wertpapieren zu veröffentlichen ist.

() KOM(98) 522 endg.

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