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Document 51995AC1175

    STELLUNGNAHME DES WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSSES zu dem Vorschlag fuer eine Richtlinie des Rates zur AEnderung der Richtlinie 86/378/EWG vom 24. Juli 1986 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Maennern und Frauen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit

    ABl. C 18 vom 22.1.1996, p. 132–134 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, SV)

    51995AC1175

    STELLUNGNAHME DES WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSSES zu dem Vorschlag fuer eine Richtlinie des Rates zur AEnderung der Richtlinie 86/378/EWG vom 24. Juli 1986 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Maennern und Frauen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit

    Amtsblatt Nr. C 018 vom 22/01/1996 S. 0132


    Stellungnahme zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 86/378/EWG vom 24. Juli 1986 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit () (96/C 18/23)

    Der Rat beschloß am 4. Oktober 1995, den Wirtschafts- und Sozialausschuß gemäß Artikel 100 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu dem vorgenannten Vorschlag zu ersuchen.

    Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Sozial- und Familienfragen, Bildungswesen und Kultur nahm ihre Stellungnahme am 5. Oktober 1995 an. Berichterstatter war Herr Chevalier.

    Der Ausschuß verabschiedete auf seiner 329. Plenartagung (Sitzung vom 26. Oktober 1995) mehrheitlich bei 4 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme.

    1. Einleitung

    1.1. Mit dieser Richtlinie soll die Richtlinie 86/378/EWG vom 26. Juli 1986 in Übereinstimmung gebracht werden mit Artikel 119 des Vertrags und dem von den Staats- und Regierungschefs in Maastricht unterzeichneten Zusatzprotokoll und deren Auslegung durch den Gerichtshof.

    1.2. Mit seinem Urteil vom 17. Mai 1990 in der Rechtssache Barber und mit den daran anschließenden auslegenden Urteilen erkennt der Gerichtshof nämlich an, daß alle Formen von Betriebsrenten - und de facto alle Arten von Leistungen im Rahmen der betrieblichen Systeme der sozialen Sicherheit der Arbeitnehmer - Bestandteil des Entgelts im Sinne von Artikel 119 EWG-Vertrag sind, der die Gleichheit des Arbeitsentgelts von Männern und Frauen vorschreibt.

    1.3. Da Artikel 119 EWG-Vertrag unmittelbare Geltung besitzt, läßt er keinerlei Ausnahme vom Grundsatz der Gleichbehandlung zu. Infolgedessen werden einige in der Richtlinie 86/378/EWG enthaltenen Ausnahmen hinsichtlich des Rentenalters und der Leistungen für Hinterbliebene für die unselbständig Erwerbstätigen hinfällig.

    1.4. Die Kommission vertritt folgende Ansicht:

    - Die vorgeschlagenen Änderungen stellen lediglich eine Umsetzung der im Maastrichter Zusatzprotokoll bekräftigten Rechtsprechung des Gerichtshofs nach Maßgabe von Artikel 119 dar.

    - Die vorgeschlagene Richtlinie besitzt rein deklaratorischen Charakter.

    - Als Rechtsgrundlage wurde Artikel 100 gewählt, da die vorgeschlagenen Änderungen ausschließlich die unselbständig Erwerbstätigen betreffen.

    Es stellt sich jedoch die Frage, ob sich die Entscheidungen des Gerichtshofs in den von ihm bereits untersuchten Systemen auf alle Rentensysteme übertragen lassen, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen.

    2. Allgemeine Bemerkungen

    2.1. Der Wirtschafts- und Sozialausschuß verabschiedete auf seiner Plenartagung am 14. Dezember 1983 eine Stellungnahme zu dem Vorschlag für die Richtlinie 86/378/EWG.

    2.1.1. In dieser Stellungnahme befürwortete er die vorgeschlagene Richtlinie und ihre wichtigsten Bestimmungen grundsätzlich und unterstrich, er halte "die Gleichbehandlung ... für einen (im EWG-Vertrag verankerten) vorrangigen Grundsatz, dessen Anwendung von allen Betroffenen aus Gründen der Gerechtigkeit angestrebt werden sollte". ()

    2.1.2. Zur Präzisierung seines Standpunktes fügte der Ausschuß hinzu, die zufriedenstellendste Interpretation der Gleichbehandlung sei diejenige, "die sich auf den täglichen Lebensstandard und das persönliche Wohlbefinden des einzelnen bezieht". ()

    2.2. Der Ausschuß sah sich mehrmals und im Rahmen unterschiedlicher Themen veranlaßt, dazu Stellung zu nehmen, daß die Rechtsprechung ohne entsprechende Anpassungen in Rechtsakten ihren Niederschlag findet.

    2.2.1. Er verweist auf seine bereits früher formulierten diesbezüglichen Bedenken, auch wenn die zur Debatte stehende Auslegung des Gerichtshofs im Grunde eine Bestimmung zur unmittelbaren Anwendung des Vertrags (Artikel 119) betrifft und weniger die Richtlinie 86/378/EWG selbst, eine Vorschrift des abgeleiteten Rechts.

    2.2.2. Er verkündet seine Absicht, die Anwendung des "Grundsatzes der Gleichbehandlung" in den weiteren und umfassenderen Rahmen des "Berichts (der Kommission) über die Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer und über das Protokoll über die Sozialpolitik im Anhang zum Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft" zu stellen.

    2.2.3. Der Ausschuß erkennt jedoch an, daß der vorgeschlagene Text zu mehr Rechtssicherheit und -klarheit beiträgt und geeignet ist zu verhindern, daß bei den nationalen Behörden bestimmte Unklarheiten auftreten. Dennoch bleiben Unsicherheiten und Rechtslücken bestehen, die nachstehend beschrieben werden.

    2.3. Der Ausschuß räumt auch ein, daß der vorgeschlagene Text zu mehr Gerechtigkeit und zur Verhinderung zahlreicher Verfahren und Berufungsverfahren beitragen wird.

    2.3.1. Er stellt jedoch fest, daß die Tendenz besteht, das Rentenalter für Arbeitnehmer anzuheben und die für Frauen geltenden Bedingungen für den Eintritt ins Rentenalter an die weniger günstigen Bedingungen für Männer anzugleichen. Der Ausschuß hofft, daß diese Entwicklung nicht systematisch verläuft, und verleiht dem Wunsch Ausdruck, daß besondere Bestimmungen erlassen werden, die den Umständen des persönlichen Werdegangs (Mutterschaft, Kinderbetreuung usw.) Rechnung tragen. Für den Ausschuß gilt der Rechtsgrundsatz der Gerechtigkeit und der Entscheidungsfreiheit sowohl für Männer als auch für Frauen, und er empfiehlt, die Durchführung einer Studie über die Auswirkungen des Familienfürsorgerechts auf die finanzielle Lage der Sozialversicherungssysteme, auf die wirtschaftliche Lage der Unternehmen und auf die Volkswirtschaften ins Auge zu fassen.

    2.4. Der Ausschuß nimmt zur Kenntnis, daß sich der zu erörternde Text nur auf Versicherungen für bestimme Arbeitnehmerkategorien (betriebliche Systeme) bezieht, was allgemeine Pflichtversicherungen (gesetzliche Systeme) und freiwillige Privatversicherungen ohne Beteiligung des Arbeitgebers ausschließt. Er verweist in diesem Zusammenhang auf den "Bericht über die Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer und über das Protokoll über die Sozialpolitik" zur Prüfung besonderer beruflicher Situationen (atypische Arbeit, Teilzeitarbeit, Arbeitslosigkeit, selbständig Erwerbstätige, landwirtschaftliche Tätigkeiten, unklar definierter Status u.a.) (). Mit Blick auf Artikel 119, wie er vom Gerichtshof ausgelegt wurde, fordert er eine eindeutige Definition der betrieblichen Versicherungssysteme in Abgrenzung zu den gesetzlichen Versicherungssystemen.

    3. Besondere Bemerkungen

    3.1. Der Ausschuß befürwortet die zu Artikel 3 der Richtlinie 86/378 EWG vorgeschlagene Änderung, durch die anspruchsberechtigte Angehörige in den Geltungsbereich der neuen Richtlinie einbezogen werden.

    3.2. Er befürwortet auch die in Artikel 6 Buchstabe i) beschriebenen Modalitäten, da sie eine Angleichung der Beiträge und der Leistungen bezwecken, verkennt deshalb aber nicht die versicherungsmathematischen Bedenken. So sieht der neue Text ja folgendes vor:

    - Für die Arbeitnehmer sind die zu entrichtenden Beiträge bei jedem System gleich hoch.

    - Für die Arbeitgeber können die Beiträge unterschiedlich hoch ausfallen,

    wenn die Leistungen im Rahmen eines "Systems mit Leistungszusage" ausgeglichen werden sollen (Ergänzung der Finanzierungsgrundlage);

    wenn die Leistungen im Rahmen eines "Systems mit Beitragszusage" ausgeglichen werden sollen (Ausgleich der Leistungsdifferenz).

    3.2.1. Der Ausschuß nimmt zur Kenntnis, daß die Beitragsgleichheit für die Erwerbstätigen verbindlich ist und bezüglich des Arbeitgeberbeitrags von Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern abhängig bleibt.

    Die Festlegung dieses Beitrags ist insofern eine heikle Angelegenheit, als die genaue Lebensdauer der einzelnen Begünstigten nicht vorhersehbar ist.

    3.3. Der Ausschuß äußert starke Bedenken gegen Artikel 2 der ihm unterbreiteten Richtlinie, der die Anwendungsmodalitäten für diesen neuen Text definiert. Er hält insbesondere die Bestimmungen zur rückwirkenden Geltung für schwerfällig und komplex. Seines Erachtens ist es erforderlich, die aus dem Text von 1986 resultierenden Ungerechtigkeiten zu beseitigen, doch warnt er vor einer Erhöhung der Belastungen, die sich negativ auf die Beschäftigung auswirken könnte.

    3.3.1. Im übrigen kann die Umsetzung dieser Bestimmungen, deren rückwirkende Geltung vom Gerichtshof zeitlich befristet wurde, auf Hindernisse im Zusammenhang mit der Verwaltung - mitunter auch mit der Finanzierungsweise - der etwaigen betroffenen Versicherungssysteme stoßen. Vorgesehen ist eine schrittweise Angleichung des Rentenalters unter Bezugnahme auf die Beschäftigungszeiten und nicht auf den Zeitpunkt des Erwerbs der Leistungsansprüche. In einigen Fällen wird die Angleichung somit erst erreicht sein, wenn der gesamte Versicherungsverlauf eines Arbeitnehmers nach dem 17. Mai 1990 eingesetzt hat. In der Zwischenzeit werden die Renten aufgegliedert, was erhebliche finanzielle Auswirkungen auf Verwaltungsebene haben wird.

    3.3.2. Der Gerichtshof hat ferner Überlegungen zur Finanzierungsmethode der Systeme angestellt und dabei nur die durch Beiträge gedeckten Systeme berücksichtigt, bei denen ein versicherungsmathematischer Zusammenhang zwischen Beiträgen und späteren Leistungen besteht. Dies trifft nicht für die Systeme zu, bei denen die Höhe des Vericherungsanspruchs abhängig ist vom Kapitalertrag der angelegten Beiträge (Beteiligungssysteme) oder von der finanziellen Lage der Versicherungsgemeinschaft zum Zeitpunkt der Leistungserbringung (Umlagesysteme).

    3.4. Der Ausschuß dringt darauf, daß die Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit in den laufenden und künftigen Arbeiten über Teilzeitarbeit, Jugendarbeitslosigkeit, neue Arbeitsformen, Bestimmungen zum sozialen Schutz usw. Berücksichtigung findet.

    4. Schlußfolgerung

    4.1. Der Ausschuß befürwortet die ihm unterbreiteten Änderungen vorbehaltlich der oben geäußerten Bemerkungen und Wünsche.

    4.1.1. Er betont nachdrücklich, daß der "rein deklaratorische Charakter" der Richtlinie näher erläutert werden und der Text ausdrücklich die Systeme zurückstellen sollte, die aufgrund ihrer spezifischen Funktionsweise oder ihrer Finanzierungsmethode für eine Umsetzung der Rechtsprechung zu Artikel 119 in seiner gegenwärtigen Form nicht in Frage kommen.

    4.1.2. Der Ausschuß stellt fest, daß mehrere Ziffern des neuen Textes den in seiner Stellungnahme vom 14. Dezember 1993 zum Ausdruck gebrachten Anliegen und den seitdem durch die Auswirkungen der Richtlinie 86/378/EWG ausgelösten Kritiken und Forderungen Rechnung tragen.

    4.1.3. In der Erwägung, daß die in dem zu erörternden Text enthaltenen Verbesserungen Ergebnis einer umfassenden Konsultierung der Sozialpartner sind, fordert der Ausschuß, daß die Anwendung der Richtlinie und ganz allgemein jede neue Entwicklung der Sozialschutzsysteme im Rahmen einer sehr offenen Ansprache mit den zuständigen, betroffenen Einrichtungen vorbereitet wird.

    Geschehen zu Brüssel am 26. Oktober 1995.

    Der Präsident

    des Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Carlos FERRER

    () ABl. Nr. C 218 vom 23. 8. 1995, S. 5.

    () ABl. Nr. C 35 vom 9. 2. 1984, Ziffer 1.3 Absatz 2.

    () Vgl. ebd. Ziffer 1.2 Absatz 3.

    () Dok. KOM (95) 184 endg. vom 24. 5. 1995 - Kapitel 1.06

    Protokoll Nr. 14 über die Sozialpolitik - Abkommen über die Sozialpolitik, Artikel 6 Absatz 3.

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