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Document 51995AC0584

    STELLUNGNAHME DES WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSSES zu dem Vorschlag fuer eine Verordnung (EG) des Rates ueber Massnahmen zur Organisation eines sicheren Schiffsbetriebs von Ro-Ro-Passagierfaehrschiffen

    ABl. C 236 vom 11.9.1995, p. 42–44 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT)

    51995AC0584

    STELLUNGNAHME DES WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSSES zu dem Vorschlag fuer eine Verordnung (EG) des Rates ueber Massnahmen zur Organisation eines sicheren Schiffsbetriebs von Ro-Ro-Passagierfaehrschiffen

    Amtsblatt Nr. C 236 vom 11/09/1995 S. 0042


    Stellungnahme zu dem Vorschlag für eine Verordnung (EG) des Rates über Maßnahmen zur Organisation eines sicheren Schiffsbetriebs von Ro-Ro-Passagierfährschiffen (95/C 236/12)

    Der Rat beschloß am 13. März 1995, den Wirtschafts- und Sozialausschuß gemäß Artikel 84 Absatz 2 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu dem vorgenannten Vorschlag zu ersuchen.

    Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr und Kommunikationsmittel nahm ihre Stellungnahme am 10. Mai 1995 an. Berichterstatter war Herr Whitworth.

    Der Ausschuß verabschiedete auf seiner 326. Plenartagung (Sitzung vom 31. Mai 1995) einstimmig folgende Stellungnahme.

    1. Einleitung

    1.1. Dieser Verordnungsvorschlag ist der Auftakt zu einer Reihe von Vorschlägen für Ratsbeschlüsse zur Verbesserung der Sicherheit des Schiffsbetriebes von Roll-on/Roll-off-Passagierfährschiffen, die in der Entschließung des Rates zu diesem Thema vom 22. Dezember 1994 festgelegt wurden.

    1.2. In der Entschließung wurden darüber hinaus die Mitgliedstaaten und die Kommission aufgefordert, eine Reihe fortlaufender Initiativen der Internationalen Seeschiffahrtsorganisation (IMO) zu unterstützen. Die Kommission wurde ferner aufgefordert, eine Reihe anderer in ihrem Aktionsprogramm vorgesehener Initiativen zu ergreifen.

    1.3. Diese fortlaufenden Aktivitäten tragen zur Entwicklung einer Gemeinsamen Politik für die Sicherheit auf See bei, der der Wirtschafts- und Sozialausschuß in seiner Stellungnahme zu der Kommissionsmitteilung über dieses Thema (Dok. CES 1170/93 vom 24. November 1993) mit überwältigender Mehrheit zustimmte. Die Dringlichkeit einer solchen Gemeinsamen Politik wurde durch den Untergang des estnischen Ro-Ro-Fährschiffes Estonia am 28. September 1994 noch unterstrichen.

    2. Der Kommissionsvorschlag

    2.1. Der Verordnungsvorschlag ist darauf ausgelegt, die Einhaltung des Internationalen Codes für Maßnahmen zur Organisation eines sicheren Schiffsbetriebs und der Verhütung der Meeresverschmutzung (ISM-Code) der IMO für alle Reedereien, die mit seetüchtigen Ro-Ro-Passagierfähren im Linienverkehr Häfen der Gemeinschaft anlaufen oder aus diesen auslaufen, vom 1. Juli 1996 an verbindlich vorzuschreiben.

    2.2. Dieser Code wurde von der IMO im Mai 1994 als Teil des Übereinkommens zum Schutz des menschlichen Lebens auf See angenommen. Die Fristen für seine Anwendung liegen je nach Schiffstyp zwischen Juli 1998 und Juli 2002. Die Kommission will deshalb das Inkrafttreten für Ro-Ro-Fährschiffe der Gemeinschaft um zwei Jahre vorziehen und die Regelung sowohl auf Fährdienste innerhalb der Gemeinschaft als auch auf Fährverbindungen mit Drittstaaten anwenden.

    3. Der ISM-Code

    3.1. Im wesentlichen verpflichtet der Code die Fährunternehmen, hohe Qualitätsnormen für die Betriebsführung ihrer Schiffe zu entwickeln und anzuwenden. Dazu gehört, daß sowohl detaillierte schriftliche Konzepte als auch Betriebs- und Notfallverfahren entwickelt und die Verantwortungsbereiche an Land und an Bord genau festgelegt werden. Darüber hinaus wird eine regelmäßige Überprüfung verlangt, sobald die entsprechenden Normen und Verfahren eingeführt worden sind.

    3.2. Die Regierungen sind verpflichtet, sich davon zu überzeugen, daß die Anforderungen des Codes von den auf ihrem Hoheitsgebiet tätigen Unternehmen erfuellt werden. Ihre Verwaltung stellt ein "Zeugnis über die Erfuellung der einschlägigen Vorschriften" aus, nachdem sie sich davon überzeugt hat, daß die Betriebs- und Notfallverfahren des Unternehmens den Anforderungen genügen. Ein "Zeugnis über die Organisation von Sicherheitsmaßnahmen" wird jedem einzelnen Schiff zum Nachweis der Einhaltung der Verfahrensvorschriften ausgestellt.

    3.3. Der Code wird durch detaillierte Leitlinien der IMO für die Anwendung durch die Verwaltungen ergänzt.

    4. Allgemeine Bemerkungen

    4.1. Der Wirtschafts- und Sozialausschuß unterstützt vorbehaltlos den Vorschlag, den ISM-Code zum frühestmöglichen Zeitpunkt für Passagierfähren verbindlich vorzuschreiben. Allerdings betrifft der Vorschlag nur eines der Elemente des in der Entschließung des Rates vom 22. Dezember 1994 vorgesehenen Gesamtprogramms, das neben technischen auch soziale Aspekte umfaßt. Er fordert die Kommission nachdrücklich auf, ihre Vorschläge in bezug auf die anderen Programmelemente baldmöglichst auszuarbeiten. An die Mitgliedstaaten richtet er die Bitte, die verschiedenen, im Rahmen der IMO geplanten Initiativen für einen sichereren Fährbetrieb uneingeschränkt zu unterstützen.

    4.2. Die Tatsache, daß dem Kommissionsvorschlag für diese Verordnung ein IMO-Übereinkommen zugrunde liegt, stimmt vollkommen mit der politischen Linie überein, die der WSA in einer ganzen Reihe von Stellungnahmen über Gemeinschaftsrechtsetzung im Bereich der Seeschiffahrt unterstützt hat. Der Ausschuß hält eine solche Vorgehensweise auch in diesem Fall für sinnvoll.

    4.3. Natürlich wird es noch einen hohen Arbeitsaufwand erfordern, wenn die Fährunternehmen und die Verwaltungen der Mitgliedstaaten bis zum 1. Juli 1996 zur Einhaltung der im Verordnungsentwurf vorgesehenen Bestimmungen in der Lage sein sollen. Wenn die Unternehmen nicht schon über detaillierte schriftliche Verfahrensanweisungen verfügen und die Verwaltungen nicht bereits qualifiziertes Personal einsetzen können, um die Einhaltung des Codes an Land und an Bord zu kontrollieren, dann werden die jetzt noch verbleibenden 14 Monate kaum dafür ausreichen, besonders wenn man bedenkt, daß das vom Fährunternehmen verwendete System für die Organisation von Sicherheitsmaßnahmen gemäß den IMO-Leitlinien zum Zeitpunkt der Ausstellung eines Zeugnisses über die Erfuellung der einschlägigen Vorschriften bereits drei Monate im Einsatz gewesen sein muß.

    4.4. Einige Mitgliedstaaten stellen die auf Juli 1996 festgesetzte Frist bereits in Frage. Der Ausschuß ist jedoch der Auffassung, daß Ausnahmen von diesem Zeitplan möglichst vermieden und für kurze Zeit auf kleine Unternehmen beschränkt werden sollten, die einen Inlandsfährdienst in geschützten Gewässern betreiben.

    4.5. Die Verwaltungen der Mitgliedstaaten sollten Zeugnisse über die Erfuellung der einschlägigen Vorschriften und Zeugnisse über die Organisation von Sicherheitsmaßnahmen, die unter Drittlandflagge fahrenden Schiffen von der Verwaltung ihres Flaggenstaats bzw. dessen Klassifikationsgesellschaft ausgestellt wurden, sorgfältig und streng prüfen und nur akzeptieren, wenn sie die Gewißheit haben, daß die ausstellende Behörde Maßstäbe an die Einhaltung anlegt, die ihren eigenen entsprechen.

    4.6. In diesem Zusammenhang hält der Ausschuß die Einhaltung von Abschnitt 6 des ISM-Codes über "Materielle und personelle Voraussetzungen" und insbesondere der Bestimmungen über die Befähigung des Kapitäns und der Besatzung für besonders wichtig. Die Verwaltungen der Mitgliedstaaten müssen sicherstellen, daß die Besatzungen aller der Verordnung unterliegenden Schiffe den Bestimmungen der Richtlinie 94/58/EG des Rates über Mindestanforderungen für die Ausbildung von Seeleuten und deren Verständigungsfähigkeit genügen. Besondere Aufmerksamkeit gebührt dabei Schiffen gleich welcher Flagge, die mit Seeleuten aus Drittländern besetzt sind, und deren Fähigkeit, sich mit den Passagieren in einer Notsituation zu verständigen.

    4.7. Eine weitere wichtige Bemerkung betrifft die Beziehung zwischen dem in Abschnitt 4 des Codes genannten "Durchführungsbeauftragten" und den Kapitänen der Schiffe des Unternehmens, deren Zuständigkeitsbereiche und Weisungsbefugnisse in Abschnitt 5 festgelegt sind. Beim Durchführungsbeauftragten muß es sich um eine angemessen qualifizierte Person handeln, die das Vertrauen der Schiffsbesatzung genießt.

    5. Besondere Bemerkungen

    5.1. Titel

    5.1.1. Der Titel des Verordnungsvorschlags ist irreführend, da er an einen sehr viel umfassenderen Ansatz denken läßt und die ganze Bandbreite der in der Entschließung des Rates genannten Maßnahmen abzudecken scheint. Ein besserer Titel könnte lauten: "Verordnung (EG) des Rates über die obligatorische Anwendung des ISM-Codes auf Ro-Ro-Passagierfährschiffe."

    5.2. Artikel 2

    5.2.1. Die Definition einer "Ro-Ro-Fähre" bedarf einer Klarstellung der Art, daß sie sich auf Fährschiffe erstreckt, die Straßen- oder Schienenfahrzeuge befördern.

    5.2.2. Der in Artikel 3 verwendete Begriff des regelmäßigen Fährdienstes sollte in Artikel 2 definiert werden.

    5.3. Artikel 5

    5.3.1. Der Ausschuß hält die Bestimmung in Absatz 2 für besonders wichtig, der zufolge die Mitgliedstaaten im Falle der Ausstellung des Zeugnisses über die Erfuellung der einschlägigen Vorschriften bzw. über die Organisation von Sicherheitsmaßnahmen durch eine Klassifikationsgesellschaft nur solche Organisationen beauftragen dürfen, die die in der Richtlinie 94/57/EG des Rates genannten Kriterien erfuellen.

    5.3.2. Absatz 4 sollte dahingehend geändert werden, daß darin die einschlägigen Bestimmungen der (nach der Abfassung des Verordnungsvorschlags verabschiedeten) IMO-Leitlinien über die Geltungsdauer und die Überprüfungsfrist der Zeugnisse über die Erfuellung der einschlägigen Vorschriften bzw. über die Organisation von Sicherheitsmaßnahmen berücksichtigt werden. Auch der neunte Erwägungsgrund müßte dann entsprechend angepaßt werden. Die Leitlinien sollten der Verordnung als Anhang II beigefügt werden.

    5.4. Artikel 6

    5.4.1. Gemäß Absatz 3 können die Mitgliedstaaten Zeugnisse über die Erfuellung der einschlägigen Vorschriften bzw. über die Organisation von Sicherheitsmaßnahmen anerkennen, die von einem Drittstaat ausgestellt wurden, d.h. den Flaggenstaaten von Fähren, die nicht unter der Flagge eines Mitgliedstaats fahren, aber im regelmäßigen Fährdienst einen Hafen der Europäischen Gemeinschaft anlaufen bzw. daraus auslaufen. Der Ausschuß sieht die Gefahr, daß dabei Betreiber anerkannt werden, die den Standards nicht genügen; dies muß ausgeschlossen werden. Der Artikel sollte nicht obligatorisch, sondern fakultativ sein. Die Bedingung "wenn er sich vergewissert hat, daß sie die Einhaltung der Bestimmungen dieser Verordnung gewährleisten" muß stärker betont und zur Voraussetzung für die Anerkennung gemacht werden. Außerdem sollte in Artikel 6 ausdrücklich auf die Einhaltung von Abschnitt 6 des ISM-Codes gepocht werden (siehe Ziffer 4.6).

    5.5. Artikel 7

    5.5.1. Die Bestimmung, der zufolge ein Mitgliedstaat die Aussetzung des gesamten Linienverkehrs eines Unternehmens verlangen kann, gibt dem Mitgliedstaat gegenüber den Bestimmungen über die Hafenstaatkontrolle, die ihm das Recht zum Festhalten eines bestimmten Schiffes geben, weiterreichende Befugnisse, die der Mitgliedstaat selbstverständlich nur ausüben würde, wenn sich seit der Ausstellung bzw. Anerkennung des Zeugnisses über die Erfuellung der einschlägigen Vorschriften bzw. über die Organisation von Sicherheitsmaßnahmen eine ernste Gefahrensituation ergeben hätte. Artikel 7 sollte eine Bestimmung darüber enthalten, daß die Aussetzung nach Beseitigung der Gefahr wieder aufgehoben wird und daß die detaillierte Verfahrensweise nur dann zur Anwendung kommt, wenn bestritten wird, daß die Aussetzung gerechtfertigt ist.

    5.5.2. Durch die ihr in Artikel 7 Buchstabe c) übertragene Befugnis, eine diesbezügliche Entscheidung eines Mitgliedstaats zu widerrufen, könnte die Kommission einen Mitgliedstaat darüber hinaus zwingen, einem Unternehmen eine Betriebserlaubnis zu erteilen, obwohl er bestimmte Betriebsaspekte für gefährlich hält. Dies verstößt gegen das Subsidiaritätsprinzip. Es wäre besser, wenn die Kommission ihre aus dem Komitologieverfahren gewonnene Ansicht in Form eines Ersuchens an den Mitgliedstaat herantragen würde.

    5.6. Artikel 8

    5.6.1. Eine Klarstellung, daß es sich dabei um die IMO-Leitlinien handelt, wäre nötig.

    6. Zusammenfassung und Schlußfolgerungen

    6.1. Der Ausschuß unterstützt vorbehaltlos den Vorschlag, den ISM-Code mit Wirkung zum 1. Juli 1996 für Passagierfähren verbindlich vorzuschreiben. Er ist der Auffassung, daß Ausnahmen von diesem Erfordernis möglichst vermieden und für kurze Zeit auf kleine Unternehmen beschränkt werden sollten, die einen Inlandsfährdienst in geschützten Gewässern betreiben.

    6.2. Besonders wichtig ist die Einhaltung von Abschnitt 6 des ISM-Codes über "Materielle und personelle Voraussetzungen".

    6.3. Vor der Anerkennung von Zeugnissen über die Erfuellung der einschlägigen Vorschriften bzw. über die Organisation von Sicherheitsmaßnahmen, die von der Verwaltung eines Drittstaats bzw. von Drittstaaten-Klassifikationsgesellschaften ausgestellt wurden, müssen sich die Verwaltungen der Mitgliedstaaten die Gewißheit verschaffen, daß die ausstellende Behörde Maßstäbe an die Einhaltung anlegt, die ihren eigenen entsprechen.

    Geschehen zu Brüssel am 31. Mai 1995.

    Der Präsident

    des Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Carlos FERRER

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