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Document 51995AC0195

    STELLUNGNAHME DES WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSSES zu der "Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament: Reaktionen auf den Konsultationsprozeß zum Grünbuch ' Pluralismus und Medienkonzentration im Binnenmarkt - Bewertung der Notwendigkeit einer Gemeinschaftsaktion' "

    ABl. C 110 vom 2.5.1995, p. 53–54 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT)

    51995AC0195

    STELLUNGNAHME DES WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSSES zu der "Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament: Reaktionen auf den Konsultationsprozeß zum Grünbuch ' Pluralismus und Medienkonzentration im Binnenmarkt - Bewertung der Notwendigkeit einer Gemeinschaftsaktion' "

    Amtsblatt Nr. C 110 vom 02/05/1995 S. 0053


    Stellungnahme zu der Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament: "Reaktionen auf den Konsultationsprozeß zum Grünbuch 'Pluralismus und Medienkonzentration im Binnenmarkt - Bewertung der Notwendigkeit einer Gemeinschaftsaktion'"

    (95/C 110/13)

    Die Kommission beschloß am 6. Oktober 1994 gemäß Artikel 198 EGV, den Wirtschafts- und Sozialausschuß mit der vorgenannten Mitteilung zu befassen.

    Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Industrie, Handel, Handwerk und Dienstleistungen nahm ihre Stellungnahme am 4. Januar 1995 an. Berichterstatter war Herr Decaillon.

    Der Ausschuß verabschiedete auf seiner 323. Plenartagung am 22. und 23. Februar 1995 (Sitzung vom 23. Februar 1995) ohne Gegenstimmen bei 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme.

    1. Einleitung

    1.1. Die Europäische Kommission legte am 23. Dezember 1992 ein Grünbuch über "Pluralismus und Medienkonzentration im Binnenmarkt - Bewertung der Notwendigkeit einer Gemeinschaftsaktion" () vor. Dieses Grünbuch enthält eine Analyse der medienpolitischen Situation in der Gemeinschaft und behandelt die Unterschiede zwischen den jeweils gültigen Gesetzesregelungen der Mitgliedstaaten. Es wurde als Reaktion auf die wiederholte Forderung des Europäischen Parlaments nach Maßnahmen zur Gewährleistung des Pluralismus im Bereich der Information und Kommunikation innerhalb der Europäischen Union ausgearbeitet und sollte in einer ersten Phase als Grundlage für einen umfassenden Konsultationsprozeß dienen. Daher wurde die Form eines Fragebogens gewählt, in dem weder Stellung bezogen noch die Notwendigkeit einer Gemeinschaftsaktion bewertet wurde.

    1.2. In ihrer neuen Mitteilung erläutert und bewertet die Kommission die Reaktionen auf den Konsultationsprozeß zum Grünbuch und legt die Aktionsmöglichkeiten dar, die sie erwägt. Es wird festgestellt, daß sich die Haltung der interessierten Kreise seit einem Jahr geändert hat: Die Mehrzahl der Unternehmen ist heute für eine Änderung der geltenden Rechtsvorschriften im Bereich des Eigentums an den Medien. Aus diesem Grund vertritt die Kommission in Übereinstimmung mit den Stellungnahmen des Europäischen Parlaments und des Wirtschafts- und Sozialausschusses (), die dem Erhalt des Pluralismus große Bedeutung beimessen, die Auffassung, eine Gemeinschaftsinitiative im Bereich des Medieneigentums könne sich als unverzichtbar erweisen. Sie zieht deshalb eine Reihe von Sicherheitsmaßnahmen in Betracht, um Fälle der Medienkonzentration, die den Pluralismus bedrohen würden, zu verhindern.

    2. Allgemeine Bemerkungen

    2.1. Die Kommission zeigt sich somit erstmals offen für die Vorbehalte, die das Europäische Parlament, der Wirtschafts- und Sozialausschuß sowie zahlreiche Institutionen und Verbände schon seit längerer Zeit geäußert haben. Bislang haben die Medienkonzerne bei bestimmten europäischen Regierungen das Argument geltend gemacht, die bevorstehende Digitalisierung und der Bau neuer Satelliten ermöglichten die Gründung zahlreicher neuer Fernsehsender, die ggf. vom Ausland aus betrieben werden könnten. Zur Förderung von Investitionen - und möglicherweise auch von besonders regierungsfreundlichen Programmen - wären die betroffenen Regierungen bereit, auf restriktive Regelungen, die eine Garantie für den Pluralismus in jedem Land bieten, zu verzichten.

    2.2. Die Kommission antwortet hierauf, die Erhöhung der Zahl der Fernsehsender ändere nichts an der Möglichkeit, daß ein Unternehmen alle Sender kontrolliere. In den Fällen, in denen es bislang möglich gewesen sei, die nationalen Regelungen dadurch zu umgehen, daß aus dem Ausland gesendet wurde, hätte eine Gemeinschaftsregelung "zur Folge, daß die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung eines gleichwertigen Schutzniveaus verpflichtet wären" (Kapitel III A, Punkt 3 a) iii).

    2.3. Einerseits bewegten diese Überlegungen die Kommission zu der Entscheidung, einen zweiten Konsultationsprozeß mit allen betroffenen Kreisen einzuleiten. Andererseits sollte eine Initiative der Kommission folgendes zum Gegenstand haben: "Die Definition des Begriffs des eine Kontrolle ausübenden Unternehmens, die es ermöglichen soll, den "Eigentümer" eines Medienunternehmens festzustellen; die Begrenzung der Häufung von Kontrollen in mehreren Medienbereichen gleichzeitig durch eine einzige Person/ein einziges Unternehmen; zu diesem Zweck die Verwendung der Kriterien Verbreitungsgebiet und Mediennutzer, die von demselben Medienunternehmen erreicht werden; die Ermittlung der Personen, die als Medienveranstalter ausgeschlossen sind; die Transparenz und den Austausch von Informationen zur Medienkontrolle sowie die Fälle eines Wechsels des Medienkontrolleurs" (Kapitel III B, Punkt 2 a).

    3. Besondere Bemerkungen

    3.1. Der Wirtschafts- und Sozialausschuß befürwortet die Initiative der Kommission, die darauf abzielt, Maßnahmen zu ergreifen, um auf europäischer Ebene die kommerzielle Nutzung der Medien als Machtfaktor zu begrenzen und somit für den Pluralismus ein in allen Mitgliedstaaten gleichwertiges Schutzniveau zu gewährleisten, ohne das der Raum ohne Grenzen nicht funktionieren kann. Er hat sich seit längerer Zeit für eine demokratische Kontrolle der zunehmenden Medienkonzentration ausgesprochen und weist erneut nachdrücklich auf seine wichtigsten in der Stellungnahme vom 22. September 1993 formulierten Forderungen hin:

    - Öffentlich-rechtliche Fernseh- und Rundfunkprogramme müssen mit unabhängiger Information, aber auch mit allen europäischen Bürgern zugänglichen Kultur-, Bildungs- und Unterhaltungssendungen erhalten und ausgebaut werden.

    - Meinungsvielfalt, Pluralismus und die Vermittlung von Kultur und Bildung auch für Minderheiten müssen im kommerziellen Rundfunk und Fernsehen mit konkreten Programmkriterien durchgesetzt werden, um nicht als einziges Kriterium die Einschaltquote heranzuziehen und um damit die Zunahme von Gewalt und Kriminalität auf dem Bildschirm zu verhindern.

    - Kein Unternehmen darf in mehreren Mediensektoren (TV, Rundfunk, Tagespresse) auf einem oder mehreren nationalen Märkten oder in einem sprachlichen Raum eine beherrschende Stellung haben.

    - Unternehmen mit marktbeherrschender Stellung in einem nationalen Mediensektor dürfen in keinem anderen EU-Staat eine marktbeherrschende Stellung erhalten.

    - Eine Rahmenrichtlinie sollte die journalistische und publizistische Unabhängigkeit in den Redaktionen aller Medien umschreiben und sichern - wie dies auch das Europäische Parlament gefordert hat.

    - Durch geeignete gesetzliche Regelungen muß die Monopolisierung von Rechten verhindert werden.

    - Voraussetzung jeder Zulassung eines Medienunternehmens, das bereits in einem Mediensektor aktiv ist, für einen weiteren Mediensektor, müßte die rückhaltlose Transparenz aller Beteiligungen und Verflechtungen dieses Unternehmens sein.

    - Ein europäischer Medienrat oder eine Medienschiedsstelle aus unabhängigen Fachleuten und Vertretern gesellschaftlich und kulturell relevanter Gruppen sollte geschaffen werden. Ihre Aufgaben würden darin bestehen, Konzentrationsentwicklungen zu analysieren und das Parlament und die Kommission in allen europäischen Medienfragen zu beraten.

    - Es sollte ein europäischer Medienkodex aufgestellt werden, der neben der Kontrolle der Medienmacht von Konzernen auch die Analyse der Bedürfnisse von Medienkonsumenten unter Berücksichtigung der Erhaltung und Sicherung von Informations- und Meinungsfreiheit, den Schutz von Minderjährigen vor Gewaltdarstellungen und Pornoprogrammen, deren Eindämmung unter Kriterien der Menschenwürde und insbesondere der Würde der Frau, und das Verbot der Verherrlichung von Krieg und Verbrechen enthalten sollte.

    4. Schlußfolgerung

    4.1. Damit in Anbetracht der rasanten Entwicklung im Bereich der elektronischen Massenkommunikation die Regelungsbefugnisse und die Interventionsmöglichkeiten der Kommission den bestehenden Notwendigkeiten entsprechen, schlägt der WSA vor, das neue Konsultationsverfahren zu verkürzen. Die Notwendigkeit europäischer Gesetzesregelungen im Medienbereich kann nicht länger bestritten werden. Er ersucht die Kommission, einen genauen Zeitplan aufzustellen und diesem Zeitplan folgend möglichst bald Vorschläge für europäische Rechtsvorschriften im Medienbereich zu unterbreiten.

    Geschehen zu Brüssel am 23. Februar 1995.

    Der Präsident

    des Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Carlos FERRER

    () Dok. KOM(92) 480 endg.

    () ABl. Nr. 304 vom 10. 11. 1993, S. 17.

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