EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 51994AC0562

STELLUNGNAHME DES WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSSES zu dem Entwurf einer Verordnung (EWG) der Kommission zur Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag auf bestimmte Gruppen von Vereinbarungen, Beschlüssen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen zwischen Seeschiffahrtsunternehmen (Konsortien)

ABl. C 195 vom 18.7.1994, p. 20–25 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT)

51994AC0562

STELLUNGNAHME DES WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSSES zu dem Entwurf einer Verordnung (EWG) der Kommission zur Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag auf bestimmte Gruppen von Vereinbarungen, Beschlüssen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen zwischen Seeschiffahrtsunternehmen (Konsortien)

Amtsblatt Nr. C 195 vom 18/07/1994 S. 0020


Stellungnahme zu dem Entwurf einer Verordnung (EWG) der Kommission zur Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag auf bestimmte Gruppen von Vereinbarungen, Beschlüssen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen zwischen Seeschiffahrtsunternehmen (Konsortien) (94/C 195/09)

Die Kommission beschloß am 2. Dezember 1993, den Wirtschafts- und Sozialausschuß um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen: "Entwurf einer Verordnung (EWG) der Kommission zur Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag auf bestimmte Gruppen von Vereinbarungen, Beschlüssen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen zwischen Seeschiffahrtsunternehmen (Konsortien)" (1).

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr und Kommunikationsmittel nahm ihre Stellungnahme am 6. April 1994 an. Berichterstatter war Herr Whitworth.

Der Ausschuß verabschiedete auf seiner 315. Plenartagung (Sitzung vom 27. April 1994) ohne Gegenstimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme.

1. Einleitung

1.1. Am 25. Februar 1992 verabschiedete der Rat die Ermächtigungsverordnung (EWG) Nr. 479/92 (2), nach der die Kommission im Verordnungswege in Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages den gemeinsamen Betrieb von Linienverkehrskonsortien von dem in Artikel 85 Absatz 1 enthaltenen Verbot der Beeinträchtigung des Wettbewerbs (Wettbewerbsregeln) ausnehmen kann.

1.2. Zuvor hatte die Kommission dem Rat ein Dokument mit allgemeinen Bemerkungen über Bedingungen und Verpflichtungen, die die Kommission an die Gruppenfreistellung zu koppeln beabsichtigte (3), übermittelt. Die Kommission vereinbarte, diese Leitlinien bei der Aufstellung ihrer Durchführungsverordnung soweit wie möglich zu berücksichtigen.

1.3. Der Wirtschafts- und Sozialausschuß hat sich seinerzeit mit dem Entwurf für diese Ermächtigungsverordnung beschäftigt und am 30. Januar 1991 seine Stellungnahme zu der betreffenden Kommissionsvorlage verabschiedet (4).

1.4. Der Ausschuß stellte in der damaligen Stellungnahme fest, daß den Konsortien als Rationalisierungsinstrument im Container-Transport inzwischen weithin ein hoher Stellenwert und Nutzeffekt zuerkannt wird, und teilte darin die Auffassung der Kommission, daß "die gemeinschaftliche Schiffahrtsindustrie die für den Wettbewerb auf dem Weltlinienschiffahrtsmarkt nötigen Grössenvorteile erzielen muß" und "die Konsortien dazu beitragen (können), die nötigen Mittel zur Verbesserung der Produktivität der Linienschiffahrtsdienste zu liefern und den technischen und wirtschaftlichen Fortschritt zu fördern".

1.5. Vor dem Hintergrund, daß eine Gruppenfreistellung von den Wettbewerbsregeln durch die Ratsverordnung (EWG) Nr. 4056/86 (1) für Linienkonferenzen bereits gewährt worden war, kam der Ausschuß zu dem Ergebnis, daß eine Regelung für Linienverkehrskonsortien erforderlich ist, um das derzeitige Rechtsvakuum durch eine Regelung auszufuellen, die den Handelsunternehmen Rechtssicherheit bietet. Der Ausschuß vertrat jedoch den Standpunkt, daß die Kommission bei der Festlegung einer gesonderten Gruppenfreistellungsverordnung klarer zum Ausdruck bringen sollte, wie sie hinsichtlich der Rahmenbedingungen der Freistellung vorzugehen gedenkt. Nach Auffassung des Ausschusses sollten "solche Bedingungen ... den Wettbewerb auf drei Ebenen sichern, und zwar innerhalb des Konsortiums, innerhalb der Konferenz, innerhalb des Seeverkehrs als ganzem, ausserdem sollten sie transparent angelegt sein".

1.6. In dem jetzigen Verordnungsentwurf der Kommission und beim Anhörungsverfahren wurden dann auch die Schlußfolgerungen der früheren Stellungnahme des Ausschusses berücksichtigt.

2. Nutzeffekt von Konsortien

2.1. Die EG-Schiffahrt war einer der grossen Wegbereiter in der Entstehungsgeschichte der Seefahrtskonsortien. Der Wert von Konsortien für den wirtschaftlichen und technologischen Fortschritt der Schiffsindustrie durch die Erleichterung und Förderung der Entwicklung und Nutzung von Containern sowie die Modernisierung des Linienfrachttransports wird weithin anerkannt. Durch die Containerisierung konnten intermodale Konzepte für Verbundtransportsysteme entwickelt werden, die bei der in den letzten Jahren in der Industrie generell erzielten Effizienzsteigerung eine maßgebliche Rolle gespielt haben, so daß Unternehmen die weltweiten Ressourcen nutzen und sich beim weltweiten Vertrieb ihrer Erzeugnisse auf prompte und effiziente Lieferungen verlassen können.

2.2. Mit der vorgesehenen Gruppenfreistellung für Konsortien trägt die Kommission deren Nutzwert in vollem Umfange Rechnung. Es wird davon ausgegangen, daß Konsortialvereinbarungen den teilnehmenden Schiffahrtsgesellschaften Vorteile bringen, weil durch eine bessere Kapazitätsauslastung Kosteneinsparungen und Skalenerträge erzielt werden können. Sie können aber auch den Verkehrsnutzern Vorteile bringen, weil sie regelmässigere und qualitativ bessere Transportleistungen garantieren.

3. Zweck der Verordnung

3.1. Die Kommission verfolgt mit dieser Verordnung erklärtermassen den Zweck, einen ausgewogenen und flexiblen Rechtsrahmen zu schaffen, der es Reedern gestattet, ihre Wirtschaftstätigkeit im Rahmen von Vereinbarungen auszuüben, die zwar den Wettbewerb einschränken, aber zugleich den Schiffahrtsunternehmen einen angemessenen Anteil an dem dadurch erzielten Nutzen garantieren.

3.2. Zur Verwirklichung dieser Zielsetzung räumte die Kommission in ihrem Dokument vom Jahre 1991 ein, daß die Bedingungen für eine Wirtschaftstätigkeit der Konsortien unter Einhaltung der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft zweifelsohne von ihrem Wesen her sehr unterschiedlich sein werden und den technischen und kommerziellen Gegebenheiten angemessen sein müssen.

3.3. Der Ausschuß befürwortet diese allgemeine Zielsetzung und hat bei der Prüfung des Verordnungsentwurfes auszumachen versucht, ob die spezifischen Bestimmungen den Verladern und den Nutzern der Verkehrsleistungen von Linienkonsortien hinreichenden Schutz bieten und zugleich den Linienkonsortien genügend Freiheit bei der Ausübung ihrer Wirtschaftstätigkeit lassen. Die Notwendigkeit der Erhaltung der Wettbewerbsposition derjenigen Schiffahrtsunternehmen, die keiner Linienkonferenz angehören, werden ebenfalls berücksichtigt.

3.4. Ferner hat der Ausschuß versucht, zwischen den einzelnen Arten von Konsortialvereinbarungen zu differenzieren, und dabei festgestellt, daß einige lediglich auf eine technische Verbesserung oder Zusammenarbeit abstellen (wie etwa die gemeinsame Nutzung von verkehrstechnischen Ausrüstungen bzw. Einrichtungen) und daher von dem in Artikel 85 Absatz 1 verankerten Verbot nicht erfasst werden, weil sie generell keine wettbewerbsbeschränkende Wirkung haben.

4. Allgemeine Bemerkungen

4.1. Entstehungsgeschichte der Konsortien und ihre Weiterentwicklung

4.1.1. Die Containerisierung war eine der grössten technologischen Neuerungen im Verkehrsbereich in den letzten Jahren. Ihre unmittelbare Auswirkung auf die Linienschiffahrt war, daß die Verlader und die Reeder ihre Arbeitskosten für die Frachtabwicklung, bislang ein immer stärker ins Gewicht fallender Faktor, drastisch senken konnten. Sie hat aber auch das für diesen Industriezweig erforderliche Befähigungsprofil verändert. Durch das schnelle und stark mechanisierte Handling mit sehr geringem manuellen Arbeitsanteil konnten die Liegezeiten erheblich verkürzt und die Effizienz der Schiffe gesteigert werden. Grössere Schiffe, kürzere Verweildauern und der Einsatz von Computern für die Fracht- und Containereinsatzplanung haben für Verlader und Reeder gleichermassen grosse Vorteile gebracht.

4.1.2. Die geschilderten Veränderungen haben dazu geführt, daß an die Stelle eines arbeitsintensiven ein stark kapitalintensiver Industriezweig getreten ist. Daher steht beim Wettbewerb in der Linienschiffahrt seit der Containerisierung (d.h. den 70er Jahren) der Aspekt der möglichst geringen Betriebskosten im Vordergrund. Zu diesem Zweck ist der Einsatz grösstmöglicher Schiffe erforderlich, die grösste Kosteneffizienz erreichen. Die Investitionen in solche Schiffe, ihre Container und die dazugehörigen technischen Einrichtungen für deren Handhabung sind ausserordentlich hoch und übersteigen bei weitem die finanziellen Möglichkeiten der einzelnen kleinen und mittelgrossen Schiffsverkehrsunternehmen.

4.2. Definition des Begriffs Konsortium

4.2.1. Konsortien sind eine Organisationsform der modernen Linienschiffahrt. In vielen, aber nicht in allen Fällen werden Konsortien im Rahmen einer Linienkonferenz betrieben. Eine Konferenz ist eine Gruppe von mindestens zwei Linienschiffahrtsunternehmen, die auf einer bestimmten Route innerhalb festgelegter geographischer Grenzen entsprechend einem veröffentlichten Fahrplan internationale Seetransportdienste erbringen und vereinbarte identische Frachtraten anwenden. Eine Konferenz kann auch Kapazitätsanteile festlegen, um eine Anpassung der Kapazität an die Nachfrage zu ermöglichen.

4.2.2. Konsortien haben keine Tariffestsetzungsfunktion. Die verschiedenen Arten von Kooperationsvereinbarungen im Rahmen von Linienkonsortien werden von der Kommission in ihrem Verordnungsentwurf in Form von Verweisen auf spezifische Tätigkeitsformen erläutert. Diese werden in technische, betriebliche oder kommerzielle Vorkehrungen gegliedert.

4.2.3. Laut der früheren Stellungnahme des Ausschusses können Konsortien ganz allgemein als "Formen einer Zusammenarbeit im Linienschiffahrtsbereich definiert werden, bei denen die beteiligten Schiffahrtslinien ein Spektrum von Tätigkeiten gemeinsam abwikkeln, um in einem bestimmten Sektor die erforderlichen Vorteile der Kostendegression sowie der Rationalisierung der Dienstleistungserbringung zu erreichen", wobei in der Regel die Konzepte der Schiffskostenteilung und des Frachtpoolings kombiniert werden. Die in Artikel 1 des Verordnungsentwurfs enthaltene Definition der Kommission deckt sich weitgehend mit der eben genannten Begriffsbeschreibung des Ausschusses.

4.3. Gegenwärtige Tendenzen im Schiffskonsortienbereich

4.3.1. Der Wandel und die Dynamik, die Konsortien eigen sind, werden in der Ermächtigungsverordnung des Rates berücksichtigt. Sowohl bei den etablierten als auch bei den neu gebildeten Konsortien hat sich das Spektrum der Tätigkeiten weiterentwickelt und entsprechend den Bedürfnissen der Nutzer gewandelt. Diese Bedürfnisse spiegeln sich in der in vorstehender Ziffer 4.1 geschilderten Containerisierung wider. In der Anfangsphase waren Konsortien generell als recht komplexes Gefüge mit umfassenden Frachtpooling-Vereinbarungen und Mechanismen zur Aufteilung der Frachtbeförderungseinnahmen der Konsortialteilnehmer nach einem vorher vereinbarten Aufteilungsschlüssel angelegt. Der Arbeits- und Untersuchungsaufwand für die Ermittlung und Bewertung der Schiffsbetriebs- und frachtrelevanten Kosten erschien manchen Konsortien äusserst zeit-und geldaufwendig. Daher geht die Tendenz in der letzten Zeit zu weitaus einfacheren Vereinbarungen wie etwa technischen Abmachungen zwischen Seeverkehrsunternehmen beispielsweise für den Slot-Austausch oder Vereinbarungen über die gemeinsame Nutzung von Schiffen.

4.3.2. Während früher die Konsortialpartner vielleicht das Marketing gemeinsam betrieben und weitreichende finanzielle Verpflichtungen eingingen, erstreckt sich der neue Vereinbarungstyp in vielen Fällen lediglich auf die see- und landseitige technische Ausrüstung und andere Einrichtungen, die finanzielle Integration beschränkt sich aber auf lediglich die Abrechnung von in Anspruch genommenen und erbrachten Dienstleistungen.

4.3.3. Auskunft über die Art der derzeit im Seeverkehr in und aus der Gemeinschaft üblichen Konsortialvereinbarungen gibt ein von den Reederverbänden der Europäischen Gemeinschaft erstelltes Schema. Der Ausschuß hat sich mit dieser schematischen Übersicht näher beschäftigt . Wenn vielleicht auch nicht erschöpfend - denn möglicherweise gibt es noch andere Vereinbarungen - und wegen der Eigendynamik dieses Wirtschaftszweigs vielleicht auch nicht ganz auf dem neuesten Stand vermittelt dieses Schema doch einen Eindruck von der Vielfalt an Konsortialvereinbarungen. Dabei ist zu erkennen, daß sich gut die Hälfte der Vereinbarungen auf technische Aspekte des Flotten- und Terminalbetriebs beschränkt, aber keine kommerziellen Bestimmungen über Pooling und Marketing enthält.

5. Besondere Bemerkungen zum Verordnungsentwurf

5.1. Im Lichte der im obigen Abschnitt 4 vorgetragenen Bemerkungen und der von der Kommission selbst erklärten Zielsetzung (Ziffer 3.1) machte der Ausschuß bei der artikelweisen Analyse des Verordnungsentwurfs die nachstehenden besonderen bedeutungshaltigen Aspekte hinsichtlich der Auswirkung der Verordnung auf den effektiven Linienkonsortienbetrieb aus und legt der Kommission bestimmte Bereiche nahe, wo sie ihre derzeitige Position überdenken könnte:

5.2. Definitionen (Artikel 1)

5.2.1. Der Ausschuß ist im grossen und ganzen mit der Begriffsbestimmung für Konsortien in Artikel 1 einverstanden. Aus Gründen der Rechtssicherheit bedarf die Formulierung "überwiegend mit Containern" ihres Erachtens jedoch einer näheren Erläuterung. Wenn gemeinsam erbrachte Linienschiffahrtsdienste nur teilweise containerisiert angelegt sind, werden sie dann von der Definition der Konsortien und mithin vom Anwendungsbereich der vorgeschlagenen Verordnung erfasst oder nicht ?

5.2.2. Artikel 1 sollte ferner eine Definition des Begriffes "unabhängige Frachtratenfestsetzung" (independent rate action) enthalten, von der in Artikel 5 ohne nähere Erläuterung gesprochen wird.

5.3. Anwendungsbereich (Artikel 2)

5.3.1. Die vorgeschlagene neue Verordnung, die Verordnung (EWG) Nr. 479/92 und die Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 betreffen die Linienschiffahrt. Es ist aber nicht klar zu erkennen, in welchem Verhältnis diese Verordnungen von ihrem Anwendungsbereich her zueinander stehen. Während die Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 sich auf den internationalen Seeverkehr beschränkt, enthält der Entwurf für die neue Verordnung keine solche Abgrenzung des Anwendungsbereichs. Die Definition des Begriffs Konsortium beschränkt indes Vereinbarungen zwischen einem Konsortium angehörenden Schiffahrtsunternehmen eindeutig auf internationale Liniendienste. Dieser (In)kongruenz muß abgeholfen werden. Der Ausschuß wirft die Frage auf, ob der Anwendungsbereich der neuen Verordnung so zu verstehen ist, daß er auch die Zubringerdienste des küstennahen Seeverkehrs einschließlich des Verkehrs zwischen den Seehäfen eines Mitgliedstaats erfasst, die ein für den leistungsfähigen Betrieb von Hochseeschiffahrtsdiensten lebenswichtiger Nebenverkehr sind. Der Ausschuß macht darauf aufmerksam, daß sich die Kommission wegen der Umweltfreundlichkeit und der sonstigen Vorzuege des küstennahen Seeverkehrs für das Verkehrsnetz der Gemeinschaft gegenwärtig gerade für diese Verkehrsdienste nachdrücklich einsetzt. Der genaue Anwendungsbereich der neuen Verordnung muß unbedingt klar abgegrenzt werden.

5.3.2. Die meisten der an einem Konsortium teilnehmenden Linienschiffahrtsunternehmen bieten multimodale Dienste an, d.h. sie besorgen auch den Landtransport als Teil des Dienstleistungspakets für die Beförderung eines Containers von Punkt A nach Punkt B. Während die Kommission ursprünglich beabsichtigte, die Verordnung so anzulegen, daß sie auch den multimodalen Transport abdeckt, bezieht sich der Verordnungsentwurf allein auf den Seeverkehr. In Anbetracht der Bedeutung des Multimodalkonzepts sollte nach Ansicht des Ausschusses umgehend dessen Platz im Lichte der Wettbewerbsregeln geklärt werden. Auch sollte unbedingt die Frage der gemeinsamen landseitigen Nutzung von Containern behandelt werden. Zwischen im gleichen Segment operierenden Linienschiffahrtsgesellschaften eines Konsortiums gibt es bisweilen Vereinbarungen über Nutzung der Container von Konsortialpartnern. Die Kommission sollte eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs von Gruppenfreistellungen auf dieses spezielle Tätigkeitsfeld ins Auge fassen.

5.4. Technische Vereinbarungen (Artikel 3)

5.4.1. Es müsste gesetzliche Klarheit darüber geschaffen werden, ob alle Tätigkeiten im Rahmen von Konsortien - technische, betriebliche und kommerzielle - unter die Bedingungen und Auflagen der vorgeschlagenen Verordnung fallen. In der jetzigen Fassung des Verordnungsentwurfs fallen nur rein technische Abmachungen (wie z.B. gemeinsame Fahrpläne, Laderaum-/Slot-Austausch, Ausrüstungs-Pools) in seinen Geltungsbereich. In der Seeverkehrsverordnung (EWG) Nr. 4056/86 (Artikel 2 Absatz 1) ist ein eindeutiger Präzedenzfall dahingehend enthalten, daß von dem in Artikel 85 Absatz 1 des Vertrags verankerten Verbot Vereinbarungen ausgenommen sind, deren einzige Zielsetzung und Auswirkung technische Verbesserungen sind. Der Ausschuß fragt sich, ob Konsortialvereinbarungen rein technischer Art, die Effizienz und Produktivität im Seeverkehrsgewerbe begünstigen, überhaupt unter den Anwendungsbereich der vorgeschlagenen Verordnung fallen sollten. Die Kommission sollte sich mit dieser Frage unter dem Blickwinkel einer grösseren Klarheit und unter Bezugnahme auf die frühere Seeverkehrsverordnung beschäftigen.

5.5. Kapazitätsmanagement (Artikel 3 Absatz 3)

5.5.1. Der Ausschuß stellt fest, daß Handelsschwankungen und die mit dem Handling und der Rückführung leerer Container verbundenen enormen Kosten das Kapazitätsmanagement zu einem Schlüsselelement für den Erfolg eines Linienschiffahrtsunternehmens machen. Nach der jetzigen Fassung des Verordnungsentwurfs entfällt die Gruppenfreistellung für ein Konsortium, wenn entweder das Konsortium oder seine Mitglieder an Abmachungen beteiligt sind, die auf eine "erhebliche" Einschränkung oder spürbare Verringerung der Kapazität abzielen. Diese Bestimmung wird nicht nur die Konsortien, sondern auch die Konferenzen treffen, sobald Konsortialmitglieder auch an Konferenzen beteiligt sind. Im selben Atemzug gestattet Artikel 3 Absatz 3 jedoch das Kapazitätsmanagement, wenn es von allen Mitgliedern des Konsortiums als Reaktion auf "jahreszeitliche oder konjunkturelle" Nachfrageschwankungen oder den Einsatz leistungsfähigerer Schiffe betrieben wird.

5.5.2. Die in dieser Textstelle verwendete Terminologie erscheint dem Ausschuß sehr verschwommen; er fragt sich, wie die Kommission die zulässigen und die nichtstatthaften Formen der Kapazitätssteuerung gegeneinander abgrenzen möchte. Mit Blick auf die Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 über Linienkonferenzen, deren Artikel 3 Buchstabe d Kapazitätsmanagement zulässt, fragt sich der Ausschuß, wie sich die Kommission das Zusammenspiel dieser beiden Verordnungen vorstellt.

5.6. Artikel 5

5.6.1. Der Ausschuß befürwortet Artikel 5, weil er der im sechsten Erwägungsgrund beschriebenen Zielsetzung genügt, daß in den Verkehrsgebieten der Konsortien ein hinreichender Wettbewerb herrschen muß, damit "die Nutzer der von Konsortien angebotenen Liniendienste einen angemessenen Gewinn aus den Vorteilen erzielen können, die sich aus der Erhöhung der Leistungsfähigkeit und Leistungsqualität ergeben."

5.7. Anteil am Verkehrsaufkommen (Artikel 6 und 7)

5.7.1. Der Ausschuß stellt fest, daß eine der Nebenbedingungen für die Freistellung in spezifischen Beschränkungen des Anteils am Direktverkehrsaufkommen nach Maßgabe des speziellen Wesenscharakters des Konsortiums besteht, und zwar 30, 35 oder 50 % des Direktverkehrsaufkommens in bezug auf die vom Konsortium abgedeckten Häfen beträgt. Die Kommission hat deutlich gemacht, daß nach ihrer Einschätzung nur etwa sechs Siebtel der Vereinbarungen sich ausserhalb dieser Grenzen bewegen und daß solchen Konsortien die Möglichkeit der Einzelfreistellung offenstehen wird. Der Ausschuß stellt fest, daß der zweitletzte Erwägungsgrund auf Seite 6 des Verordnungsentwurfs die Einzelfreistellung vorsieht. Im eigentlichen Verordnungstext gibt es jedoch keinen Artikel, der eine entsprechende Bestimmung enthält, was der Ausschuß für eine Schwachstelle des Verordnungsentwurfs hält. Es ist beruhigend, daß die Kommission sich bis zu einem gewissen Grade bemüht hat, den speziellen kommerziellen Gegebenheiten in den verschiedenen Wirtschaftszweigen Rechnung zu tragen, in denen der Marktanteil aus gesunden wirtschaftlichen Gründen derzeit höher ist als in anderen Wirtschaftszweigen, in denen zur Zeit ein grösserer Wettbewerb stattfindet.

5.7.2. Dem Ausschuß erscheinen die Zahlenwerte für den Anteil am Verkehrsaufkommen willkürlich gewählt, und er findet insbesondere keinen Rechtfertigungsgrund für eine zahlenmässige Beschränkung der an einem Konsortium beteiligten Linienschiffahrtsunternehmen, wenn der Anteil am Verkehrsaufkommen zwischen 30/35 bis 50 % liegt. Von solchen Auflagen hinsichtlich des Verkehrsmarktanteils könnte wirklich abgesehen werden, da die in anderen Artikeln verankerten Bedingungen für die Gewährleistung eines angemessenen Wettbewerbs ausreichen.

5.7.3. Das Konzept des Anteils am Verkehrsaufkommen steht im Widerspruch mit der früheren Verordnung (EWG) Nr. 4056/86, in der keinerlei Marktanteilserfordernisse enthalten waren. Gleichermassen gab es auch keine Beschränkungen für die zulässige Anzahl der an einer Konferenz teilnehmenden Schiffahrtslinien. Keiner der maßgeblichen ÖCD-Handelspartner der EU macht Auflagen weder hinsichtlich des Anteils am Verkehrsaufkommen noch hinsichtlich der Teilnehmerzahl.

5.7.4. Der Ausschuß möchte eine Präzisierung der Methode der Kommission für die Definition des Anteils am Verkehrsaufkommen und hält in diesem Zusammenhang insbesondere die verschwommenen Formulierungen "Häfen seines Verkehrsgebiets" und "Direktverkehr" für bedenklich. Aus dem Text lässt sich nicht ersehen, ob die Kommission die Bewertung des Verkehrsaufkommensanteils auf der Basis der tatsächlichen Anlaufhäfen vornehmen will oder auch andere Häfen berücksichtigen will, die denselben Verkehr bedienen. Ebenso unklar ist der Begriff des Direktverkehrs und ob die Kommission bei ihrer Berechnungsformel Durchfuhrverkehre berücksichtigt oder nicht. Im Interesse der Rechtssicherheit und der Vermeidung künftiger Streitfälle sollte die Kommission deutlicher ausführen, wie sie ihre Bestimmungen über den Anteil am Verkehrsaufkommen zu bewerten und auszugestalten beabsichtigt.

5.8. Kündigungsfrist in der Anlaufphase (Artikel 8)

5.8.1. Der Ausschuß stellt fest, daß die Kommission in ihrem Dokument von 1991 die Absicht geäussert hat, sich bei der Konzeption ihres Vorschlags von den bei Vereinbarungen dieser Art etablierten Usancen leiten zu lassen. Insbesondere wurde anerkannt, daß die Errichtung bestimmter spezialisierter Konsortien umfangreiche Investitionen impliziert und möglicherweise eine Kündigungsfristregelung angezeigt erscheint, die nach der Investitionshöhe abgestuft ist. Wie bereits angemerkt, kann der Investitionsbedarf eines Konsortiums mitunter sehr groß sein, und in solchen Fällen wäre die von der Kommission vorgeschlagene Frist von 18 bzw. 24 Monaten für eine Weiterführung der Geschäftstätigkeit zu kurz. Diese Frage ist eine Vereinbarungssache zwischen kooperierenden Partnern und sollte daher auch ihrem Ermessen überlassen werden. Längere Kündigungsfristen würden ausserdem den Nutzern grössere Gewißheit hinsichtlich der Verfügbarkeit spezieller Dienstleistungen bieten.

5.9. Konsultationen mit Verladern (Artikel 9)

5.9.1. Dieser Artikel ist für die Berücksichtigung der Bedürfnisse der Verkehrsnutzer sehr wichtig. In ihren Leitlinien aus dem Jahre 1991 macht die Kommission jedoch deutlich, daß die Konsultationen sich nur auf Tätigkeiten beziehen dürfen, die von den Konsortien selbst ausgeführt werden, ohne daß die in der Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 verankerten Konsultierungsverfahren noch einmal vollzogen werden. Diese Vorgaben sollten eingehalten werden. Im Grunde sollten diese Konsultationen, wie in diesem Artikel vorgesehen, unmittelbar zwischen dem betreffenden Konsortium, den ihm angehörenden Schiffahrtsunternehmen und deren Kunden stattfinden.

5.10. Inkrafttreten (Artikel 13)

5.10.1. Im Interesse der Klarheit sollte Artikel 13 in bezug auf die Sonderbehandlung solcher Konsortialvereinbarungen überarbeitet werden, bei denen der prozentuale Anteil am Verkehrsaufkommen und die zulässige Anzahl an teilnehmenden Linienschiffahrtsunternehmen überschritten werden. Aus der jetzigen Fassung lässt sich nicht ersehen, ob diese Konsortien sich innerhalb eines Sechs-Monats-Zeitraums anpassen müssen, während dem sie den Schutz einer Gruppenfreistellung genießen, oder ob sie gewissermassen zur Besitzstandswahrung die vereinbarten Konsortialbedingungen bis zum Ablauf der betreffenden Konsortialvereinbarungen beibehalten dürfen.

6. Zusammenfassung und Schlußfolgerungen

6.1. Der Ausschuß begrüsst die Veröffentlichung dieses Verordnungsentwurfs der Kommission und stellt fest, daß er weitgehend den allgemeinen Schlußfolgerungen der früheren Stellungnahme des Ausschusses zu diesem Thema Rechnung trägt.

6.2. Der Ausschuß erkennt an, daß eine ausgewogene Regelung gefunden werden muß, die den Verladern und den Nutzern der Verkehrsleistungen von Linienkonsortien hinreichenden Schutz bietet, zugleich den Linienkonsortien genügend Freiheit bei der Ausübung ihrer Wirtschaftstätigkeit lässt und die Wettbewerbsposition von Nicht-Konsortialmitgliedern wahrt.

6.3. Es ist zu berücksichtigen, daß die bestehenden Konsortialvereinbarungen von Inhalt und Geltungsbereich her sehr unterschiedlich angelegt sind und flexibel konzipiert bleiben müssen, damit sie den Bedürfnissen der Nutzer genügen.

6.4. Der Verordnungsentwurf weist einige (In)kongruenzen gegenüber den Bestimmungen der Ratsverordnung (EWG) Nr. 4056/86 über Linienkonferenzen und der Verordnung (EWG) Nr. 479/92 auf. Diese Abweichungen sollten nach Möglichkeit beseitigt werden.

6.5. Einige der im Verordnungsentwurf verwendeten Begriffe sollten im Interesse der Klarheit und der Rechtssicherheit präziser definiert werden.

6.6. Die Kommission sollte im Lichte der in der vorliegenden Stellungnahme vorgetragenen Standpunkte prüfen:

- ob Vereinbarungen rein technischer Art vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen sein sollten, wie dies bei der Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 (Artikel 3) der Fall ist;

- ob die im Verordnungsvorschlag (Artikel 3) vorgesehenen Beschränkungen im Bereich des Kapazitätsmanagements [die übrigens auch in Widerspruch zur Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 stehen] die Erbringung kosteneffizienter Dienstleistungen nicht ungebührlich behindern könnten;

- ob die vorgeschlagenen Kriterien für die Definition des Anteils am Verkehrsaufkommen richtig gewählt wurden und ohne eine gewisse Präzisierung für die Praxis taugen und ob die Festlegung rein willkürlicher prozentualer Grenzwerte (Artikel 6 und 7) in diesem Zusammenhang zweckmässig ist;

- ob die vorgeschlagenen zeitlichen Begrenzungen der Kündigungsfristen in der Anlaufphase den möglicherweise mit einer Konsortialvereinbarung verbundenen umfänglichen Investitionen angemessen sind (Artikel 8).

Geschehen zu Brüssel am 27. April 1994.

Der Präsident

des Wirtschafts- und Sozialausschusses

Susanne TIEMANN

(1) ABl. Nr. C 63 vom 1. 3. 1994, S. 8.

(2) ABl. Nr. L 55 vom 29. 2. 1992, S. 3.

(3) Dokument 10280/91 (MAR 40 RC 11).

(4) ABl. Nr. C 69 vom 18. 3. 1991, S. 16.

(5) ABl. Nr. L 378 vom 31. 12. 1986, S. 4.

Top