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Document 32012Y0922(01)

Stellungnahme des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken vom 31. Juli 2012 an die Europäische Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde gemäß Artikel 10 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister betreffend die Nutzung von OTC-Derivaten durch nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften (ESRB/2012/2)

ABl. C 286 vom 22.9.2012, p. 9–12 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

22.9.2012   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 286/9


STELLUNGNAHME DES EUROPÄISCHEN AUSSCHUSSES FÜR SYSTEMRISIKEN

vom 31. Juli 2012

an die Europäische Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde gemäß Artikel 10 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister betreffend die Nutzung von OTC-Derivaten durch nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften

(ESRB/2012/2)

2012/C 286/09

1.   Rechtlicher Hintergrund

1.1

Artikel 10 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister (1) sieht vor, dass die Europäische Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority — ESMA) den Europäischen Ausschuss für Systemrisiken (European Systemic Risk Board — ESRB) und andere maßgebliche Behörden bei der Erarbeitung von Entwürfen für technische Regulierungsstandards anhören muss, in denen Folgendes festgelegt ist: a) Kriterien, anhand derer festgestellt wird, welche außerbörslich gehandelten („over the counter“) Derivatekontrakte (OTC-Derivatekontrakte) objektiv messbar zur Reduzierung der Risiken beitragen, die unmittelbar mit der Geschäftstätigkeit oder dem Liquiditäts- und Finanzmanagement gemäß Artikel 10 Absatz 3 verbunden sind; und b) Werte für die Clearingschwellen, jenseits derer nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften ihre künftigen Derivatekontrakte durch zentrale Gegenparteien (Central Counterparties — CCPs) clearen lassen müssen und die unter Berücksichtigung der Systemrelevanz der Summe aller Nettopositionen und -forderungen je Gegenpartei und Kategorie von OTC-Derivaten ermittelt werden.

1.2

Am 26. Juni 2012 ersuchte die ESMA den ESRB um Stellungnahme zu den vorgenannten Punkten; dabei verwies sie auf ihr am 25. Juni 2012 veröffentlichtes Konsultationspapier (2).

1.3

Die vorliegende Stellungnahme wurde vom Verwaltungsrat des ESRB gemäß Artikel 3 Absatz 2 Buchstaben b und g sowie Artikel 4 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 1092/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über die Finanzaufsicht der Europäischen Union auf Makroebene und zur Errichtung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (3) verabschiedet und wird gemäß Artikel 30 des Beschlusses ESRB/2011/1 des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken vom 20. Januar 2011 zur Verabschiedung der Geschäftsordnung des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (4) veröffentlicht.

2.   Wirtschaftlicher Hintergrund

2.1

Nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften verwenden OTC-Derivatekontrakte in erster Linie zur Absicherung ihrer Geschäftstätigkeit sowie ihres Liquiditäts- und Finanzmanagements. Bei der Definition einer Clearingschwelle sollte in jedem Fall grundsätzlich gewährleistet sein, dass die folgenden Ziele erreicht werden:

a)

Die Integrität des Marktes muss gewahrt und seine Transparenz sichergestellt werden. Ausgangspunkt der gesetzgebenden Organe könnte die Annahme sein, dass sie — aus makroprudenzieller Sicht — gewährleisten müssen, dass ein maximaler Prozentsatz aller Derivatetransaktionen von nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften zentral zu clearen ist, um das Gegenparteirisiko auf dem Markt zu verringern. Unter Umständen wollen die gesetzgebenden Organe auch gewährleisten, dass alle Kapitalgesellschaften, deren Gesamtbilanzen zu einem gewissen Anteil Risiken aus Derivatgeschäften gegenüberstehen, unabhängig von ihrer Größe gleich behandelt werden.

b)

Die Berechnungsgrundlage sollte den Gesamtbetrag der von einer nichtfinanziellen Kapitalgesellschaft gehaltenen Derivate widerspiegeln, unabhängig von deren geplantem Verwendungszweck. Aus Perspektive der Finanzstabilität betrachtet erwächst ein Risiko aus der (relativen) Größe der Derivatepositionen; der Verwendungszweck der Derivate spielt hierbei keine Rolle.

2.2

In einigen Marktsegmenten, beispielsweise den Rohstoffmärkten, in denen früher in erster Linie nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften aktiv waren, kommen inzwischen überwiegend OTC-Derivate zu Spekulations-, Investitions- oder Handelszwecken zum Einsatz. Dies ist teilweise darauf zurückzuführen, dass Finanzinstitute zunehmend auf diesen Märkten tätig werden; diese Entwicklung bezeichnet man auch als „Finanzialisierung“. Deshalb ist im Hinblick auf die Risiken, die durch die Verwendung von Derivaten durch nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften entstehen, ein vorsichtiger Ansatz ratsam.

2.3

Die Definitionen der Begriffe „Geschäftstätigkeit“ sowie „Liquiditäts- und Finanzmanagement“ sollten so ausführlich und objektiv wie möglich sein, damit kein Raum für unterschiedliche Interpretationen oder Willkür bleibt, da die Einhaltung oder Nichteinhaltung einer Definition erhebliche Folgen haben könnte.

2.4

Nach eingehender Analyse (5) schlägt der ESRB vor, die Schwellenwerte in zwei Schritten zu berechnen; Ziel dieses Ansatzes ist es, die Integrität des Markts zu bewahren und seine Transparenz zu gewährleisten; es geht nicht darum, die Interessen einzelner Marktteilnehmer zu schützen. Ein weiteres Ziel besteht darin, sicherzustellen, dass den Risiken aus dem Derivatebestand nichtfinanzieller Kapitalgesellschaften angemessen Rechnung getragen wird.

2.5

Derivate, die im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit sowie dem Liquiditäts- und Finanzmanagement gehalten werden, sind nicht ohne Risiko, weil sie — sofern sie nicht angemessen eingepreist sind — ein ineffizient hohes Maß an Absicherung erforderlich machen können, was systemische Auswirkungen haben kann.

2.6

Aus makroprudenzieller Sicht ist es eher vorzugswürdig, dass die nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften ihre Derivate durch CCPs clearen lassen und dafür einen Margenausgleich zahlen, anstatt Banken für ähnliche Dienste mit einer Gebühr zu entlohnen. Es besteht die Gefahr, dass die Bankengebühren, die im Grunde Mittelabflüsse für die nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften darstellen, das Risiko — sowohl aus Sicht der Banken als auch der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften — nicht angemessen einpreisen.

3.   Definitionen

Definition der Begriffe „Geschäftstätigkeit“ sowie „Liquiditäts- und Finanzmanagement“

3.1

Der ESRB begrüßt die Arbeit der ESMA zur Definition der Geschäftstätigkeit und des Liquiditäts- und Finanzmanagements und stimmt den Ergebnissen dieser Arbeit weitgehend zu, sofern Folgendes gewährleistet ist:

3.2

Die Geschäftstätigkeiten von nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften sollten sich auf bestimmte Positionen in der Bilanz beziehen, genauer gesagt auf das Kerngeschäft der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften, das heißt Aktien, Verbindlichkeiten, Forderungen und Sachanlagen. Die Begriffe „Investitionsausgaben“ und „operative Ausgaben“ sollten in die Definition der Geschäftstätigkeit aufgenommen werden, da sich der Verweis auf die Internationalen Rechnungslegungsstandards („International Financial Reporting Standards“ — IFRS) zur Definition der Geschäftstätigkeit als nicht optimal erweisen könnte. Der Maximalbestand der mit der Geschäftstätigkeit von nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften in Verbindung stehenden Derivate sollte den Buchwert von Aktien, Verbindlichkeiten, Forderungen und Sachanlagen in der Bilanz nicht überschreiten.

3.3

Das Liquiditäts- und Finanzmanagement sollte anhand der Cashflow-Rechnung der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaft definiert werden; dabei sollte sichergestellt werden, dass dieses auf die Cashflows der Finanzgeschäfte beschränkt ist, welche die nichtfinanzielle Kapitalgesellschaft während des betreffenden Jahres generiert hat.

Definition der Clearingschwellen

3.4

Der ESRB begrüßt die Arbeit der ESMA zur Definition der Clearingschwellen, sofern Folgendes gewährleistet ist:

3.5

Anfänglich niedrige Clearingschwellen für nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften sollten auf klaren makroprudenziellen Grundsätzen beruhen; es muss die Möglichkeit bestehen, die Clearingschwellen bei Bedarf im Rahmen späterer Überprüfungen zu erhöhen.

3.6

Es sollte ein Gleichgewicht zwischen der Komplexität der Berechnung der Clearingschwelle und der Verringerung der Risiken gefunden werden, die sich aus den OTC-Derivate-Beständen nichtfinanzieller Kapitalgesellschaften ergeben.

3.7

Es sollte eine begrenzte Zahl an OTC-Derivate-Kategorien definiert werden, für die verschiedene Anforderungen hinsichtlich der Clearingschwelle gelten sollen.

3.8

Es sollten nicht Clearingschwellen für jede einzelne Gegenpartei definiert werden, weil dies die Komplexität der Regelung erhöhen würde, ohne einen substanziellen Nutzen zu bringen.

3.9

Für die Definition von Clearingschwellen sollten Bruttomarktwerte gegenüber Nominalwerten bevorzugt werden, da dies den Marktwert der von nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften gehaltenen Derivate akkurater abbilden würde; somit gäbe es einen genaueren Ansatz zur Beschreibung des Risikos dieser Derivate für das System. Die Berechnung der Clearingschwellen sollte in feststehenden Abständen erfolgen und die Möglichkeit beinhalten, dass die zuständigen Stellen die Frequenz in Krisenzeiten erhöhen können.

3.10

Die Clearingschwellen je OTC-Derivate-Kategorie, die der in Abschnitt 4 dargelegten Kalibrierung in Form eines zweistufigen Ansatzes unterliegen, sind folgendermaßen zu definieren:

a)

Die nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften, für die Clearingschwellen bestimmt werden sollen, werden gemäß den folgenden Kriterien zwei Unterkategorien zugeordnet:

Formula und Formula

wobei

TD (x) der Bruttomarktwert aller von der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaft x gehaltenen Derivate ist,

CR (x) der Buchwert von Kapital und Rücklagen der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaft x ist.

b)

Für die nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften, bei denen der unter Buchstabe a definierte Wert den Wert δ übersteigt, ist die Clearingschwelle wie folgt festzulegen:

Formula oder NCNTFD (x) > ε'

wobei

NCNTFD (x) der Bruttomarktwert der von der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaft x gehaltenen Derivate ist, die nicht Zwecken der Geschäftstätigkeit sowie des Liquiditäts- und Finanzmanagements dienen,

GMVCD der Bruttomarktwert je OTC-Derivate-Kategorie für alle Gegenparteien ist, die auf globaler Ebene in der Datenbank der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich über Statistiken zu OTC-Derivatemärkten erfasst werden.

c)

Für die nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften, bei denen der unter a) definierte Wert den Wert δ nicht übersteigt, ist die Clearingschwelle wie folgt festzulegen:

Formula oder NCNTFD (x) > γ'

4.   Kalibrierung der Clearingschwelle als zweistufiger Ansatz

Der zweistufige Ansatz sollte wie folgt durchgeführt werden:

a)

Die nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften sind anhand der folgenden Kriterien den beiden Unterkategorien zuzuordnen:

Formula und Formula

b)

Bei nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften, bei denen der unter Buchstabe a definierte Wert 0,03 übersteigt, sind für die OTC-Derivatekategorien jeweils die folgenden Schwellenwerte anzuwenden:

Formula

i)

Clearingschwelle für Kreditderivate, εA = 8,4.

ii)

Clearingschwelle für Aktienderivate, εB = 9,4.

iii)

Clearingschwelle für Zinsderivate, εC = 12,4.

iv)

Clearingschwelle für Devisenderivate, εD = 13,4.

v)

Clearingschwelle für Rohstoff- und sonstige OTC-Derivate, εE = βE = 9,4.

c)

Bei nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften, bei denen der unter Buchstabe a definierte Wert 0,03 nicht übersteigt, sind für die OTC-Derivatekategorien jeweils die folgenden Schwellenwerte anzuwenden:

Formula

i)

Clearingschwelle für Kreditderivate, γA = 25,2.

ii)

Clearingschwelle für Aktienderivate, γB = 28,2.

iii)

Clearingschwelle für Zinsderivate, γC = 37,2.

iv)

Clearingschwelle für Devisenderivate, γD = 40,2.

v)

Clearingschwelle für Rohstoff- und sonstige OTC-Derivate, γE = 28,2.

d)

Bei nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften, bei denen der unter Buchstabe a definierte Wert 0,03 übersteigt, sind die folgenden Schwellenwerte als absolute Werte anzuwenden:

NCNTFD (x) > ε'

i)

Clearingschwelle für Kreditderivate, ε'A = 13 Mio EUR.

ii)

Clearingschwelle für Aktienderivate, ε'B = 7 Mio EUR.

iii)

Clearingschwelle für Zinsderivate, ε'C = 151 Mio EUR.

iv)

Clearingschwelle für Devisenderivate, ε'D = 31 Mio EUR.

v)

Clearingschwelle für Rohstoff- und sonstige OTC-Derivate, ε'E = 16 Mio EUR.

e)

Bei nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften, bei denen der unter Buchstabe a definierte Wert 0,03 nicht übersteigt, sind die folgenden Schwellenwerte als absolute Werte anzuwenden:

NCNTFD (x) > γ'

i)

Clearingschwelle für Kreditderivate, γ'A = 39 Mio EUR.

ii)

Clearingschwelle für Aktienderivate, γ'B = 20 Mio EUR.

iii)

Clearingschwelle für Zinsderivate, γ'C = 453 Mio EUR.

iv)

Clearingschwelle für Devisenderivate, γ'D = 92 Mio EUR.

v)

Clearingschwelle für Rohstoff- und sonstige OTC-Derivate, γ'E = 48 Mio EUR.

Geschehen zu Frankfurt am Main am 31. Juli 2012.

Der Vorsitzende des ESRB

Mario DRAGHI


(1)  ABl. L 201 vom 27.7.2012, S. 21.

(2)  ESMA-Konsultationspapier „Draft Technical Standards for the Regulation on OTC Derivatives, CCPs and Trade Repositories“, veröffentlicht auf der Website der ESMA unter http://www.esma.europa.eu

(3)  ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 1.

(4)  ABl. C 58 vom 24.2.2011, S. 4.

(5)  Siehe die Antwort des ESRB mit dem Titel „Macro-prudential stance on the use of OTC derivatives by non-financial corporations in response to a consultation by ESMA based on Article 10 of the EMIR Regulation“, veröffentlicht auf der ESRB-Website unter http://www.esrb.europa.eu


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