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Document 32006D0431

2006/431/EG: Entscheidung der Kommission vom 5. Oktober 2005 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag gegen die Automobiles Peugeot SA und Peugeot Nederland NV (Sache COMP/E2/36623 36820 37275 — SEP und andere/Automobiles Peugeot SA) (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2005) 3683) (Text von Bedeutung für den EWR)

ABl. L 173 vom 27.6.2006, p. 20–24 (ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, NL, PL, PT, SK, SL, FI, SV)

Legal status of the document Date of entry into force unknown (pending notification) or not yet in force.

ELI: http://data.europa.eu/eli/dec/2006/431/oj

27.6.2006   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 173/20


ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION

vom 5. Oktober 2005

in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag gegen die Automobiles Peugeot SA und Peugeot Nederland NV

(Sache COMP/E2/36623 36820 37275 — SEP und andere/Automobiles Peugeot SA)

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2005) 3683)

(Nur der französische Text ist verbindlich)

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2006/431/EG)

Am 5. Oktober 2005 nahm die Kommission eine Entscheidung in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag an. Gemäß Artikel 30 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates (1) veröffentlicht die Kommission im Folgenden die Namen der Parteien und den wesentlichen Inhalt der Entscheidung, einschließlich der jeweils verhängten Geldbuße. Dabei trägt sie den berechtigten Interessen der Unternehmen an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse Rechnung. Eine nicht vertrauliche Fassung des vollständigen Wortlauts der Entscheidung ist in den verbindlichen Sprachen der Wettbewerbssache auf der Internetseite der GD Wettbewerb abrufbar: http://ec.europa.eu/comm/competition/index_de.html

1.   ZUSAMMENFASSUNG DER ZUWIDERHANDLUNG

1.1.   Einleitung

(1)

Nachdem der Kommission Beschwerden einiger französischer Zwischenhändler zugegangen waren, nahm sie am 5. Oktober 2005 eine Entscheidung gemäß Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 („die Entscheidung“) an. Diese Entscheidung wegen Verstoßes gegen Artikel 81 EG-Vertrag richtet sich an den Automobilhersteller Automobiles Peugeot SA sowie an seine 100 %ige Tochter Peugeot Nederland NV („PNE“), die Peugeot-Fahrzeuge in die Niederlande importiert. Diese beiden Unternehmen haben in Einvernehmen mit den niederländischen Peugeot-Vertragshändlern nachweislich einen Verstoß gegen Artikel 81 begangen. Sie haben zwei Maßnahmen ergriffen, um den Verkauf von Autos, die aus den Niederlanden stammen und für Endkunden in anderen Mitgliedstaaten (vor allem Frankreich) bestimmt sind, zu behindern. Die erste Maßnahme, die von 1997 bis 2003 praktiziert wurde, sah für die Vertragshändler ein Bonussystem vor, das die Exporte beschränkte. Objektiv betrachtet ging dieses Bonussystem weit über das hinaus, was erforderlich gewesen wäre, um die niederländischen Vertragshändler dazu zu bringen, ihre Verkaufsanstrengungen ganz auf ihr Vertragsgebiet zu konzentrieren. Die zweite Maßnahme, die von 1997 bis 2001 praktiziert wurde, bestand darin, dass die Automobiles Peugeot SA Druck auf diejenigen Vertragshändler ausübte, die Fahrzeuge exportierten. Diese direkte Maßnahme verstärkte die Wirkung des diskriminierenden Bonussystems.

1.2.   Sachverhalt

1.2.1.   Die Unternehmen und der Produktmarkt

1.2.1.1.   Die Unternehmen

(2)

Die Peugeot SA („PSA“), der zweitgrößte europäische Automobilhersteller mit einem Marktanteil von 15,5 % im Jahr 2002 (Pkw und leichte Nutzfahrzeuge), vertreibt die Marken Peugeot und Citroën. Die Automobiles Peugeot SA ist ein Allround-Automobilhersteller, der zu 100 % PSA gehört und unter der Marke Peugeot Autos entwickelt, herstellt und vertreibt. In allen 25 EU-Mitgliedstaaten werden Peugeot-Produkte und -Dienstleistungen über ein nationales Einzelhandelsnetz vertrieben. In den Niederlanden liegen Organisation und Leitung dieses Netzes bei PNE, einem zu 100 % von der Automobiles Peugeot SA kontrollierten Importeur mit Sitz in Utrecht (Niederlande).

(3)

In den Niederlanden besteht das Peugeot-Netz aus Vertragshändlern sowie vertraglich an sie gebundenen Wiederverkäufern. Ihre Zahl wurde zwischen 1995 und 2003 stark reduziert.

1.2.1.2.   Der relevante Markt

(4)

Der Pkw-Markt lässt sich in eine Reihe von Segmenten unterteilen. Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs. Sie ist nicht nur zu würdigen, wenn man den Markt anhand jedes einzelnen Segments betrachtet, sondern auch dann, wenn entweder ein relevantes Segment sich mit den beiden Nachbarsegmenten überschneidet und dadurch ein relevanter Markt entsteht, oder sich dieser relevante Markt aus allen hier erwähnten Segmenten zusammensetzt. Es ist hier also keine endgültige Entscheidung bezüglich des Segments zu treffen, das als relevanter Markt zu gelten hat, und es geht auch nicht um die Frage, ob der Pkw-Markt die gesamte Europäische Union umfasst oder ob jeder Mitgliedstaat für sich einen eigenen räumlichen Markt bildet.

(5)

Zwischen 1995 und 2002 ist die Zahl der jährlichen Pkw-Neuzulassungen in der Europäischen Union und im Europäischen Wirtschaftsraum von 12 034 316 auf 14 398 718 gestiegen. Auf die Marke Peugeot entfielen im Jahr 1995 insgesamt 861 696 und 2002 insgesamt 1 277 738 Neuzulassungen. Unter den Automarken in der EU konnte Peugeot seinen Marktanteil von 7,2 % im Jahr 1995 auf 8,9 % im Jahr 2002 (2) ausbauen und sich dadurch von Platz sechs auf Platz drei verbessern. Auch in den Niederlanden erlebte die Marke Peugeot ein starkes Wachstum und konnte ihre Marktanteile kontinuierlich ausbauen: Bei den Pkw wuchs der Marktanteil von 6,5 % im Jahr 1997 auf 10,7 % im Jahr 2003.

1.2.2.   Die Vereinbarung

(6)

Die Entscheidung richtet sich gegen eine Zuwiderhandlung in Form von Alleinvertriebs- und Selektivvereinbarungen, die Peugeot mit seinen niederländischen Vertragshändlern getroffen hatte. Der Zuwiderhandlung liegen zwei spezielle Maßnahmen zugrunde, die dazu geeignet waren, den Parallelhandel einzuschränken: ein Vergütungssystem für die Vertragshändler, bei dem der Bestimmungsort des Fahrzeugs eine Rolle spielte, und die Ausübung von Druck auf Vertragshändler, die Fahrzeuge ausführten.

1.2.2.1.   Diskriminierendes Bonussystem

(7)

In den Niederlanden erhielten die Vertragshändler einerseits einen Festbetrag (Marge (3)) und andererseits eine Vergütung in Abhängigkeit von ihren Verkaufszahlen (Bonus (4)), von der letztendlich ihr Gewinn abhing. Ein niederländischer Vertragshändler erhielt aber nur dann einen Bonus, wenn die von ihm verkauften Fahrzeuge auch in den Niederlanden zugelassen wurden. Das von Peugeot eingeführte System sah eine Bonusvergabe in zwei Schritten vor: Das Anrecht auf einen Bonus wurde nach einer bestimmten Staffelung gewährt. Diese berücksichtigte, inwieweit ein Händler in seinem Vertragsgebiet das Verkaufsziel erreicht hatte, das zu Beginn des Geschäftsjahres vereinbart worden war. Hatte er seine Zielvorgabe erreicht, so wurde in einem zweiten Schritt das so erworbene Anrecht festgestellt, das sich nach den in den Niederlanden verkauften Fahrzeugen richtete. Die Automobiles Peugeot SA verlangte die Zulassung in den Niederlanden als Nachweis für die Erfüllung des Verkaufsziels, aus dem sich der Bonusanspruch des Vertragshändlers ableitete und nach dem die Rabatthöhe für jedes Fahrzeug festgelegt wurde, aber gleichzeitig auch zur Ermittlung aller von der Automobiles Peugeot SA verkauften Fahrzeuge, für die ein Bonusanspruch bestand (Auszahlung des Bonus).

(8)

Zwischen dem 1. Januar 1997 und dem 31. Dezember 1999 praktizierte die Automobiles Peugeot SA ihren Vertragshändlern gegenüber ein Vergütungssystem, das für den Verkauf aller ab dem 1. Januar 1997 in den Niederlanden zugelassenen Pkw-Modelle eine pauschale Zusatzvergütung („Bonus“ und „Superbonus“) vorsah. Danach (1. Januar 2000 bis 1. Oktober 2003) änderte die Automobiles Peugeot SA dieses Vergütungssystem: Es wurde ein variabler Margenteil eingeführt, dabei aber ein „quantitativer Bonus“ beibehalten, der den Vertragshändlern gezahlt wurde, die ihre Zielvorgaben für die Zulassung von Peugeot-Fahrzeugen in den Niederlanden erreichten. Für die Bonusvergabe wurden die Vertragshändler in verschiedene Kategorien eingeteilt, die sich nach der Anzahl der Autos richtete, die sie laut Zielvorgabe verkaufen mussten. Bei der Festsetzung des Bonus wurden das Fahrzeugmodell, die Händlerkategorie und der erreichte Prozentsatz der Zielvorgabe berücksichtigt.

(9)

Die Jahresrundschreiben an die Vertragshändler, in denen es um die Einführung eines neuen Bonussystems ging, belegen, dass der Bonus ab Januar 1997 nur für diejenigen Pkw gezahlt werden sollte, die auch in den Niederlanden zugelassen wurden. Dies wird auch durch andere Beweise bestätigt.

1.2.2.2.   Druckausübung auf die Vertragshändler

(10)

Die zweite oben erwähnte Maßnahme bestand darin, dass die Automobiles Peugeot SA auf die Vertragshändler Druck ausübte und das diskriminierende Bonussystem so noch verstärkte: Das Unternehmen intervenierte direkt bei den Vertragshändlern und versuchte, über das Androhen von Lieferbeschränkungen die bereits bestehende Exporttätigkeit zu beschränken.

(11)

Hier ist hervorzuheben, dass die Mitglieder des Vertriebsnetzes die Strategie der Automobiles Peugeot SA kannten, mit der die Exporte aus den Niederlanden beschränkt werden sollten. Sie fürchteten die langfristigen Auswirkungen, die die Ausfuhren auf ihre Gewinne haben würden, und erklärten in drei Zusammenkünften mit dem Importeur, dass sie mit den Maßnahmen einverstanden seien. Dabei achtete Peugeot darauf, dass sich alle Mitglieder des niederländischen Vertriebsnetzes gleichermaßen an diese Regeln hielten. Um dies sicherzustellen, sprach der Importeur auch direkte Drohungen aus und verhängte Lieferbeschränkungen.

(12)

Erstens übte PNE unmittelbaren Druck aus, indem es gelegentlich bei bestimmten Händlern einschritt, um deren Exporte zu beschränken. Diesen Druck übte PNE vor allem über sein Account Managers Dealernet (AMD) aus, das sich aus PNE-Vertriebsmitarbeitern zusammensetzte. In einigen Berichten dieser Mitarbeiter wurden Fahrzeugverkäufe an Verbraucher im Ausland erwähnt. Diese Bemerkungen der AMDs machen nur vor dem Hintergrund Sinn, dass die Automobiles Peugeot SA die Ansicht vertrat, dass diese Ausfuhren nur in Ausnahmefällen zu vertreten seien. Weitere Beispiele bestätigen, dass hier nicht nur über die AMDs, sondern auch auf anderem Wege Druck ausgeübt wurde. Von den direkten Interventionen waren zwischen 1997 und 2001 acht Vertragshändler betroffen.

(13)

Zweitens wurde ab 1997 auch durch die Androhung von Lieferbeschränkungen Druck ausgeübt, insbesondere für die am häufigsten ausgeführten Modelle wie den Peugeot 806. Im Geschäftsjahr 1997 durften einige Modelle wie der Peugeot 406 Airlines und der Peugeot 106 Accents ausschließlich in den Niederlanden verkauft werden. Die Ausfuhr dieser Modelle bedeutete einen Verstoß, für den der Vertragshändler, der den Export veranlasst hatte, zur Verantwortung gezogen wurde. Vor allem für das Modell Peugeot 306 Break wurden Lieferbeschränkungen angedroht, die dann auch punktuell erfolgten. Aus mehreren Sitzungsprotokollen geht hervor, dass der Verband der niederländischen Peugeothändler (VPDN) seit 1997 Lieferbeschränkungen bestimmter Modelle sowie die Streichung der am häufigsten ausgeführten Modelle aus der Produktpalette ebenfalls unterstützte. Außerdem haben die Vertragshändler im westlichen Teil der Niederlande 1998 zur Kenntnis genommen, dass der Peugeot 206 künftig nicht mehr exportiert werden sollte.

2.   RECHTLICHE WÜRDIGUNG

2.1.   Vereinbarung über die beanstandeten Maßnahmen

(14)

Bei den Maßnahmen, die die Automobiles Peugeot SA zur Beschränkung der Exportverkäufe und des markeninternen Wettbewerbs ergriffen hatte, handelte es sich nicht um einseitige Verhaltensweisen, sondern um Vereinbarungen im Sinne von Artikel 81 Absatz 1 EG-Vertrag. Die Maßnahmen waren Bestandteil der vertraglichen Beziehungen zwischen der Automobiles Peugeot SA und den Vertragshändlern des selektiven und exklusiven Vertriebsnetzes in den Niederlanden, über das Peugeot-Fahrzeuge und andere Vertragswaren verkauft werden.

(15)

Sowohl hierüber als auch über das diskriminierende Bonussystem bestand Einvernehmen zwischen der Automobiles Peugeot SA und den Mitgliedern des niederländischen Vertriebsnetzes. Die Funktionsweise des Peugeot-Vertriebsnetzes zwischen 1997 und 2003 zeigt nämlich, dass die Peugeot-Vertragshändler in den Niederlanden in die Praktiken stillschweigend einwilligten und daher bei jedem Verkauf eine Willensübereinstimmung vorlag (5).

(16)

Die Automobiles Peugeot SA übte mindestens seit 1997 Druck auf die Vertragshändler aus, indem sie die niederländischen Vertragshändler über VPDN klar aufforderte, die Exporte in andere Mitgliedstaaten zu beschränken. Die in der Entscheidung beschriebenen Fälle, in denen auf die Vertragshändler Druck ausgeübt wurde, zeigen, dass alle Mitglieder des Vertriebsnetzes sich grundsätzlich an die Aufforderung der Automobiles Peugeot SA/PNE hielten, nach der Exporte nur in Ausnahmefällen zugelassen waren. Der Hersteller behielt sich punktuelle Interventionen vor, um diese strikte Regelung aufrechtzuerhalten.

2.2.   Zuwiderhandlung durch zwei Maßnahmen

(17)

Der Automobiles Peugeot SA und PNE verfolgten eine Strategie, um die Exporte aus den Niederlanden zu beschränken. Diese Strategie, mit der die Vertragshändler einverstanden waren und die über VPDN umgesetzt wurde, sowie jede ihrer Einzelmaßnahmen für sich bezweckten und bewirkten eine Einschränkung des Wettbewerbs im Sinne von Artikel 81 Absatz 1 EG-Vertrag.

2.2.1.   Diskriminierendes Bonussystem zur Beschränkung der Exporte

(18)

In ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte hob die Automobiles Peugeot SA den wettbewerbsfördernden Charakter des quantitativen Bonussystems in den Niederlanden hervor: Sein „einziges und erklärtes“ Ziel habe darin bestanden, die Vertragshändler durch die notwendigen Incentives (Bonus) dazu zu bewegen, ihre Verkaufsanstrengungen auf ihr Vertragsgebiet zu konzentrieren und es der Automobiles Peugeot SA dadurch zu ermöglichen, ihren Marktanteil in den Niederlanden zu erhöhen.

(19)

In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass diese Entscheidung nicht die Möglichkeit in Abrede stellt, dass der Hersteller seine Verkaufsstrategie an den Erfordernissen der unterschiedlichen nationalen Märkte ausrichtet, um dadurch höhere Marktanteile zu erzielen. Sie bestreitet auch nicht die Möglichkeit für den Hersteller, mit seinen Vertragshändlern feste Verkaufsziele für ihr jeweiliges Vertragsgebiet zu vereinbaren und geeignete Anreize zu schaffen (in Form eines leistungsbezogenen Bonus), damit diese in ihrem Vertragsgebiet mehr verkaufen. Eine derartige Förderung des Markenwettbewerbs ist übrigens in der Verordnung (EG) Nr. 1475/95 der Kommission (6) (Freistellungsverordnung) ausdrücklich vorgesehen.

(20)

Die Jahresrundschreiben an die Vertragshändler jedoch, in denen es um die Einführung eines neuen Bonussystems ging, belegen Folgendes: Ab Januar 1997 sollte der Bonus nur für diejenigen Pkw gezahlt werden, die auch in den Niederlanden zugelassen wurden. Dies wird auch durch andere Beweise bestätigt. Vertragshändlern, die ihre Verkaufsziele für ihr Vertragsgebiet zwar voll erfüllt hatten und denen der Bonus somit zustand, wurde dieser trotzdem dann nicht gezahlt, wenn es sich um Verkäufe von Pkw an Kunden aus dem Ausland handelte. Dieses System ging daher über das hinaus, was erforderlich gewesen wäre, um die niederländischen Vertragshändler dazu zu bringen, ihre Verkaufsanstrengungen ganz auf ihr Vertragsgebiet zu konzentrieren. Es stellt eine der in Verordnung (EG) Nr. 1475/95 erwähnten Kernbeschränkungen sowie einen Verstoß gegen Artikel 6 Absatz 1 Nummer 8 dar: Danach gilt eine Freistellung nicht, „wenn der Lieferant den Händlern Entgelte gewährt, die ohne sachlich gerechtfertigten Grund nach Maßgabe des Bestimmungsortes der weiterverkauften Kraftfahrzeuge oder des Wohnsitzes des Käufers berechnet werden.“ Darüber hinaus hatten die Vertragshändler kaum die Möglichkeit, dieses System zu umgehen: PNE verglich die Daten der Fahrzeugbestellung, die die Vertragshändler in die Datenbank DIALOG eingegeben hatten (und über die der Hersteller sein Vertriebsnetz überwachte) mit den Daten der nationalen Zulassungsstelle.

(21)

Darüber hinaus bestritt die Automobiles Peugeot SA in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte die Wirksamkeit einer solchen Maßnahme: Der Bonus sei zu niedrig gewesen, um die Vertragshändler davon abzuhalten, Autos in andere Länder zu verkaufen.

(22)

Zunächst ist auf die widersprüchliche Verteidigung der Automobiles Peugeot SA hinzuweisen. So macht sie einerseits geltend, dass der zwischen 1997 und 2003 existierende Bonus zu niedrig gewesen sei, um das Verhalten der Vertragshändler zu beeinflussen. Andererseits hebt die Automobiles Peugeot SA hervor, dass das System, und besonders die Höhe der Rabatte, die Vertragshändlern bei Erreichen der Verkaufsziele gewährt wurden, notwendige Incentives gewesen seien, damit die Vertragshändler ihre Verkaufsanstrengungen auf ihr jeweiliges Vertragsgebiet konzentrierten. Außerdem bestätigen die Beweise in der Akte die vorgeworfenen erheblichen Auswirkungen dieser Maßnahmen: Danach war der Bonus für die Vertragshändler jederzeit wichtig und der Verlust des Bonus beim Export von Fahrzeugen wirkte sich erheblich auf die Bereitschaft der Vertragshändler aus, an Kunden im Ausland zu verkaufen.

2.2.2.   Druckausübung als Beweis für Peugeots Absicht, die Exporte einzuschränken

(23)

Zwischen 1997 und 2001 griff die Automobiles Peugeot SA gelegentlich ein, um bestimmte niederländische Vertragshändler davon abzuhalten, Fahrzeuge an Endverbraucher in anderen Mitgliedstaaten zu liefern. Es wurde Druck auf die niederländischen Vertragshändler ausgeübt und ein Vergütungssystem angewandt, das die Exporte tatsächlich einschränkte. Damit sollte der grenzüberschreitende Handel mit Fahrzeugen zwischen den niederländischen Vertragshändlern und den Vertragshändlern in anderen Mitgliedstaaten eingeschränkt werden, um den niederländischen Markt gegen die übrigen Märkte der Europäischen Union abzuschotten. Die vorliegenden Unterlagen, die den Druck auf die Vertragshändler belegen, sind also vor diesem Hintergrund zu bewerten.

2.3.   Erheblicher und quantifizierbarer Einfluss der Maßnahmen

(24)

Zunächst ist hervorzuheben, dass ab 1997, als das fragliche Vergütungssystem eingeführt wurde, ein Rückgang der Parallelausfuhren aus den Niederlanden zu verzeichnen war und die Exporte nach 1999 um ca. 50 % sanken. In ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte führt die Automobiles Peugeot SA diesen Rückgang nicht auf das strittige Vergütungssystem, sondern auf andere Faktoren zurück. So hätten die verringerten Preisunterschiede eine „wesentliche Rolle“ gespielt. Einiges spricht jedoch gegen diese Einschätzung.

(25)

Erstens haben sich die Preisunterschiede in der EU im betrachteten Zeitraum nicht wesentlich verändert.

(26)

Zweitens wird in einer internen PNE-Notiz aus dem Jahr 2002 der Einfluss des Vergütungssystems auf den Parallelhandel geschätzt, d. h. wie sich das Volumen zusätzlicher Verkäufe an Endverbraucher aus dem Ausland im Vergleich zum Vorjahr entwickeln würde, wenn der Bonus im Jahr 2003 tatsächlich für Fahrzeuge für den Export gezahlt würde.

(27)

Drittens haben 22 französische Verbraucher im Zusammenhang mit dem Druck, der auf die Vertragshändler ausgeübt wurde, bei der Kommission Beschwerde eingelegt. Ihnen war bedingt durch Lieferverzögerungen aufgrund der Drohungen Peugeots ein Schaden entstanden.

3.   GELDBUSSE

(28)

Nach Ansicht der Kommission sollte daher eine Geldbuße verhängt werden, mit der diese Zuwiderhandlung angemessen bestraft wird und deren abschreckende Wirkung eine Wiederholung ausschließt. Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße hat die Kommission alle entsprechenden Umstände berücksichtigt, insbesondere die Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung. Diese Kriterien sind in Artikel 23 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 ausdrücklich genannt.

(29)

In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen wurde die Zuwiderhandlung der Automobiles Peugeot SA und ihrer Tochtergesellschaft PNE gegen Artikel 81 EG-Vertrag als sehr schwerwiegend eingestuft. Diese Einschätzung gilt sowohl für die Bonuspraxis als auch für die anderen Maßnahmen, mit denen die Automobiles Peugeot SA Druck ausgeübt hat. Die Automobiles Peugeot SA hat insofern vorsätzlich gehandelt, als sie wissen musste, dass die beanstandeten Maßnahmen eine Einschränkung des Wettbewerbs bezweckten. Die Kommission und der Gerichtshof haben bereits bei anderer Gelegenheit Stellung zu Vergütungssystemen genommen, bei denen nach dem Bestimmungsort des Fahrzeugs (7) unterschieden wurde. Die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung stützt sich auf die Bestimmungen der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen (8).

(30)

Auch war die Zuwiderhandlung von beträchtlicher Dauer. So hat die Automobiles Peugeot SA zwischen Anfang Januar 1997 und Ende September 2003 in ihren Jahresrundschreiben ihr exportschädliches Vergütungssystem jedes Jahr erneut verlängert. Zwischen 1997 und 2001 hat die Automobiles Peugeot SA ihre Strategie der Ausfuhrbeschränkungen zudem auch durch Drohungen und direkte Interventionen bei mehreren Vertragshändlern umgesetzt. Was das Ende der Zuwiderhandlung betrifft, so geht aus den vorliegenden Unterlagen nicht hervor, dass nach November 2001 bzw. nach Oktober 2003 (als das in der vorliegenden Entscheidung behandelte Vergütungssystem geändert wurde) noch Druck auf die Händler ausgeübt wurde.

(31)

Erschwerende oder mildernde Umstände sind im vorliegenden Fall nicht gegeben.

4.   DIE ENTSCHEIDUNG

(32)

Die Automobiles Peugeot SA und ihre Tochtergesellschaft Peugeot Nederland NV haben gegen Artikel 81 Absatz 1 EG-Vertrag verstoßen. Sie haben mit den Vertragshändlern des Peugeot-Vertriebsnetzes in den Niederlanden entweder persönlich oder in ihrem Namen über Zwischenhändler Vereinbarungen geschlossen, die eine Beschränkung der Verkäufe an Endverbraucher in anderen Mitgliedstaaten bezweckten und bewirkten. Die Zuwiderhandlung begann Anfang Januar 1997 und dauerte bis Ende September 2003.

(33)

Sofern nicht bereits geschehen, stellen die unter Artikel 1 der Entscheidung aufgeführten Unternehmen die dort genannten Zuwiderhandlung ein. Sie ergreifen künftig keine neuen Maßnahmen bzw. führen keine Maßnahmen fort, die eine solche Zuwiderhandlung darstellen. Darüber hinaus ergreifen sie auch keine Maßnahmen, die einen ähnlichen Zweck verfolgen oder eine ähnliche Wirkung haben.

(34)

Für die unter Artikel 1 genannte Zuwiderhandlung wird gegen die Automobiles Peugeot SA und ihre Tochtergesellschaft Peugeot Nederland NV, die gesamtschuldnerisch haften, eine Geldbuße von 49,5 Mio. EUR verhängt.


(1)  ABl. L 1 vom 4.1.2003, S. 1. Geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 411/2004 (ABl. L 68 vom 6.3.2004, S. 1).

(2)  PSA konnte mit den Marken Peugeot und Citroën einen wachsenden Marktanteil verbuchen, der zwischen 12 % (1995) und 15,3 % (in den ersten sechs Monaten des Jahres 2003) der Neuzulassungen lag: Damit wurde das Unternehmen 1999 in Europa zum zweitgrößten Pkw-Lieferanten nach dem Volkswagenkonzern.

(3)  Die Marge des Vertragshändlers entspricht der Differenz zwischen dem für ein bestimmtes Modell empfohlenen Katalogpreis und dem Preis, zu dem der Händler das Auto vom Lieferanten kauft. Damit werden einerseits die Vertriebskosten und die allgemeinen Kosten des Händlers und andererseits die Rabatte gedeckt, die der Händler den Endverbrauchern in der Regel gewähren muss.

(4)  Der Bonus ist eine Pauschalvergütung, die ein Vertragshändler in regelmäßigen Abständen von seinem Lieferanten erhält, und zwar für jedes Fahrzeug, das er nach den einschlägigen Bestimmungen verkauft. Der Bonus wird gezahlt, wenn bestimmte qualitative und quantitative Verkaufsziele erreicht werden.

(5)  Die Absicht des Herstellers ging aus dem Rundschreiben hervor, das zu Jahresbeginn bei den Vertragshändlern einging. Dieses Rundschreiben legte die Vergütungsbedingungen für die Vertragshändler fest (Marge und Bonus). Eine Einwilligung lag immer dann vor, wenn ein Vertragshändler ein von ihm bestelltes Fahrzeug auf seine Verkaufsziele (von denen der Bonus abhing) anrechnen lassen wollte oder wenn er nach Erreichen seiner Verkaufsziele die Auszahlung des Bonus für die zugelassenen Fahrzeuge einforderte. Die Einwilligung des Händlers kam dadurch zum Ausdruck, dass er die Daten der jeweiligen Fahrzeugbestellung in eine Datenbank eingab, über die der Hersteller sein Vertriebsnetz überwachte (DIALOG). Da die Vertragshändler nachweislich Verkäufe über dieses System tätigten, waren sie also mit der betreffenden Maßnahme einverstanden.

(6)  ABl. L 145 vom 29.6.1995, S. 25. Artikel 4 Absatz 1: „Der Freistellung stehen die Verpflichtungen des Händlers nicht entgegen, […] 3. sich zu bemühen, in einem bestimmten Zeitraum innerhalb des Vertragsgebiets Vertragswaren mindestens in dem Umfang abzusetzen, der von den Vertragspartnern einvernehmlich oder bei fehlendem Einvernehmen über die jährliche Mindestmenge der zu verkaufenden Vertragswaren durch einen sachverständigen Dritten anhand der im Vertragsgebiet bisher erzielten Verkäufe und der Vorausschätzungen für zukünftige Verkäufe in diesem Gebiet und in dem betreffenden Mitgliedstaat festgesetzt worden ist.“

(7)  Entscheidung 98/273/EG der Kommission vom 28.1.1998, Volkswagen AG (ABl. L 124 vom 25.4.1998, S. 60), Rdnr. 129; Entscheidung 2001/146/EG der Kommission vom 20.9.2000 in der Sache COMP/36.653 — Opel (ABl. L 59 vom 28.2.2001, S. 1), Rdnr. 117.

(8)  Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden. Veröffentlicht im ABl. C 9 vom 14.1.1998. Unter A werden besonders schwere Verstöße definiert: „Es handelt sich im Wesentlichen um […] Beschränkungen der Funktionsweise des Binnenmarktes, wie z. B. die Abschottung der nationalen Märkte“, was hier der Fall ist.


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