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Document 32003D0792

2003/792/EG: Entscheidung der Kommission vom 30. April 2003 zur Erklärung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR-Abkommen (Sache Nr. COMP/M.2903 — DaimlerChrysler/Deutsche Telekom/JV) (Text von Bedeutung für den EWR.) (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2003) 1409)

ABl. L 300 vom 18.11.2003, p. 62–73 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

Legal status of the document In force

ELI: http://data.europa.eu/eli/dec/2003/792/oj

32003D0792

2003/792/EG: Entscheidung der Kommission vom 30. April 2003 zur Erklärung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR-Abkommen (Sache Nr. COMP/M.2903 — DaimlerChrysler/Deutsche Telekom/JV) (Text von Bedeutung für den EWR.) (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2003) 1409)

Amtsblatt Nr. L 300 vom 18/11/2003 S. 0062 - 0073


Entscheidung der Kommission

vom 30. April 2003

zur Erklärung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR-Abkommen

(Sache Nr. COMP/M.2903 - DaimlerChrysler/Deutsche Telekom/JV)

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2003) 1409)

(Nur der deutsche Text ist verbindlich)

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2003/792/EG)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft,

gestützt auf das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, insbesondere auf Artikel 57 Absatz 2 Buchstabe a),

gestützt auf die Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen(1), zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1310/97(2), insbesondere auf Artikel 8 Absatz 2,

angesichts der Entscheidung der Kommission vom 20. Dezember 2002, in dieser Sache das Verfahren einzuleiten,

nachdem den beteiligten Unternehmen Gelegenheit gegeben wurde, sich zu den Einwänden der Kommission zu äußern,

nach Anhörung des Beratenden Ausschusses für Unternehmenszusammenschlüsse(3),

in Kenntnis des Abschlussberichts des Anhörungsbeauftragten in dieser Sache(4),

In Erwägung nachstehender Gründe:

(1) Am 11. November 2002 ist die Anmeldung eines Zusammenschlussvorhabens gemäß Artikel 4 der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 (Fusionskontrollverordnung) bei der Kommission eingegangen. Danach ist folgendes beabsichtigt: Die deutschen Unternehmen DaimlerChrysler Services AG ("DaimlerChrysler Services"), das zum DaimlerChrysler Konzern ("DaimlerChrysler") gehört und Deutsche Telekom AG ("Telekom") erwerben im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b) der Fusionskontrollverordnung die gemeinsame Kontrolle über das neu gegründete Gemeinschaftsunternehmen Toll Collect GmbH ("Toll Collect") durch Kauf von Anteilen. An dem Gemeinschaftsunternehmen wird neben den anmeldenden Parteien auch das französische Unternehmen Compagnie Financière et Industrielle des Autoroutes S.A. ("Cofiroute") in Höhe von 10 % beteiligt sein.

(2) Nach Prüfung der Anmeldung hat die Kommission zunächst festgestellt, dass das angemeldete Vorhaben in den Anwendungsbereich der Fusionskontrollverordnung fällt und hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR-Abkommen Anlass zu ernsthaften Bedenken gibt. Die Kommission hat am 20. Dezember 2002 gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c) der Fusionskontrollverordnung und Artikel 57 des EWR-Abkommens entschieden, in diesem Fall das Verfahren einzuleiten. Nach eingehender Untersuchung des Falles ist die Kommission nunmehr zu dem Schluss gekommen, dass das angemeldete Zusammenschlussvorhaben zwar eine marktbeherrschenden Stellung begründet, durch die wirksamer Wettbewerb in einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes erheblich behindert wird. Allerdings erlauben es die von den Parteien gemachten Zusagen, die wettbewerbsrechtlichen Bedenken gegen den Zusammenschluss auszuräumen.

I. DIE PARTEIEN UND DIE TRANSAKTION

A. Die Parteien

(3) DaimlerChrysler Services ist ein Tochterunternehmen von DaimlerChrysler, das im Finanzdienstleistungsbereich und Mobility Management tätig ist. Sein Angebot reicht von Finanzierungskonzepten für alle Fahrzeugmarken von DaimlerChrysler bis hin zum markenübergreifenden Flottenmanagement. DaimlerChrysler ist in der Entwicklung, Herstellung sowie im Vertrieb von Pkw, Lkw, Bussen und Dieselmotoren tätig. Ferner ist DaimlerChrysler über eine Beteiligungen in der Luft- und Raumfahrt sowie in der Rüstungsindustrie tätig.

(4) Telekom ist ein überwiegend in Europa und den USA tätiges Telekommunikationsunternehmen. Es ist unmittelbar oder über verbundene Unternehmen unter anderem in den Bereichen Festnetz- und Mobiltelefonie und in den Geschäftsfeldern Internet und Systemlösungen aktiv.

(5) Cofiroute ist Betreiberin verschiedener französischer Autobahnen. Daneben entwickelt und baut sie mit ihren Schwestergesellschaften Société de Construction des Autoroutes du Sud et de l'Ouest Straßen für staatliche Auftragnehmer. Ferner berät Cofiroute Unternehmen in verschiedenen Ländern außerhalb Frankreichs bei der Entwicklung und dem Betrieb von Fernstraßen.

B. Das Vorhaben

(6) Am 12. April 2002 ist das deutsche Gesetz zur Einführung von streckenbezogenen Gebühren für die Benutzung von Bundesautobahnen durch schwere Nutzfahrzeuge(5) in Kraft getreten. Danach werden Lkw über 12 t zukünftig eine entfernungsabhängige Benutzungsgebühr ("Lkw-Maut") für die Benutzung der meisten Bundesautobahnen entrichten müssen.

(7) Das Lkw-Maut-Projekt, d. h. der Aufbau und Betrieb eines Systems zur Erhebung der Lkw-Maut auf Bundesautobahnen im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland, war Gegenstand einer öffentlichen Ausschreibung durch die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Das Konsortium bestehend aus DaimlerChrysler Services, Telekom und Cofiroute hat den Zuschlag erhalten.

(8) DaimlerChrysler Services, Telekom und Cofiroute beabsichtigen ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem Namen Toll Collect zu gründen. Toll Collect soll das System zur Erhebung der Lkw-Maut im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland errichten und betreiben.

II. ZUSAMMENSCHLUSS

(9) DaimlerChrysler Services und Telekom sollen jeweils 45 %, Cofiroute 10 % der Geschäftsanteile an Toll Collect halten. [...]*(6).

(10) [...]*. Die anmeldenden Parteien sind angesichts dieser Regelung der Auffassung, dass nicht von einer Mitkontrolle durch Cofiroute ausgegangen werden kann. Diese Ansicht wird angesichts der besonderen wirtschaftlichen Umstände der vertraglichen Regelung im vorliegenden Zusammenschluss von der Kommission geteilt.

(11) Toll Collect wird auf Dauer alle Funktionen einer selbständigen Wirtschaftseinheit erfuellen. Toll Collect ist mit ausreichenden finanziellen Ressourcen, eigenem Personal, eigener technischer Ausstattung und eigener Geschäftsführung ausgestattet, so dass das Unternehmen selbständig auf dem Markt auftreten und getrennt von seinen Müttern geführt werden kann.

(12) Der Umstand, dass der Vertrag über die Erhebung von Maut für die Benutzung von Autobahnen durch schwere Lkw und die Errichtung und den Betrieb eines Mautsystems zur Erhebung von Autobahnmaut für schwere Lkw vom 25. Juni 2002 ("Betreibervertrag") mit der Bundesrepublik Deutschland vorsieht, dass dieser nach zwölf Jahren enden soll und nur dreimal um jeweils ein Jahr verlängert werden kann, steht dem Schluss nicht entgegen, dass das Gemeinschaftsunternehmen auf Dauer angelegt ist. Zunächst ist nach § 3 des Gesellschaftsvertrages die Dauer von Toll Collect zeitlich nicht beschränkt. Darüber hinaus handelt es sich bei einem Zeitraum von zwölf Jahren um eine Frist, die ausreichend lang ist, um eine dauerhafte Veränderung in der Struktur der anmeldenden Unternehmen herbeizuführen.

(13) Das Vorhaben stellt somit einen Zusammenschluss im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b) der Fusionskontrollverordnung dar.

III. GEMEINSCHAFTSWEITE BEDEUTUNG

(14) Die beteiligten Unternehmen erzielen einen weltweiten Gesamtumsatz von mehr als 5 Mrd. EUR. DaimlerChrysler und Telekom haben einen gemeinschaftsweiten Gesamtumsatz von jeweils mehr als 250 Mio. EUR. Lediglich Telekom erzielte mehr als zwei Drittel ihres gemeinschaftsweiten Umsatzes in einem Mitgliedsstaat, und zwar in Deutschland. Der angemeldete Zusammenschluss hat daher gemeinschaftsweite Bedeutung, stellt aber keinen Kooperationsfall aufgrund des EWR-Abkommens dar.

IV. BEURTEILUNG NACH ARTIKEL 2 DER FUSIONSKONTROLLVERORDNUNG

A. Das Toll-Collect-System

(15) Ab Sommer 2003 sollen alle Lkw mit einem zulässigen Hoechstgewicht von 12 t oder mehr bei der Benutzung deutscher Bundesautobahnen eine streckenbezogene Straßenbenutzungsgebühr ("Lkw-Maut") entrichten. Die Mauterhebung soll ohne Eingriff in den Verkehrsfluss und daher in erster Linie automatisch vorgenommen werden.

(16) Das von Toll Collect zu errichtende System sieht vor, dass in Lkw sogenannte Onboard-Units eingebaut werden, die über einen GPS (Global Positioning System)-Empfänger und einen GSM-Mobilfunk-Sender verfügen. Der GPS-Empfänger ermittelt die aktuelle Position des Lkw und speist diese Daten in die Onboard-Unit ein. Der Datenaustausch zwischen der Onboard-Unit und einer Zentrale für Anwendungsdienstleistungen erfolgt über den GSM-Mobilfunk-Sender, [...]*. Die vorgenannte Zentrale verarbeitet die entsprechenden Daten, d. h. anhand des ermittelten Standorts und der gewählten Strecke des jeweiligen Lkw wird die zu zahlende Maut errechnet und dem Eigentümer oder Halter des Fahrzeugs in Rechnung gestellt.

(17) In der Errichtungsphase des Mautsystems sollen zunächst gemäß den Vergabeunterlagen bis zur Einführung der Lkw-Maut [...]* Onboard-Units zur Verfügung gestellt werden. Diese Zahl soll im ersten Betriebsjahr des Mautsystems auf [...]* und im letzten Betriebsjahr auf [...]* gesteigert werden. Die Onboard-Units werden den Transportunternehmen kostenlos gegen ein Pfand in Form eines Mautguthabens überlassen. Dieses wird mit den gefahrenen Kilometern verrechnet. Die Einbaukosten für die Onboard-Unit trägt der Halter oder Eigentümer des Fahrzeugs.

(18) Neben der automatischen Mauterhebung soll auch ein manuelles Einbuchungssystem angeboten werden. Hierzu ist vorgesehen, dass im Internet oder über Automaten an Tankstellen oder Autobahnauffahrten Einbuchungsbelege verkauft werden. Der Fahrer muss die von ihm vorgesehene Route vorab festlegen und sie auf seiner Fahrt auch einhalten. Eine Onboard-Unit im Fahrzeug ist unter diesen Umständen nicht erforderlich.

B. Sachlich relevanter Markt

(19) Die anmeldenden Parteien tragen vor, dass das Gemeinschaftsunternehmen bei der Mauterhebung hoheitlich und damit nicht in Konkurrenz zu anderen privaten Anbietern tritt, daher Wettbewerb nicht denkbar und kein Markt betroffen ist.

(20) Die im Rahmen des Toll-Collect Konsortiums entwickelte Onboard-Unit ist mit einem GPS- und einem GSM-Modul ausgerüstet und daher grundsätzlich geeignet, Daten für Telematikdienste zu erfassen und bereitzustellen. Insoweit besteht die Möglichkeit, auf Basis dieses zur Mauterhebung eingesetzten Geräts Telematikdienste als Mehrwertdienste für die Transportindustrie anzubieten. Zu dem Umfang der über die Toll-Collect-Onboard-Unit möglichen Telematikdienste heißt es in einer von DaimlerChrysler Services, Telekom und Cofiroute gemeinsam herausgegebenen Presseerklärung(7):

"So können beispielsweise folgende Telematikdienste in Modulen angeboten werden, deren Umfang der Kunde nach seinen eigenen Ansprüchen zusammenstellen kann:

- genaue Positionsbestimmung bestimmter Lastwagen auf einem Bildschirm in der Spedition,

- Übermittlung neuer Aufträge oder von Auftragsänderungen,

- Statusberichte des Fahrers an den Fuhrunternehmer,

- Lokalisierung eines liegen gebliebenen oder gestohlenen Lkw,

- Navigations- und Fahrerdienste."

(21) Die anmeldenden Parteien haben auch bereits öffentlich angekündigt, dass sie über dieses System Telematikdienste anbieten wollen(8):

"Telematikdienste, wie wir sie in Verbindung mit Toll Collect anbieten können, reduzieren Engpässe im Verkehrsnetz und optimieren die Auslastung der Verkehrswege, erklärt Dr. Klaus Mangold(9).'Dies kann deutlich zu Effizienz und Kostenersparnis für das Transportgewerbe beitragen. Darüber hinaus leistet das System einen erheblichen Beitrag zur Entlassung der Umwelt.'"

(22) Die Kommission geht daher auf der Grundlage der von den anmeldenden Parteien öffentlich gemachten Ankündigungen davon aus, dass das von Toll Collect errichtete und betriebene System sich im Bereich der Entwicklung, Herstellung und des Vertriebs von Verkehrstelematiksystemen auswirken wird.

(23) Verkehrstelematik zielt darauf ab, durch Datenaustausch zwischen einem Dienstanbieter und Kraftfahrzeugen die Information und Kommunikation im Verkehr, aber auch die Leitprozesse im Verkehr zu verbessern. Als Übertragungswege dienen sowohl Mobilfunknetze als auch satellitengestützte Kommunikationssysteme.

(24) Die von der Kommission durchgeführten Ermittlungen haben Anhaltspunkte dafür ergeben, dass bei Verkehrstelematik eine weitere Untergliederung in Verkehrstelematik für Transport- und Logistikunternehmen sowie Verkehrstelematik für Privatkunden in Betracht kommt. Dafür sprechen u. a. die verschiedenen Anforderungsprofile innerhalb der vorgenannten Gruppen. Während bei Transport- und Logistikunternehmen Dienste im Vordergrund stehen, die Kontrolle und Optimierung von Bestellprozessen (z. B. Lokalisierung der Fahrzeuge), eine Kostenoptimierung (insbesondere im Hinblick auf den Treibstoffverbrauch) sowie die Übermittlung von Nachrichten erlauben, beschränkt sich die Nachfrage des Pkw-Nutzers im wesentlichen auf verkehrs- und sicherheitsbezogene Dienste (z. B. Fahrtroutenplanung, Notruf, Stauinformationen etc.) sowie Entertainment.

(25) Darüber hinaus entspricht diese Unterteilung auch den unterschiedlichen Anforderungen an die Anbieter von Verkehrstelematiksystemen. Für Pkw-Nutzer ist Hardware wie auch Software darauf ausgelegt ihnen von einer Zentrale, die im vorigen Absatz genannten Informationen direkt zukommen zu lassen, während für den Lkw-Nutzer nicht nur die erwünschten Dienste eine andere Software und Hardware erfordern, sondern auch die aktive Integration des Flottenbetreibers in den Informationsaustausch. Dieser ist Vertragspartner des Systemanbieters, eigentlicher Nutzer des Systems und Empfänger der im einzelnen Lkw generierten Informationen. Demgegenüber ist bei Pkw-Nutzung Vertragspartner der Eigentümer oder Halter des Pkw, der gleichzeitig auch die vom Systemanbieter bereitgestellten Informationsleistungen in Anspruch nimmt.

(26) Das Produkt- und Dienstleistungsspektrum im Bereich der Verkehrstelematik für Transport- und Logistikunternehmen umfasst Hardware, Software und Dienste.

(27) Die Hardware besteht aus Fahrzeugendgeräten (mobile Telematikendgeräte). Deren Hauptaufgaben sind die Gewinnung von Positions- oder Zustandsdaten des Fahrzeugs über GPS-Empfänger und der Versand dieser Daten via Mobilfunknetz oder Satellit an eine Leitstelle. In der Leitstelle werden die Daten gesammelt, ausgewertet und für den Benutzer (Flottenbetreiber) aufbereitet.

(28) Die mobilen Telematikendgeräte verfügen über eine Software, die Ortung und Kommunikation ermöglicht. Dadurch wird der Flottenbetreiber in die Lage versetzt, seine Flotten zu verfolgen. Zugleich kann er Daten vom Fahrer erhalten oder an diesen senden.

(29) Über die mobilen Telematikendgeräte können eine Reihe von Dienstleistungen erbracht werden. Mögliche Dienste sind in den Bereichen Flottenmanagement (Analyse des Fahrzeugeinsatzes, Steuerung des Fuhrparks), Verkehrsführung (aktuelle Verkehrsinformationen und dynamische Zielführung), Sicherheit (Notruf und Pannenhilfe) sowie "Infotainment" (Reise- und Routenplanung, Wetter, Nachrichten) angesiedelt.

(30) Die zur Zeit im Markt befindlichen Anbieter von Verkehrstelematik für Transport- und Logistikunternehmen sind zum großen Teil "Komplettanbieter", d. h. Anbieter von Hard- und Software und zugleich Anbieter von Verkehrstelematikdiensten. Dies sind einerseits Lkw-Hersteller, die teilweise selber ein "Komplettangebot" erbringen, teilweise mit anderen, spezialisierten Anbietern kooperieren (z. B. Bereitstellung von Hard- und Software durch den Lkw-Hersteller, während Dienste von einem spezialisierten Unternehmen erbracht werden, um ein überzeugendes, markenübergreifendes Angebot zu haben). Neben DaimlerChryler Services mit dem Produkt Fleetboard sind dies z. B. MAN mit dem System MAN Telematics (in Kooperation mit gedas), Volvo mit dem System Dynafleet und Scania mit dem System FAS. Andererseits gibt es eine große Zahl von kleineren Unternehmen, die sowohl Hard- und Software bereitstellen wie auch Dienste anbieten, wie z. B. Socratec, Minor Planet, protime und datafactory. Nach der Marktuntersuchung der Kommission erzielen diese Unternehmen momentan ca. 80 % ihres Umsatzes mit dem Verkauf von Hard- und Software, während die Erbringung von Diensten ca. 20 % ihres Umsatzes ausmachen. Neben solchen Komplettanbietern gibt es bereits heute auch reine Diensteanbieter, wie z. B. der ADAC, der Pannenhilfe und Notrufdienste anbietet, und reine Hardwareanbieter, die Endgeräte (inklusive einer Standardsoftware) herstellen. Zu den Hardwareanbieter können neben einem kleineren Hersteller wie EPSa auch Bosch und Siemens VDO gezählt werden, wobei letztere zugleich Dienste anbieten.

(31) Die notwendige Datenübertragung geschieht bei der Mehrzahl der Telematikangebote über ein GSM-Netz, so dass für diese Angebote notwendigerweise auf Leistungen von Mobilfunknetzbetreibern wie T-Mobile oder Vodafone zurückgegriffen wird. Daneben gibt es Telematiksysteme, die Komplettangebote auf Basis von Satellitenkommunikation offerieren und keines Mobilfunknetzes bedürfen, wie z. B. das System von Qualcomm.

(32) Bei der Abgrenzung des Marktes ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Verkehrstelematik für Transport- und Logistikunternehmen um einen im Aufbau befindlichen Markt handelt, der sich in den nächsten Jahren stark verändern wird. Nach einer Studie wird sich der Umsatz in diesem Segment von 160 Mio. EUR im Jahre 2001 auf rund 4,7 Mrd. EUR im Jahre 2009 (bezogen auf Europa) entwickeln(10). Diese Ausweitung des Marktes kann dazu führen, dass sich die im Markt tätigen Unternehmen auf die Herstellung von Hardware oder das Anbieten von Diensten spezialisieren. Da allerdings momentan Komplettanbieter den Markt bestimmen, ist davon auszugehen, dass es einen eigenen relevanten Markt für Verkehrstelematiksysteme, einschließlich Hardware, Software und Dienste, für Transport- und Logistikunternehmen gibt. Dieser umfasst aus Sicht der Kunden (Flottenbetreiber) Komplettanbieter, Endgeräteanbieter und Dienstleister gleichermaßen.

C. Räumlich relevanter Markt

(33) Bei der Bestimmung des räumlich relevanten Marktes ist zunächst zu berücksichtigen, dass es keinen einheitlichen europäischen Telematikstandard gibt. Bei den jeweiligen im Fahrzeug eingebauten Telematikgeräten handelt es sich größtenteils um eigentumsrechtlich geschützte Systeme, auf denen der Nutzer nur die Dienste der jeweiligen Betreiber des Telematiksystems oder von solchen Unternehmen in Anspruch nehmen kann, die von den jeweiligen Betreibern - zumeist als "Partner" - zugelasssen worden sind. Die Marktuntersuchung hat gezeigt, dass Telematikendgeräte, die für verschiedene Dienstebetreiber offen sind, zur Zeit nur einen kleinen Teil des Marktes bilden. Die Marktuntersuchung der Kommission hat auch gezeigt, dass als Konsequenz dessen der Telematikmarkt für Transport- und Logistikunternehmen als sehr zersplittert anzusehen ist, viele der in Deutschland in diesem Markt tätigen Unternehmen sind auch nur dort tätig. Dies wird durch eine aktuelle Studie belegt, die formuliert, dass "the number of suppliers in the retrofit market is diverse both across countries and within them, in other words it is highly fragmented"(11). Dabei geht diese Studie davon aus, dass die nachgerüsteten Telematiksysteme über 90 % aller in Europa verkauften Systeme im Jahr 2001 darstellen(12).

(34) Etwas anders als die Situation für die zumeist mittelständischen Unternehmen, die Telematiksysteme zur Nachrüstung anbieten, stellt sich die Lage der Lkw-Hersteller als Telematikerstausrüster und eines Unternehmens wie Qualcomm dar, das weltweit ein satellitengestütztes Telematiksystem anbietet. Diese Unternehmen bieten zwar grundsätzlich einheitliche Telematikplattformen für ganz Europa an. Doch unterscheiden sich auch ihre Produkte für die verschiedenen Mitgliedstaaten in wesentlichen Punkten. Qualcomm ist in den unterschiedlichen Staaten verschiedene Partnerschaften mit Hard- und Softwareherstellern eingegangen, um sein Flottenmanagementprodukt den nationalen Besonderheiten anzupassen. Aus dem gleichen Grund sind die nationalen Importgesellschaften von Scania für Deutschland und die Niederlande eine Partnerschaft mit dem Diensteanbieter gedas, einer Tochtergesellschaft von Volkswagen, eingegangen, die allerdings auf die beiden genannten Länder begrenzt ist. DaimlerChryslers Angebot im Vereinigten Königreich stützt sich vor allem auf das im Jahre 2000 erworbene Unternehmen VeMIS, während in Deutschland Fleetboard im Vordergrund steht. Nach der Marktuntersuchung der Kommission besteht ein wesentlicher Unterschied in den nationalen Anforderungen darin, dass die Telematiksysteme an die Speditionsprogramme angepasst werden müssen, die die Frachtabwicklung, Frachtabrechnung und Transportplanung übernehmen. Da diese Programme von zahlreichen verschiedenen Softwarehäusern angeboten werden und zwischen den Mitgliedstaaten, insbesondere auch für Deutschland, sehr unterschiedlich sind, erwarten die Flottenbetreiber als Nutzer der Telematiksysteme, dass diese an die Besonderheiten des jeweils von ihnen benutzten Speditionsprogramms angepasst werden.

(35) Ein weiteres Hindernis für die transnationale Vermarktung von Telematiksystemen bilden die verschiedenen Sprachen in den Mitgliedstaaten, an die die Telematiksysteme angepasst werden müssen. Eine solche sprachliche Anpassung wird durch eine Kombination der Telematiksysteme mit dem jeweiligen Speditionsprogramm noch entscheidender. Die sprachlichen Unterschiede in Europa werden auch von einer Studie als wesentliche Barriere für die transnationale Vermarktung von Telematiksystemen angesehen, insbesondere im Hinblick auf die Anwendung von Spracherkennungstechnologien und die Erbringung von Lokalisierungsdiensten(13).

(36) Daneben bilden für Telematikdienste, die GSM als Kommunikationskanal benutzen, die erheblichen Roaminggebühren eine wesentliche Grenze für das Erbringen von einheitlichen Telematikleistungen in den verschiedenen Mitgliedstaaten.

(37) Aufgrund dieser Elemente ist davon auszugehen, dass der durch das Zusammenschlussvorhaben betroffene Markt für Verkehrstelematiksysteme für Transport- und Logistikunternehmen das Gebiet Deutschlands umfasst.

D. Wettbewerbsrechtliche Beurteilung

(38) Der beabsichtigte Zusammenschluss stößt auf erhebliche wettbewerbsrechtliche Bedenken, was die vorgesehene, über die Mauterhebung hinausgehende, kommerzielle Nutzung der von Toll Collect zu errichtenden und zu betreibenden Infrastruktur betrifft. Insoweit ist zu erwarten, dass der Zusammenschluss zur Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung von DaimlerChrysler auf dem Markt für Verkehrstelematiksysteme für Transport- und Logistikunternehmen in Deutschland führt.

1. Errichtung der Toll Collect Plattform für Verkehrstelematik für Transport- und Logistikunternehmen

1.1. Der Zusammenschluss vereint mit dem führenden Lkw-Hersteller in Deutschland, der zudem auch ein führender Anbieter von Verkehrstelematiksystemen ist, und einem der führenden deutschen Mobilfunkanbieter zwei Marktteilnehmer, die über eine überragende Ausgangsstellung für die Erbringung von Verkehrstelematikdiensten verfügen

(39) DaimlerChrysler ist der mit Abstand führende Hersteller auf dem Lkw-Markt in Deutschland. Jeder zweite der über 960000 in Deutschland zugelassenen Lkws ist ein Mercedes-Benz(14). DaimlerChrysler bietet auch ein Verkehrstelematiksystem für Lkw unter der Bezeichnung "Fleetboard" an und ist nach eigenen Angaben einer der führenden Dienstleister für Mobilität- und Telematikdienste(15).

(40) Bei Telekom handelt es sich um einen der führenden deutschen Mobilfunkanbieter. In einer Presseerklärung wird der Beitrag der Telekom im Rahmen des Toll Collect- Konsortiums wie folgt umschrieben:

"Durch das Zusammenspiel unserer Konzernsäulen T-Mobile, T-Online, T-Com und T-Systems ermöglichen wir ein geschlossenes Produktfolio, das unsere Erfahrungen im Bereich Telekommunikation und Informationstechnologie bündelt und nur so den Erfolg der Lkw-Maut ermöglicht.(16)."

(41) Die vorgenannten Parteien haben gemeinsam mit Cofiroute ein Konsortium gebildet, um im Rahmen des mit der europaweiten Ausschreibung der Lkw-Maut Deutschland eingeleiteten Vergabeverfahrens ein Angebot für ein System zur Mauterhebung vorzulegen.

(42) Das Konsortium hat ein System entwickelt, das auf der Grundlage einer Onboard-Unit mit integriertem GPS und GSM nicht nur die hoheitliche Mauterhebung, sondern darüber hinaus auch diverse kommerzielle Anwendungen ermöglicht(17). Die von dem Konsortium vorgeschlagene "Telematiklösung" war jedoch nicht in der Ausschreibung der Bundesrepublik Deutschland vorgeschrieben. Vielmehr erfolgte das Vergabeverfahren aufgrund einer funktionalen, technikoffenen Leistungsbeschreibung. Die funktionale Beschreibung des Mautsystems sah vor, dass neben einer manuellen Mauterhebung auch eine automatische Mauterhebung innerhalb der Nutzfahrzeuge angeboten werden sollte. Dadurch waren Bieter hinsichtlich der einzusetzenden Technik frei. So sah der Vorschlag des unterlegenen AGES-Konsortiums, bestehend aus Vodafone und Mineralölgesellschaften, u. a. Shell; eine "telematikneutrale" Lösung zur manuellen und automatischen Mauterhebung vor. Das aus den anmeldenden Parteien und Cofiroute bestehende Konsortium ist daher mit dem von ihm entwickelten System deutlich über das hinausgegangen, was Gegenstand der Ausschreibung zur hoheitlichen Mauterhebung war.

1.2. Es bestehen bereits konkrete Pläne, die zum Zwecke der Mauterfassung kostenlos zur Verfügung gestellte Onboard-Unit für Verkehrstelematik im Bereich Transport- und Logistikunternehmen zu nutzen

(43) Die Mautpflicht besteht für alle Lkw über 12 t zulässigem Gesamtgewicht. Zwar besteht auf Grundlage des dualen Mauterhebungssystems keine Verpflichtung zum Einbau einer Onboard-Unit in jeden Lkw. Allerdings wird ein solcher Einbau allein aus Gründen der Praktikabilität bei dem Großteil der Lkw erfolgen, die regelmäßig deutsche Bundesautobahnen benutzen. Dies gilt insbesondere, da die Onboard-Unit kostenlos zur Verfügung gestellt wird.

(44) Durch das von Toll Collect zu errichtende System wird insoweit eine Plattform geschaffen, die DaimlerChrysler Services für kommerzielle Telematiksysteme für Transport und Logistik nutzen will. In diesem Zusammenhang hat DaimlerChrysler Services in einer Presseinformation anlässlich der Internationalen Automobilausstellung ("IAA") Nutzfahrzeuge(18) wie folgt Stellung genommen:

"Die DaimlerChrysler Services Mobility Management GmbH entwickelt unter dem Projektnamen Truckmatix eine große Bandbreite an Telematik-Diensten für Spediteure, Flottenbetreiber und Disponenten. Diese Dienste können auf der Basis der für Toll Collect eingesetzten Hardware angeboten werden - sobald die Bundesregierung die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen hat. Sie dienen der Optimierung von Geschäftsabläufen im mautpflichtigen Transportbereich, ermöglichen eine noch effizientere Gestaltung der Geschäftsprozesse und bessere Auslastung der Kapazitäten. Truckmatix verfügt auf Disponentenseite - via Computer und Internet - über einen einfachen Kundenzugang. [...]*

Truckmatix-Dienste sollen in Modulen als Compact- und Comfort-Dienste angeboten werden, die der Kunde je nach Bedarf zusammenstellen kann. Die breite Palette der Dienste, die aufgrund einer einfachen Systeminfrastruktur ohne zusätzliche Hardware-Investitionen für alle Betriebe finanzierbar sind, reicht von der Positionsbestimmung bestimmter Lastwagen, der Übermittlung von Aufträgen oder Auftragsänderungen, dem Status Reporting des Fahrers an den Fuhrunternehmer, der Lokalisierung eines liegen gebliebenen oder gestohlenen Trucks bis zu Navigations- und Fahrerdiensten."

(45) In einem Werbeprospekt der DaimlerChrysler Services Mobility Management GmbH - Telematik für alle: Truckmatix - wird dargelegt, dass das weltweit einsetzbare elektronische Mautsystem von Toll Collect nun auch kleinen und mittleren Unternehmen einen kostengünstigen Einstieg in die Telematik erschließt. In diesem Zusammenhang heißt es weiter:

"Auf der Grundlage des Fahrzeuggerätes zur elektronischen Mauterfassung (Lkw-Maut) entsteht eine einfache, einheitliche Telematikplattform. [...]* Truckmatix ergänzt das Toll Collect System perfekt: Bereits mit dem Fahrzeuggerät zur Gebührenerfassung können die Dienstepakete 'Basic' und 'Disposition' genutzt werden. Damit steht den Unternehmen ein einheitliches System für alle Fahrzeuge ihrer Flotte zur Verfügung, das mit anderen speditionseigenen Anwendungen kompatibel ist. Ein neuer Standard, von dem Transportunternehmen und deren Kunden direkt profitieren.(19)."

(46) DaimlerChrysler Services hat eine Nutzung des Toll-Collect-Systems [...]*.

1.3. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Parteien die nach dem Betreibervertrag erforderliche Genehmigung der Bundesrepublik Deutschland für die Erbringung von Verkehrstelematik, in Form von sogenannten Mehrwertdiensten, erhalten werden

(47) Mehrwertdienste waren nicht Bestandteil der Ausschreibung des Mauterfassungssystems. Allerdings sieht der Betreibervertrag vor, dass zusätzliche Dienstleistungen nach entsprechender Zulassung durch die Bundesregierung möglich sind. Die Bundesrepublik Deutschland hat allerdings bereits in der Informationsbroschüre vom 17. Dezember 1999 für den Teilnahmewettbewerb für die Lkw-Maut angedeutet, dass Interesse an einer Nutzung des Mauterhebungssystems für Mehrwertdienste bestehen könnten und ausgeführt: "Der Auftraggeber erwägt, die Integration von Telematikdiensten und sonstigen Dienstleistungen für Dritte ('Mehrwertdienste') in das Gebührensystem zuzulassen. Ob solche Dienste zugelassen werden, bleibt einer späteren Entscheidung des Auftraggebers vorbehalten."

(48) Auf der Grundlage der unter den Randnummern 44 und 45 aufgeführten öffentlichen Ankündigungen von DaimlerChrysler Services ist davon auszugehen, dass die Parteien fest damit rechnen, die Toll Collect Plattform über die Mauterfassung hinaus für die Erbringung von Mehrwertdiensten nutzen zu können. In einem Interview mit Michael Rummel, Geschäftsführer der DaimlerChrysler Services Mobility Management, heißt es zu der Frage, ob und zu welchen Bedingungen Mehrwertdienste angeboten werden dürfen: "In der Ausschreibung zur Maut wurden die Mehrwertdienste nicht geregelt. Das bedeutet aber nicht, dass es verboten ist, Dienste auf Basis der Onboard-Unit zu entwickeln. Wir arbeiten massiv daran, rechtzeitig zur Einführung der Maut eine Regelung mit dem Staat zu finden [...]*."(20).

(49) Es ist allgemein anerkannt, dass Telematikdienste Engpässe im Verkehrsnetz reduzieren helfen und insoweit die Auslastung der Verkehrswege optimieren. Dies kommt nicht nur dem Transportgewerbe zu Gute, sondern kann darüber hinaus auch zur Entlastung der Umwelt beitragen. Die Errichtung einer breiten Plattform für die Erbringung zusätzlicher Verkehrstelematikdienste ist daher sowohl unter Verkehrsinfrastruktur- als auch unter Umweltsgesichtspunkten als im allgemeinen Interesse liegend und damit als erstrebenswert anzusehen. Insoweit kann davon ausgegangen werden, dass die Bundesregierung jedenfalls unter der Voraussetzung, dass sich die reibungslose Abwicklung der Mauterfassung in der Praxis bewährt hat, grundsätzlich keine Einwände gegen eine allgemein wünschenswerte Zulassung von Mehrwertdiensten über die Toll Collect Infrastruktur erheben wird.

(50) Es ist deshalb zu erwarten, dass die Parteien die nach dem Betreibervertrag erforderliche Genehmigung für die Erbringung von Verkehrstelematik, in Form von sogenannten Mehrwertdiensten, erhalten werden.

1.4. Die unentgeltliche Abgabe der Onboard-Unit durch Toll Collect wird dazu führen, dass eine marktbeherrschende Plattform für Verkehrstelematik für Transport- und Logistikunternehmen in Deutschland geschaffen wird

(51) Die kostenlose Abgabe von telematikfähigen Onboard-Units an die Mautpflichtigen wird dazu führen, dass die überwiegende Zahl der Lkws, die mit einer Onboard-Unit von Toll Collect bestückt werden, diese auch für Verkehrstelematikdienste nutzen werden. Der mit Kosten verbundene Einbau einer zweiten Onboard-Unit für die Nutzung von Verkehrstelematikangeboten konkurrierender Anbieter erscheint demgegenüber aus der Warte des Speditionsgewerbes wirtschaftlich nicht sinnvoll.

(52) Nach Einschätzungen von DaimlerChrysler liegt die Zahl der mautpflichtigen Lkw zwischen [...]* Millionen Fahrzeuge, dabei liegt der Anteil der ausländischen Fahrzeuge bei [...]* bis [...]* Lkw. Die Anzahl der mautpflichtigen Fahrzeugkilometer liegt bei [...]* Mrd. pro Jahr, [...]* % davon werden von ausländischen Fahrzeugen zurückgelegt(21).

(53) Auch wenn, wie unter Randnummer 43 dargelegt, keine Verpflichtung zum Einbau der Onboard-Unit besteht, ist aus Praktikabilitätsgründen zu erwarten, dass sowohl deutsche als auch ausländische Flottenbetreiber in breitem Umfang von einem Einbau der kostenlosen Onboard-Unit Gebrauch machen werden. Die anmeldenden Parteien selbst gehen davon aus, dass in 70 bis 80 % der Lkw in Deutschland Onboard-Units für die Erfassung der Mautdaten eingebaut werden(22). Darüber hinaus ist auch zu erwarten, dass ausländische Lkw, die häufig in Deutschland unterwegs sind, die Onboard-Unit benutzen werden. Nach den Vergabeunterlagen, wie in Randnummer 17 ausgeführt, sollen im ersten Betriebsjahr des Mautsystems [...]* Onboard-Units eingebaut werden, und die Zahl der installierten Onboard-Units soll bis zum letzten Betriebsjahr auf [...]* erhöht werden.

(54) Gleichzeitig ist zu erwarten, dass der weit überwiegende Teil der mit einer telematikfähigen Onboard-Unit bestückten Lkws kein zweites Telematikendgerät in das Fahrzeug einbauen wird. Die Marktuntersuchung der Kommission hat gezeigt, dass bereits durch die bloße Ankündigung von DaimlerChrysler, dass Telematikdienste auf der Basis des Toll Collect Systems zukünftig ohne weitere Hardware Kosten in Anspruch genommen werden können, die Nachfrage nach Telematiklösungen am Markt sehr stark zurückgegangen ist. Die geringe Bereitschaft von Flottenbetreibern, die Kosten für weitere Hardware aufzuwenden, ist insbesondere durch die geringen Margen, mit denen die Transportunternehmer in Deutschland und Europa arbeiten, zu erklären. Eine Studie schätzt die Kosten für Telematiksysteme angesichts der geringen Margen gegenwärtig für viele Flottenbetreiber, insbesondere für kleinere, regionale Betreiber, als prohibitiv ein(23). Wenn Flottenbetreiber Telematikdienste auf der Basis des Toll Collect Systems ohne weitere Gerätekosten in Anspruch nehmen können, ist zu erwarten, dass ihre Bereitschaft, für Telematikendgeräte zu bezahlen, noch stärker abnehmen wird.

(55) Verglichen mit der Zahl der zu installierenden Toll Collect Onboard-Units ist die der gegenwärtig eingebauten Telematikendgeräte in Lkws relativ gering. Nach Schätzungen des Marktes sind momentan ca. 23000 bis 25000 Telematikendgeräte in deutschen Lkws verbaut, die durch eine Zweiwegekommunikation zwischen Lkw und Zentrale, wie sie auch das Toll Collect System besitzt, für die Erbringung von Telematikdiensten ausgerüstet sind.

(56) Insofern kann davon ausgegangen werden, dass das Toll-Collect-System nahezu den gesamten Bestand schwerer Lkw in Deutschland umfassen wird. Da die Bereitschaft von Transportunternehmen, neben dem Toll Collect System ein weiteres Telematikendgerät in einen Lkw einzubauen, als sehr gering einzuschätzen ist, ist zu erwarten, dass sich das Toll Collect System zur dominierenden Plattform für Verkehrstelematik für Transport- und Logistikunternehmen in Deutschland entwickeln wird.

2. Verschließung des Zukunftsmarktes Verkehrstelematiksysteme für Transport- und Logistikunternehmen

(57) Die Schaffung einer marktbeherrschenden Plattform für Verkehrstelematik für Transport- und Logistikunternehmen hat unterschiedliche Auswirkungen, je nachdem ob die Dienste- oder die Geräteseite betrachtet wird.

2.1. Drittanbieter von Verkehrstelematikdiensten werden vom Zugang zur Toll Collect Plattform abhängig sein

(58) Anbieter von Verkehrstelematikdiensten für Transport und Logistikunternehmen werden durch die Schaffung einer dominierenden Plattform für Verkehrstelematikleistungen in Zukunft in Deutschland in ganz erheblichem Maße von der Nutzung der Toll-Collect-Onboard-Unit abhängen werden. Das Toll-Collect-System ist ein geschlossenes, eigentumsrechtlich geschütztes System, das keine Nutzung durch Dritte vorsieht und dessen geistige Eigentumsrechte beim Gemeinschaftsunternehmen und den anmeldenden Parteien liegen. Für die Funktion der Mauterhebung kann dies als angemessen angesehen werden, da Dritte keinen Zugang zu dem System benötigen, und die Funktion der Mauterhebung vor Manipulationen geschützt werden soll.

(59) Anders sieht es für die Erbringung von Verkehrstelematikdiensten aus. Wie zuvor bereits dargelegt, ist davon auszugehen, dass Toll Collect zur dominierenden Plattform für Verkehrstelematiksysteme für Logistik- und Speditionsunternehmen in Deutschland wird. Die Anbieter von Verkehrstelematikdiensten für Transport und Logistikunternehmen werden daher in Zukunft in Deutschland in ganz erheblichem Maße von der Nutzung der Toll Collect- Plattform abhängen. Mit der Konzeption von Toll Collect als geschlossenes, eigentumsrechtlich geschütztes System gewinnt DaimlerChrysler über das Gemeinschaftsunternehmen die Kontrolle über den Zugang zum Zukunftsmarkt für Verkehrstelematiksysteme für Logistik- und Speditionsunternehmen. DaimlerChrysler kann damit seine eigenen Verkehrstelematikdienste über die Plattform anbieten und zugleich bestimmen, welche direkten Wettbewerber zu welchen Bedingungen auf dem Markt für Verkehrstelematiksysteme für Logistik- und Speditionsunternehmen tätig sein werden. Eine solche Strategie erscheint um so mehr wahrscheinlich, als für den Markt für Verkehrstelematiksysteme für Logistik- und Speditionsunternehmen in den nächsten Jahren ein enormes Wachstum erwartet wird(24). DaimlerChrysler [könnte]* über das Gemeinschaftsunternehmen zugleich die Kontrolle über die vom Toll Collect System generierten Verkehrsinformationen gewinnen und diese zur Basis der eigenen Verkehrstelematikdienste machen.

2.2. Die Toll Collect Plattform wird zur Verdrängung der derzeit am Markt befindlichen Anbieter von Telematiksystemen führen

(60) Der Markt für Verkehrstelematiksysteme für Transport- und Logistikunternehmen ist ein sehr junger Markt, der sich erst am Anfang seiner Entwicklung befindet. Dementsprechend sind derzeit in diesem Bereich, wie unter den Randnummern 30 und 31 dargelegt, eine Vielzahl verschiedener Anbieter mit den unterschiedlichsten Verkehrstelematiksystemen, Hardware, Software und Dienstleistungen, tätig. Keinem dieser Anbieter ist es bislang gelungen, mit seinen Telematikendgeräten eine Marktdurchdringung zu erlangen, die geeignet wäre, eine hardwareseitige Standardlösung zu bilden.

(61) Die Onboard-Unit von Toll Collect dagegen wird, wie von DaimlerChrysler Services verlautbart (vgl. Randnummer 44), in der Lage sein, sowohl software- als auch hardwareseitig alle Voraussetzungen für das Geschäftsfeld Telematik auch ohne die Notwendigkeit weiterer technischer Maßnahmen zu integrieren. Mit Hilfe der Toll-Collect-Onboard-Unit lassen sich die folgenden Mehrwertdienste gemäß den Parteien technisch realisieren: 1. Ortungsdienste, die als Flottenmonitoring, Mapping oder Gebietsüberwachung ausgestaltet werden können, und 2. Textdienste, wobei schriftliche, vordefinierte Informationen zwischen dem Mehrwertdiensteanbieter und der Onboard-Unit ausgetauscht werden können.

(62) Die über die Toll Collect Onboard-Unit möglichen Verkehrtstelematikdienste decken zwar nicht alle derzeit über die bereits im Markt befindlichen Telematikendgeräte angebotenen Dienstleistungen ab. Allerdings stellen diese Dienste Kernfunktionen dar, die auch Teil der zur Zeit am Markt angebotenen Systeme sind. Der Preis der am Markt befindlichen Systeme variiert. Nach den von der Kommission durchgeführten Ermittlungen kosten Verkehrstelematiksysteme - Hardware und Software - pro Fahrzeug zwischen 1000 und 2500 EUR je nach Ausstattung. Hinzu kommen die monatlichen Kosten für die in Anspruch genommenen Dienstleistungen sowie die Kommunikationsgebühren.

(63) Wie bereits unter Randnummer 51 dargelegt, wird die Toll-Collect-Onboard-Unit kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Daher ist zu erwarten, dass Flottenbetreiber, deren Lkws bereits von Toll Collect mit einer Onboard-Unit ausgerüstet worden sind, kein zusätzliches Telematikendgerät für die Nutzung von über die Toll-Collect-Onboard-Unit hinausgehenden zusätzlichen Verkehrstelematikangeboten konkurrierender Systemanbieter erwerben werden.

(64) Die von der Kommission durchgeführten Ermittlungen haben in diesem Zusammenhang ergeben, dass Flottenbetreiber es bereits derzeit hinsichtlich einer möglichen Anschaffung von Verkehrstelematiksystemen und der damit verbundenen Investitionen vorziehen, die kostenlose Toll-Collect-Lösung abzuwarten. Dies hat bereits im Vorfeld der Einführung der Toll-Collect-Onboard-Unit zur Folge, dass am Markt befindliche Verkehrstelematiksystemanbieter große Schwierigkeiten haben, für ihre Lösungen neue Kunden zu gewinnen, und dadurch in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet sind. Es ist davon auszugehen, dass sich dieser Trend noch verstärken wird, sobald Verkehrstelematikdienste tatsächlich über die Toll-Collect-Onboard-Unit in Anspruch genommen werden können.

(65) Die Verdrängung der anderen Dienste- und Systemanbieter wird sich weiter verschärfen, wenn die Funktionen der Toll Collect Onboard-Unit in einer zweiten Generation erweitert werden. In einem Artikel in der VerkehrsRundschau heißt es zu einer geplanten zweiten Generation: "Rummel (Michael Rummel, Geschäftsführer der DaimlerChrysler Services Mobility Management, Anm. d. Verf.) kündigt bereits für 2004 die nächste Generation des Einbaugeräts an: Die Onboard-Unit II integriert zahlreiche Mehrwertdienste in einem Gerät, und die Mautabrechnung ist dann nur eine von vielen Funktionen. Das Motto dafür hat man auch schon gefunden: 'Maut und Mehr'"(25). Nach einer solchen Erweiterung der Funktionen der Toll Collect Onboard-Unit wird es für die alternativen Anbieter von Verkehrstelematiksystemen noch schwerer, den Kunden zum Kauf eines alternativen Systems zu bewegen.

E. Schlussfolgerung der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung

(66) Die Kommission kommt daher zu dem Ergebnis, dass der Zusammenschluss zur Entstehung einer beherrschenden Stellung von DaimlerChrysler mittels des Gemeinschaftsunternehmens Toll Collect auf dem Markt für Verkehrstelematiksysteme für Transport- und Logistikunternehmen in Deutschland führen wird, durch die wirksamer Wettbewerb in einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Markt erheblich behindert wird.

V. ZUSAGEN VON DAIMLER CHRYSLER, DEUTSCHE TELEKOM UND COFIROUTE

(67) Um die Bedenken der Kommission im Hinblick auf den Markt für Telematiksysteme und -dienste für Transport- und Logistikunternehmen in Deutschland auszuräumen, haben DaimlerChrysler Services, Deutsche Telekom und Cofiroute die nachstehend umschriebenen Zusagen vom 3. April 2003 vorgelegt, deren vollständiger Wortlaut im Anhang dieser Entscheidung beigefügt ist.

(68) Daimler Chrysler Services, Deutsche Telekom und Cofiroute verpflichten sich danach zu folgendem:

- Sie errichten einen zentralen Telematics Gateway, über den Mehrwertdiensteanbietern Zugang zu den Grundfunktionalitäten und Basisdaten der Toll-Collect-Onboard-Units eingeräumt wird. Der Telematics-Gateway wird von einer unabhängigen Gesellschaft betrieben, die die Erbringung von Mehrwertdiensten erst dann aufnehmen wird, wenn DaimlerChrysler Services, Deutsche Telekom und Cofiroute zusammen über weniger als 50 % der Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung der Telematics-Gateway-Gesellschaft verfügen oder auf andere Weise sichergestellt ist, dass diese drei Gesellschaften zusammen keinen beherrschenden Einfluss über die Telematics-Gateway-Gesellschaft-ausüben können.

- Sie entwickeln eine GPS-Schnittstelle für die Onboard-Units, über die dritte Mehrwertdiensteanbieter auf die GPS-Funktionalität der Onboard-Units (einschließich der Geräte der ersten Generation) zurückgreifen können.

- Sie entwickeln ein Modul, welches Teile der für den Mautbetrieb notwendigen Hard- und Software enthält, um die Entwicklung und Produktion von Geräten Dritter zu ermöglichen, die mittels einer Verbindung mit einem Modul für die Mauterhebung mautfähig sind, die Anpassungen der Geräte der Dritten zu begleiten und die notwendigen Genehmigungen zur Nutzung der Geräte Dritter zu erteilen.

- Sie ermöglichen erst dann eine Nutzung der Onboard-Units des Toll-Collect-Systems, wenn eine Genehmigung der Kommission vorliegt, die nur dann erteilt wird, wenn die Parteien eine funktionsfähige Schnittstelle zur GPS-Funktionalität der Onboard-Unit eingerichtet haben und sie es interessierten Dritten ermöglicht haben, eigene Geräte zu entwickeln, die mittels einer Verbindung mit dem von den Parteien entwickelten Mautmodul mautfähig sind.

VI. WETTBEWERBSRECHTLICHE BEURTEILUNG DES ANGEMELDETEN ZUSAMMENSCHLUSSES UNTER BERÜCKSICHTIGUNG DER ZUSAGEN

(69) Die vorstehend beschriebenen Zusagen reichen nach Auffassung der Kommission aus, um die genannten Wettbewerbsbedenken in angemessener Weise auszuräumen.

(70) Die Verpflichtung der Parteien, ein Mautmodul für Drittgeräte zu entwickeln, die Anpassung und Entwicklung von Drittgeräten an das Mautmodul zu begleiten und die notwendigen Genehmigungen für die Verwendung der Geräte zu erteilen, wird es Dritten ermöglichen, eigene Telematikgeräte herzustellen und diese mit einer Mautfunktion auszustatten. Startpunkt der Entwicklung ist die Bekanntgabe einer Schnittstelle durch die Parteien. Im Hinblick auf die definierte Schnittstelle erfolgt parallel die Entwicklung des Mautmoduls durch die Parteien bzw. das Gemeinschaftsunternehmen und die Entwicklung der Drittgeräte. Die Entwicklung der Geräte durch Dritte und ihre Abstimmung an das parallel entwickelte Mautmodul der Parteien ist durch das Aufführen der verschiedenen von allen Seiten zu verfolgenden Entwicklungsschritte und durch die Begleitung durch ein unabhängiges Sachverständigengremium abgesichert. Im Hinblick auf die Kosten hat das deutsche Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen der Kommission zugesagt, dass Drittanbieter von Telematikgeräten mit einem Mautmodul in Bezug auf die Kosten nicht anders gestellt werden als der Betreiber des Lkw-Mautsystems.

(71) Es ist zu erwarten, dass die Entwicklung und Herstellung solcher Drittgeräte, die in Verbindung mit einem Mautmodul mautfähig sind, insbesondere von Lkw-Herstellern und ihren Geräteherstellern in Anspruch genommen wird. Auf dieser Basis und nach den Ergebnissen des Markttests der Kommission ist davon auszugehen, dass eine solche Möglichkeit für Dritte, ein Mautmodul in ihre eigenen Geräte zu integrieren, die Entwicklung von Toll Collect zur beherrschenden Plattform und die Gatekeeper-Funktion auf dem Markt für Telematiksysteme für Transport- und Logistikunternehmen in Deutschland weitgehend beschränkt.

(72) Weiterhin haben sich die Parteien verpflichtet, die Toll Collect Onboard-Unit insoweit zu öffnen, dass dritte Mehrwertdiensteanbieter auf die GPS-Funktionalität der Onboard-Units zurückgreifen können. Die Mitnutzung der GPS-Funktionalität ermöglicht es Dritten, ihre eigenen Telematikgeräte ohne eine solche Funktion auszustatten und die ansonsten anfallenden Kosten zu sparen. Die Kostenersparnis ist nach der Marktuntersuchung der Kommission mit ca. 150 bis 200 EUR pro Gerät anzusetzen. Dies versetzt Dritte in die Lage, trotz der Notwendigkeit, ein weiteres Endgerät im Fahrzeug einzubauen, mit Telematikdiensten in Wettbewerb zu treten, die auf der Basis des Toll-Collect-Systems angeboten werden. Daher wird durch eine solche Schnittstelle die zu erwartende Dominanz von Toll Collect als Telematikplattform weiter eingeschränkt.

(73) Daneben können Telematikdienste auf der Toll-Collect-Onboard-Unit selber angeboten werden. Die Parteien verpflichten sich, Mehrwertdiensteanbietern Zugang zu den Grundfunktionalitäten und Rohdaten der Onboard-Units über einen zentralen Telematics Gateway einzuräumen. Dieser Gateway wird von einer Telematics Gateway Gesellschaft betrieben, die offen für andere Gesellschafter ist und erst in Betrieb genommen wird, wenn DaimlerChrysler, Deutsche Telekom und Cofiroute (zusammen) keine Kontrolle dieser Gesellschaft besitzen. Anbieter von Telematikdiensten werden beim Zugang zum Gateway weder technisch noch kommerziell oder in sonstiger Weise gegenüber den Gesellschaftern diskriminiert. Gleichzeitig verpflichten sich die Parteien, das Toll Collect System für die Erbringung von Mehrwertdiensten nur über den Telematics Gateway zu nutzen. Die Telematics Gateway Gesellschaft wird neben der Gesellschafterversammlung und der Geschäftsführung über einen Beirat verfügen, der als pluralistisches Organ mit Vertretern von Verbänden von in der Telematikindustrie tätigen Unternehmen konzipiert ist. Neben der Entscheidung über Beschwerden von Mehrwertdiensteanbietern hat der Beirat die Aufgabe, die Geschäftsführung bei Entscheidung über Zugangsbedingungen, technische Standards und Geschäftsbedingungen der Gesellschaft zu kontrollieren.

(74) Soweit daher Telematikdienste über die Toll-Collect-Onboard-Units angeboten werden, ist der zentrale Serviceknoten, über den diese Dienste erbracht werden, im Hinblick auf die Parteien neutralisiert. Auf der einen Seite erhalten Mehrwertdiensteanbieter einen nicht diskriminierenden Zugang zum Telematics Gateway, unabhängig davon, ob sie Gesellschafter der Gateway Gesellschaft sind oder nicht. Auf der anderen Seite wird die Gateway-Gesellschaft nicht von den Parteien kontrolliert. Die neutrale Gestaltung der Gesellschaft wird durch die Einrichtung eines pluralistischen Beirates verstärkt, der mit der Entscheidung der für die Erbringung und zukünftige Entwicklung von Telematikdiensten wesentlichen Fragen befasst ist.

(75) Einschränkungen unterliegt die Tätigkeit des Telematics Gateway dadurch, dass die Funktion der Mauterhebung im Rahmen des Toll Collect Systems Vorrang hat und dass die Parteien Regelungen getroffen haben, um die Sicherheit der Mauterhebung zu gewährleisten. Da dies für alle Beteiligten, d. h. für die Parteien, für Drittgesellschafter wie für reine Anbieter von Telematikdiensten, in gleicher Weise gilt und zu einem gewissen Maße aus der Mitnutzung der Toll Collect Onboard-Units für die Erbringung von Mehrwertdiensten folgt, können diese Einschränkungen von der Kommission akzeptiert werden.

(76) Ein wesentliches Element der Zusagen der Parteien besteht darin, dass Telematikdienste über die Onboard-Unit selbst erst erbracht werden dürfen, wenn die Kommission dem zugestimmt hat. Die Kommission wird der Erbringung von Telematikdiensten mittels des Telematics Gateway erst zustimmen, wenn eine funktionsfähige Schnittstelle zur GPS-Funktionalität der Onboard-Units angeboten wird und die Parteien es interessierten Dritten ermöglicht haben, eigene Geräte zu entwickeln, die mittels einer Verbindung mit einem Mautmodul mautfähig sind. Diese Systematik der Zusagen bewirkt, dass bis zur Verwirklichung der Geräteschnittstelle und des Mautmoduls gleiche Wettbewerbsbedingungen für die am Markt tätigen Unternehmen gegeben sind und sich in dieser Zwischenzeit nicht der Telematics Gateway als dominante Plattform im Markt etablieren kann.

(77) Insgesamt sorgen die Zusagen dafür, dass der Markt für Telematiksysteme für Transport- und Logistikunternehmen in Deutschland weiter offen gehalten wird und gleiche Wettbewerbsbedingungen für Parteien und Drittparteien erhalten bleiben. Die Kommission ist daher zu dem Schluss gelangt, dass der angemeldete Zusammenschluss bei Berücksichtigung der von den Parteien abgegebenen Zusagen keine beherrschende Stellung von DaimlerChrysler mittels des Gemeinschaftsunternehmens auf dem Markt für Telematiksysteme für Transport- und Logistikunternehmen in Deutschland begründet.

VII. BEDINGUNGEN UND AUFLAGEN

(78) Gemäß Artikel 8 Absatz 2 Unterabsatz 2 Satz 1 der Fusionskontrollverordnung kann die Kommission ihre Entscheidung mit Bedingungen und Auflagen verbinden, um sicherzustellen, dass die beteiligten Unternehmen den Verpflichtungen nachkommen, die sie gegenüber der Kommission hinsichtlich einer mit dem Gemeinsamen Markt zu vereinbarenden Gestaltung des Zusammenschlusses eingegangen sind.

(79) Maßnahmen, durch die sich der Markt strukturell verändert, sind zum Gegenstand von Bedingungen zu machen, die hierzu erforderlichen Durchführungsmaßnahmen hingegen zum Gegenstand von Auflagen für die Parteien. Wird eine Bedingung nicht erfuellt, so ist die Entscheidung hinfällig, mit der die Kommission den Zusammenschluss für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt hat. Verstoßen die Parteien gegen eine Auflage, so kann die Kommission auf der Grundlage von Artikel 8 Absatz 5 Buchstabe b) der Fusionskontrollverordnung die Freigabeentscheidung widerrufen; außerdem können gegen die Parteien Geldbußen und Zwangsgelder gemäß Artikel 14 Absatz 2 Buchstabe a) und Artikel 15 Absatz 2 Buchstabe a) der Fusionskontrollverordnung festgesetzt werden(26).

(80) Entsprechend dieser grundlegenden Unterscheidung stellt die Kommission ihre Entscheidung unter die Bedingung der vollständigen Erfuellung derjenigen Zusagen von DaimlerChrysler und Deutsche Telekom, die die Verpflichtungen betreffen, keine Mehrwertdienste über das Toll-Collect-System ohne Zustimmung der Kommission zu erbringen und das Toll-Collect-System für die Zwecke der Erbringung von Mehrwertdiensten nur über die Telematics-Gateway-Gesellschaft zu nutzen. Dabei wird die Zustimmung der Kommission zur Erbringung von Mehrwertdiensten über das Toll-Collect-System erst erteilt, wenn eine GPS-Schnittstelle für die Onboard-Unit und ein Mautmodul zur Integration in Drittgeräte entwickelt worden ist. Diese Zusagen dienen dazu, die Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung von DaimlerChrysler auf dem deutschen Markt für Verkehrstelematiksysteme für Transport- und Logistikunternehmen und die Entstehung einer dominierenden Plattform zu verhindern. Alle verbleibenden Teile der Zusagen, insbesondere die Einzelheiten für die Errichtung der Telematics-Gateway-Gesellschaft und die Entwicklung der GPS-Schnittstelle und des Mautmoduls, sind demgegenüber zum Gegenstand von Auflagen zu machen, da sie lediglich die Umsetzung der zuvor erwähnten Bedingungen sicherstellen sollen.

VIII. SCHLUSSFOLGERUNG

(81) Aus diesen Gründen kann vorbehaltlich der vollständigen Einhaltung der von Daimler Chrysler Services und Deutsche Telekom eingegangenen Verpflichtungen davon ausgegangen werden, dass der Zusammenschluss keine beherrschende Stellung begründet oder verstärkt, durch die wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert würde. Der Zusammenschluss ist daher vorbehaltlich der vollständigen Einhaltung der im Anhang enthaltenen Verpflichtungen gemäß Artikel 2 Absatz 2 und Artikel 8 Absatz 2 der Fusionskontrollverordnung sowie Artikel 57 des EWR-Abkommens für mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR-Abkommen vereinbar zu erklären.

(82) Die vorliegende Entscheidung präjudiziert nicht die Entscheidung, die die Kommission im Hinblick auf die Vereinbarkeit der deutschen Regelung zur Erhebung einer Straßenbenutzungsgebühr auf deutschen Autobahnen mit Gemeinschaftsrecht zu treffen hat -

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Der angemeldete Zusammenschluss, durch welchen die DaimlerChrysler Services AG und die Deutsche Telekom AG im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b) der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 die gemeinsame Kontrolle an dem Unternehmen Toll Collect GmbH übernehmen, wird für mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR-Abkommen vereinbar erklärt.

Artikel 2

Artikel 1 gilt unter der Bedingung der vollständigen Erfuellung der von der DaimlerChrysler Services AG und der Deutsche Telekom AG in Ziffern BI und B II 15 des Anhangs abgegebenen Zusagen.

Artikel 3

Diese Entscheidung ergeht unter der Auflage vollständiger Erfuellung der übrigen von der DaimlerChrysler Services AG und der Deutsche Telekom AG abgegebenen Zusagen gemäß dem Anhang.

Artikel 4

Diese Entscheidung ist gerichtet an:

DaimlerChrysler AG Epplestraße 225 D - 70546 Stuttgart

Deutsche Telekom AG Fiedrich-Ebert-Allee 140 D 53113 Bonn

Brüssel, den 30. April 2003

Für die Kommission

Mario Monti

Mitglied der Kommission

(1) ABl. L 395 vom 30.12.1989, S. 1; Berichtigung: ABl. L 257 vom 21.9.1990, S. 13.

(2) ABl. L 180 vom 9.7.1997, S. 1.

(3) ABl. C 277 vom 18.11.2003.

(4) ABl. C 277 vom 18.11.2003.

(5) Bundesgesetzblatt I, Nr. 23, S. 1234.

(6) Teile dieses Textes wurden ausgelassen, um zu gewährleisten, dass keine vertraulichen Informationen bekannt gegeben werden; diese Teile sind durch eckige Klammern und ein Sternchen gekennzeichnet.

(7) "Wir sind die Partner der Transportwirtschaft", Pressemitteilung vom 20. September 2002, S. 3.

(8) Siehe Fn. 6.

(9) Vorstandsvorsitzender der DaimlerChrysler Services AG (Anm. d. Verf.).

(10) Frost & Sullivan, European Commercial Vehicle Telematics Markets, 2002, S. 2-27 bis 2-29.

(11) Siehe Fn. 9, S. 3-17.

(12) Siehe Fn. 9, S. 3-9 und 3-12, mit einer Stückzahl von 105000 nachgerüsteten Systemen gegenüber ca. 8000 von den Lkw-Herstellern verkauften Systemen.

(13) Siehe Fn. 9, S. 2-32.

(14) Siehe Fn. 6, S. 4.

(15) Pressemitteilung zur Cebit 2002.

(16) Siehe Fn. 6, S. 1.

(17) In diesem Zusammenhang heißt es in einer von DaimlerChrysler Services, Telekom und Cofiroute gemeinsam herausgegebenen Presseerklärung: "Vor allem haben wir uns an der Ausschreibung jedoch beteiligt, weil unser System als einziges der Speditionswirtschaft das Potenzial bietet, deutlich effektiver zu arbeiten", sagte Dr. Mangold. "DaimlerChrysler stärkt damit seine Position als Partner der Transportwirtschaft.", siehe Fn. 6, S. 1.

(18) "DaimlerChrysler Services stellt auf der IAA Nutzfahrzeuge innovative Mobilitäts- und Telematikdienste vor", Presse-Information vom 10. September 2002, S. 2 und 3.

(19) DaimlerChrysler Services Mobility Management, Telematik für alle: Truckmatix.

(20) VerkehrsRundschau 46/2002, S. 17.

(21) DaimlerChrysler: Erfassungssysteme für die Lkw-Maut, 2. Dezember 2002, S. 6.

(22) Siehe Fn. 6, S. 1.

(23) Siehe Fn. 9, S. 2-25.

(24) So die von den Parteien vorgelegte Studie "European Telematics Industry", Commerzbank, 8. Mai 2001, S. 3, die das Marktpotenzial in Europa bis 2005 auf 2 Mrd. EUR beziffert; die in Fn. 9 genannte Studie von Frost & Sullivan beziffert das Martkpotenzial auf rund 4,7 Mrd. EUR im Jahr 2009 in Europa, S. 2-27 bis 2-29.

(25) Siehe Fn. 18, S. 18.

(26) Vgl. Randnummer 12 der Mitteilung der Kommission über im Rahmen der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 447/98 der Kommission zulässige Abhilfemaßnahmen (ABl. C 68 vom 2.3.2001, S. 3).

ANHANG

Der Originaltext der Bedingungen und Auflagen gemäß den Artikeln 2 und 3 kann auf folgender Internetseite der Kommission eingesehen werden:

http://europa.eu.int/comm/ competition/index_de.html

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