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Document 32003D0176

2003/176/EG: Entscheidung der Kommission vom 19. Juli 2000 über die Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt und dem Funktionieren des EWR-Abkommens (Sache COMP/M.1882 — Pirelli/BICC) (Text von Bedeutung für den EWR) (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2000) 2156)

ABl. L 70 vom 14.3.2003, p. 35–49 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

Legal status of the document In force

ELI: http://data.europa.eu/eli/dec/2003/176(1)/oj

32003D0176

2003/176/EG: Entscheidung der Kommission vom 19. Juli 2000 über die Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt und dem Funktionieren des EWR-Abkommens (Sache COMP/M.1882 — Pirelli/BICC) (Text von Bedeutung für den EWR) (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2000) 2156)

Amtsblatt Nr. L 070 vom 14/03/2003 S. 0035 - 0049


Entscheidung der Kommission

vom 19. Juli 2000

über die Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt und dem Funktionieren des EWR-Abkommens

(Sache COMP/M.1882 - Pirelli/BICC)

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2000) 2156)

(Nur der englische Text ist verbindlich)

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2003/176/EG)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft,

gestützt auf das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, insbesondere auf Artikel 57 Absatz 2 Buchstabe a),

gestützt auf die Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen(1), zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1310/97(2), insbesondere auf Artikel 8 Absatz 2,

gestützt auf die Entscheidung der Kommission vom 17. April 2000 über die Eröffnung des Verfahrens,

gestützt auf die Stellungnahme des Beratenden Ausschusses für Unternehmenszusammenschlüsse(3),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1) Die Kommission erhielt am 14. März 2000 eine Anmeldung nach Artikel 4 der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 ("die Fusionskontrollverordnung") für ein Zusammenschlussvorhaben, in dessen Rahmen Pirelli Cavi e Sistemi SpA ("Pirelli") die Kontrolle im Sinne des Artikels 3 Absatz 1 Buchstabe b) der Fusionskontrollverordnung über einen Teil des Geschäfts der BICC General (die "BICC"-Zielunternehmen), und zwar insbesondere die Geschäftsbereiche Energie- und allgemeine Kabel im Vereinigten Königreich, in Italien, Asien und Afrika, durch den Erwerb sämtlicher Anteile an diesen Unternehmen erwirbt.

(2) Nach einer vorläufigen Prüfung der Anmeldung gelangte die Kommission zu dem Schluss, dass das Vorhaben zur Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung führen könnte, durch die wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert würde. Deshalb meldete sie ernsthafte Bedenken bezüglich der Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem Gemeinsamen Markt an.

(3) Die Kommission beschloss am 17. April 2000 aufgrund von Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c) der Fusionskontrollverordnung, das Verfahren in dieser Angelegenheit zu eröffnen.

I. DIE BETEILIGTEN UNTERNEHMEN

(4) Pirelli ist ein nach italienischem Recht gegründetes Unternehmen, dass der Pirelli-Gruppe gehört. Es ist das für die Produktion von Kabeln und Kabelsystemen zuständige Unternehmen der Gruppe.

(5) BICC ist ein im Vereinigten Königreich ansässiges Unternehmen, das weltweit allgemeine Kabel sowie Kupfer-, Aluminium- und Glasfaserkabel entwickelt und herstellt. 1998 bot BICC sein weltweites Energiekabelgeschäft zum Verkauf an. Im Mai 1999 wurde das gesamte Geschäft, einschließlich der Unternehmen, die Pirelli übernehmen will, vom US-Unternehmen General erworben.

II. DAS VORHABEN

(6) Die beteiligten Unternehmen haben am 9. Februar 2000 eine Aktienkaufvereinbarung geschlossen, der zufolge Pirelli vier Produktionsbetriebe im Vereinigten Königreich (in Leigh, Prescot, Wrexham und Erith) und zwei Betriebe in Italien (Settimo Torinese und Ascoli Piceno) erwerben wird. Laut Vereinbarung wird Pirelli die Gesamtbeteiligung an folgenden Unternehmen, die gegenwärtig BICC gehören, erwerben:

"BICC General UK Cables Limited" (VK),

"Industrial Cables" (VK),

"Compounds" (VK),

"BICC Rod Rollers Ltd" (VK),

"Supertension and Subsea Systems" (VK),

"BICC General Ceat Cavi Srl Settimo Torinese "(Italien) und

"BICC General Cavi Srl Ascoli".

(7) BICC wird drei Produktionsbetriebe in Spanien ("BICC General Cables Barcelona") und einen Betrieb in Portugal ("BICC Celcat") sowie einen Produktionsbetrieb im Vereinigten Königreich ("BICC Pyrotenax") behalten, in denen feuerbeständige Leitungskabel mit mineralischer Isolierung und thermoelektrische Heiz- sowie Messkabel hergestellt werden.

III. DER ZUSAMMENSCHLUSS

(8) Das Vorhaben umfasst den Erwerb der Produktionsbetriebe, des Vertriebsgeschäfts und technischen Abteilungen, aber auch der im Besitz von BICC(4) befindlichen oder in einem Land erworbenen geistigen Eigentumsrechte, in dem eines der Zielunternehmen seinen Sitz hat. Nach der Aktienkaufvereinbarung wird Pirelli die alleinige Kontrolle über die Zielunternehmen erwerben.

(9) Das Vorhaben stellt demnach einen Zusammenschluss im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b) der Fusionskontrollverordnung dar.

IV. GEMEINSCHAFTSWEITE BEDEUTUNG

(10) Die beteiligten Unternehmen vereinigen auf sich einen weltweiten Umsatz von über 5 Mrd. EUR(5) (Pirelli [...]*(6), BICC: [...]* Mio. EUR). Jedes Unternehmen erzielt einen gemeinschaftsweiten Gesamtumsatz von über 250 Mio. EUR (Pirelli: [...]* Mio. EUR, BICC: [...]* Mio. EUR), wobei sie mehr als zwei Drittel dieses Umsatzes nicht in ein und demselben Mitgliedstaat erzielen. Das angemeldete Vorhaben hat demnach gemeinschaftsweite Bedeutung im Sinne des Artikels 1 Absatz 2 der Fusionskontrollverordnung. Es stellt keinen Kooperationsfall im Sinne des EWR-Abkommens dar.

V. WÜRDIGUNG GEMÄSS ARTIKEL 2 DER FUSIONSKONTROLL- VERORDNUNG

A. Sachlich relevante Märkte

(11) Die Erzeugnisse, um die es bei diesem Vorhaben geht, sind Kabel, Kupferstäbe und isolierte Nieder-, Mittel-, Hoch- und Hoechstspannungskabel. Zu Energiekabeln gehören auch Erd- und Seekabel. Blanker Leitungsdraht, der normalerweise bei Übertragungsfreileitungen verwendet wird, gehört hingegen einem gesonderten Produktmarkt an, der von dem vorliegenden Vorhaben nicht betroffen ist.

Produktion und Verkauf allgemeiner Kabel

(12) Zu den allgemeinen Kabeln gehört eine Vielzahl von Niederspannungskabeln, die z. B. für Gebäude und industrielle Anwendungen sowie für die Strom- und Signalversorgung mobiler Einrichtungen z. B. in Eisenbahnen oder Petrochemieanlagen verwendet werden. Allgemeine Kabel werden meist über Elektrogroßhändler und Kabelvertriebshändler oder direkt an Installateure und Originalgerätehersteller (so genannte OEM-Hersteller) verkauft. Eine weitere Marktunterteilung halten die beteiligten Unternehmen nicht für erforderlich. Die Marktuntersuchung hat dies bestätigt. Für die vorliegende Entscheidung ist daher der sachlich relevante Markt der Kabelmarkt(7).

Produktion und Verkauf von Kupferstäben

(13) Kupferstäbe sind ein wichtiges Ausgangsmaterial für die Herstellung bestimmter Energiekabel, Wickeldrähte, allgemeiner Kabel und metallischer Nachrichtenkabel ("elektrisch reine Kupferstäbe"). Bevor Kupferstäbe zu Kabeln verarbeitet werden, muss aus ihnen ein solider Leiter bzw. Kupferdraht hergestellt werden. Die beteiligten Unternehmen behaupten, dass praktisch alle Kabelhersteller über eigene Anlagen für die Weiterverarbeitung von Kupferstäben zu Kupferdraht und Stromleitern verfügen. Die Untersuchung der Kommission hat dies bestätigt. Der für die vorliegende Entscheidung betroffene sachlich relevante Markt ist demnach der Markt für die Produktion und den Verkauf von Kupferstäben.

Produktion und Verkauf von Energiekabeln

(14) Energiekabel unterscheiden sich u. a. nach ihrem Spannungsbereich: Hoechstspannungs- (HöS) und Hochspannungskabel (HS) werden für die Stromübertragung verwendet, während Niederspannungs- (NS) und Mittelspannungskabel (MS) vor allem bei der Stromverteilung zum Einsatz kommen. Die beteiligten Unternehmen behaupten, dass der sachlich relevante Markt für Energiekabel der gesamte Kabelmarkt einschließlich NS- (bis 1 kV), MS- (1-33 oder 1-45 kV), HS- (33/45-132 kV) und HöS- (275 kV, 400 kV) -Kabel ist(8). Sie behaupten außerdem, dass die Unterscheidung nach Spannungsbereichen früher richtig war, inzwischen aber keine Bedeutung mehr hat. Die Kommission hat allerdings festgestellt, dass NS- und MS- sowie HS- und HöS-Kabel unterschiedlichen Produktmärkten angehören.

Energiekabel in niedrigen (NS, MS) und hohen (HS, HöS) Spannungsbereichen

(15) Auf der Nachfrageseite behaupten die beteiligten Unternehmen, dass MS- und HS-Kabel innerhalb desselben Verteilungssystems mehr oder weniger gleich eingesetzt werden können: Die Abnehmer können zwischen einem direkten Anschluss an das Übertragungsnetz und einem Anschluss an mehrere Zwischenstationen des bestehenden Verteilungsnetzes wählen, wenn zum ersten Mal Strom in ein Gebiet mit hohem Stromkonsum geliefert wird (z. B. Gewerbegebiet oder große Wohnsiedlung). Die Marktuntersuchung hat ergeben, dass theoretisch mehrere MS-Verbindungen durch eine HS-Verbindung ersetzt werden könnten. Wegen der hohen Energieverluste und Mehrkosten für die zusätzlich benötigten Ausrüstungen (Umspannstationen usw.) aber gilt dies generell als uninteressant und ist demnach für den Abnehmer keine rentable Lösung. Im Übrigen erklärten die Abnehmer, dass sie den Spannungsbereich nicht selber aussuchen können, da dies von der Konfiguration des bestehenden Netzes abhängt(9).

(16) Die beschränkte Substituierbarkeit auf der Nachfrageseite ist nach Ansicht der beteiligten Unternehmen kein Grund für eine Marktunterteilung nach Spannungsbereichen. Sie behaupten nämlich, dass in Anlehnung an den Begriff der Substitutionsketten in den Ziffern 57 und 58 der Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes(10) Energiekabel in sämtlichen Spannungsbereichen von der Nachfrageseite her als substituierbar angesehen werden könnten, was zur Folge habe, dass von einem einzigen Energiekabelmarkt gesprochen werden könne.

(17) Für diese Marktabgrenzung liegen keine Beweise vor. Das Substitutionskettenkonzept bezieht sich u. a. auf eine Situation, in der zwei oder mehr Erzeugnisse als demselben Produktmarkt zugehörig angesehen werden können, ohne direkte Substitute füreinander zu sein, weil die Preisbildung bei ihnen möglicherweise durch ein anderes Produkt beeinflusst wird, das ein Substitut für die ersten beiden Produkte ist. Im vorliegenden Fall wirken sich die Preise für HS- oder HöS-Kabel nicht auf die Preise für Kabel in den niedrigen Spannungsbereichen (NS, MS) und umgekehrt aus. Allerdings bestehen vom Preis und Verwendungszweck her geringe Unterschiede zwischen den Kabeln desselben Spannungsbereichs, z. B. zwischen Kabeln von 3 kV und 30 kV (die beide dem MS-Segment angehören). Doch ist dies kein Grund für eine Unterscheidung zwischen Energiekabeln innerhalb desselben Spannungsbereichs, da sich die Nachfragemerkmale in ein und demselben Bereich nicht grundlegend unterscheiden. Dafür unterscheidet sich aber die Struktur der Nachfrage nach NS- und MS-Kabeln von derjenigen nach HS- und HöS-Kabeln, was sich auf die in diesen Märkten vorherrschenden Wettbewerbsbedingungen auswirken kann.

(18) Zunächst einmal bestehen Unterschiede zwischen der Kundenbasis für HS-/HöS-Kabel und derjenigen für MS-/NS-Kabeln. HöS- und HS-Kabel werden für die Stromübertragung verwendet und in der Regel von den großen nationalen Netzbetreibern wie ENEL in Italien benötigt (80 % der inländischen Nachfrage), während MS- und NS-Kabel vor allem bei der Energieverteilung eingesetzt werden. Sie werden nicht nur von nationalen, sondern auch von regionalen und lokalen Stromversorgungsunternehmen ebenso wie von der Industrie bezogen (z. B. Eisenbahn, Unternehmen des verarbeitenden Sektors usw.). Regionale Versorgungsunternehmen (z. B. Städte und Gemeinden in Italien oder im Vereinigten Königreich) beziehen auch einige HS-Kabel, doch ist ihr Anteil an der Gesamtnachfrage gemessen an dem der Übertragungsnetzbetreiber, die häufig wie "reguläre" Monopole weiterarbeiten, äußerst gering.

(19) Außerdem bestehen Unterschiede in der Transaktionsfrequenz zwischen den niedrigen und den hohen Spannungsbereichen und hinsichtlich der Art und Weise, wie Abnehmer ihre Bezugsquelle auswählen. HS- und HöS-Kabel werden im Gegensatz zu NS- und MS-Kabeln gewöhnlich projektbezogen gekauft, d. h., dass die Art des benötigten Kabels vom jeweiligen Projekt abhängt. Es werden komplette Einrichtungen mit Kabelabschlüssen sowie Design und Konstruktion, häufig einschließlich Zubehör, Installation, Kontrolle und Systemintegrierung verlangt. In den Niederspannungsbereichen werden Energiekabel und Zubehör getrennt bestellt. NS- und MS-Kabel sind genormt und werden auf Vorrat hergestellt. Anbieter haben erklärt, dass auf Anfrage wöchentlich oder sogar täglich geliefert wird. Deswegen werden NS- und MS-Kabel häufig über Vertriebshändler, Großhändler oder im Rahmen mehrjähriger Kaufvereinbarungen direkt vom Hersteller bezogen.

(20) Auf der Angebotsseite besteht nach Ansicht der beteiligten Parteien bei Energiekabeln in den verschiedenen Spannungsbereichen Umstellungsflexibilität. Die meisten Kabelhersteller seien in der Lage, ohne erhebliche Umstellungskosten und Anlaufzeiten alle Kabelarten anzubieten und zu verkaufen. Für eine solche Flexibilität bräuchten - so behaupten die beteiligten Unternehmen - die bestehenden materiellen und immateriellen Anlagewerte nicht wesentlich angepasst zu werden. Auch seien keine größeren Investitionen oder Einrichtezeiten erforderlich.

(21) Zwei Faktoren sind besonders wichtig, um festzustellen, ob Energiekabel verschiedener Spannungsbereiche auf der Angebotsseite tatsächlich substituierbar sind: erstens die Zeit und die Kosten für die Errichtung einer neuen Produktionslinie und neuer Vertriebskanäle in einem neuen Spannungsbereich und zweitens die Kosten für den Wechsel zwischen verschiedenen Spannungsbereichen im Rahmen einer bestehenden Produktionsanlage.

(22) Zu den größten europäischen Kabelanbietern im HöS- und HS-Bereich gehören die fünf Hersteller ABB, Alcatel, NKT, Pirelli und BICC. NS- und/oder MS-Kabel werden nicht nur von diesen Unternehmen, sondern auch von einer Vielzahl kleinerer "zweitrangiger" Hersteller wie Draka (spezialisiert auf NS- und MS-Kabel), Carena Cavi, Ariston Cavi, Triveneta, Tratos, AEI usw. produziert. Diese kleineren Unternehmen beschränken sich gewöhnlich auf kleinere Produkt- und/oder räumliche Märkte, insbesondere in den Niederspannungsbereichen für die Belieferung regionaler Stromversorgungsunternehmen. Einige im NS- und MS-Bereich tätige Hersteller sind technisch in der Lage, auch HS-/HöS-Erzeugnisse herzustellen, haben aber noch keine großen Marktanteile (z. B. das griechische Unternehmen Fulgor).

(23) Was die Zutrittsschranken für einen Energiekabelhersteller betrifft, der in einem neuen Spannungsbereich arbeiten will, so hat die Marktuntersuchung ergeben, dass HöS- und HS-Kabelhersteller gewöhnlich über das notwendige Know-how verfügen, um in den Niederspannungsbereichen tätig zu sein, ein derartiger Wechsel aber möglicherweise aus wirtschaftlichen Gründen nicht ins Auge gefasst würde (z. B. wegen der Investitionen in Ausrüstungen und Maschinen). Sämtliche Anbieter haben jedoch hervorgehoben, dass sich NS- und MS-Kabelhersteller nicht ohne weiteres auf die Produktion im Hochspannungsbereich, für den ein größeres Know-how erforderlich ist, umstellen könnten. Die Umstellung auf den anderen Spannungsbereich erfordere nämlich erhebliche Investitionen, was Zeit und Kapital betrifft.

(24) Pirelli hat für einen Wechsel zwischen verschiedenen Spannungsbereichen folgende Schätzwerte angegeben: Die Umstellungskosten von einer NS- auf eine MS-Kabelproduktion betragen demnach rund 7,2 Mio. EUR und die Umstellungszeit 14 Monate (für neue Einrichtungen). Ein Wechsel von MS zu HS würde rund 10 bis 12 Mio. EUR kosten und durchschnittlich 16 Monate dauern. Für einen Wechsel von HS- zu HöS-Kabeln schließlich müssten 13-17 Mio. EUR und 18 Monate aufgebracht werden.

(25) Diesen Schätzungen zufolge wären Kosten und zeitlicher Aufwand für die technische Umstellung erheblich. Außerdem haben viele Anbieter darauf hingewiesen, dass abgesehen von rein technischen Aspekten (Schaffung von Produktionsanlagen) für einen erfolgreichen Eintritt in den HS- und HöS-Kabelmarkt ein umfangreiches Know-how und ein großer Kundenstamm notwendig sind, insbesondere was die Hauptabnehmer, nämlich die Stromversorgungsunternehmen, betrifft. Der potenzielle neue Marktteilnehmer muss sich zunächst einmal durch mehrere Tests qualifizieren, bevor er als Anbieter in den hohen Spannungsbereichen in Frage kommt.

(26) Einige Anbieter haben erklärt, dass die Umstellung vom Nieder- auf den Hochspannungsbereich, einschließlich der Errichtung einer Produktionslinie und der notwendigen Qualifizierungstests, bis zu zwei Jahre dauern könnte. Dies wurde von mehreren Abnehmern bestätigt, die von jedem neuen HS- und HöS-Kabelanbieter Kompetenz im Bereich der Installation und Systemintegrierung verlangen. Im Übrigen muss eine ganze Liste erfolgreicher Referenzprojekte nachgewiesen werden, um erfolgreich HöS-Kabel vermarkten zu können. Die Hersteller müssten sich in der Regel nach und nach zu den einzelnen Spannungsbereichen hinaufarbeiten, um sich einen ausreichenden Kundenstamm zu verschaffen.

(27) Was die Umstellungskosten innerhalb derselben Produktionsanlage betrifft, so haben die Hersteller erklärt, dass mit einer polymeren Isolations-Extrusions-Anlage normalerweise ein bestimmtes Kabelspektrum abgedeckt werden kann. Die Herstellung weiterer Kabel ist häufig technisch möglich, führt aber zu Effizienzverlusten und daher höheren Stückkosten infolge nicht optimaler Geschwindigkeiten, unzureichender Auslastung der Anlagewerte usw. (z. B. wenn eine HS-Produktionsanlage für die Herstellung von MS-/NS-Kabeln verwendet wird)(11). Mit jedem Produktionswechsel auf derselben Produktionslinie sind im Übrigen Umrüstung und erhöhter Ausschuss verbunden. Ein Wettbewerber unterbreitete seine Schätzung, wonach ein Betrieb, der nur einige Kabelarten herstellt, wegen eines geringeren Ausschusses und geringerer Umrüstungskosten um bis zu 10 % effizienter arbeiten könnte als ein weniger spezialisiertes Unternehmen.

(28) Die Umstellung der Produktion auf Hochspannungsbereiche erfordert also sehr viel Zeit und Kosten. Ein Produktionswechsel zwischen verschiedenen Spannungsbereichen auf derselben Anlage kann zu wesentlich höheren Stückkosten führen. Die Angebotsumstellungsflexibilität ist demnach relativ gering.

XLPE- und Flüssigkeitskabel

(29) Für die Herstellung von Energiekabeln werden gegenwärtig zwei unterschiedliche Technologien verwendet, nämlich die auf Flüssigkeit oder Öl beruhende Technologie und die so genannte XLPE-Technologie (vernetzte Polyäthylenextrusion). Bei dem ersten Verfahren wird um den Leiter mit einer Arbeitsfluessigkeit imprägniertes Isolierpapier verwendet. Dieses Verfahren wurde generell für alle Kabelarten bis in den frühen 70er Jahren eingesetzt. Damals wurde es nach und nach durch die modernere XLPE-Technologie ersetzt, und zwar zunächst in den Niederspannungsbereichen. Die XLPE-Technologie beruht auf der mit Hilfe von vernetztem Polyäthylen etxtrudierten Isolation. Für die Öl-Technologie war bedeutendes Prozess-Know-how erforderlich, das den Wettbewerbern nicht generell zur Verfügung stand. Die hierfür benötigten Ausrüstungen wurden von den großen Kabelherstellern teilweise selber entwickelt. Die XLPE-Technologie soll dagegen viel leichter erhältlich sein, da die meisten Ausrüstungen von eigenständigen Maschinenbauunternehmen angeboten werden. Für potenzielle neue Marktteilnehmer ist diese Technologie also weitaus zugänglicher. Ausrüstungen für die Herstellung von Ölkabeln können nicht für die XLPE-Produktion und umgekehrt verwendet werden. Auf der Angebotsseite sind diese beiden Technologien also nicht austauschbar.

(30) Auf der Nachfrageseite steht allerdings nachweislich fest, dass Flüssigkeitskabel und XLPE-Kabel Substitute sind. Die XLPE-Technologie wurde ursprünglich nur für NS- und MS-Kabel verwendet, hat sich aber seit den frühen 90er Jahren zunehmend auch im HS- und HöS-Bereich durchgesetzt. Im Vergleich zu Ölkabeln lassen sich XLPE-Kabel leichter installieren, erfordern eine geringere Wartung und sind umweltfreundlicher (keine Leckgefahr). Infolgedessen ist der Anteil der Flüssigkeitskabel im Hoechstspannungsbereich in Europa schnell zurückgegangen: 1999 entfielen auf Ölkabel 38 % des gesamten HöS-Kabelmarkts. Nach Schätzungen der beteiligten Unternehmen wird dieser Anteil auf 20 % im Jahr 2000 und weniger als 10 % im Jahr 2001 zurückgehen. Alle Wettbewerber haben diesen Rückgang der Nachfrage nach Ölkabeln bestätigt. Diese Technologie wird zunehmend als überholt angesehen.

(31) Fast alle Abnehmer betrachten die XLPE- und die Ölkabel im Nieder-, Mittel- und Hochspannungsbereich als Substitute. Auf dem HöS-Markt waren XLPE- und Ölkabel für zwei Abnehmer nicht ohne weiteres substituierbar. Diese Abnehmer haben behauptet, dass die langfristige Verlässlichkeit von XLPE-Erzeugnissen noch nicht hinreichend bewiesen ist und wegen der besonderen Merkmale ihrer Netze (Kanaldurchmesser) ein Wechsel gegenwärtig kostspielig wäre. Die Marktuntersuchung hat allerdings ergeben, dass die meisten europäischen Versorgungsunternehmen, die im HöS-Bereich immer noch Ölkabel verwenden, bei künftigen Projekten zur XLPE-Technologie übergehen wollen. Electricité de France (EDF), der französische Stromversorger, hat z. B. bereits Mitte der 80er Jahre mit der Verwendung von XLPE-Kabeln im HöS-Bereich begonnen. Für die meisten Abnehmer und Anbieter gibt es für die Verwendung von XLPE-Kabeln im HöS-Bereich oder die Integration derartiger Kabel in ein bereits bestehendes Netz von Flüssigkeitskabeln keine technischen Hindernisse mehr. ENEL, der italienische Stromversorger, der früher Öl- oder EPR-isolierte Kabel im Hoechstspannungsbereich verwendete, wird z. B. zwischen 2000 und 2002 XLPE-HöS-Kabel kaufen. Regionale Stromversorger haben Ähnliches erklärt (z. B. Edison und AEM Torino in Italien, Scottish and Southern Energie plc.). Wo besondere Hindernisse für die Verwendung von XLPE bestehen (z. B., weil die Leiter von XLPE-Kabeln größer sind), können diese als vorübergehend angesehen werden.

Abschließende Feststellung

(32) Die Kommission gelangt zu dem Schluss, dass die Produktion und der Verkauf von NS-/MS-Kabeln sowie von HS-/HöS-Kabeln gesonderte Märkte sind: erstens nämlich besteht zwischen diesen Produkten keine Substituierbarkeit auf der Nachfrageseite, und zweitens sind die Kosten und der zeitliche Aufwand für die Umstellung der Produktion von den niedrigen auf die hohen Spannungsbereiche erheblich. Drittens hat die begrenzte Umstellungsflexibilität auf der Angebotsseite keinen Effekt, der sich mit der (fehlenden) Wirkung der Substituierbarkeit auf der Nachfrageseite vergleichen ließe. Wohl ist es möglich, die bestehenden Ausrüstungen mit Effizienzverlusten auf höhere Spannungsbereiche umzustellen, doch würden sich die Produktionskosten dabei wesentlich erhöhen. Schließlich muss aber auch zwischen NS und MS einerseits und den hohen Spannungsbereichen (HS/HöS) andererseits unterschieden werden, da für das Angebot dieser Erzeugnisse und deren Nachfrage unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen herrschen(12). Doch vertritt die Kommission die Auffassung, dass keine ausreichenden Beweise die Behauptung untermauern, dass Flüssigkeitskabel im Hoechstspannungsbereich gegenüber den mit einer anderen Technik (insbesondere XLPE) hergestellten HS-Kabeln ein gesonderter Produktmarkt sind, da alle Hersteller und sehr viele Abnehmer in Europa diese Kabelarten als Substitute betrachten.

B. Räumlich relevante Märkte

Produktion und Verkauf von allgemeinen Kabeln

(33) Die beteiligten Unternehmen bringen vor, dass der Kabelmarkt wegen der Angleichung der Kabelspezifikationen und der Präsenz multinationaler Unternehmen, die ihre Geschäftspolitik auf Gemeinschaftsebene festlegen, ein gemeinschaftsweiter Markt ist. Die Marktuntersuchung hat diese Ansicht bestätigt. Deswegen wird für die vorliegende Entscheidung der Kabelmarkt als ein gemeinschaftsweiter Markt angesehen.

Produktion und Verkauf von Kupferstäben

(34) Die beteiligten Unternehmen bringen vor, dass der räumlich relevante Markt für Kupferstäbe mindestens so groß wie die Gemeinschaft ist, da Kupferstäbe als Standarderzeugnis überall in Europa zu vergleichbaren Preisen gehandelt werden. Außerdem erklären sie, dass die Beförderungskosten die Einfuhr von Kupferstäben nicht behindern. Die Marktuntersuchung der Kommission hat diese Einschätzung bestätigt.

Produktion und Verkauf von Energiekabeln

(35) Die beteiligten Unternehmen behaupten, dass sich die Energiekabelmärkte nach und nach zu gemeinschaftsweiten Märkten entwickelt haben. Auf der Angebotsseite bestehen demnach keine Marktzutrittsschranken. Durch die Angleichung der technischen Normen für Energiekabel sind nach Angaben der beteiligten Unternehmen sämtliche verbleibenden Hindernisse für die Beteiligung gemeinschaftlicher Anbieter an Ausschreibungen in sämtlichen Mitgliedstaaten beseitigt worden. Für die Nachfrageseite sind Energiekabelmärkte Ausschreibungsmärkte, auf denen die Abnehmer in zunehmendem Maße ihre Energiekabel auf europäischer Ebene nach gemeinschaftskonformen Vergabeverfahren beziehen. Diese Faktoren in Verbindung mit geringen Beförderungskosten spiegeln sich, so meinen die beteiligten Unternehmen, in der Zunahme der Ein- und Ausfuhren von Energiekabeln zwischen EU-Mitgliedstaaten wider. Die Kommissionsuntersuchung hat bestätigt, dass die Energiekabelmärkte tatsächlich gemeinschaftsweite Märkte sind.

Erhebliche Fortschritte bei der Angleichung der Produktnormen

(36) In ihrer Entscheidung betreffend Alcatel/AEG Kabel (M. 165/1991)(13) stellte die Kommission fest, dass sich die Kabelmärkte in der Gemeinschaft in einem Übergangsstadium befinden, in dem aus nationalen gemeinschaftsweite Märkte entstehen. Doch stellte sie seinerzeit fest, dass dieser Übergang wegen zahlreicher Faktoren noch nicht abgeschlossen war. Zu diesen Faktoren gehörten verschiedene Kabelspezifikationen, die die Einfuhren behinderten, komplizierte und langwierige Zulassungen für Anbieter, damit diese die nationalen Normen erfuellen, und diesbezügliche Anpassungskosten. In ihrer Entscheidung betreffend Pirelli/Siemens(14) erkannte die Kommission an, dass in ganz Europa eine Tendenz zur Angleichung der technischen Normen besteht. Doch ließ sie die Frage der nationalen bzw. europäischen Bedeutung der räumlich relevanten Märkte unbeantwortet.

(37) Im vorliegenden Fall ist die Kommission zu dem Ergebnis gelangt, dass nach Ansicht des Europäischen Komitees für elektrotechnische Normung (Cenelec) die meisten NS- und MS-Kabel Europäischen Normen (EN) unterliegen, es sei denn für spezielle Nischeanwendungen, für die keine Europäischen Normen bestehen. Während die Umsetzung von EN in entsprechende nationale Normen zwingend ist, besteht zur Umsetzung von HD (Harmonisierungsdokumente) keine Verpflichtung. Nach Angaben von Cenelec werden 90 % aller EN und HD vor Ablauf eines Jahres nach ihrer Annahme von den Mitgliedstaaten umgesetzt. Die meisten Stromversorgungsunternehmen haben erklärt, dass sie Europäische Normen, internationale Normen oder nationale Normen, die mit Europäischen Normen konform sind, anwenden.

(38) Für NS- und MS-Kabel besteht in jedem Mitgliedstaat eine Mischung von internationalen und Cenelec-Normen. Außerdem benutzt das Stromversorgungsunternehmen in der Regel eine Reihe verschiedener Produktspezifikationen (ENEL arbeitet z. B. mit 24 unterschiedlichen Spezifikationen für NS- und MS-Kabel) in Bezug auf Produktqualität, Rohstoff und Produktsicherheit. Diese Spezifikationen sind auf die verschiedenen Kabelnetze (Verbindungen, Zubehör, Schaltgeräte) abgestellt(15).

(39) Es bestehen keine Hinweise dafür, dass die vorerwähnten unterschiedlichen Spezifikationen bedeutende Marktzutrittsschranken für potenzielle Wettbewerber darstellen. Abgesehen von den beteiligten Unternehmen bestehen noch mehrere andere europäische Kabelanbieter wie ABB, Alcatel, NKT, Sagem oder BICC mit seinen verbleibenden Produktionsbetrieben in Spanien und Portugal(16), die über die notwendige technische Eignung und Produktionskapazität sowie die erforderlichen Zertifikate verfügen, um die großen europäischen Stromversorger zu beliefern, die diese Spezifikationen in einer Vielzahl von Ausschreibungen außerhalb ihrer Heimatmärkte verwenden. All diese großen und vielleicht auch einige kleinere Hersteller sind in der Lage, Kabel in Übereinstimmung mit den für NS-/MS-Kabel überall in der Gemeinschaft geltenden Spezifikationen zu liefern.

(40) Im HS-/HöS-Markt hingegen bestehen keine Produktnormen. Für jedes Projekt geben die Abnehmer ihre Konstruktionsnormen auf der Grundlage von nationalen, internationalen und Cenelec-Normen an. Die Kabel sind also für jedes Hochspannungs- oder Hoechstspannungsprojekt auf den Kunden zugeschnitten, und die nationalen Normen stellen in der Regel keine Zutrittsschranke dar. Um ein qualifizierter Anbieter von HS-/HöS-Kabeln zu werden, muss sich der Hersteller gewöhnlich umfassenden Tests unterziehen, die nach Angaben der Abnehmer 12 bis 18 Monate dauern können. Die Hauptlieferanten von HS-/HöS-Kabeln, einschließlich Pirelli, BICC, Alcatel, ABB und NKT, aber auch einige zweitrangige Hersteller, sind für die meisten europäischen Stromversorgungsunternehmen schon heute qualifizierte Anbieter. All diese Unternehmen könnten für jedes Projekt, das ausgeschrieben wird, die Zertifizierungserfordernisse erfuellen; denn die Stromversorgungsunternehmen müssen in der Regel ein Jahr im Voraus ihre Käufe bekannt geben.

(41) Diesen Ausführungen zufolge sind die unterschiedlichen Produktnormen auf europäischer Ebene weitgehend harmonisiert und bedeuten bestehende nationale Spezifikationen keine Marktzutrittsschranken mehr.

Preisunterschiede aufgrund der besonderen Merkmale jeder Ausschreibung

(42) Die Untersuchung der Kommission hat ergeben, dass ein Preisvergleich zwischen verschiedenen Ländern für einzelne Produkte nicht aussagekräftig ist, weil die Preise für Energiekabel in starkem Maße von der jeweiligen Menge, die eingekauft wird, und von den in der Ausschreibung genannten Spezifikationen abhängen. Die verschiedenen Abnehmer können sehr unterschiedliche Mengen bestellen. Rahmenverträge auf dem NS-/MS-Markt können z. B. Tausende von Kilometern, andere Verträge hingegen relativ kurze Kabelverbindungen betreffen. Außerdem ist festzustellen, dass einzelne Abnehmer häufig sogar für gleiche Spannungsbereiche unterschiedliche Kabel (z. B. Einfach- oder Mehrfachkabel), sowie unterschiedliche Leiter oder Schirme verlangen. Diese Unterschiede in Verbindung mit verschieden umfangreichen Verträgen führen zwischen den Mitgliedstaaten zu Preisunterschieden, die aber keine Zutrittsschranken darstellen(17).

Stromversorgungsunternehmen können gemeinschaftsweit einkaufen

(43) In der Vergangenheit, d. h. vor der Liberalisierung, zeichnete sich der Elektrizitätsmarkt durch monopolistische Energieversorgungsunternehmen aus, die ihre Kabel weitgehend von inländischen Kabellieferanten bezogen. Gemäß den Richtlinien zum öffentlichen Auftragswesen, insbesondere gemäß der Richtlinie 93/38/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor(18), zuletzt geändert durch die Richtlinie 2001/78/EG der Kommission(19), müssen die Auftraggeber gewährleisten, dass Lieferanten, Unternehmer und Dienstleistungserbringer aus verschiedenen Mitgliedstaaten gleich behandelt werden. Nach diesen Richtlinien müssen die Stromversorgungsunternehmen ihren Kabelbedarf im Rahmen einer Ausschreibung im Amtsblatt der Europäischen Union bekannt geben.

(44) Aus den Auftragsvergabemitteilungen, die die Kommission im Rahmen ihrer Untersuchung geprüft hat, geht allerdings hervor, dass zwar eine gemeinschaftsweite Ausschreibung erfolgt, dass jedoch nach wie vor inländische Lieferanten den Zuschlag erhalten, die bereits seit langem Geschäftsbeziehungen mit den Versorgungsunternehmen unterhalten. Das heißt, dass die angestammten inländischen Lieferanten der Versorgungsunternehmen ihre traditionell starke Stellung trotz der Liberalisierung der Vergabeverfahren erfolgreich verteidigt haben.

(45) So verfügt z. B. ABB über einen HS-/HöS-Marktanteil von [50-60]* % in Schweden, [45-55]* % in Norwegen und [5-15]* % in Deutschland und ist in keinem weiteren Mitgliedstaat vertreten. SAT-Sagem verfügt über einen Marktanteil von [10-20]* % in Frankreich und [unter 5]* % in Belgien; das Unternehmen ist in keinem weiteren Mitgliedstaat vertreten. Der Marktanteil von NKT beläuft sich auf [35-45]* % in Dänemark und durch die Übernahme von Felten & Guillaume auf [5-15]* % in Deutschland(20). Fulgor weist auf dem griechischen Markt einen Anteil von [45-55]* % auf; seine Präsenz in anderen Mitgliedstaaten ist gering. An diesen Marktanteilen hat sich in den letzten drei Jahren nur wenig geändert. Nur Pirelli, BICC und Alcatel verfügen über beträchtliche Marktanteile in allen größeren Mitgliedstaaten: Der Marktanteil von Pirelli beläuft sich auf [40-50]* % in Italien, [40-50]* % in Frankreich, [40-50]* % in Spanien, [35-45]* % in Deutschland und [30-40]* % im Vereinigten Königreich. BICC verfügt über einen Anteil von [45-55]* % am britischen, [15-25]* % am deutschen, [25-35]* % am italienischen, [35-45]* % am portugiesischen und [50-60]* % am spanischen Markt. Alcatel besitzt [25-35]* % in Frankreich, [35-45]* % in Belgien und [20-30]* % in Italien. Diese Unternehmen, vor allem die beiden Marktführer Pirelli und BICC, gründen ihre Marktposition jedoch weitgehend auf einheimische Produktionsstätten und/oder die Übernahme einheimischer Anbieter. Im NS- und MS-Segment lassen sich sehr ähnliche Trends feststellen.

(46) Die auffällige Asymmetrie der Marktanteile in Europa könnte vermuten lassen, dass die Märkte immer noch national begrenzt sind. Die Marktuntersuchung der Kommission hat diese Hypothese jedoch nicht bestätigt.

(47) Angesichts von Überkapazitäten und unter Androhung eines Bezugs bei ausländischen Wettbewerbern können die Versorgungsunternehmen ihre angestammten einheimischen Lieferanten derzeit zu höchst wettbewerbsfähigen Angeboten bewegen. Dennoch werden immer häufiger auch grenzübergreifend Angebote eingereicht und eine Reihe europäischer Kabelhersteller nimmt regelmäßig an Ausschreibungen in verschiedenen Mitgliedstaaten teil. Im Vereinigten Königreich wurden z. B. 1999 32 % des Bedarfs durch Importe gedeckt: Verschiedene ausländische Lieferanten wie NKT, Studer, Fulgor, Alcatel, Wessel und Tratos haben Angebote für NS-/MS-Kabel vorgelegt. In Italien ist der Importanteil zwar geringer (rund 9 % des Verbrauchs), stieg jedoch in den letzten drei Jahren beträchtlich an (von 5 % für 1997 über 6,4 % für 1998 auf 9-10 % für 1999/2000)(21). In Italien haben verschiedene ausländische Anbieter wie ABB, NKT und Sagem unlängst an den ENEL-Ausschreibungen für HS- und HöS-Kabel teilgenommen. Im Vereinigten Königreich hat Alcatel, das sich vor kurzem als Lieferant von HöS-Kabel an NGC qualifiziert hat, an NGC-Ausschreibungen - unter anderem für das Hochspannungsprojekt in North Yorkshire - teilgenommen.

(48) Durch die Liberalisierung der Märkte und das Gemeinschaftsrecht im Beschaffungswesen ist also noch keine wesentliche Veränderung der Marktanteile in den einzelnen Mitgliedstaaten eingetreten. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass das derzeitige Niedrigpreisniveau ein weiteres aggressives Unterbieten der Preise unattraktiv macht. Dennoch geht von den ausländischen Anbietern ein gewisser Wettbewerbsdruck aus, da die Versorgungsunternehmen problemlos auf ausländische Lieferanten umsteigen könnten, wenn die inländischen Preise über ein wettbewerbsfähiges Niveau hinaus ansteigen würden. Die Umstellung würde dadurch erleichtert, dass es sich bei den meisten großen Energieversorgungsunternehmen um anspruchsvolle Kunden mit beträchtlicher Nachfragemacht handelt, die leicht an ausländische Firmen herantreten können. Die in Italien, dem Vereinigten Königreich, Deutschland und Frankreich befragten Versorgungsunternehmen haben bestätigt, dass sie nicht zögern würden, Aufträge an ausländische Lieferanten zu vergeben, wenn die inländischen Hersteller versuchten, nennenswerte Preiserhöhungen (um 5-10 %) durchzusetzen. Die Versorgungsunternehmen konnten darüber hinaus sogar erhebliche Preissenkungen erzielen, indem sie ihren Lieferanten entsprechende Angebote ausländischer Wettbewerber vorgelegt haben.

(49) Gleichzeitig haben die Versorgungsunternehmen durch die Liberalisierung mehr Anreize erhalten, um mit ihren Kabellieferanten aggressiver zu verhandeln. Die meisten Länder haben Regelungen eingeführt - oder werden dies tun -, denen zufolge Effizienzgewinne, die eine bestimmte Höhe übersteigen, den Versorgungsunternehmen zufallen. Im Vereinigten Königreich wird z. B. durch Preiskontrollen, die sich nach der im Fünfjahresrhythmus neu festgelegten Formel RPI-X (Einzelhandelspreis RPI - Faktor X) richten, zum einen gewährleistet, dass ein Mindestanteil der Effizienzgewinne an den Verbraucher weitergegeben wird, und zum anderen wird für die Versorgungsunternehmen ein großer Anreiz zu Effizienzsteigerungen geschaffen. Im Rahmen der RPI-X-Preiskontrollen wird überprüft, ob in den verschiedenen Bereichen der Elektrizitätsbranche der Durchschnittspreis (bzw. -erlös) tatsächlich um die festgelegte Jahresrate von X sinkt. Dabei werden die voraussichtliche Höhe des künftigen Betriebsaufwands sowie voraussichtliche Investitionsausgaben berücksichtigt. Anhand der Preiskontrollen soll dafür gesorgt werden, dass die Aktionäre eine angemessene Rendite erhalten, die einer effizienten Leistung entspricht.

Erhöhung der innergemeinschaftlichen Handelsströme

(50) Laut den Parteien hat der innergemeinschaftliche Handel infolge der Liberalisierung der Elektrizitätsmärkte, des Fehlens von Markteintrittsschranken und niedriger Transportkosten in ganz Westeuropa in den letzten Jahren zugenommen. So seien 1999 20,8 % des gesamten westeuropäischen Verbrauchs importiert und 27 % der Gesamtproduktion exportiert worden.

(51) Die Untersuchung der Kommission hat ergeben, dass der Import von Energiekabeln innerhalb der Gemeinschaft generell zunimmt. Dies ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass die meisten großen Kabelhersteller versuchen, ihre Effizienz durch Bündelung der Produktion spezifischer Kabeltypen auf europäischer Ebene zu steigern. Alle großen Kabelhersteller (also Pirelli, BICC, Alcatel, ABB, NKT) verfolgen derzeit diese Strategie einer Umstrukturierung ihrer Produktionskapazitäten innerhalb Europas. So liefert Alcatel z. B. große Mengen von Kabel aus seinen französischen Produktionsstätten in andere Länder; NKT und ABB haben in Kopenhagen bzw. Karlskrona internationale Produktionszentren geschaffen und liefern von dort aus Kabel in verschiedene europäische Länder. Die Lieferung von Kabeln erfolgt also in zunehmendem Maße über europäische Produktionsnetze und nicht mehr so durch heimische Lieferanten.

(52) Der Importanteil variiert von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat. Während im Vereinigten Königreich 1999 ein Drittel des Verbrauchs aus Importen stammte, belief sich der (gleichwohl steigende) Anteil der Importe in Italien auf lediglich rd. 9 %. In Deutschland werden 21,9 %, in Frankreich 23,9 % und in den nordischen Ländern 17,4 % des Verbrauchs importiert. Der geringere Importanteil in manchen Mitgliedstaaten ist allerdings nicht auf Markteintrittsschranken zurückzuführen, sondern spiegelt lediglich wieder, dass Liberalisierung und Privatisierung in unterschiedlichem Maße und unterschiedlich rasch vollzogen wurden.

(53) Die Untersuchung hat darüber hinaus ergeben, dass der Besitz lokaler Produktionskapazitäten nicht Voraussetzung für einen erfolgreichen Markteintritt ist, da die Transportkosten relativ niedrig sind(22): Innerhalb der Gemeinschaft werden sie auf 3 bis 7 % der Produktionskosten geschätzt(23). Damit liegen sie in derselben Höhe wie die Transportkosten in anderen Branchen mit etablierten europäischen Produktionssystemen.

(54) Die Marktuntersuchung hat darüber hinaus gezeigt, dass ein Lieferant nicht unbedingt vor Ort vertreten sein muss, um die für NS-/MS-Kabel unter Umständen relevanten JIT-Lieferanforderungen erfuellen zu können: Der Kunde benötigt die Ware möglicherweise innerhalb einer Frist von ein bis zwei Wochen. Diesen Anforderungen kann durch die Einfuhr der betreffenden Erzeugnisse entsprochen werden, welche gewöhnlich innerhalb von ein bis zwei Wochen realisierbar ist. Gegebenenfalls können sie auch relativ kurzfristig und zu einem moderaten Preis auf Lager genommen werden. Für HS- und HöS-Kabel wird keine JIT-Lieferung verlangt. Eine Präsenz vor Ort aus Gründen der Montage und Wartung scheint nicht unbedingt notwendig zu sein. Im Falle der NS- und MS-Kabel übernehmen die Kunden selbst Montage und Wartung und im Falle der HS- und HöS-Kabel werden Montage und Wartung(24) in der Regel von den großen Lieferanten mit Hilfe örtlicher Unternehmen durchgeführt. Diese Auffassung haben sowohl die Kunden als auch die Wettbewerber vertreten, die die Kommission im Rahmen ihrer Untersuchung befragt hat.

Abschließende Feststellung

(55) Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass durch die stufenweise Liberalisierung der Elektrizitätsmärkte die Märkte für die Herstellung und den Verkauf von Energiekabeln (NS-/MS- und HS-/HöS-Kabel) zu gemeinschaftsweiten Märkten werden, auch wenn sich das an den aktuellen Marktanteilen noch nicht zeigt. Auf der Nachfrageseite dominieren große anspruchsvolle Kunden, die ihre starke Nachfragemacht strategisch einsetzen können (um z. B. den Markteintritt einer ausländischen Firma zu unterstützen). Die Markteintrittsschranken sind niedrig. Die Kommission vertritt daher die Auffassung, dass der räumlich relevante Markt die Gemeinschaft ist.

C. Wettbewerbliche Würdigung

Allgemeine Kabel

(56) Die Marktanteile von Pirelli, den Zielunternehmen und den Hauptwettbewerbern in der Gemeinschaft in den Jahren 1997, 1998 und 1999 betrugen laut Anmeldung:

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(57) Aus dieser Tabelle geht hervor, dass die Parteien gemeinsam auf einen Marktanteil von [10-20 %]* kommen und damit nur knapp vor Alcatel mit [10-20 %]* liegen. Der Markt für allgemeine Kabel ist stark fragmentiert; dem fusionierten Unternehmen stehen zahlreiche Konkurrenten gegenüber. Durch den geplanten Zusammenschluss wird der derzeitige Marktanteil von Pirelli bei allgemeinen Kabeln nur marginal erhöht, so dass es nicht zur Begründung einer beherrschenden Stellung von Pirelli/BICC kommt. Da der Herstellungsprozess kein weitreichendes Know-how erfordert und die Herstellertreue der Abnehmer gering ist, bestehen auch keine nennenswerten Marktzutrittsschranken. Ein bedeutender Teil der Produktion wird über unabhängige Handelsunternehmen (d. h. Unternehmen, die nicht in unternehmerischer Verbindung zu einem Hersteller stehen) abgesetzt, die ihrerseits in zahlreichen Mitgliedstaaten stark vertreten sind. Zu den großen Handelsunternehmen zählen u. a. Rexel, Sonepar und Edmundson (Frankreich und Belgien) bzw. Newey & Eyre, Rexel und Sonepar (Vereinigtes Königreich). Die Marktuntersuchung der Kommission hat bestätigt, dass das Zusammenschlussvorhaben auf dem Markt für allgemeine Kabel keinen Anlass zu wettbewerbsrechtlichen Bedenken gibt.

Produktion und Verkauf von Kupferstäben

(58) Auf Gemeinschaftsebene sind Pirelli und BICC 1999 mit ihren Verkäufen von Kupferstäben mit jeweils rd. 5 % am Gesamtmarkt beteiligt, so dass ihr gemeinsamer Anteil 10 % beträgt, während Alcatel über einen Anteil von 13,7 % verfügt(25). Pirelli/BICC(26) und Alcatel wären die einzigen Energiekabelhersteller, die für die Produktion von Kupferstäben vertikal integriert sind und rd. 25 % der gesamten EWR-Produktion verkaufen. Die restlichen 75 % entfallen auf selbständige Hersteller. Durch das Zusammenschlussvorhaben wird keine beherrschende Stellung auf dem Markt für Kupferstäbe begründet, aufgrund deren der Wettbewerb im Gemeinsamen Markt erheblich behindert würde, da die Wettbewerber von Pirelli/BICC und/oder Alcatel Kupferstäbe von selbständigen Anbietern beziehen können.

Energiekabel

Jüngste Entwicklungen in der Energiekabelindustrie

(59) Bei den Energiekabelmärkten handelte es sich traditionell um geschlossene Märkte, auf denen die nationalen Anbieter(27) den Großteil des Bedarfs der einheimischen Energieversorgungsunternehmen deckten, ohne nennenswerten Wettbewerb aus dem Ausland befürchten zu müssen. Angesichts des Fehlens jeglichen Wettbewerbsdrucks neigten die Energieversorgungsunternehmen zur Begünstigung der einheimischen Anbieter. Sie reagierten nur in begrenztem Umfang auf Preisschwankungen und neigten in einigen Ländern zur Überausstattung ihrer Netze. Außerdem machten die Ausgaben für Energiekabel in der Regel nur einen sehr geringen Teil der Gesamtaufwendungen der Versorgungsunternehmen aus (niedrige einstellige Prozentanteile) und wurden daher bei Bemühungen um Kosteneinsparungen eher vernachlässigt. Ferner verwendeten die meisten Stromnetzbetreiber für Hochspannungsnetze oberirdische Leitungen, die von diesem Zusammenschluss nicht betroffen sind(28).

(60) Nach der schrittweisen Liberalisierung der Strommärkte und Einführung der Gemeinschaftsregelungen über das öffentliche Auftragswesen hat sich das Wettbewerbsumfeld der Kabelindustrie langsam gewandelt. Wegen der Umstrukturierung der Versorgungsunternehmen (z. B. Privatisierung, Trennung von Leitungsnetz, Vertrieb, Wartung usw.) und des hohen Sättigungsgrades des Marktes (die meisten Mitgliedsländer verfügen über ein gut entwickeltes Energieversorgungssystem) lässt die Nachfrage nach. Zahlreiche Versorgungsunternehmen haben ihre Investitionsmittel angesichts straffer Rahmenvorschriften gesenkt, was in der Branche zu erheblichen Überkapazitäten (von ungefähr 30-50 %) geführt hat.

(61) Aus diesen und anderen Gründen(29) sahen sich die Kabelanbieter in den letzten drei Jahren rapide sinkenden Preisen (bis 60 %) und sich vermindernden Gewinnspannen gegenüber. Die Preisbewegungen verliefen zwar nicht in allen Mitgliedstaaten einheitlich, zeigten aber zwischen 1996 und 1999 generell einen Abwärtstrend, der in den größeren Mitgliedstaaten (Frankreich, Italien, das Vereinigte Königreich und Spanien) mit Ausnahme Deutschlands(30) zwischen 16 % und 24 % bei Niederspannungskabeln und zwischen 7 % und 36 % bei Mittelspannungskabeln betrug. Im Segment für HS- und HöS- Kabel erschweren die Besonderheiten der einzelnen Projekte und die insgesamt zu geringe Zahl der Transaktionen generelle Aussagen zu Preisentwicklungen oder länderübergreifende Vergleiche. Dennoch haben Abnehmer auch hier von erheblichen Preissenkungen von bis zu 60 % berichtet. Die nicht immer einheitliche Preisentwicklung in den verschiedenen europäischen Ländern ist jedoch kein Beleg für nationale Märkte, sondern spiegelt vielmehr das unterschiedliche Tempo der Deregulierung in den jeweiligen Mitgliedstaaten und damit die unterschiedliche Preissensibilität der nationalen Versorgungsunternehmen wider.

(62) Zurzeit befinden sich die Preise auf einem historischen Tiefstand. Mehrere Kabelhersteller haben daher den Markt verlassen, und viele der verbleibenden schließen sich mit Konkurrenten zusammen, um Überkapazitäten zu reduzieren und durch eine bessere Kapazitätsauslastung und die europaweite Konzentration der Herstellung spezifischer Kabelsorten auf einzelne Werke Effizienzgewinne zu erzielen.

(63) Der geplante Zusammenschluss muss daher vor dem Hintergrund des allgemeinen Konsolidierungs- und Umstrukturierungstrends in der Kabelindustrie bewertet werden. Auch Pirelli/BICC bezwecken mit der geplanten Übernahme in erster Linie die Rationalisierung ihrer Produktionskapazitäten einschließlich einer möglichen Schließung von Produktionsstätten. Der Zusammenschluss wird somit wahrscheinlich zur Kapazitätssenkung in der Branche beitragen, und die Marktmacht der Parteien wird auch nach dem Zusammenschluss sowohl durch zahlreiche andere starke Anbieter als auch durch die erhebliche Nachfragemacht der Energieversorgungsunternehmen eingeschränkt werden, so dass ein Preisanstieg über das Wettbewerbsniveau hinaus nicht zu erwarten ist.

Marktanteile

(64) Die Anteile am gemeinschaftlichen HS-/HöS-Markt in den Jahren 1997, 1998 und 1999/2000 betrugen laut Anmeldung:

>PLATZ FÜR EINE TABELLE>

(65) Pirelli/BICC haben einen gemeinsamen Marktanteil von [45-55 %]*; ihnen folgt Alcatel mit nur [10-20 %]*. Durch das Vorhaben werden der größte und der drittgrößte Hersteller von HS-/HöS-Kabeln fusioniert.

(66) Die Anteile am gemeinschaftlichen NS-/MS-Markt in den Jahren 1997, 1998 und 1999/2000 betrugen laut Anmeldung:

>PLATZ FÜR EINE TABELLE>

(67) Der gemeinsame Marktanteil von Pirelli/BICC beläuft sich auf [25-35 %]*. Im NS-Segment vereinigen Pirelli/BICC zusammen mit Alcatel rd. [45-55 %]* des Marktes auf sich, während dieser Anteil im MS-Segment [50-60 %]* ausmacht.

(68) Wegen des hohen kombinierten Marktanteils von Pirelli und BICC sowohl auf dem Markt für NS- und MS- Kabel als auch auf dem Hoch-/Hoechstspannungskabelmarkt hat die Kommission folgende Möglichkeiten untersucht:

a) Begründung einer alleinigen beherrschenden Stellung von Pirelli/BICC auf dem Markt für Hoch- und Hoechstspannungskabel;

b) Begründung einer gemeinsamen beherrschenden Stellung von Pirelli/BICC und Alcatel auf dem Markt für Hoch- und Hoechstspannungskabel;

c) Begründung einer gemeinsamen beherrschenden Stellung von Pirelli/BICC und Alcatel auf dem Markt für NS- und MS- Kabel.

Mögliche Begründung einer alleinigen beherrschenden Stellung auf dem Markt für Hoch- und Hoechstspannungskabel

Auswirkung der durch den Zusammenschluss bewirkten Marktanteilsaddition

(69) Auf dem Markt für Hoch- und Hoechstspannungskabel wäre das fusionierte Unternehmen mit einem Marktanteil von [45-55 %]* Marktführer und hätte in Europa einen erheblichen Vorsprung vor dem zweitgrößten Hersteller Alcatel, der auf [10-20 %]* käme.

(70) Zum Zwecke einer sachgerechten Würdigung der Marktmacht der Parteien ist zu berücksichtigen, dass die Nachfrage nach Hochspannungskabeln in mehreren Mitgliedsländern vornehmlich durch die nationalen Netzbetreiber wie die National Grid Company (NGC) im Vereinigten Königreich, ENEL in Italien und EDF in Frankreich ausgeübt wird, auf die bis zu 90 % der jeweiligen Inlandsnachfrage entfallen. Die vorherrschende Marktstruktur ist daher nicht zuletzt ein Resultat der Beschaffungspolitik dieser marktbeherrschenden Abnehmer. Diese Versorgungsunternehmen können ihren Bedarf auch bei alternativen Anbietern decken, um sich verschiedene Lieferquellen offen zu halten.

(71) Aus diesem Grund ist es unwahrscheinlich, dass Pirelli und BICC als fusioniertes Unternehmen ihren derzeitigen gemeinschaftlichen Marktanteil werden halten können. Zahlreiche Konkurrenten von Pirelli und BICC haben angegeben, dass sie neue Chancen für ausländische Anbieter sehen, da die Versorgungsunternehmen, die derzeit auf Pirelli und BICC als Hauptlieferanten zurückgreifen, ihre Anbieterbasis wahrscheinlich diversifizieren werden(31). Angesichts der derzeitigen Überkapazitäten verfügen alle großen europäischen Kabelhersteller über Kapazitätsreserven, anhand derer sie zusätzlichen Bestellungen nachkommen können.

(72) Wegen des derzeitigen niedrigen Preisniveaus können die Versorgungsunternehmen ausgesprochen wettbewerbsfähige von ihren traditionellen Lieferanten einholen. Deswegen blieben die Marktanteile in den vergangenen Jahren relativ stabil. Dennoch wird durch ausländische Konkurrenz Wettbewerbsdruck ausgeübt. Die Versorgungsunternehmen konnten beträchtliche Preisnachlässe (bis zu 40 %) erzielen, indem sie die alteingesessenen einheimischen Anbieter mit niedrigeren Preisangeboten ausländischer Konkurrenten konfrontierten (z. B. ABB und Brugg in Italien, Alcatel und Fulgor im Vereinigten Königreich, NKT in Deutschland).

Nach dem Zusammenschluss bleiben mindesten vier alternative Anbieter übrig

(73) Neben den Parteien sind auf dem europäischen Kabelmarkt noch eine Reihe anderer großer Anbieter wie ABB, Alcatel, NKT, Brugg (und voraussichtlich auch Sagem und BICC General(32)) vertreten, die über die technischen Fähigkeiten, die Produktionskapazitäten und die erforderlichen Qualitätsnachweise verfügen, um die großen europäischen Versorgungsunternehmen mit Know-how-intensiven Hoch- und Hoechstspannungskabeln in großen Mengen beliefern zu können. Damit können sie auch bei großen europäischen Ausschreibungen für Hoch- und Hoechstspannungskabel als zuverlässige Bieter gelten. Auch kleinere Unternehmen wie Fulgor (gemeinschaftsweiter Marktanteil [unter 5 %]), das vor kurzem in die ENEL-Liste der qualifizierten Lieferanten von Hoch- und Hoechstspannungskabeln aufgenommen wurde, verfügen über die technische Fähigkeit zur Produktion von Hoch- und Hoechstspannungskabeln, sofern die Abnehmer ausreichende Bestellungen gewährleisten können, um die erforderlichen Investitionen zu rechtfertigen. Wie in Rdnr. 36 bis 40 erwähnt, sind die technischen und administrativen Marktzutrittsschranken relativ niedrig. Etwaige erforderliche Typenzulassungen können innerhalb eines angemessenen Zeitraums eingeholt werden, sofern der Abnehmer Hilfestellung leistet. Alle großen Hersteller könnten unter Verwendung der XLPE-Technologie hergestellte Hoch- und Hoechstspannungskabel liefern. Außerdem beurteilen sämtliche Marktteilnehmer die Transportkosten als moderat (zwischen 3 und 5 % des Produktpreises) und weisen auf wachsenden grenzüberschreitenden Handel hin.

(74) Die relativ niedrigen gemeinschaftlichen Marktanteile der Konkurrenten (im Vergleich zu Pirelli/BICC) geben ihre tatsächliche Wettbewerbsstärke und Produktionskapazität zurzeit nicht angemessen wieder, da sich diese Konkurrenten wegen des niedrigen Preisniveaus auf Überseemärkte (wie ABB) oder traditionelle Heimatmärkte (wie Alcatel) konzentriert haben. Bei einem Wiederanstieg des Preisniveaus ist jedoch damit zu rechnen, dass diese Unternehmen sich in ganz Europa aktiver als bisher an Ausschreibungen beteiligen werden.

(75) Außerdem haben die Abnehmer bestätigt, dass die bestehenden vertraglichen Geschäftsbeziehungen mit ihren Heimatanbietern sie nicht daran hindern, kurzfristig den Lieferanten zu wechseln. Wegen ihrer starken Verhandlungsposition haben manche Versorgungsunternehmen in der Vergangenheit Rahmenverträge neu ausgehandelt, wenn sie der Auffassung waren, dass die Marktpreise während der Vertragslaufzeit gesunken waren.

(76) Außerdem haben die Versorgungsunternehmen aufgrund ihrer erheblichen Kaufkraft die Möglichkeit, andere Kabelanbieter durch die strategische Zuteilung von Aufträgen anzuziehen und damit - falls notwendig - ihre Lieferantenbasis zu erweitern. Fulgor war beispielsweise von einem britischen Versorgungsunternehmen ermutigt worden, auf dem Markt des Vereinigten Königreichs tätig zu werden. Das Unternehmen verfügt über die technische Möglichkeit, XLPE-Hoechstspannungkabel bis 420 kV herzustellen, und kann künftig zu einem erstrangigen Hersteller mit Blick auf den gemeinschaftsweiten Marktanteil, die Produktpalette und die geografische Breite der Abnehmerbasis werden. Gleiches gilt im Prinzip auch für andere zweitrangige Hersteller wie AEI oder Tratos.

Die Versorgungsunternehmen verfügen über eine erhebliche Käufer- und Verhandlungsmacht, die sie sich in Ausschreibungen zunutze machen

(77) Die großen Versorgungsunternehmen ENEL, NGC, EDF und die großen deutschen Energieversorger, aber auch regionale Versorgungsunternehmen, können eine erhebliche Nachfragemacht ausüben. Fast die gesamte Nachfrage nach HS-/HöS-Kabeln geht von diesen Abnehmergruppen aus. Sie erwerben große Mengen von Stromkabeln, und auf sie entfällt ein erheblicher Anteil des Umsatzes von Pirelli und BICC. In Italien entfallen [70-80 %]* der Nachfrage nach Hoch- und Hoechstspannungskabeln auf ENEL; das Unternehmen ist für 80 bis 100 % des italienischen Umsatzes von BICC und für [70-80 %]* des italienischen Umsatzes von Pirelli in diesem Segment verantwortlich. Auf NGC entfallen fast 80 bis 100 % des Umsatzes von BICC im Vereinigten Königreich, und auch gemessen am Gemeinschaftsabsatz von BICC ist der Anteil von NGC sehr hoch.

(78) Nach der Richtlinie 93/38/EWG sind die öffentlichen Unternehmen (Auftraggeber) verpflichtet, alle Aufträge, die sie in den kommenden zwölf Monaten vergeben wollen, im Amtsblatt der Europäischen Union zu veröffentlichen (obligatorischer "Aufruf zum Wettbewerb")(33). Sie müssen außerdem Bekanntmachungen über die Auftragsvergabe veröffentlichen, wobei u. a. die Erzeugnisse, das Vergabeverfahren, die Angebote sowie Name und Anschrift des erfolgreichen Bieters anzugeben sind. Im Verfahren müssen die Auftraggeber gewährleisten, dass zwischen den verschiedenen Lieferanten oder Dienstleistungserbringen nicht diskriminiert wird. Zahlreiche Auftraggeber haben ein Zulassungssystem für die Anbieter eingeführt, bei dem sie sich im Wesentlichen auf europäische Normen stützen. Die Zulassungskriterien sind sämtlichen interessierten Anbietern zugänglich zu machen. Auftraggeber, die zum Nachweis dafür, dass der Anbieter bestimmte Qualitätsanforderungen erfuellt, die Vorlage von Bescheinigungen von unabhängigen Qualitätsstellen verlangen, müssen dafür die einschlägigen EN-Normenserien verwenden und gleichwertige Bescheinigungen von Stellen aus anderen Mitgliedstaaten anerkennen.

(79) Das Vorhandensein eines Auftragsmarktes ist jedoch für sich alleine genommen noch keine Gewähr für wirksamen Wettbewerb, wenn der entsprechende Markt einen hohen Konzentrationsgrad aufweist. Anwendung und Folgen der Richtlinien über das öffentliche Auftragswesen sind in jedem einzelnen Fall zu prüfen. Auf dem Markt für Hoch- und Hoechstspannungskabel sind Aufträge eher selten, weisen jedoch in der Regel einen sehr hohen Auftragswert auf. Zumeist werden sie einem einzigen Unternehmen gewährt, das den Zuschlag für die gesamte Liefermenge bekommt. Bieter verspüren somit starke Anreize für ein aggressives Werben um den Zuschlag.

Abschließende Feststellung

(80) Für die Begründung einer beherrschenden Stellung von Pirelli/BICC auf dem Markt für Hoch- und Hoechstspannungskabel in der Gemeinschaft durch den geplanten Zusammenschluss gibt es keine ausreichenden Anhaltspunkte, da mindestens vier große Wettbewerber als zuverlässige Bieter auf dem Markt verbleiben und die Nachfrageseite von großen anspruchsvollen Abnehmern geprägt wird, die ihre Stromkabel im Rahmen von Ausschreibungen erwerben.

Mögliche Begründung einer gemeinsamen beherrschenden Stellung von Pirelli/BICC zusammen mit Alcatel auf dem Markt für Hoch- und Hoechstspannungskabel

(81) Auf dem Markt für Hoch- und Hoechstspannungskabel würden die beiden führenden Unternehmen Pirelli/BICC und Alcatel gemeinsam auf einen Marktanteil von [55-65 %]* kommen. Wegen des beträchtlichen Vorsprungs von Pirelli/BICC und Alcatel gegenüber dem nächstgrößten Konkurrenten und des bereits jetzt hohen Konzentrationsgrads auf dem Markt ist die Begründung einer gemeinsamen beherrschenden Stellung von Pirelli/BICC und Alcatel auf diesem Markt nicht von vornherein auszuschließen. Zu prüfen ist insbesondere, ob eine gemeinsame beherrschende Stellung durch weniger aggressives Bieten gegeneinander als unter normalen Wettbewerbsbedingungen oder durch das stillschweigende Aufteilen von Märkten nach geografischen Gesichtspunkten (z. B. traditionelle Heimatmärkte) ausgenutzt werden könnte. Die Marktuntersuchung hat jedoch ergeben, dass die Handelsstruktur auf diesem Markt aus nachstehenden Gründen einem wissentlich abgestimmten Verhalten nicht förderlich ist.

(82) Auf dem Markt für Hoch- und Hoechstspannungskabel sind Ausschreibungen eher selten (nur wenige Ausschreibungen pro Jahr und Land, sogar noch weniger in kleinen Ländern), wohingegen der Wert der einzelnen Aufträge ausgesprochen hoch ist. Generell erhält ein Bieter den Zuschlag für das gesamte Auftragsvolumen. Deswegen liegt es im Interesse der Anbieter, aggressiv um den Zuschlag zu werben. Diese Auftragsstruktur (Seltenheit, hoher Auftragswert) macht wissentlich abgestimmtes Verhalten unattraktiv, da potenzielle künftige Gewinne aus Absprachen durch die wirtschaftlichen Vorteile eines Zuschlags im laufenden Vergabeverfahren aufgewogen werden.

(83) Außerdem wären die Vorteile bei abgestimmten Verhaltensweisen ungleich verteilt, da sowohl der Wert der einzelnen Aufträge als auch die Größe der jeweiligen Stammmärkte erheblich schwanken. Ferner sind auch die Marktanteile von Pirelli/BICC einerseits und Alcatel andererseits asymmetrisch. Überdies sind die Preise für Hoch- und Hoechstspannungskabel nicht transparent, da sie in erheblichem Ausmaß Dienstleistungen (z. B. Montage und Wartung), Zusatzteile (z. B. Verbindungsstücke und Schalter) und Bauarbeiten enthalten, die mehr als zwei Drittel des gesamten Projektwerts ausmachen können (insbesondere bei Untergrund-Kabelverbindungen zwischen Städten).

(84) Des Weiteren erwerben wichtige Versorgungsunternehmen, die größten Abnehmer von Hoch- und Hoechstspannungskabeln, in der Regel beträchtliche Mengen. In einigen Mitgliedstaaten entfällt fast die gesamte Nachfrage nach diesen Kabeln auf einen Netzbetreiber in Monopolstellung. Wegen ihrer erheblichen Käufermacht können diese Abnehmer neue Lieferquellen durch strategische Auftragszuteilungen an bestimmte Hersteller aktiv fördern. Kleinere Hersteller können zur Einreichung von Angeboten animiert werden, sofern ihnen ausreichende Abnahmemengen und tragfähige Preise im Hinblick auf die erforderlichen Investitionen zugesagt werden.

Abschließende Feststellung

(85) Die Begründung einer gemeinsamen beherrschenden Stellung von Pirelli/BICC und Alcatel auf dem Markt für Hoch- und Hoechstspannungskabel konnte nicht überzeugend nachgewiesen werden, da die Markstruktur für wissentlich abgestimmte Verhaltensweisen unter den Bietern ungeeignet ist und davon ausgegangen werden kann, dass die Abnehmer von ihrer erheblichen Nachfragemacht Gebrauch machen.

Mögliche Begründung einer gemeinsamen beherrschenden Stellung von Pirelli/BICC und Alcatel auf dem Markt für Niederspannungs- und Mittelspannungskabel

(86) Auf dem Markt für NS- und MS- Kabel kommt Pirelli/BICC zusammen mit dem zweitgrößten Anbieter Alcatel auf einen Marktanteil von etwa [50-60 %]*. Gemeinsam wären diese Unternehmen mit einigem Vorsprung vor den nächstgrößten Konkurrenten Marktführer. Dennoch hat die Marktuntersuchung nicht belegen können, dass auf diesem Markt die Begründung einer gemeinsamen beherrschenden Stellung von Pirelli/BICC und Alcatel droht.

(87) Zwar liegen die Marktanteile von Pirelli/BICC und Alcatel im Gegensatz zum Markt für Hoch- und Hoechstspannungskabel näher beieinander ([25-35 %]* und [15-25 %]*), aber der gemeinsame Marktanteil ist geringer ([50-60 %]*). Die Marktzutrittsschranken sind niedriger als auf dem Markt für Hoch- und Hoechstspannungskabel, da für die Herstellung dieser Kabeltypen weniger Know-how erforderlich ist. Zu den größten Konkurrenten von Pirelli und BICC auf diesem Markt zählen Alcatel, NKT, Draka, Sagem, Brugg sowie eine Zahl kleinerer Unternehmen wie Fulgor, Waskonig, AEI, Tratos, Carena, Triveneta und andere, die über weniger große Absatzgebiete und/oder Produktpaletten verfügen.

(88) Der Wettbewerbsdruck auf dem Markt für NS- und MS- Kabel wird daher nicht nur durch die übrigen großen Hersteller, sondern auch durch viele kleinere Anbieter ausgeübt. Neben den letztgenannten (siehe Rdnr. 87), die zumeist auf regionaler Ebene als Lieferanten von Versorgungsunternehmen sowie Mitglieder von Bietergemeinschaften für große nationale Netzbetreiber fest etabliert sind, kommen nach Auffassung der Abnehmer auch bisher weniger bekannte ("drittrangige") Hersteller für Aufträge in diesem Segment in Frage, falls die vorhandenen Anbieter ihre Preise erhöhen. Wegen dieser starken wettbewerbsfördernden Zersplitterung auf der Angebotsseite ist es unwahrscheinlich, dass Pirelli/BICC und Alcatel ihren kombinierten Marktanteil ausnutzen könnten, um Preiserhöhungen auf dem Markt für NS- und MS- Kabel durchzusetzen.

(89) Im Gegensatz zum Markt für Hoch- und Hoechstspannungskabel kommt es auf dem hier in Rede stehenden Markt häufiger zu Ausschreibungen mit in der Regel geringeren Auftragswerten. Statt einen Preisrückgang und Vergeltungsmaßnahmen rivalisierender Bieter zu riskieren, könnten daher auf diesem Markt einzelne Bieter versucht sein, nicht aggressiv aufzutreten.

(90) Die Kommission ist jedoch im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis gelangt, dass die Versorgungsunternehmen über zahlreiche Möglichkeiten verfügen, einem wissentlich abgestimmten Verhalten der Bieter entgegenzuwirken. Sie können z. B. in Rahmenverträgen ihre voraussichtliche Nachfrage für einen bestimmten Zeitraum (bis zu zwei Jahre) zusammenfassen und damit Aufträge weniger häufig, aber mit höherem Auftragswert vergeben, um die Anreize der Lieferanten zu einem aggressiven Bietverhalten zu fördern. Außerdem können sie den Zuschlag an bestimmte Mengen binden und durch Verringerung der Bezugsmenge Druck auf die großen Anbieter ausüben. Durch Angebot einer höheren Bezugsmenge an kleinere (zweitrangige) Anbieter und damit einhergehend weniger umfangreiche Käufe bei großen Anbietern können sie Druck auf Produzenten mit hohen Festkosten ausüben. Beide Strategien werden in Italien von ENEL und anderen großen Versorgungsunternehmen genutzt.

(91) Außerdem hat die Marktuntersuchung ergeben, dass die Preistransparenz für diese Kabelsorten wegen Fehlens aussagekräftiger Preislisten und schwankender, vom Kunden definierter Produktspezifizierungen gering ist. Auch dies erschwert abgestimmte Verhaltensweisen.

(92) Schließlich werden NS- und MS-Stromkabel auch von einer Reihe kleinerer regionaler Energieversorgungsunternehmen beschafft. Sie gleichen ihre geringere Käufermacht im Verhältnis zu großen nationalen Netzbetreibern dadurch aus, dass sie ihren Bedarf bei kleinen lokalen oder regionalen Anbietern und nicht nur bei den großen erstrangigen europäischen Herstellern decken. Zur Deckung der geringeren von regionalen Versorgungsunternehmen nachgefragten Mengen sind alle kleineren Unternehmen wie Tratos, Carena und Triveneta in Italien oder AEI im Vereinigten Königreich in der Lage.

Abschließende Feststellung

(93) Das Risiko der Begründung einer oligopolistischen beherrschenden Stellung durch Pirelli/BICC und Alcatel auf dem Markt für Niederspannungs- und Mittelspannungs- Energiekabel scheint wegen der niedrigen Marktzutrittsschranken, der großen Anbietervielfalt, der asymmetrischen Marktanteile der beiden führenden Unternehmen und der geringen Preistransparenz klein.

VI. SCHLUSSFOLGERUNG

(94) Die Verbindung der Geschäftstätigkeit von Pirelli und BICC im Vereinigten Königreich und in Italien wird einen der starken Wettbewerber auf einem Markt mit einem bereits jetzt hohem Konzentrationsgrad beseitigen (oder zumindest beträchtlich schwächen). Im EWR wird das fusionierte Unternehmen zum größten Kabelhersteller. Mit dem geplanten Zusammenschluss findet der Umstrukturierungsprozess in der Kabelindustrie, der durch die schrittweise Liberalisierung des Energiewesens ausgelöst wurde und zum Rückzug zahlreicher Kabelanbieter (Siemens, KWO Kabel, Delta) aus dem Markt geführt hat, seine Fortsetzung. Angesichts des hohen Konzentrationsgrades auf dem Markt muss die Kommission die Folgen des Zusammenschlusses vor dem Hintergrund des anhaltenden Strukturwandels in der Energiebranche sorgfältig abwägen. Jede weitere Konsolidierung unter den Marktführern müsste extrem kritisch geprüft werden.

(95) Im vorliegenden Fall hat die Kommission keine ausreichenden Belege dafür gefunden, dass der Zusammenschluss eine beherrschende Stellung von Pirelli/BICC oder eine gemeinsame beherrschende Stellung von Pirelli/BICC und Alcatel auf den Märkten für Niederspannungs- und Mittelspannungskabel oder für Hoch- und Hoechstspannungskabel in der Gemeinschaft begründen oder verstärken würde, wodurch wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt erheblich behindert würde. Auch nach dem geplanten Zusammenschluss würden ausreichend viele zuverlässige europäische Anbieter verbleiben, um die Preise auf einem wettbewerbsgerechten Niveau zu halten. Die Nachfrage wird geprägt durch große anspruchsvolle Abnehmer mit beträchtlicher Käufermacht, die den Marktzutritt erforderlichenfalls durch strategische Auftragszuteilungen fördern können.

(96) Da auch nach dem Zusammenschluss nicht weniger als vier erstrangige Anbieter sowie mehrere kleinere Anbieter am Markt übrig bleiben, diese Anbieter auch weiter an den Ausschreibungen, die den Wettbewerb auf diesem Markt bestimmen, teilnehmen dürften, sowie angesichts der beträchtlichen Möglichkeiten der Abnehmer zur Beeinflussung des Auftragsverfahrens im Sinne eines wirksamen Wettbewerbs ist die Annahme berechtigt, dass der geplante Zusammenschluss nicht zur Begründung oder Stärkung einer beherrschenden Stellung führen wird, durch die der wirksame Wettbewerb in einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes erheblich behindert würde. Gemäß Artikel 8 Absatz 2 der Fusionskontrollverordnung wird das Vorhaben daher für mit dem Gemeinsamen Markt und gemäß Artikel 57 mit dem EWR-Abkommen vereinbar erklärt werden -

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Das Vorhaben, durch das Pirelli Cavi e Sistemi SpA die Kontrolle über einen Teil des Geschäfts von BICC General erwirbt, ist mit dem Gemeinsamen Markt und dem Funktionieren des EWR-Abkommens vereinbar.

Artikel 2

Diese Entscheidung ist gerichtet an: Pirelli Cavi e Sistemi SpA Viale Sarca, 222 I - 20126 Milano

Brüssel, den 19. Juli 2000

Für die Kommission

Mario Monti

Mitglied der Kommission

(1) ABl. L 395 vom 30.12.1989, S. 1; Berichtigung im ABl. L 257 vom 21.9.1990, S. 13.

(2) ABl. C 180 vom 9.7.1997, S. 1.

(3) ABl. C 59 vom 14.3.2003, S. 25.

(4) Mit Ausnahme der geistigen Eigentumsrechte der BICC General Pyrotenax Cables Limited.

(5) Der Umsatz wurde in Übereinstimmung mit Artikel 5 Absatz 1 der Fusionskontrollverordnung und der Mitteilung der Kommission über die Berechnung des Umsatzes (ABl. C 66 vom 2.3.1998, S 25) ermittelt. Soweit in den Zahlen der Umsatz für die Zeit vor dem 1.1.1999 berücksichtigt ist, wurde der Umsatz unter Zugrundelegung der durchschnittlichen Ecu-Wechselkurse berechnet und im Verhältnis 1:1 in Euro ausgedrückt.

(6) Teile dieses Texts sind gestrichen worden, um zu gewährleisten, dass keine vertraulichen Informationen preisgegeben werden; diese Teile stehen in eckigen Klammern und sind mit einem Sternchen versehen.

(7) Siehe auch Sache IV/M. 1271 - Pirelli/Siemens, Rdnr. 8. (ABl. C 336 vom 4.11.1998, S. 11).

(8) Dies sind die häufigsten Spannungsbereiche; doch werden von verschiedenen Abnehmern noch andere verwendet.

(9) Der Preisunterschied zwischen NS- und MS-Kabeln beträgt rund 40-60 %, zwischen MS- und HS-Kabeln rund 79 %.

(10) ABl. C 372 vom 9.12.1997, S. 5.

(11) Für die Herstellung von HS- und HöS-Kabeln sind die Reinheitsnormen wesentlich höher, so dass der Hersteller seinen Produktionsprozess entsprechend anpassen muss.

(12) Aufgrund ähnlicher Erwägungen unterscheidet eine Untersuchung über Energiekabel und Stromleiter (Datenbank "Cavi e conduttori isolati"; Juni 1999; Ref. ISTAT 31.3, Codice B.d.I. 059.341) zwischen Hightech-Energiekabeln ("cavi ad alte tecnologie") und Standard-Energiekabeln ("cavi e conduttori standard"). HS-Kabel (ab 36 kV) und HöS-Kabel (bis 500-600 kV) gehören zur ersten, NS- und MS-Kabel jedoch zur zweiten Gruppe.

(13) Sache IV/M. 165 - AEG/Alcatel Kabel (ABl. C 6 vom 10.1.1992, S. 23).

(14) Sache IV/M. 1271 - Pirelli/Siemens (ABl. C 336 vom 4.11.1998, S. 11).

(15) Nicht nur Stromversorgungsunternehmen, sondern auch Anbieter haben berichtet, dass der Umfang der Spezifikationen zurückgehen wird, weil die Effizienz heraufgesetzt und die Produktionskosten herabgesetzt werden müssen.

(16) Zwischen dem neuen Unternehmen und BICC besteht keine Wettbewerbsverbotsklausel.

(17) Bei den Preisvergleichen wurden Kupferpreisschwankungen ausgeklammert.

(18) ABl. L 199 vom 9.8.1993, S. 84.

(19) ABl. L 285 vom 29.10.2001, S. 1.

(20) NKT ist darüber hinaus in geringem Umfang in Finnland (5 %) und in Belgien (7 %) vertreten.

(21) Quelle: CRU-Handelsstatistik

(22) Wegen des höheren Warenwerts von HS- und HöS-Kabeln sind die Beförderungskosten relativ niedriger als für NS- und MS-Kabel.

(23) Laut Auskunft der meisten Kunden stellen die Transportkosten lediglich bei Kabeln mit geringem Mehrwert (also NS/MS) aus Drittländern eine Importbarriere dar, da sie sich in diesen Fällen auf rund 10-15 % des Warenwertes belaufen.

(24) HS- und HöS-Kabel erfordern gewöhnlich keine regelmäßige Wartung.

(25) Laut Anmeldung.

(26) Durch das Gemeinschaftsunternehmen mit AEI.

(27) Im Inland ansässig, nicht aber unbedingt in inländischem Besitz.

(28) Untergrundkabel werden in Europa nur für ungefähr 0,7 % der 400 kV-Leitungen, 2 % der 220 kV-Leitungen und 5 % der 45-220 kV-Leitungen verwendet.

(29) U. a. die Zerschlagung des Energiekabelkartells in Deutschland durch das Bundeskartellamt im Jahr 1996, B 7-31301-A-105/96.

(30) In Deutschland wurde 1996 ein großes Kabelkartell zerschlagen. Infolge seiner Zerschlagung fielen die Preise für Hoch- und Hoechstspannungskabel in den vergangenen Jahren um bis zu 60 %, wohingegen NS- und MS- Kabel sich nach einem Tiefstand nach dem Zusammenbruch des Kabelkartells von 1996 wieder leicht erholen konnten.

(31) ENEL und EDF beziehen beispielsweise Energiekabel in allen Spannungsbereichen nach betriebsinternen Weisungen gewöhnlich von mindestens drei Anbietern. Einige deutsche Versorgungsunternehmen beziehen HS-/HöS-Kabel aus Sicherheitsgründen von mindestens zwei Anbietern.

(32) Die verbleibenden Produktionsanlagen von BICC in Spanien und Portugal.

(33) Dies gilt für Aufträge mit einem Mindestauftragswert von 400000 EUR.

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