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Document 31985D0616

85/616/EWG: Entscheidung der Kommission vom 16 Dezember 1985 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 EWG- Vertrag (IV/30 665 - Villeroy & Boch) (Nur der französische und deutsche Text sind verbindlich)

ABl. L 376 vom 31.12.1985, p. 15–20 (DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL)

Legal status of the document In force

ELI: http://data.europa.eu/eli/dec/1985/616/oj

31985D0616

85/616/EWG: Entscheidung der Kommission vom 16 Dezember 1985 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 EWG- Vertrag (IV/30 665 - Villeroy & Boch) (Nur der französische und deutsche Text sind verbindlich)

Amtsblatt Nr. L 376 vom 31/12/1985 S. 0015 - 0020


ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION vom 16. Dezember 1985 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag (IV/30.665 - Villeroy & Boch) (Nur der französische und der deutsche Text sind verbindlich) (85/616/EWG)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHENGEMEINSCHAFTEN - gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, gestützt auf die Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962 - Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (1), zuletzt geändert durch die Akte über den Beitritt Griechenlands, insbesondere auf Artikel 2, im Hinblick auf den von Villeroy & Boch mit Sitz in Mettlach (Deutschland) und Villeroy & Boch SARL mit Sitz in Luxemburg am 25. Mai 1982 eingereichten Antrag auf Erteilung eines Negativattests für ein System von Musterverträgen betreffend den Vertrieb von Tafelgeschirr und Ziergegenständen aus Porzellan und Steingut, nach Veröffentlichung des wesentlichen Inhalts dieses Antrags (2) gemäß Artikel 19 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17, nach Stellungnahme des Beratenden Ausschusses für Kartell- und Monopolfragen, in Erwägung nachstehender Gründe: I. SACHVERHALT A. Die Unternehmen (1) Die Villeroy & Boch KG mit Sitz in Mettlach (Bundesrepublik Deutschland) und Villeroy & Boch SARL mit Sitz in Luxemburg sind Teil der gleichnamigen Gruppe eines bedeutenden Keramikherstellers (Sanitär- und Feinkeramik. Die Villeroy & Boch-Gruppe erzielt für alle Tätigkeiten einen konsolidierten Jahresumsatz von . . . (3), wovon . . . auf Feinkeramik entfällt (Tafelgeschirre und Ziergegenstände aus Porzellan und Steingut), die Villeroy & Boch in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften und der Europäischen Freihandelszone (EFTA) über ein Vertriebsnetz absetzt. B. Erzeugnis und Markt (2)Villeroy & Boch gehört zu den grossen europäischen Herstellern von Tafelgeschirren und Ziergegenständen. Die Gruppe setzt diese Erzeugnisse vor allem in Deutschland, Benelux und in Frankreich ab. Über das Villeroy & Boch-Vetriebsnetz werden 61 Tafelgeschirre vertrieben, von denen die 21 am meisten verbreiteten mit einer 15jährigen Nachkaufgarantie ausgestattet sind.Der Marktanteil von Villeroy & Boch liegt in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften unter 10 % und in mehreren Mitgliedstaaten unter 5 %. (3)Der Markt für Tafelgeschirre und Ziergegenstände aus Porzellan und Steingut wird geprägt durch viele Hersteller und sehr starken Wettbewerb. Allein auf dem deutschen Markt gibt es zahlreiche Hersteller, von denen auf die drei grössten ein Drittel der Verkäufe entfällt, während die übrigen mit 5 % und weniger am Markt beteiligt sind. (4)Da es sich um Qualitätswaren von relativ geringem Gewicht handelt, spielt die Einfuhr eine wichtige Rolle; auf sie entfällt auf einigen nationalen Märkten bis zu ein Drittel des Jahresabsatzes.Jeder Hersteller ist also dem Wettbewerb der Hersteller der übrigen Mitgliedstaaten und von Drittländern ausgesetzt, wobei einige Hersteller mehr als ein Drittel ihrer Produktion exportieren. C. Die angemeldeten Vereinbarungen (5)Villeroy & Boch setzt seine Tafelgeschirre und Ziergegenstände im Gemeinsamen Markt über ein Netz von etwa 3 500 Facheinzelhändlern ab, die je nach Land entweder direkt von Villeroy & Boch oder von Importeuren bzw. Großhändlern beliefert werden. Dieses Netz wird durch zwei besondere Vertriebswege ergänzt: die Belieferung des Hotel- und Gaststättengewerbes und der Vertrieb von Werbemitteln. (6)Das von Villeroy & Boch für die Erteilung eines Negativattests und ersatzweise einer Freistellung angemeldete Vertriebssystem beruht auf mehreren unterschiedlichen Musterverträgen, die auf unbestimmte Zeit geschlossen werden und von jedem Vertragspartner mit einer Frist von sechs Monaten gekündigt werden können. Diese Musterverträge binden Villeroy & Boch gegenüber- den Facheinzelhändlern, ihren Großhändlern und Einkaufszentralen;- den auf die Belieferung des Hotel- und Gaststättengewerbes spezialisierten Handelsunternehmen;- den Werbemittelunternehmen, die nur bestimmte gewerbliche Endabnehmer zur späteren Überlassung an Dritte zu Werbezwecken beliefern dürfen. 1. Gemeinsame Merkmale der angemeldeten Verträgea) Keine Preisbindung(7)Die angemeldeten Musterverträge enthalten keine Preisbindungsklausel: alle Villeroy & Boch-Wiederverkäufer können ihre Preise frei festsetzen. Villeroy & Boch spricht in einigen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft Preisempfehlungen aus. b) Zulässigkeit von Querlieferungen zwischen Villeroy & Boch-Wiederverkäufern(8)Alle Villeroy & Boch-Wiederverkäufer können Vertragswaren an andere Villeroy & Boch-Wiederverkäufer desselben Vertriebsnetzes verkaufen. Die anerkannten Facheinzelhändler können insbesondere jeden anderen anerkannten Facheinzelhändler mit Vertragswaren beliefern. c) Freie Ausfuhr(9)Alle Villeroy & Boch-Wiederverkäufer können die unter Buchstabe b) bezeichneten Verkäufe auch von einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder der EFTA in jeden anderen Mitgliedstaat vornehmen. d) Kein Konkurrenzverbot(10) Die Villeroy & Boch-Wiederverkäufer unterliegen beim Bezug von den Vertragswaren vergleichbaren Erzeugnissen konkurrierender Hersteller keinen Beschränkungen. 2. Besondere Bestimmungen der Verträge mit den Facheinzelhändlern (EG-Vertriebsbindung)(11)Villeroy & Boch hat mit etwa 3 500 Facheinzelhändlern, die in den einzelnen Mitgliedstaaten niedergelassen sind und je nach Land entweder direkt von Villeroy & Boch und/oder von Importeuren bzw. Großhändlern beliefert werden, selektive Vertriebsverträge geschlossen. Diese enthalten im wesentlichen folgende Bestimmungen: a) Nicht dem Vertriebsweg unterfallende Erzeugnisse(12)Werbemittel sowie für das Hotel- und Gaststättengewerbe bestimmte Erzeugnisse, für die gesonderte Vertriebswege bestehen, werden von Villeroy & Boch nicht an Facheinzelhändler geliefert. Diese Erzeugnisse unterscheiden sich wesentlich von den Tafelgeschirren, die für Endverbraucher bestimmt sind. b) Vertriebsbindung(13)Die Facheinzelhändler dürfen nur Endverbraucher oder andere von Villeroy & Boch anerkannte Facheinzelhändler beliefern, unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat diese niedergelassen sind. c) Auswahlkriterien(14)In das Vetriebsnetz werden von Villeroy & Boch nur Einzelhändler aufgenommen, die den nachstehenden Auswahlkriterien genügen. Aufgrund von Einwänden der Kommission hat Villeroy & Boch einige dieser Kriterien gelockert, die sich nunmehr wie folgt zusammenfassen lassen:- Die Waren müssen in einem Einzelhandelsgeschäft feilgeboten werden, das für das allgemeine Publikum leicht zugänglich und in der Branche spezialisiert ist oder eine entsprechende Fachabteilung eingerichtet hat. Soweit ein Facheinzelhändler zum weitaus überwiegenden Teil das Sortiment eines führenden Tischbedarfherstellers vertreibt, erfuellt er ebenfalls die Voraussetzungen hinsichtlich des Geschäftstyps. Der Mustervertrag sah ursprünglich vor, daß das Geschäft von anderen Einzelhandelsgeschäften nicht getrennt sein dürfe und in einem möglichst zentral gelegenen Gebiet liegen müsse. Villeroy & Boch hat dieses Erfordernis auf die Bemerkungen der Kommission hin im vorerwähnten Sinne gelockert;-der Einzelhändler muß ein hinreichend breites und tiefes Sortiment an Villeroy & Boch-Erzeugnissen und anderen Waren des Tischbedarfs vergleichbarer Qualität bereithalten, so daß Endverbraucher mit gehobenen Ansprüchen befriedigt werden können. Umfang und Tiefe des Sortiments hängen von den örtlichen Verhältnissen und der Grösse des Geschäfts ab;-bei der Präsentation der Villeroy & Boch-Erzeugnisse müssen diese gegenüber Waren anderer Marken auch optisch getrennt zur Geltung gebracht werden. Villeroy & Boch-Erzeugnisse dürfen nicht von Warenbereichen umgeben sein, die ihre Präsentation beeinträchtigen;-angemessene Lagerhaltung des Villeroy & Boch-Programms, um im normalen Rahmen auftretende Kundenwünsche erfuellen zu können; -technisch geschultes Fachpersonal;-Prüfung der Ware vor Lieferung an den Endverbraucher;-üblicher Fachhandelsservice nach dem Verkauf (insbesondere Umtausch, Ersatzbeschaffung und Ergänzungsberatung);-Absatzförderung der Villeroy & Boch-Erzeugnisse durch angemessene Werbung, Anzeigen und andere branchenübliche Werbemittel. 3. Verträge mit dem Großhandel(15)Villeroy & Boch hat zwei Arten von Vertriebsverträgen mit dem Großhandel geschlossen (Großhändler und Einkaufszentralen). Gemeinsames Merkmal dieser Verträge ist die Beschränkung des Weiterverkaufs durch den Großhandel an die von Villeroy & Boch anerkannten Wiederverkäufer. Die nicht anerkannten Einzelhändler sowie Endabnehmer sind also von der Belieferung durch den Großhandel ausgeschlossen. 4.Verträge mit den Lieferanten des Hotel- und Gaststättengewerbes(16)Villeroy & Boch beliefert die Unternehmen dieses besonderen Vertriebsweges mit Erzeugnissen des Tischbedarfs nur für den Weiterverkauf an Hotels und Gaststätten. Villeroy & Boch behält sich vor, diese gewerblichen Endabnehmer auch direkt zu beliefern. 5.Verträge mit Werbemittelunternehmen(17)Villeroy & Boch beliefert einige Werbemittelunternehmen für den ausschließlichen Zweck des Weiterverkaufs an gewerbliche Endabnehmer, die ihrerseits die Waren später als Werbegeschenke oder zur Absatzförderung Dritten überlassen. (18)Nach der gemäß Artikel 19 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 erfolgten Veröffentlichung sind der Kommission keine Bemerkungen Dritter zugegangen. II. RECHTLICHE BEURTEILUNG (19)Gemäß Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag sind mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken. (20)Die angemeldeten Musterverträge, die das Verhältnis zwischen Villeroy & Boch und seinen verschiedenen Wiederverkäufern regeln, enthalten die Voraussetzungen für eine Zusammenarbeit zwischen rechtlich selbständigen Unternehmen und stellen Vereinbarungen zwischen Unternehmen im Sinne der vorerwähnten Vorschrift dar. (21)Der sektorale Markt, auf dem das angemeldete Vertriebssystem seine Wirkungen entfaltet, bezieht sich auf Tafelgeschirre und Ziergegenstände (Feinkeramik). Die Tafelgeschirre aus Porzellan und Steingut sind einerseits als miteinander vergleichbar anzusehen hinsichtlich ihrer Eigenschaften, ihres Verwendungszwecks sowie ihres Preises, welcher je nach verwendetem Material - Porzellan oder Steingut - keine wesentlichen Unterschiede aufweist. Die Ziergegenstände andererseits können im vorliegenden Fall aufgrund ihrer Eigenschaft als Zubehör zu Tafelgeschirren sowie der Identität des zu ihrer Herstellung verwandten Ausgangsmaterials als demselben Markt zugehörig angesehen werden. (22)Wenngleich selektive Vertriebsvereinbarungen zwangsläufig den Wettbewerb im Gemeinsamen Markt beeinflussen (Gerichtshof, Rechtssache 107/82, Urteil AEG/Telefunken vom 25. 10. 1983, Slg. 1983, S. 3151, Urteilsgrund 33), können manche Waren oder Dienstleistungen infolge ihrer besonderen Anforderungen und Eigenschaften den Verbrauchern nicht ohne Zwischenhaltung von Fachhändlern auf nützliche Weise angeboten werden. Insofern stellen selektive Vertriebssysteme ein Wettbewerbselement dar, das mit Artikel 85 Absatz 1 unter der Voraussetzung vereinbar ist, daß sich die Auswahl der Wiederverkäufer nach objektiven und den Erfordernissen des Vertriebs der betreffenden Erzeugnisse entsprechenden Kriterien richtet und diese gegenüber allen potentiellen Wiederverkäufern einheitlich festgesetzt und ohne Diskriminierung angewandt werden (Gerichtshof, Rechtssache 31/80, Urteil l'Oreal vom 11. 12. 1980, Slg. 1980, S. 3775, Urteilsgründe 15 und 16). (23)Daher können die angemeldeten Vertriebsverträge nicht als wettbewerbsbeschränkend beurteilt werden, wenn nachgewiesen ist, daß die Auswahl der Wiederverkäufer auf Kriterien beruht, die durch die besondere Art der Vertragswaren geboten sind. (24)Bei den selektiven Vertriebsverträgen von Villeroy & Boch mit den Facheinzelhändlern ist dies der Fall, nachdem einige Klauseln gelockert worden sind und insbesondere das Erfordernis der zentralen Lage des Einzelhandelsgeschäfts auf Verlangen der Kommission aufgehoben wurde. Durch diese Bestimmung konnten nämlich aus dem Vertriebsnetz Geschäfte ausgeschlossen werden, die möglicherweise die qualitativen Anforderungen des Herstellers erfuellten, aber nicht zentral gelegen waren. Die Zulassung durch Villeroy & Boch zu seinem Facheinzelhandelsnetz ist nunmehr ausschließlich von der Erfuellung solcher technischer und fachlicher Anforderungen an das Verkaufsgeschäft abhängig, die objektiv angemessen und geeignet sind, gute Bedingungen für den Verkauf langlebiger Markenerzeugnisse zu gewährleisten. (25)Gute Verkaufsbedingungen (vgl. Gerichtshof, Rechtssache 26/76, Urteil Metro vom 25. 10. 1977, Slg. 1977, S. 1875, Urteilsgrund 37) für qualitativ hochwertige Tafelgeschirre setzen zunächst voraus, daß diese Erzeugnisse in Geschäften feilgeboten und verkauft werden, die entweder in der Branche spezialisiert sind oder über eine Fachabteilung verfügen, ausserdem besonders für den Verkauf der fraglichen Erzeugnisse ausgestattet sind sowie geschultes Fachpersonal aufweisen. Soweit damit das selektive Vertriebssystem von Villeroy & Boch auch offen ist für Geschäfte, die über eine Fachabteilung verfügen, ist es seinem Wesen nach nicht geeignet, bestimmte moderne Vertriebsformen auszuschließen. (26)Bei den fraglichen Erzeugnissen handelt es sich um dauerhafte, ihrer Natur nach aus Einzelstücken zusammengesetzte Gebrauchsgegenstände - jedes Tafelservice umfasst eine Vielzahl unterschiedlicher Einzelteile -, wobei der Kauf regelmässig nicht in einem einzigen Akt erfolgt, sondern sich wiederholt, sei es um zerbrochene Stücke zu ersetzen, sei es um zusätzliche Teile zu erwerben. Die Langlebigkeit der Erzeugnisse begründet ein berechtigtes Interesse des Herstellers, den Verkauf nur solchen Händlern zu übertragen, die bereit sind, einen angemessenen Nachverkaufsservice für eine kontinuierliche Belieferung des Kunden zu übernehmen. (27)Die ,,wertsteigernde'' Präsentation der Villeroy & Boch-Erzeugnisse und ihr getrenntes Angebot sowohl von anderen Markenerzeugnissen als auch von solchen Produktgruppen, die das Markenimage von Villeroy & Boch beeinträchtigen könnten, zielen lediglich darauf ab, die Präsentation und Identität der Villeroy & Boch-Erzeugnisse zu verbessern und eine Verwechslung mit vergleichbaren anderen Markenerzeugnissen sowie eine Gleichsetzung mit qualitativ schlechteren Erzeugnissen zu vermeiden. Diese Verpflichtung hindert die Villeroy & Boch-Facheinzelhändler in keiner Weise daran, konkurrierende Waren zu verkaufen. (28)Die vom Hersteller im Einzelfall durchgeführte Prüfung, ob die Händler die Voraussetzungen für die Zulassung zum Vertriebsnetz erfuellen, ist erforderlich, um Zusammenhalt und Einheitlichkeit des Vertriebssystems zu gewährleisten. Diese Kontrolle durch den Hersteller ist der Hauptverpflichtung des Händlers zur Spezialisierung untergeordnet und geht nicht über das hinaus, was erforderlich ist, um die Aufrechterhaltung des Vertriebssystems zu gewährleisten. (29)Was im besonderen die Verpflichtung betrifft, ein angemessen tiefes und breites Angebot an Villeroy & Boch-Erzeugnissen bereitzuhalten sowie die hierzu in Wechselbeziehung stehende Verpflichtung, ein angemessenes Lager zu unterhalten, so stellen diese im vorliegenden Fall keine spürbaren Beschränkungen des Wettbewerbs im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 dar. Die besonders wettbewerbsfördernde Angebotsstruktur des Marktes, das Nichtbestehen von Verpflichtungen der Facheinzelhändler, bestimmte Verkaufsziele zu erreichen, sowie das nicht nur vertragsgemässe, sondern vom Hersteller ausdrücklich gewünschte Führen von Konkurrenzerzeugnissen garantieren den Villeroy & Boch-Facheinzelhändlern Unabhängigkeit in ihrer Geschäftspolitik und den konkurrierenden Herstellern einen unbeschränkten Zugang zu eben diesen Händlern, denn-keiner der zahlreichen konkurrierenden Hersteller hat einen Marktanteil von über 15 %, und kein Hersteller vermag insoweit in irgendeinem Mitgliedstaat seine Händler von sich abhängig zu machen. Mit einem Marktanteil von weniger als 10 % in jedem einzelnen Mitgliedstaat ist Villeroy & Boch nicht in einer Position der Stärke, weder gegenüber seinen Konkurrenten - insbesondere angesichts seines bescheidenen Marktanteils auf Gemeinschaftsebene - noch gegenüber Facheinzelhändlern, um diese vermittels der vorbezeichneten Klauseln daran zu hindern, ihre Verkaufsanstrengungen kraft eigener Entscheidung auf die Marken zu konzentrieren, die den höchsten Gewinn versprechen. Darüber hinaus sind Vertriebssysteme, die demjenigen von Villeroy & Boch vergleichbar sind, nicht häufig, so daß auch von daher keine Erstarrung der Vertriebsstrukturen auf dem Markt für Tafelservice mit der Folge zu befürchten wäre, daß jeder Hersteller versuchen könnte, zu seinem Vorteil die Anstrengungen seiner Facheinzelhändler einseitig für sich zu nutzen;-Villeroy & Boch strebt keine Exklusivität an; das Vertriebssystem ist im Gegenteil darauf ausgerichtet, die Vertragswaren zusammen mit anderen gehobenen Konkurrenzfabrikaten anzubieten, wobei auch bezweckt wird, das eigene Markenimage mit demjenigen der Konkurrenzfabrikate zu messen. Tatsächlich ist das angemeldete Verbriebssystem so wenig auf eine Markenexklusivität ausgerichtet, daß Villeroy & Boch auch alle diejenigen Wiederverkäufer als Facheinzelhändler anerkennt, die sich dafür entschieden haben, vorrangig die Erzeugnisse eines anderen bedeutenden Herstellers zu führen;-die Villeroy & Boch-Facheinzelhändler sind somit in keiner Weise daran gehindert, Konkurrenzprodukte zu vertreiben. Diese Möglichkeit steht ihnen um so eher offen, als sie weder verpflichtet sind, bestimmte Mindestumsätze mit Villeroy & Boch-Erzeugnissen zu erreichen, noch zu festgelegten Zeitpunkten vorbestimmte Mengen zu bestellen. (30)Unter diesen Umständen, und obwohl die Verpflichtungen hinsichtlich der Förderung des Verkaufs der Villeroy & Boch-Erzeugnisse nicht not wendigerweise als qualitative und mit Artikel 85 Absatz 1 vereinbare Selektionskriterien anzusehen sind, sind sie dennoch im vorliegenden Fall nicht als spürbare Wettbewerbsbeschränkungen zu werten. Die ersichtlich im gemeinsamen Interesse der Vertragsparteien vereinbarten Verpflichtungen der Facheinzelhändler zum ,,Einsatz'' für die Marke Villeroy & Boch - durch Anbringung von Hinweisschildern, durch Prospektverteilung, Teilnahme an Verkaufsförderungsaktionen und durch sonstige branchenübliche Werbemittel - hindern die Villeroy & Boch-Facheinzelhändler nicht daran, an dem Wettbewerb zwischen den verschiedenen Marken teilzuhaben. (31)Auf einem Markt wie diesem, der auf der Herstellungs- wie auf der Vertriebsseite gleichermassen vielfältig ist, erscheint es ausgeschlossen, daß die vorliegenden Verträge zwischen Villeroy & Boch und den Facheinzelhändlern als Teil eines etwaigen gemeinsamen Vertriebsnetzes mit anderen Herstellern Absprachen zwischen diesen Herstellern begünstigen könnten, die das Ziel verfolgten, konkurrierende Unternehmen vom Markt auszuschließen; die Zahl der Hersteller ist zu groß und der Kreis der Wiederverkäufer zu offen und unbestimmt, als daß eine solche Absprache möglich erscheint. (32)Auf diesem von starkem Wettbewerb geprägten Markt verhält es sich vielmehr so, daß das gleichzeitige Angebot der Facheinzelhändler von Tafelservice vergleichbarer Qualität, aber verschiedener Marken, den Wettbewerb zwischen den Herstellern nur noch verstärken kann. Die konzentrierte und gepflegte Präsentation konkurrierender Erzeugnisse versetzt den Verbraucher in die Lage, das jeweils beste Preis-Leistungs-Verhältnis festzustellen, und der Facheinzelhändler kann ohne die Verpflichtung, einen Mindestumsatz mit Villeroy & Boch-Erzeugnissen zu erzielen, den Kunden in aller Unabhängigkeit beraten. Für den Fall, daß der Kunde die im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems mit dem Kauf verbundenen Serviceleistungen als sekundär ansieht, bleibt es ihm unbenommen, sich für den Kauf der Erzeugnisse konkurrierender Hersteller zu entscheiden, die kein selektives Vertriebssystem praktizieren, und kann auf diese Weise sein Urteil über die Marktstrategie des selektiv vertreibenden Herstellers zur Geltung bringen. (33)Während das Bestehen des selektiven Vertriebsnetzes den Wettbewerb zwischen den Marken einerseits verstärkt, ist es andererseits nicht geeignet, eine Beschränkung des Wettbewerbs innerhalb einzelner Marken durch Absprache zwischen den Facheinzelhändlern herbeizuführen, die beispielsweise darauf abzielen würde, die Entscheidungsfreiheit von Villeroy & Boch bezueglich seiner Vertriebswege einzuschränken oder die Einhaltung der von Villeroy & Boch empfohlenen Preise zu gewährleisten. Eine solche Möglichkeit besteht nämlich nur bei einem aus verhältnismässig wenigen Einzelhändlern bestehenden Vertriebsnetz. Das ist hier aber nicht der Fall. Im übrigen hat Villeroy & Boch seinen Einzelhändlern kein ausschließliches Verkaufsgebiet zugewiesen und könnte einem etwaigen Druck infolge einer Absprache dieser Vertriebshändler durch direkte Belieferung neu anerkannter Einzelhändler entgegenwirken. (34)Die Selektionswirkung des vorliegenden Vertriebssystems beruht auch auf der Verpflichtung der Facheinzelhändler, die Vertragserzeugnisse nur an Endverbraucher oder an andere von Villeroy & Boch anerkannte Facheinzelhändler zu verkaufen. Da sowohl die objektiven und ausschließlich qualitativen Selektionskriterien als auch die hier einschlägigen Verkaufsförderungspflichten als mit Artikel 85 Absatz 1 vereinbar anzusehen sind, kann unter den Bedingungen des vorliegenden Falles davon ausgegangen werden, daß auch die Vertriebsbindung als solche keine spürbare Wettbewerbsbeschränkung darstellt. (35)Ist einerseits die Verpflichtung der anerkannten Facheinzelhändler zulässig, nicht an nicht anerkannte Einzelhändler weiterzuverkaufen, so gilt gleiches auch für die Verpflichtung der Großhändler und Einkaufszentralen, nur von Villeroy & Boch zugelassene Wiederverkäufer zu beliefern, da diese Verpflichtungen die Fortsetzung der durch das Einzelhandelsvertriebssystem praktizierten Selektion auf der Großhandelsstufe darstellen. (36)Das sich hieraus ergebende Verbot für die Großhändler und Einkaufszentralen, Endabnehmer zu beliefern, stellt keine Wettbewerbsbeschränkung im Sinne des Artikels 85 Absatz 1 dar. Der Wettbewerb würde im Gegenteil verfälscht, wenn die Großhändler, die auf ihrer Vermarktungsstufe mit verhältnismässig geringem Aufwand arbeiten, mit den Einzelhändlern auf der Einzelhandelsstufe konkurrieren wollten, insbesondere bei der Belieferung privater Endabnehmer (Gerichtshof, Rechtssache 26/76, Urteil Metro vom 25. 10. 1977, Slg. 1977, S. 1875, Urteilsgrund 29). (37)Die in den Musterverträgen zwischen Villeroy & Boch und den Lieferanten des Hotel- und Gaststättengewerbes enthaltene Bestimmung, die den Weiterverkauf der Vertragswaren auf Hotels und Gaststätten beschränkt, ist wegen der besonderen Art der Tätigkeit dieser Wiederverkäufer und der Unterschiedlichkeit der Erzeugnisse gerechtfertigt. Da es sich nämlich um den Weiterverkauf von Tafelgeschirren in sehr grossen Mengen handelt, die nicht für den Endverbraucher bestimmt sind, ist es vernünftig, daß diese spezialisierten Wiederverkäufer die Vertragswaren weder an Einzelhändler noch an Endverbraucher abgeben dürfen. Es liegt insoweit keine Wettbewerbsbeschränkung vor, da sich die Zusammensetzung dieser Tafelgeschirre und ihre Präsentation wesentlich von denen der Tafelgeschirre für den privaten Haushalt unterscheiden. (38)Dieselben Erwägungen gelten für die Musterverträge von Villeroy & Boch mit den Werbemittelunternehmen. Wegen ihres besonderen Gegenstandes des Weiterverkaufs von Einzelstücken - die nicht in den Tafelservice enthalten sind - an gewerbliche Endabnehmer im Hinblick auf die spätere Überlassung an Dritte zu Werbezwecken, sind diese Verträge Teil eines Vertriebsweges, der sich von dem Vertriebsweg der für den privaten Endverbraucher bestimmten Tafelservice grundsätzlich unterscheidet. Daher stellt die Verpflichtung der Werbemittelunternehmen, nur diese gewerblichen Endabnehmer zu beliefern, keine Wettbewerbsbeschränkung dar. (39)Die angemeldeten Vertriebsverträge erlegen den Villeroy & Boch-Wiederverkäufern keine Verpflichtung auf, die in spürbarer Weise eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs im Gemeinsamen Markt bezwecken oder bewirken; eine Prüfung ihrer eventuellen Eignung zur Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels kann daher entfallen. Es besteht somit für die Kommission nach den ihr bekannten Tatsachen kein Anlaß, aufgrund von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag einzuschreiten. Die Kommission kann daher im vorliegenden Fall aufgrund von Artikel 2 der Verordnung Nr. 17 ein Negativattest erteilen - HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Es besteht für die Kommission aufgrund der ihr bekannten Tatsachen kein Anlaß, nach Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag gegen das den Gegenstand dieser Entscheidung bildende Netz von Musterverträgen zwischen Villeroy & Boch und seinen Wiederverkäufern einzuschreiten.

Artikel 2

Diese Entscheidung ist an die Gesellschaften Villeroy & Boch KG, Mettlach (Bundesrepublik Deutschland), und Villeroy & Boch SARL, Luxemburg (Großherzogtum Luxemburg), gerichtet

Brüssel, den 16. Dezember 1985 Für die Kommission Peter SUTHERLAND Mitglied der Kommission

(1) ABl. Nr. 13 vom 21. 2. 1962, S. 204/62.

(2) ABl. Nr. C 206 vom 16. 8. 1985, S. 6.

(3) In der veröffentlichten Fassung dieser Entscheidung wurden gemäß Artikel 21 der Verordnung Nr. 17 bezueglich der Wahrung von Geschäftsgeheimnissen nachfolgend einige Ziffern ausgelassen.

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