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Document 52022AE4748

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines gemeinsamen Rahmens für Mediendienste im Binnenmarkt (Europäisches Medienfreiheitsgesetz) und zur Änderung der Richtlinie 2010/13/EU“ (COM(2022) 457 final — 2022/0277 (COD))

    EESC 2022/04748

    ABl. C 100 vom 16.3.2023, p. 111–117 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, GA, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    16.3.2023   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 100/111


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines gemeinsamen Rahmens für Mediendienste im Binnenmarkt (Europäisches Medienfreiheitsgesetz) und zur Änderung der Richtlinie 2010/13/EU“

    (COM(2022) 457 final — 2022/0277 (COD))

    (2023/C 100/17)

    Berichterstatter:

    Christian MOOS

    Ko-Berichterstatter:

    Tomasz Andrzej WRÓBLEWSKI

    Befassung

    Europäisches Parlament, 17.10.2022

    Rat der Europäischen Union, 28.10.2022

    Rechtsgrundlage

    Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

    Zuständige Fachgruppe

    Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft

    Annahme in der Fachgruppe

    23.11.2022

    Verabschiedung im Plenum

    14.12.2022

    Plenartagung Nr.

    574

    Ergebnis der Abstimmung

    (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

    155/0/3

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1.

    Freiheit und Vielfalt der Medien sind für die Rechtsstaatlichkeit und die freiheitliche Demokratie grundlegend. In der EU gibt es beunruhigende Entwicklungen, die der EWSA beklagt. Er begrüßt deshalb die Initiativen der Europäischen Kommission zur Wahrung der Medienfreiheit.

    1.2.

    Der EWSA fragt sich allerdings, ob die Vollendung des Binnenmarkts für Mediendienste ein hinreichender Ansatz für den Schutz der Medienfreiheit und des Medienpluralismus ist. Das Hauptziel muss die Wahrung bzw. Wiederherstellung der Freiheit und der Vielfalt der Medien sein, wobei zu bedenken ist, dass Medienfreiheit und wirtschaftliches Wohl zusammenhängen.

    1.3.

    Der EWSA begrüßt, dass die Europäische Kommission anerkennt, dass die Marktkonzentration im Medienbereich, die zu Monopolen führt, eine ernste Bedrohung für die Freiheit und Pluralität der Medien darstellen kann. Die Marktkonzentration kann jedoch auch sinnvoll sein und muss nicht zwangsläufig solche negativen Auswirkungen haben.

    1.4.

    Reine Empfehlungen und ein Soft-Law-Ansatz reichen nicht aus. Die Freiheit und Unabhängigkeit der Medien muss ein verbindliches Kriterium im Bericht über die Rechtsstaatlichkeit und im Rechtsstaatlichkeitsmechanismus sein.

    1.5.

    Der EWSA begrüßt die Vorschläge zur Stärkung und Verteidigung der redaktionellen Unabhängigkeit. Er unterstreicht, dass die Unabhängigkeit von Journalisten und Verlegern gewahrt werden muss.

    1.6.

    Öffentlich-rechtliche Medien sind nur dann sinnvoll, wenn sie unparteiisch und gänzlich unabhängig von politischer Einflussnahme sind. Angemessene und stabile Finanzmittel sind in dieser Hinsicht ein grundlegender Schutz, sofern die Wirksamkeit der Ausgaben durch ein effektives Kontrollsystem gewährleistet ist.

    1.7.

    Der EWSA hält verbindliche Anforderungen an die Transparenz der Eigentumsverhältnisse im Medienbereich für wichtig. Die Anforderungen dürfen nicht zu einem übermäßigen Verwaltungsaufwand für kleine Medienunternehmen führen.

    1.8.

    Der EWSA ist besorgt über die mangelnde Unabhängigkeit einiger nationaler Regulierungsstellen und fordert einen Rahmen zur Gewährleistung ihrer Unabhängigkeit.

    1.9.

    Der EWSA begrüßt die Einrichtung eines Europäischen Gremiums für Mediendienste, pocht jedoch auf dessen uneingeschränkte Unabhängigkeit, denn die EU sollte als Vorbild auftreten, wenn es darum geht, die vollständige Unabhängigkeit auch der nationalen Regulierungsbehörden durchzusetzen. Die Beteiligung nationaler Regulierungsstellen, die nicht unabhängig sind, wäre nicht ratsam.

    1.10.

    Der EWSA hebt die Bedeutung der Transparenz bei allen Prozessen hervor, die mit der Moderation von Inhalten auf sehr großen Online-Plattformen zusammenhängen.

    1.11.

    Der EWSA empfiehlt die Festlegung EU-weiter Mindeststandards im Einklang mit den geltenden EU-Vorschriften zur Unterbindung einer übermäßigen Konzentration. Er fordert die gesetzgebenden Organe auf, verbindliche Vorschriften zu erlassen, die der unternehmerischen Freiheit gebührend Rechnung tragen und keine unnötige Bürokratie und Kosten mit sich bringen.

    1.12.

    Wenn nationale Regulierungsbehörden die Marktkonzentration im Medienbereich nicht hinreichend bewerten, sollte die Europäische Kommission im Einklang mit den geltenden Bestimmungen des EU-Rechts zur Fusionskontrolle reagieren.

    1.13.

    Der EWSA begrüßt verbindliche Transparenzanforderungen für die Zuweisung staatlicher Werbung.

    1.14.

    Der EWSA befürwortet die jährliche Überwachung und dringt darauf, dass einschlägige Interessenträger und die Zivilgesellschaft hinzugezogen werden. Er schlägt vor, den Überwachungsbereich um andere Aspekte zu erweitern, die für den Schutz der Medienfreiheit und des Medienpluralismus relevant sind.

    2.   Allgemeine Bemerkungen

    2.1.

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) bekräftigt seinen jüngsten Standpunkt zur Bedeutung der Medienfreiheit und -vielfalt für die freiheitliche Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit, zu der sich alle Mitgliedstaaten mit der Ratifizierung der EU-Verträge verpflichtet haben. Diesen Standpunkt hat er in seiner umfassenden Initiativstellungnahme „Freiheit und Vielfalt der Medien in Europa sichern“ (1) sowie in seinen Stellungnahmen zum „Europäischen Aktionsplan für Demokratie“ (2) und zu „Strategischen Klagen gegen öffentliche Beteiligung“ (3) dargelegt.

    2.2.

    Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, hat in ihrer Rede zur Lage der Union 2021 (4) zutreffend erklärt, dass Information ein öffentliches Gut ist. Ohne freien Zugang zu unabhängigen und verlässlichen Informationen können die Bürgerinnen und Bürger der Union ihr in Artikel 10 EUV verbrieftes Recht auf Teilnahme am demokratischen Leben der Union nicht ausüben.

    2.3.

    Im Großen und Ganzen ist Europa nach wie vor ein Kontinent mit freien und vielfältigen Medien. Jüngste Entwicklungen in der EU sind jedoch alarmierend. Der Schutz von Journalisten, insbesondere aufgrund fehlender Instrumente zur Verhinderung von Klagemissbrauch (SLAPP-Klagen), gibt im Hinblick auf wirksame regulatorische Garantien zum Schutz der Medienfreiheit nach wie vor Anlass zu großer Sorge. Im Überwachungsmechanismus für Medienpluralismus 2022 (5) wurde überdies festgestellt, dass die Marktvielfalt von allen in der Studie beleuchteten Fragen am stärksten bedroht ist. Der Mangel an wirksamen Mechanismen zum Schutz der redaktionellen Autonomie in den meisten Ländern wurde als ein großes Hindernis für Verbesserungen in diesem Bereich hervorgehoben, zumal in den letzten Jahren keine Fortschritte bezüglich der politischen Unabhängigkeit zu verzeichnen waren.

    2.4.

    Zusätzlich zu den Bedrohungen der Medienfreiheit von innen steht die EU vor Einflussnahme von außen in Form von Versuchen, öffentliche Debatten in Europa zu manipulieren. Vor dem Hintergrund zunehmender geopolitischer Spannungen ist der Schutz der Medienfreiheit und des Medienpluralismus ein wichtiger Beitrag zur Widerstandsfähigkeit der EU gegenüber externen Bedrohungen.

    2.5.

    Einige positive Entwicklungen zeigen jedoch auch, dass EU-Rechtsvorschriften etwas bewirken können. Im Überwachungsmechanismus für Medienpluralismus 2022 wurde eine positive Entwicklung in Bezug auf den Indikator „Schutz des Rechts auf Information“ in vier Ländern festgestellt. Diese Verbesserung wird auf die Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1937 (6) über den Schutz von Hinweisgebern zurückgeführt.

    2.6.

    Der EWSA begrüßt deshalb grundsätzlich die Initiative der Kommission für ein europäisches Medienfreiheitsgesetz (7) und die Empfehlung der Kommission zu internen Schutzvorkehrungen für redaktionelle Unabhängigkeit und Transparenz von Medieneigentum (8) als nächsten logischen Schritt zum Schutz der Medienfreiheit und des Medienpluralismus und damit der freiheitlichen Demokratie in der EU.

    2.7.

    Der EWSA betont die Bedeutung der Tatsache, dass das Europäische Medienfreiheitsgesetz eine Verordnung mit unmittelbarer Wirkung ist. Er fragt sich indes, ob der Ansatz einer unverbindlichen Empfehlung ein wirksames Mittel zur Erreichung ihrer Ziele ist. Bloße Empfehlungen reichen nicht aus, um die Freiheit und Vielfalt der Medien in den Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Freiheit und Unabhängigkeit der Medien müssen zu den verbindlichen Kriterien für den Bericht über die Rechtsstaatlichkeit und für die Auslösung des Mechanismus in Mitgliedstaaten zählen, in denen die Medienfreiheit und -unabhängigkeit von staatlicher Seite verletzt werden.

    2.8.

    Die Rechtsgrundlage dieses Vorschlags ist Artikel 114 AEUV, in dem die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten vorgesehen ist, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand haben. Die zugrunde liegenden Probleme und Mängel sind jedoch in hohem Maße politischer Natur und hängen mit dem Funktionieren demokratischer, auf Rechtsstaatlichkeit beruhender Systeme zusammen. Deshalb bezweifelt der EWSA, dass die Vollendung des Medienbinnenmarkts ein hinreichender Ansatz ist, um die Freiheit und den Pluralismus der Medien zu schützen.

    2.9.

    Der Verordnungsvorschlag ist auf fünf verschiedene Ziele ausgerichtet: a) Harmonisierung der nationalen Vorschriften und Verfahren zur Überwindung von Hindernissen, die Medienunternehmen davon abhalten, auf dem Binnenmarkt tätig zu sein und zu investieren; b) Beseitigung gläserner Decken, die ausländische Verlage von Investitionen in lokale nationale Märkte abhalten; c) Stärkung der redaktionellen Freiheit aller Medien, ohne gleichzeitig die Rechte privater Verleger einzuschränken; d) Gewährleistung der Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien durch den Aufbau dauerhafter Mechanismen, die frei vom Einfluss von Politikern sind, und e) Regulierung der Zuweisung wirtschaftlicher Ressourcen (d. h. staatliche Werbung). Der EWSA hält die Rangordnung der genannten Ziele für fragwürdig. Er ist der Ansicht, dass das Hauptziel darin bestehen sollte, die Freiheit und Vielfalt der Medien zu erhalten oder wiederherzustellen, anstatt sich auf wirtschaftliche Fragen zu konzentrieren, es sei denn, diese stehen eindeutig mit der Medienfreiheit in Zusammenhang.

    2.10.

    Aus der Verordnung geht eindeutig hervor, dass die Kommission sich auf die „Verzerrungen“ des Binnenmarkts konzentrieren und den Medienmarkt für einen stärkeren grenzübergreifenden Wettbewerb öffnen möchte, insbesondere für audiovisuelle Mediendienste und Video-Sharing-Plattformen. Daher ist der tatsächliche Anwendungsbereich der Verordnung viel enger gefasst, als es ihr Titel nahelegt. Der EWSA hält diesen Ansatz für nicht ausreichend, um Medienfreiheit und -pluralismus, die in fast allen Mitgliedstaaten bedroht und in einigen schweren Fällen mit allen verheerenden Folgen für die Arbeit und die Sicherheit von Journalisten und die Integrität der öffentlichen Debatte und Information in Mitleidenschaft gezogen werden, wirksam zu verteidigen und erforderlichenfalls wiederherzustellen. Mit der Öffnung des Marktes müssen gleiche Standards für den Schutz der freien Meinungsäußerung gewährleistet werden, damit ein breiterer Marktzugang, insbesondere in ärmeren Ländern, nicht zu einer Monopolisierung des Marktes durch ausländische Akteure führt.

    2.11.

    Der EWSA begrüßt die Vorschläge zur Stärkung und Verteidigung der redaktionellen Unabhängigkeit. Er betont gleichfalls, dass die Unabhängigkeit von Journalisten und Verlegern gewahrt werden muss, d. h. das Recht der Verleger, eine redaktionelle Ausrichtung der jeweiligen Publikation zu formulieren. Der EWSA hat in mehreren Ländern der EU eine stetige Zunahme der politischen und wirtschaftlichen Einflussnahme sowohl in den öffentlich-rechtlichen als auch in privaten Medien mit engen Verbindungen zu den Zentren der Macht beobachtet. Dies ist mit der Rolle der Medien als vierter Gewalt unvereinbar. In der Verordnung wird nicht angegeben, wie die redaktionelle Unabhängigkeit mit den legitimen Rechten und Interessen von Verlegern/privaten Medieneigentümern in Einklang gebracht werden kann.

    2.12.

    Der EWSA unterstützt Maßnahmen zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit gegen die Manipulation von Informationen und die Einflussnahme aus dem Ausland, solange die Meinungsfreiheit innerhalb der Europäischen Union nicht beeinträchtigt wird.

    2.13.

    Im Medienfreiheitsgesetz wird die Notwendigkeit einer finanziellen Förderung des Mediensektors aufgezeigt, wie es der EWSA in seiner Stellungnahme „Freiheit und Vielfalt der Medien in Europa sichern“ vorgeschlagen hat (9). Die bereitgestellten Instrumente reichen jedoch noch nicht aus, um Qualitätsjournalismus und Medienvielfalt in den Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Zugleich ist der EWSA der Auffassung, dass ein Rechtsrahmen, der es Medienunternehmen ermöglicht, sich durch ihr Angebot auf dem Markt selbst zu finanzieren, zu den besten Bedingungen für die Medienfreiheit zählt. Öffentlich-rechtliche Medien sind nur dann sinnvoll, wenn sie unparteiisch und von politischer Einflussnahme gänzlich unabhängig sind. Andernfalls kann die öffentliche Finanzierung zu Missbrauch und staatlichen Manipulationen aller Art führen. Jedes Medienförderprojekt sollte auf vollkommen transparenten Regeln und Garantien für die politische Unabhängigkeit der Journalistinnen und Journalisten beruhen.

    2.14.

    Der EWSA unterstützt den Bericht über das endgültige Ergebnis der Konferenz zur Zukunft Europas (10) und das darin enthaltene nachdrückliche Plädoyer für die Förderung der Unabhängigkeit und des Pluralismus der Medien (Vorschlag 27 Absatz 1 und Vorschlag 37 Absatz 4). Diese werden von der Kommission zitiert, ohne die Prioritäten, die diese Vorschläge mit sich bringen, zu berücksichtigen.

    3.   Besondere Bemerkungen

    3.1.

    Der EWSA begrüßt das Recht der Empfänger von Mediendiensten und der Mediendiensteanbieter, „zum Nutzen des öffentlichen Diskurses eine Vielzahl von Nachrichten und Inhalten zur aktuellen Information zu erhalten, die unter Achtung der redaktionellen Freiheit der Mediendiensteanbieter erstellt werden“, wie in Artikel 3 festgelegt.

    3.2.

    Der EWSA hält den engen Anwendungsbereich von Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe c für fragwürdig, der sich nur auf den Einsatz von Spähsoftware bezieht (nur „Produkte mit digitalen Elementen“), und schlägt vor, den Einsatz jeglicher Geräte oder Technologien, die zur Überwachung verwendet werden können, zu verbieten.

    3.3.

    Der EWSA betont die Bedeutung von Schutzvorkehrungen für die unabhängige Funktionsweise öffentlich-rechtlicher Medienanbieter und der Verfügbarkeit angemessener und stabiler finanzieller Mittel für sie (Artikel 5). Allerdings sollte es ein wirksames Kontrollsystem geben, das einen effizienten Einsatz der Mittel gewährleistet. Der EWSA hält eine unabhängige Stelle für die beste Option, um die angemessene Höhe der Finanzierung festzulegen, die erforderlich ist, damit öffentlich-rechtliche Medienanbieter ihren Auftrag erfüllen können, sofern diese Stelle nicht politisch besetzt wird. Die derzeitige Tendenz zur Politisierung der Frage der Finanzierung öffentlich-rechtlicher Medien stellt eine erhebliche Bedrohung für die Medienfreiheit dar.

    3.4.

    Der EWSA ist der Auffassung, dass die Pflichten der Mediendiensteanbieter im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 nicht ausreichen, um die Transparenz des Medieneigentums zu gewährleisten. Die undurchsichtigen Eigentumsverhältnisse im Medienbereich sind ein wichtiger Grund für den Mangel an redaktioneller Freiheit und an Qualitätsjournalismus (im Einklang mit journalistischen Standards). Mediendiensteanbieter und Online-Plattformen müssen ihre Eigentumsverhältnisse für die Nutzer transparent machen. Datenschutz und der Schutz der Privatsphäre darf Transparenz bei Medieneigentum nicht im Wege stehen. Die Anforderungen dürfen nicht zu einem übermäßigen Verwaltungsaufwand für kleine Medienunternehmen führen.

    3.5.

    Der EWSA empfiehlt, die in Ziffer 20 der Empfehlung der Kommission genannten verbindlichen Transparenzanforderungen durch zusätzliche Anforderungen zu ergänzen, die in den Ziffern 4.1 bis 4.6 des Anhangs der Empfehlung des Ministerkomitees des Europarates an die Mitgliedstaaten zu Medienpluralismus und Transparenz des Medieneigentums aufgeführt sind (11).

    3.6.

    Der EWSA sieht eine gewisse Gefahr, dass der Soft-Law-Ansatz der Kommissionsempfehlung zu einem Flickenteppich von Vorschriften führt, der die Integrität des Binnenmarkts und die Ziele der Richtlinie untergräbt.

    3.7.

    Der EWSA hält die Bezugnahme in Artikel 7 auf die in Artikel 30 der Richtlinie 2010/13/EU (12) festgelegten Anforderungen für zu vage, um die Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörden oder -stellen zu gewährleisten. Er empfiehlt daher, einen Rahmen festzulegen, der die Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsstellen und -instrumente gewährleistet, mit dem jedweder Mangel in puncto Unabhängigkeit einer nationalen Regulierungsstelle behoben werden kann.

    3.8.

    Für den EWSA ist die Beteiligung von Vertretern einer nationalen Behörde oder Einrichtung, die nicht völlig unabhängig ist, an der Entscheidungsfindung des vorgeschlagenen Europäischen Gremiums für Mediendienste nicht hinnehmbar. Um die Unabhängigkeit der nationalen Behörden oder Stellen bewerten zu können, müssen in der Verordnung klare Kriterien festgelegt werden.

    3.9.

    Der EWSA hält das vorgeschlagene Europäische Gremium für Mediendienste für nicht von der Europäischen Kommission unabhängig. Er fordert den europäischen Gesetzgeber auf, die vollständige Unabhängigkeit des Gremiums sicherzustellen. Das Gremium darf keine Aufsichts- oder Regulierungsaufgaben wahrnehmen, wenn es nicht vollständig von der Europäischen Kommission unabhängig ist.

    3.10.

    Der EWSA empfiehlt, Artikel 10 Absatz 5 wie folgt umzuformulieren: „Die Kommission benennt einen Vertreter im Gremium. Der Vertreter der Kommission kann an den Sitzungen des Gremiums teilnehmen, hat dabei aber kein Stimmrecht.“

    3.11.

    Der EWSA empfiehlt, Artikel 10 Absatz 6 wie folgt umzuformulieren: „Das Gremium kann Experten und Beobachter zur Teilnahme an den Sitzungen einladen.“

    3.12.

    In Bezug auf Artikel 11 lehnt der EWSA die Entscheidung der Kommission für Unteroption A zur Einrichtung eines Europäischen Gremiums für Mediendienste, das von einem Sekretariat bei der Kommission unterstützt wird, ab. Nur durch Unteroption B zur Einrichtung des Europäischen Gremiums für Mediendienste, das von einem unabhängigen EU-Büro unterstützt wird, kann die Unabhängigkeit des Gremiums gewährleistet werden.

    3.13.

    Der EWSA begrüßt den in Artikel 12 Buchstabe l erwähnten strukturierten Dialog mit allen Interessenträgern und der Zivilgesellschaft, die hier explizit genannt wird. Der EWSA, der die wichtigsten Bereiche der Zivilgesellschaft (einschließlich der Sozialpartner) vertritt, kann mit seinem Fachwissen zu diesem strukturierten Dialog beitragen.

    3.14.

    Der EWSA begrüßt die strukturierte Zusammenarbeit, darunter die gegenseitige Unterstützung, zwischen den nationalen Regulierungsbehörden und -stellen. Der EWSA empfiehlt jedoch, den Anwendungsbereich von Artikel 13 Absatz 2 über Risiken für das Funktionieren des Binnenmarkts für Mediendienste der öffentlichen Sicherheit und Verteidigung hinaus auszuweiten und auch andere Gefahren für die Freiheit und Vielfalt der Medien sowie Gefahren für die politische Unabhängigkeit der Regulierungsbehörden und -stellen einzubeziehen.

    3.15.

    Der EWSA begrüßt die Bemühungen um einen besseren Schutz der Inhalte von Mediendiensteanbietern auf sehr großen Online-Plattformen gemäß Artikel 17 und betont, wie wichtig Transparenz bei allen Verfahren im Zusammenhang mit der Moderation von Inhalten auf solchen Plattformen ist, sofern die in diesem Absatz genannten Verpflichtungen das Funktionieren sehr großer Plattformen nicht beeinträchtigen. Der EWSA unterstützt den in Artikel 18 vorgesehenen strukturierten Dialog und betont, dass die Zivilgesellschaft in die Überprüfung der Anwendung von Artikel 17 einbezogen werden muss.

    3.16.

    Der EWSA begrüßt das Recht der Nutzer, die Standardeinstellungen für audiovisuelle Mediendienste gemäß Artikel 19 individuell anzupassen. Die Umsetzung dieses Rechts in die Praxis hängt vor allem von der Benutzerfreundlichkeit der Geräte und/oder Benutzerschnittstellen ab. Die operative Leistungsfähigkeit der Hersteller und Entwickler sollte jedoch nicht beeinträchtigt bzw. ihre künftige Entwicklung eingeschränkt werden. Die Geräte und Benutzerschnittstellen müssen benutzerfreundlich und in leicht verständlicher Sprache gestaltet werden.

    3.17.

    Der EWSA schlägt ferner vor, dem Europäischen Gremium für Mediendienste (unter Artikel 20 Absatz 4) das Recht einzuräumen, eine Initiativstellungnahme zu erstellen, wenn eine nationale Legislativ-, Regulierungs- oder Verwaltungsmaßnahme das Funktionieren des Binnenmarkts für Mediendienste beeinträchtigen könnte.

    3.18.

    Der EWSA bekräftigt seine bereits oben geäußerte Besorgnis, dass ein rein marktorientierter Ansatz zur Sicherung der Pluralität und Freiheit der Medien in Europa nicht ausreicht. Er ist sich zwar der Tatsache bewusst, dass die Größe der Unternehmen auf dem Markt für Mediendienste zur wirtschaftlichen Nachhaltigkeit der Mediendiensteanbieter beitragen kann. Gleichwohl begrüßt der EWSA, dass die Europäische Kommission anerkennt, dass Zusammenschlüsse auf dem Medienmarkt die Freiheit und Pluralität der Medien erheblich gefährden können.

    3.19.

    Der EWSA begrüßt die in Artikel 21 vorgeschlagenen Maßnahmen zur Erhöhung der Transparenz bezüglich Zusammenschlüssen als ersten Schritt zur Eindämmung der Bedrohungen für die Medienfreiheit und den Medienpluralismus, die sich aus Zusammenschlüssen auf dem Medienmarkt ergeben. Zusammenschlüsse auf dem Medienmarkt wirken sich nicht notwendigerweise negativ auf die Medienfreiheit und -vielfalt aus, wenn dies beispielsweise kleineren Medien beim Überleben hilft. Allerdings muss gegen Zusammenschlüsse vorgegangen werden, wenn sie zu Informationsmonopolen führen. Die EU muss insbesondere gegen die Vereinnahmung von Medien durch Mogule und Oligarchen vorgehen, die oft enge Beziehungen zu führenden Politikern des jeweiligen Landes oder sogar zu der Staatsführung von Drittländern unterhalten.

    3.20.

    Der EWSA erinnert daran, dass die Medienmärkte nach wie vor stark fragmentiert sind, und fordert eine Messung der Marktkonzentration nicht nur im Hinblick auf den nationalen Markt für Mediendienste, sondern auch auf fragmentierte Märkte auf subnationaler Ebene. Die Medienmarktkonzentration in Gebieten mit nur einem regionalen Medienunternehmen stellt eine erhebliche Bedrohung für Medienfreiheit und -pluralismus dar.

    3.21.

    Der EWSA hält die Leitlinien der Kommission „zu den Faktoren, die bei der Anwendung der Kriterien für die Bewertung der Auswirkungen von Medienmarktkonzentrationen“, für unzureichend, um die Vergleichbarkeit der Bewertungen in der gesamten EU zu gewährleisten. Der EWSA empfiehlt, EU-weite Mindeststandards für die Bewertungen festzulegen, die in allen Mitgliedstaaten einzuhalten sind. Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, zusätzlich zu den EU-Mindestanforderungen detailliertere und eingehendere Bewertungen vorzulegen.

    3.22.

    Die unverbindlichen Transparenzanforderungen werden der derzeitigen Bedrohung der Medienfreiheit und -vielfalt jedoch nicht gerecht, die von Zusammenschlüssen auf dem Medienmarkt ausgeht. Daher fordert der EWSA die europäischen Gesetzgeber auf, unter gebührender Berücksichtigung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit verbindliche Regelungen für Zusammenschlüsse auf dem Medienmarkt zu erlassen. Dies darf die Medien bzw. Medieneinrichtungen jedoch nicht mit zusätzlichem Verwaltungsaufwand und kostspieligen Verfahren belasten.

    3.23.

    Der EWSA empfiehlt ferner, dem Europäischen Gremium für Mediendienste (unter Artikel 22) das Recht einzuräumen, „[i]n Ermangelung einer Bewertung oder Konsultation gemäß Artikel 21“ eine Initiativstellungnahme zu erstellen. Es reicht nicht aus, die Aufgabe der Bewertung der Zusammenschlüsse auf dem Medienmarkt den Mitgliedstaaten zu übertragen, da einige Staatsführungen eine Marktkonzentration aktiv unterstützen, um kritische Stimmen und oppositionelle Medien zum Schweigen zu bringen.

    3.24.

    Der EWSA erinnert daran, dass Verzerrungen im Binnenmarkt für Mediendienste die Freiheit und Pluralität der Medien auch dann beeinträchtigen, wenn sie nur bestimmte Teile des gemeinsamen Marktes — auf nationaler, regionaler oder sogar lokaler Ebene — betreffen. In all diesen Fällen muss das Gremium das Recht haben, eine Bewertung der Zusammenschlüsse auf dem Medienmarkt einzuleiten, wenn die nationalen Regulierungsbehörden oder -stellen nicht tätig werden.

    3.25.

    Der EWSA empfiehlt, dem Europäischen Gremium für Mediendienste die Aufgabe zu übertragen, Bewertungen in Bezug auf andere Bedrohungen der Medienfreiheit und des Medienpluralismus vorzunehmen, falls die nationalen Regulierungsbehörden oder -stellen untätig bleiben.

    3.26.

    Der EWSA begrüßt die verbindlichen Transparenzanforderungen von Artikel 24 in Bezug auf die Zuweisung staatlicher Werbeausgaben. Er betrachtet jedoch die Befreiung von Gebietskörperschaften mit mehr als 1 Mio. Einwohnern von den Anforderungen als Schlupfloch, mit dem Transparenz vermieden werden kann. Angesichts der Tatsache, dass der Verwaltungsaufwand im Zusammenhang mit den Berichtspflichten verhältnismäßig sein muss, schlägt der EWSA vor, einen Schwellenwert für die Höhe der Ausgaben einer nationalen, regionalen oder lokalen Regierung bzw. Verwaltung festzulegen. Bleiben die jährlichen Gesamtausgaben eines Gebiets für staatliche Werbeausgaben unter diesem Wert, so gelten die Transparenzanforderungen nicht.

    3.27.

    Der EWSA begrüßt die in Artikel 25 vorgesehene jährliche Überwachung und plädiert dafür, die einschlägigen Interessenträger und die Zivilgesellschaft während der Überwachung zu konsultieren. Die Beschränkung der Überwachung auf das Funktionieren des Binnenmarkts für Mediendienste ist jedoch unzureichend. Daher schlägt der EWSA vor, die Reichweite der Überwachung auf alle anderen Aspekte auszuweiten, die für den Schutz der Medienfreiheit und -pluralität von Belang sind. Der EWSA empfiehlt, das Europäische Gremium für Mediendienste mit der Entwicklung einer Reihe von Indikatoren für die Überwachung zu beauftragen.

    Brüssel, den 14. Dezember 2022

    Die Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Christa SCHWENG


    (1)  Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Freiheit und Vielfalt der Medien in Europa sichern“ (Initiativstellungnahme) (ABl. C 517 vom 22.12.2021, S. 9).

    (2)  Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Europäischer Aktionsplan für Demokratie“ (COM(2020) 790 final) (ABl. C 341 vom 24.8.2021, S. 56).

    (3)  Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz von Personen, die sich öffentlich beteiligen, vor offenkundig unbegründeten oder missbräuchlichen Gerichtsverfahren („strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung“) (COM(2022) 177 final — 2022/0117 COD) (ABl. C 75 vom 28.2.2023, S. 143).

    (4)  Europäische Kommission, Rede zur Lage der Union 2021 der Präsidentin von der Leyen, Straßburg, 15. September 2021.

    (5)  Europäisches Hochschulinstitut, Zentrum für Medienpluralismus und -freiheit, Application of the Media Pluralism Monitor in the European Union, Albania, Montenegro, the Republic of North Macedonia, Serbia and Turkey in the year 2021, San Domenico di Fiesole 2022.

    (6)  Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (ABl. L 305 vom 26.11.2019, S. 17).

    (7)  COM(2022) 457 final.

    (8)  Empfehlung (EU) 2022/1634 der Kommission vom 16. September 2022 zu internen Schutzvorkehrungen für redaktionelle Unabhängigkeit und Transparenz von Medieneigentum (ABl. L 245 vom 22.9.2022, S. 56).

    (9)  Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Freiheit und Vielfalt der Medien in Europa sichern“ (Initiativstellungnahme) (ABl. C 517 vom 22.12.2021, S. 9).

    (10)  Konferenz zur Zukunft Europas, Bericht über das endgültige Ergebnis, Mai 2022.

    (11)  Council of Europe, Recommendation CM/Rec(2018)1[1] of the Committee of Ministers to member States on media pluralism and transparency of media ownership, 7 March 2018, https://search.coe.int/cm/Pages/result_details.aspx?ObjectId=0900001680790e13.

    (12)  Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste) (ABl. L 95 vom 15.4.2010, S. 1).


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