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Document 52021AE4578

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zum Blended Learning für eine hochwertige und inklusive Primar- und Sekundarschulbildung eine wichtige politische Rolle bei der Konferenz zur Zukunft Europas (COM(2021) 455 final)

EESC 2021/04578

ABl. C 105 vom 4.3.2022, p. 128–133 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

4.3.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 105/128


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zum Blended Learning für eine hochwertige und inklusive Primar- und Sekundarschulbildung eine wichtige politische Rolle bei der Konferenz zur Zukunft Europas

(COM(2021) 455 final)

(2022/C 105/19)

Hauptberichterstatterin:

Tatjana BABRAUSKIENĖ

Hauptberichterstatter:

Michael McLOUGHLIN

Befassung

Rat, 30.8.2021

Rechtsgrundlage

Artikel 165 Absatz 4 und Artikel 166 Absatz 4 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft

Verabschiedung im Plenum

20.10.2021

Plenartagung Nr.

654

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

152/0/0

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt die in dem vorliegenden Vorschlag getroffene Feststellung, dass „Bildung […] ein grundlegendes Menschenrecht und ein Recht des Kindes“ ist. Der EWSA begrüßt ferner, dass mit dem Vorschlag die europäische Säule sozialer Rechte und andere wichtige EU-Initiativen (1) umgesetzt werden sollen, um die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten zu verbessern und so eine hochwertige und inklusive Bildung im Rahmen des ökologischen und des digitalen Wandels des sozialen und wirtschaftlichen Lebens sowie des Arbeitsmarktes zu gewährleisten.

1.2.

Der EWSA fordert die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten erneut auf, „den ersten Grundsatz der europäischen Säule sozialer Rechte umzusetzen, der für alle in Europa ein Recht auf allgemeine und berufliche Bildung und lebenslanges Lernen von hoher Qualität und in inklusiver Form“ (2) vorsieht, und diesen auch anzuwenden, um die Bereitstellung digitaler Kompetenzen und Fertigkeiten durch die Förderung des gleichberechtigten Zugangs zu Blended Learning für alle sowie durch eine nachhaltige Finanzierung aus öffentlichen Mitteln in Absprache mit den Sozialpartnern und der Zivilgesellschaft zu verbessern.

1.3.

Der EWSA verweist auf seine Stellungnahme (3), in der er fordert, dass „bei der Umsetzung des Aktionsplans für digitale Bildung 2021-2027 ein wirksamer sozialer Dialog und die Konsultation der Interessenträger, die Achtung und Durchsetzung der Arbeitnehmerrechte sowie die Unterrichtung, Konsultation und Beteiligung der Arbeitnehmer an der Entwicklung digitaler und unternehmerischer Kompetenzen, insbesondere in der beruflichen Aus- und Weiterbildung, der Erwachsenenbildung und Mitarbeiterschulungen, sichergestellt werden müssen, um die Qualifikationslücken zu schließen, denen sich die Unternehmen gegenübersehen“.

1.4.

Der EWSA fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, auf den Bildungserfahrungen während der COVID-19-Krise aufzubauen und zu gewährleisten, dass Blended Learning mittels geeigneter pädagogischer Instrumente sorgfältig konzipiert und im Rahmen ausgewogener Lehrplänen praktiziert wird, damit allen Kindern ein adäquates und innovatives Lernumfeld und entsprechende Instrumente zur Verfügung gestellt werden. Die Mitgliedstaaten müssen die Einführung von Blended Learning sicherstellen, um die Qualität und Inklusion der Bildung, insbesondere von bedürftigen Kindern, zu fördern. Auch wenn der Blended-Learning-Ansatz sich weiter verbreitet und mehr Aufmerksamkeit erhält, bedarf es noch weiterer Forschungsarbeiten, insbesondere was die Benachteiligung im Bildungsbereich sowie die Primar- und unteren Sekundarschulklassen angeht.

1.5.

Der EWSA hält es zur Gewährleistung einer größeren Selbständigkeit der Schülerinnen und Schüler in ihren Lernprozessen für wichtig, dass Blended Learning allen und nicht nur den Einwohnern ländlicher Gebiete ohne Zugang zu schulischen Einrichtungen bzw. nicht nur im tertiären Bildungsbereich zur Verfügung steht, wo sich die Lernenden selbständig Wissen aneignen müssen.

1.6.

Der EWSA weist darauf hin, dass bei außerschulischem, projektbezogenem Lernen die Gesundheit und Sicherheit der Lernenden sowie insbesondere derer gewährleistet sein muss, die eine berufliche Aus- oder Weiterbildung absolvieren. Der während der COVID-19-Krise eingeführte langfristige Fernunterricht hat sich negativ auf das geistige und körperliche Wohlbefinden der Lernenden und Lehrkräfte sowie auf die Ergebnisse der Schülerinnen und Schüler ausgewirkt. Der EWSA begrüßt die in dem Vorschlag erhobene Forderung, dass qualifizierte Fachleute für den Bereich psychische Gesundheit das Wohlbefinden der Lernenden und Lehrkräfte effektiv unterstützen müssen.

1.7.

Der EWSA fordert die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass Blended Learning — im Anschluss an einen wirksamen Dialog mit den einschlägigen Sozialpartnern und Interessenträgern im Bildungsbereich — in ihren Bildungsstrategien so berücksichtigt wird, dass es hochwertiges und inklusives Lernen fördert, den Zugang zu einem guten Lehr- und Lernumfeld sowie die erforderlichen Instrumente und Hilfe für Lehrkräfte gewährleistet und ausnahmslos allen Lernenden zugutekommt.

1.8.

Der EWSA fordert die Mitgliedstaaten ferner auf, sicherzustellen, dass Blended Learning weder den sozialen Wert der Bildung noch die Relevanz des Präsenzunterrichts in den Bildungsprogrammen beeinträchtigt. Die Erfahrungen mit dem dringend benötigten Online-Unterricht und -Lernen während der COVID-19-Pandemie haben verdeutlicht, dass der Präsenzunterricht sowie die kontinuierlichen Interaktionen und Feedbacks zwischen Lehrkräften und Lernenden unersetzlich für eine hochwertige und inklusive Bildung sind. Für die Lernenden sind die Beziehungen zu den Lehrkräften ein Schlüsselfaktor ihrer Motivation und ihres Lernprozesses, die nicht durch Blended Learning untergraben werden dürfen.

1.9.

Der EWSA fordert die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass bei der Entwicklung individueller Bildungspläne dem Bedarf der Lernenden an Unterstützungstechnologie Rechnung getragen wird. Darüber hinaus müssen Lehrkräfte hierbei nach Ansicht des EWSA von entsprechendem Personal angemessen unterstützt werden, mit diesen Technologien vertraut sein und sie wirksam nutzen können, um den Bedürfnissen von Lernenden mit Behinderungen gerecht zu werden.

1.10.

Der EWSA betont die zentrale Rolle der Lehrkräfte beim Blended Learning. Personalaustausch, Kooperationsprojekte und individualisierter Unterricht sind möglich, wenn dafür ausreichend Arbeitszeit der Lehrkräfte eingeplant wird und wenn die Schulleitung dies unterstützt. Es ist sehr wichtig, eine Blended-Learning-Gemeinschaft zu fördern, um den Wert von Lehr- und Ausbildungstechnologien zu fördern.

1.11.

Darüber hinaus sollte Blended Learning nach Ansicht des EWSA zur Umsetzung der Schlussfolgerungen des Rates zu europäischen Lehrkräften und Ausbildern für die Zukunft beitragen, um die Inklusion und Qualität der Bildung zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang fordert der EWSA die Mitgliedstaaten auf, die Lehrkräfte bei ihren Vorbereitungen für die Unterstützung von Lernenden bei hochwertigem Blended Learning wirksam zu unterstützen, indem sie die berufliche Erstausbildung und Weiterbildung verbessern und aktualisieren und die Bedürfnisse von Lehrkräften und Lernenden dabei stärker berücksichtigen.

1.12.

Der EWSA begrüßt die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Förderung der IT-Kompetenz von Lehrkräften, wie z. B. Kurse zur digitalen Weiterbildung, Programme und Instrumente für Lehrkräfte sowie die Entwicklung und Verbreitung von Lernmodulen und -ressourcen im Internet und vor Ort. Darüber hinaus sollte mit dem Vorschlag auch das Recht der Lehrkräfte auf eine dem neuesten Stand entsprechende und zugängliche kontinuierliche berufliche Weiterbildung untermauert werden; dies sollte im Rahmen des sozialen Dialogs und der Tarifverhandlungen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene unter sinnvoller Einbeziehung der Sozialpartner im Bildungsbereich anerkannt werden.

1.13.

Der EWSA gibt zu bedenken, dass offene Online-Lehrveranstaltungen (MOOCs) nicht unbedingt interaktiv oder pädagogisch wertvoll sind. Daher fordert er die Kommission auf, auf der Plattform School Education Gateway eine vielfältigere Bildungsförderung für Lehrkräfte, Ausbilder, Schulleiter und Lehrerausbilder bereitzustellen, die zu einer Zertifizierung führt. Die für den Einsatz im Blended Learning mit Unterstützung der Kommission entwickelten technischen Ressourcen und Materialien müssen zuverlässig und nutzerfreundlich sein sowie in alle Amtssprachen der EU übersetzt und von allen Interessenträgern im Lernprozess einstimmig akzeptiert werden. Der EWSA empfiehlt, dass im Rahmen der Projekte der europäischen Erasmus-Lehrkräfteakademien auch dazu aufgefordert wird, gemeinsame, akkreditierte Lehrerausbildungsprogramme zur Verbesserung der Pädagogik im Blended Learning zu entwickeln. Die Rolle von Micro-Credentials sollte im Zusammenhang mit Blended Learning ebenfalls beleuchtet werden.

1.14.

Der EWSA begrüßt, dass der Schwerpunkt des Vorschlags auf dem Wohlbefinden und der Attraktivität des Lehrerberufs liegt, und schlägt den Mitgliedstaaten vor, mehr Lehrkräfte zu beschäftigen, um das Wohlergehen des Lehrpersonals zu fördern. Der EWSA stellt fest, dass sich der erhebliche Mangel an Lehrkräften und die unattraktiven Arbeitsbedingungen und Gehälter (4) nachteilig auf die Unterrichtsqualität auswirken. Dies kann die Entwicklung hochwertiger und inklusiver Blended-Learning-Systeme beeinträchtigen.

1.15.

Der EWSA merkt an, dass die Kombination von Präsenz- und Fernunterricht kreative und innovative Lehrkräfte (5) mit guten pädagogischen Fähigkeiten voraussetzt. Blended Learning muss auf jeden Fall so gestaltet werden, dass der Arbeitsbelastung und der Arbeitszeit der Lehrkräfte Rechnung getragen sowie gute Arbeitsbedingungen und ein unterstützendes Arbeitsumfeld für diese gewährleistet werden.

1.16.

Der EWSA empfiehlt, eine demokratische Schulleitung sicherzustellen, im Rahmen derer Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte ihren eigenen Lern- und Lehrprozess wirklich selbständig steuern. Der EWSA weist erneut darauf hin, wie wichtig es ist, demokratische Verwaltungsstrukturen in der allgemeinen und beruflichen Bildung sicherzustellen und diese zu stärken, wozu auch eine sinnvolle Konsultation der organisierten Zivilgesellschaft gehören sollte (6).

1.17.

Der EWSA stellt fest, dass Blended Learning außerhalb eines formalen Bildungssystems, z. B. informelles und nichtformales Lernen, anerkannt und in diesem Zusammenhang die Empfehlung des Rates vom 20. Dezember 2012 zur Validierung nichtformalen und informellen Lernens wirksam umgesetzt werden muss. Das informelle und nichtformale Lernen spielt nämlich eine wichtige Rolle, wenn es um die Förderung des Erwerbs wesentlicher sozialer, kommunikationsbezogener und kognitiver Kompetenzen geht, wie unter anderem Kreativität, aktive Bürgerschaft und Kompetenzen für das Arbeitsleben. Die Teilnahme an Validierungsverfahren muss für alle Menschen zugänglich sein und durch nachhaltige öffentliche Investitionen unterstützt werden.

1.18.

Der EWSA weist darauf hin, dass ein gut entwickeltes Blended Learning durch nachhaltige öffentliche Investitionen unterstützt und im Rahmen des Europäischen Semesters sowie mit Hilfe zusätzlicher EU-Mittel, etwa aus der Aufbau- und Resilienzfazilität, Erasmus+ und ESF+, herausgestellt werden muss. Die Unterstützung des Zugangs zu hochwertigen Online-Lernprogrammen ist für alle Lernenden von entscheidender Bedeutung. Es sind mehr Investitionen erforderlich, um insbesondere einen hochwertigen Fernunterricht für Lernende in der beruflichen Aus- und Weiterbildung sowie deren Zugang zu Instrumenten und Simulatoren zu gewährleisten, die ihnen ein selbständiges praktisches Lernen in einem sicheren Umfeld ermöglichen. Überdies sollten Gemeinschaftszentren für lebenslanges Lernen (7) und Bibliotheken zur Verfügung gestellt werden.

1.19.

Der EWSA stellt fest, dass die immer weiter verbreitete Nutzung digitaler Werkzeuge im Rahmen des Blended Learning zunehmend die Datensicherheit von Lernenden und Lehrkräften sowie die Rechte des geistigen Eigentums von Lehrkräften gefährdet. Daher sollten die Kommission und die Mitgliedstaaten in Absprache mit den Sozialpartnern und Interessenträgern im Bildungsbereich nachhaltige öffentliche Mittel bereitstellen und einen geeigneten Rechtsrahmen schaffen, um den Datenschutz und die Rechte des geistigen Eigentums im Bildungswesen zu wahren. Der EWSA sieht mit Sorge, dass in der Empfehlung damit gerechnet wird, dass „keine zusätzlichen Mittel benötigt werden“, um die in dem Vorschlag enthaltenen Pläne umzusetzen. Die Bereitstellung von Fördermitteln wäre eine Möglichkeit, um die Zusammenarbeit in Bereichen zu stärken, in denen die EU keine starke Kompetenz besitzt. Gefördert werden könnten etwa die Kosten für das Hosting, die Wartung und die Ausrüstung für die Integration einer Plattform, das Hosting der Lehrmittel, die Datensicherheit sowie die Ausstattung von Lehrkräften und Schülern. Werden keine entsprechenden Ressourcen bereitgestellt, geht dies vor allem zu Lasten der Schülerinnen und Schüler mit dem größten Unterstützungsbedarf.

1.20.

Der EWSA fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, sich mit der steigenden Zahl von Bildungsanbietern und dem Ausbau des EdTech-Sektors zu befassen, der durch die Umsetzung von Blended Learning in Bildungsprogrammen zunehmend begünstigt wird. Der EWSA fordert die Mitgliedstaaten dazu auf, nationale Regelungen zu treffen und darin auch die Möglichkeit vorzusehen, zum Schutz des öffentlichen Gutes, das Bildung darstellt, öffentliche Plattformen für das Online-Lehren und -Lernen einzurichten. Darüber hinaus sollten in sinnvoller Konsultation mit den Sozialpartnern und Interessenträgern im Bildungsbereich sowie unter uneingeschränkter Achtung der beruflichen Autonomie von Lehrkräften und Bildungspersonal, der akademischen Freiheit und der Autonomie der Bildungseinrichtungen öffentliche Plattformen geschaffen werden, ohne dabei Druck auf die Lehrkräfte oder das Bildungspersonal in Bezug auf das von ihnen verwendete Lehrmaterial und pädagogische Methoden auszuüben.

1.21.

Angesichts der Bedeutung des gesamten Bereichs des Blended Learning schlägt der EWSA vor, für diese Empfehlung eine differenzierte Messung und Datenerhebung je nach Alter der Kinder und Jugendlichen zu entwickeln und dabei ihre unterschiedlichen Entwicklungsbedürfnisse zu berücksichtigen; auf diese Weise sollten auch Informationen über entsprechende Parameter zu Benachteiligungen wie Mobbing und Schulabbruch gesammelt werden können. Die genauen Messungen können in Zusammenarbeit mit den relevanten Partnern entwickelt werden. Ebenso muss es eine klare Berichterstattung und Überwachung der Umsetzung der Empfehlung geben.

2.   Allgemeine Bemerkungen

2.1.

Gegenstand der vorliegenden Stellungnahme ist der Vorschlag für eine Verordnung des Rates zum Blended Learning für eine hochwertige und inklusive Primar- und Sekundarschulbildung. In dieser Stellungnahme wird außerdem ein Schwerpunkt auf die berufliche Erstausbildung auf Sekundarniveau gelegt. In der vorgeschlagenen Empfehlung wird weder eine reduzierte Präsenz der Lehrkräfte beim Lernen befürwortet, noch dazu ermutigt, mehr Stunden vor dem Bildschirm zu verbringen. Der EWSA begrüßt die Einbeziehung junger Menschen, die im gesamten Prozess beibehalten und fortgesetzt werden sollte.

2.2.

In einer Studie der Europäischen Kommission (8) heißt es, dass Blended Learning als ein hybrider Ansatz verstanden wird, bei dem Lernen in der Schule mit Fernunterricht, einschließlich Online-Lernen, kombiniert wird. Blended Learning ist ein flexibles Modell, mit dem die Fortschritte in einem Projekt oder Studium unterstützt werden können, ohne dass Lehrkräfte und Lernende sich jederzeit in demselben physischen Raum aufhalten müssen.

2.3.

Während das schulbasierte Lernen die sozialen Fähigkeiten, das Wohlbefinden, das Zugehörigkeitsgefühl der Lernenden, ein Gemeinschaftsgefühl und eine bessere persönliche Interaktion zwischen Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern sowie unter diesen steigert, kann gut organisiertes Blended Learning diese dabei unterstützen, selbständigere, individualisiertere und selbstgesteuerte Lernprozesse zu erreichen (9). Für das Lernen im Bereich Kunst mit Hilfe von Videomaterialien könnte dies sehr vielversprechend sein.

2.4.

Obwohl in dem Vorschlag Blended Learning als hybrider Ansatz beschrieben und dessen Flexibilität und Potenzial zur Förderung selbständigen Lernens betont wird, muss genauer geklärt werden, welche Rolle die Lehrkräfte und Ausbilder bei der Umsetzung des Blended Learning spielen. In diesem Zusammenhang muss dafür gesorgt werden, dass Blended Learning in Lehrplänen mit einem ganzheitlichen Schulkonzept umgesetzt wird, wobei die Bedürfnisse der Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler und ihrer Familien zu berücksichtigen sind. Außerdem ist es notwendig, dass Blended Learning während der Schulzeit erfolgt und nicht zu einer untragbaren Überlastung der Lehrkräfte oder zu einer zusätzlichen Belastung für die Familien der Schülerinnen und Schüler führt.

3.   Besondere Bemerkungen

3.1.

Durch die COVID-19-Krise wurden Schülerinnen und Schüler von Primar-, Sekundar- und Berufsschulen zu selbständigerem Lernen gezwungen. Schulen und Lehrkräfte mussten sich — meist ohne angemessene Vorbereitung — auf Online- und Fernunterricht im Notfallmodus einstellen und digitale Nachrichten, E-Mails, Online-Videochats und andere Möglichkeiten zur digitalen Kontaktaufnahme mit den Kindern nutzen, um auch in Zeiten von Ausgangsbeschränkungen und -sperren einen angemessenen Unterricht zu ermöglichen. Dies war auch für Kinder mit Behinderungen, die bei der Interaktion über digitale Medien stärker benachteiligt sind, eine große Herausforderung. Regierungen, Fernsehsender, Sozialpartner, Anbieter von allgemeiner und beruflicher Bildung, Nichtregierungsorganisationen und Einzelpersonen haben die Lehrkräfte bei der Einrichtung virtueller Klassenzimmer und Kooperationsplattformen äußerst schnell unterstützt, doch es bleibt noch eine ganze Menge mehr zu tun.

3.2.

Angesichts der enormen Auswirkungen der COVID-19-Krise auf junge Menschen und das Bildungssystem müssen wir auch in Bezug auf das Tempo der Veränderungen behutsam vorgehen. Die Vorbereitung auf die Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts braucht Zeit, und viele junge Menschen müssen sich an die Rückkehr zu „normalen Verhältnissen“ gewöhnen: Allzu große Veränderungen in zu kurzer Zeit können destabilisierend wirken. Kinder und Jugendliche haben die Hauptlast der COVID-19-Krise getragen. Ihre Bildung, Sozialisierung, wirtschaftlichen Aussichten und psychische Gesundheit haben während der Pandemie besonders schwer gelitten. Vorrang für den kommenden Zeitraum sollte die Normalisierung haben, und dabei sollte ein besonderer Schwerpunkt auf Wohlbefinden, psychische Gesundheit und formales Lernen gelegt werden.

3.3.

Der EWSA fragt sich besorgt, ob Schülerinnen und Schüler der Primar- und auch der unteren Sekundarschulklassen überhaupt mit Blended Learning umgehen können, da diese Altersgruppen häufig nicht über die notwendigen Kompetenzen verfügen, um in einem Blended-Learning-Umfeld aktiv zu lernen. In der Regel mangelt es ihnen an Selbststeuerung, kollaborativen Fähigkeiten, IKT-Kompetenzen, Wissensaufbau, Fähigkeiten zur Selbstbewertung und einigen anderen sogenannten Kompetenzen des 21. Jahrhunderts. Diese sind für ein erfolgreiches Lernen in einem gemischten Umfeld erforderlich; fehlt es den Lernenden an diesen Kompetenzen, dann stellt dies ein hochwertiges Blended Learning ernsthaft in Frage. Grundsätzliche muss mit dem probeweisen Übergang zu Blended Learning bei älteren und nicht jüngeren Schülern begonnen werden.

3.4.

Der EWSA weist darauf hin, dass Lernende in beruflicher Aus- und Weiterbildung während der COVID-19-Pandemie die meisten praktischen Lernerfahrungen in der Lehrlingsausbildung versäumt haben. Der mangelnde Zugang zu Breitband- und IT-Instrumenten, die unzureichende Interaktion zwischen Lehrkräften und Lernenden und der Mangel an geeigneten Lernumgebungen haben zu mehr Schulabbrüchen geführt, insbesondere bei Mädchen und sozioökonomisch benachteiligten Kindern. Blended Learning muss daher sorgfältig konzipiert und eingesetzt werden, damit allen Kindern ein inklusives Lernumfeld und adäquate Instrumente geboten werden. Der Schwerpunkt der Empfehlung liegt weitgehend auf der Primar- und Sekundarschulbildung sowie auf der beruflichen Erstausbildung auf Sekundarniveau. Dabei wäre es durchaus sinnvoll, auch das Potenzial von Blended Learning im Bereich der Lehrlingsausbildung zu beleuchten.

3.5.

In dem Vorschlag sind u. a. Maßnahmen in direkter Reaktion auf die Krise vorgesehen, „wobei dem körperlichen und geistigen Wohlergehen der Lernenden und ihrer Familien Vorrang eingeräumt wird“, sowie eine „Förderung der Entwicklung digitaler Kompetenzen von Lernenden und Familien“. In diesem Zusammenhang weist der EWSA darauf hin, wie wichtig es ist, im gesamten Bildungssystem für Wohlergehen und eine Stärkung der digitalen Kompetenzen zu sorgen, auch und insbesondere bei den Lehrkräften, Ausbildern und Schulleitern.

3.6.

Der EWSA begrüßt den Vorschlag der Kommission, in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten unterstützende Orientierungsmaterialien, Handbücher und andere konkrete Hilfsmittel zu entwickeln, die auf Nachweisen, Peer-Learning-Aktivitäten und bewährten Verfahren beruhen. Damit werden die identifizierten Lücken bei der Unterstützung der Entwicklung eines Blended-Learning-Ansatzes auf Schul- und Systemebene geschlossen. Auch die Sozialpartner und andere relevante Interessenträger sollten hierbei mitwirken. Jeder Übergang, jeder Wandel und jede Anpassung der Bildungssysteme muss mit äußerster Vorsicht erfolgen. Wir müssen absolut sicher sein, dass solche Veränderungen die Bildungsbenachteiligung und den Schulabbruch — wohl die größten Herausforderungen für unser Bildungssystem — in keiner Weise verschärfen.

3.7.

Nach Ansicht des EWSA hat Blended Learning das Potenzial, sowohl Lehre als auch Lernen vollständig zu verändern. In dem Vorschlag werden zwar die Möglichkeiten hervorgehoben, „die sich aus den Blended-Learning-Modellen ergeben, einschließlich der Verbesserung der Qualität und der Inklusivität der allgemeinen und beruflichen Bildung sowie der umfassenden Kompetenzentwicklung und des Wohlbefindens der Lernenden“, doch sollten nach Ansicht des EWSA die Grenzen bei der Umsetzung von Blended Learning sorgsam geprüft werden. Dies ist besonders in ländlichen und armen Gebieten wichtig, wo es keine Infrastruktur (Zugang zu Breitband- und IT-Instrumenten) und kein unterstützendes Umfeld (häusliche Umgebung, finanzieller Hintergrund usw.) gibt, die ein hochwertiges Blended Learning für die Lernenden gewährleisten. Die Anbindung an leistungsfähige und zuverlässige Netzwerke ist von entscheidender Bedeutung, insbesondere wenn die gesamte Familie für ihre Tätigkeiten einen Internet-Anschluss benötigt. Darüber hinaus verfügen nicht alle Schülerinnen und Schüler über ausreichende digitale Kompetenzen, Selbstdisziplin oder Autonomie, um dem Unterricht selbständig zu folgen und Aufgaben ohne persönliche Interaktion mit Lehrkräften zu erledigen. Generell hängt erfolgreiches Blended Learning — insbesondere bei jüngeren Schülerinnen und Schülern — in hohem Maße von der Betreuung und Unterstützung durch ihre Eltern ab. Dies birgt die Gefahr, Ungleichheiten bei ihren Lernergebnissen zu schaffen bzw. diese weiter zu vergrößern und könnte zu einem Anstieg der Schulabbrecherquote führen, da nicht alle Eltern in der Lage sind, diese Aufgabe effektiv wahrzunehmen, bzw. nicht die Zeit dafür haben.

3.8.

Obwohl die Bildungssysteme in den letzten Jahren zunehmend privatisiert wurden, sollte Blended Learning in Bildungsprogrammen so umgesetzt werden, dass Rechenschaftspflicht und Transparenz bei der Verwaltung der öffentlichen Bildungssysteme vor dem Einfluss privater und kommerzieller Interessen und Akteure geschützt werden. Bildung als öffentliches Gut darf nicht durch Blended Learning untergraben werden.

3.9.

Vor der COVID-19-Pandemie sahen sich Lehrkräfte der Herausforderung einer aufgrund verschiedener sozioökonomischer Belastungen wachsenden Lernlücke zwischen den Schülerinnen und Schülern gegenüber. Weitere Faktoren sind Rassismus, Segregation, ein allgemeiner Rückgang der Aufwärtsmobilität und ein Abschwung der Weltwirtschaft. Generell wurden etwa Hausaufgaben zunehmend wichtiger, was die Leistungslücken noch vergrößert hat. Isolation und Selbststudium haben zudem schädliche psychologische Auswirkungen. Für viele Lernende, insbesondere aus sozioökonomisch benachteiligten Verhältnissen, ist die persönliche Interaktion mit Lehrkräften und Gleichaltrigen eine wichtige Bereicherung und trägt zur Verringerung von Lernlücken bei. Die anhaltende COVID-19-Pandemie hat diese Lernlücken, auch bei den digitalen Kompetenzen, noch verschärft, wobei mehr Lernende Gefahr laufen, Lernverluste zu erleiden.

3.10.

Der EWSA weist darauf hin, dass die Erstausbildung und die kontinuierliche berufliche Weiterbildung von Lehrkräften nicht ausreichen, um diesen die erforderlichen Kompetenzen zu vermitteln, darunter auch digitale Kompetenzen, pädagogische Methoden und Unterrichtsmaterialien, um im Rahmen von Blended Learning zu unterrichten. Dies gilt insbesondere für die Arbeit mit Schülerinnen und Schülern mit besonderen Bedürfnissen, in einem multikulturellen Umfeld und mit benachteiligten Lernenden, was noch problematischer ist, da dies gerade jene Gruppen von Lernenden trifft, die in der derzeitigen Situation zusätzliche Unterstützung benötigen. Das Europäische Behindertenforum fordert einen gleichberechtigten Zugang zu Bildungsangeboten für Arbeitnehmer und Studierende mit Behinderungen sowie die Bereitstellung von Maßnahmen wie Gebärdendolmetschen, Live-Untertitelung und an die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen angepasste Arbeit.

3.11.

Die im Vorschlag genannten Selbstbewertungsinstrumente wie das künftige SELFIE-Tool für Lehrkräfte können die Umsetzung von Blended Learning unterstützen. Der EWSA weist jedoch auf die Gefahr hin, dass es mit diesen Instrumenten zu einem Benchmarking von Bildungseinrichtungen im Hinblick auf die Erstellung von Schulranglisten und -ligen sowie zu Wettbewerben zwischen den einzelnen Schulen kommen könnte. Bei der Umsetzung von Blended Learning müssen die Besonderheiten der Bildungseinrichtungen und die Prioritäten für den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) berücksichtigt werden, die der Zustimmung von Lehrkräften, Ausbildern und Schulleitern unterliegen sollten.

3.12.

Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen muss im Einklang mit Artikel 12 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes stärker auf einer echten laufenden Beteiligung der Betroffenen beruhen. Abgesehen von einer Konsultation wird den Ansichten von Kindern in der Empfehlung keine große Bedeutung beigemessen. Diese Lücke sollte geschlossen werden. Momentan konzipieren viele Mitgliedstaaten Modelle bewährter Verfahren, und die EU entwickelt ihre eigene Kinderrechtsstrategie. Diese Art von Veränderung sollte sich letztendlich in der Schulverwaltung und -bewertung niederschlagen.

Brüssel, den 20. Oktober 2021

Die Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Christa SCHWENG


(1)  COM(2020) 625 final; COM(2020) 624 final; ABl. C 66 vom 26.2.2021, S. 1; ABl. C 221 vom 10.6.2021, S. 3.

(2)  ABl. C 56 vom 16.2.2021, S. 1.

(3)  ABl. C 286 vom 16.7.2021, S. 27.

(4)  EC: Teachers in Europe Careers, Development and Well-being, 2021.

(5)  EC: Blended learning in school education — guidelines for the start of the academic year 2020/21.

(6)  ABl. C 286 vom 16.7.2021, S. 27.

(7)  Downes, P. (2011). Multi/Interdisciplinary Teams for Early School Leaving Prevention: Developing a European Strategy Informed by International Evidence and Research. Europäische Kommission, NESET (Netzwerk von Experten für soziale Aspekte der allgemeinen und beruflichen Bildung), Generaldirektion Bildung und Kultur, Brüssel.

(8)  Blended learning in school education — guidelines for the start of the academic year 2020/21, Europäische Kommission.

(9)  Ebda.


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