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Document 52022PC0091

Vorschlag für einen DURCHFÜHRUNGSBESCHLUSS DES RATES zur Feststellung des Bestehens eines Massenzustroms von Vertriebenen aus der Ukraine im Sinne des Artikels 5 der Richtlinie 2001/55/EG des Rates vom 20. Juli 2001 und zur Einführung eines vorübergehenden Schutzes

COM/2022/91 final

Brüssel, den 2.3.2022

COM(2022) 91 final

2022/0069(NLE)

Vorschlag für einen

DURCHFÜHRUNGSBESCHLUSS DES RATES

zur Feststellung des Bestehens eines Massenzustroms von Vertriebenen aus der Ukraine im Sinne des Artikels 5 der Richtlinie 2001/55/EG des Rates vom 20. Juli 2001 und zur Einführung eines vorübergehenden Schutzes


BEGRÜNDUNG

1.KONTEXT DES VORSCHLAGS

Gründe und Ziele des Vorschlags

Aktivierung der Anwendung der Richtlinie 2001/55/EG des Rates vom 20. Juli 2001 durch einen Durchführungsbeschluss des Rates über die Feststellung des Bestehens eines Massenzustroms von Vertriebenen aus der Ukraine im Sinne des Artikels 5 der Richtlinie 2001/55/EG des Rates vom 20. Juli 2001 und zur Einführung eines vorübergehenden Schutzes gemäß den Bestimmungen dieser Richtlinie

Im Anschluss an den Beginn der russischen Militärinvasion in der Ukraine am 24. Februar 2022 verurteilte der Europäische Rat in seinen Schlussfolgerungen vom selben Tag die grundlose und ungerechtfertigte militärische Aggression der Russischen Föderation (im Folgenden „Russland“) gegen die Ukraine aufs Schärfste und kritisierte die massive Verletzung des Völkerrechts und der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen sowie die Gefährdung der Sicherheit und Stabilität in Europa und weltweit. Der Europäische Rat forderte Russland auf, die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine innerhalb seiner international anerkannten Grenzen uneingeschränkt zu achten, wozu auch das Recht der Ukraine gehört, über ihr eigenes Schicksal zu bestimmen. Die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten unterstrichen ferner, dass die russische Regierung die volle Verantwortung für diesen Akt der Aggression sowie für das dadurch verursachte Leid und den Verlust von Menschenleben trägt und dass sie für ihr Handeln zur Rechenschaft gezogen wird. In Solidarität mit der Ukraine einigte sich der Europäische Rat auf ein zweites Sanktionspaket.

Vor diesem Hintergrund rief der Europäische Rat dazu auf, die Arbeiten zur Vorsorge auf allen Ebenen voranzubringen, und ersuchte die Kommission, Notfallmaßnahmen vorzuschlagen.

Die Europäische Union ist unmittelbar vom Krieg an ihren Außengrenzen betroffen, insbesondere durch den zunehmenden Migrationsdruck, der sich aus den vielen Tausenden von Menschen ergibt, die in den EU-Mitgliedstaaten Schutz suchen. Innerhalb weniger Tage, bis Anfang März, waren bereits mehr als 650 000 Vertriebene über Polen, die Slowakei, Ungarn und Rumänien in die Europäische Union gekommen. Es ist davon auszugehen, dass diese Zahlen noch weiter steigen werden. Die VN haben einen dringenden humanitären Hilfsappell für den Schutz- und Hilfsbedarf in der Ukraine und den Krisenplan zur Unterstützung der Flüchtlinge in der Region Ukraine auf den Weg gebracht, in dem genaue Angaben zur Zahl der in Not befindlichen Menschen und der im Rahmen der Hilfe zu unterstützenden Menschen gemacht werden.

Die Ukraine gehört zu den Ländern, bei denen für Einreisen in die EU kein Visum verlangt wird. 1 Daher sind Inhaber ukrainischer biometrischer Reisepässe bei Reisen in die EU von der Visumpflicht befreit. Ausgehend von den Erfahrungen nach der rechtswidrigen Annexion der Autonomen Republik Krim und der Stadt Sewastopol durch Russland und dem Krieg in der Ostukraine wird erwartet, dass die Hälfte der Ukrainer, die im Rahmen des visumfreien Reiseverkehrs in die Europäische Union kommen, Familienangehörigen nachzieht oder eine Beschäftigung in der Union sucht; die andere Hälfte wird möglicherweise internationalen Schutz beantragen. Je nach Entwicklung des Konflikts wird die EU wahrscheinlich eine beträchtliche Zahl von Personen aufnehmen. Schätzungen zufolge könnten 2,5 bis 6,5 Millionen Menschen aufgrund des bewaffneten Konflikts vertrieben werden; davon könnten zwischen 1,2 und 3,2 Millionen internationalen Schutz beantragen. Schätzungen des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) zufolge werden schlimmstenfalls möglicherweise bis zu 4 Millionen Menschen aus der Ukraine fliehen.

Diese Zahlen, die Schwere der Kampfhandlungen und die Nähe zu den EU-Außengrenzen zeigen, dass die Europäische Union wahrscheinlich mit einer Situation konfrontiert sein wird, die durch einen Massenzustrom von Ukrainern und anderen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, die sich zum Zeitpunkt des Konflikts rechtmäßig in der Ukraine aufhalten und die Ukraine wegen der russischen Invasion verlassen müssen, gekennzeichnet ist.

Um auf diese Situation zu reagieren, legt die Kommission einen Vorschlag für einen Durchführungsbeschluss des Rates vor, der es dem Rat ermöglicht, auf der Grundlage der Richtlinie 2001/55/EG über vorübergehenden Schutz vom 20. Juli 2001 2 das Bestehen eines Massenzustroms von vertriebenen Ukrainern und anderen Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen, die sich zum Zeitpunkt des Konflikts rechtmäßig in der Ukraine aufhalten, festzustellen.

Diese Richtlinie wurde nach dem Konflikt im ehemaligen Jugoslawien angenommen, als Europa zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg infolge eines Konflikts in Europa mit Massenvertreibungen in ganz Europa konfrontiert war. Sie sollte insbesondere dazu dienen, gemeinsam eine ausgewogene Verteilung von Vertriebenen innerhalb Europas zu erreichen, indem Kriegsflüchtlingen sofortiger Schutz gewährt wird, um so eine Überlastung der Asylsysteme der Mitgliedstaaten zu vermeiden. Die in der Richtlinie über vorübergehenden Schutz enthaltenen Bestimmungen und die nationalen Umsetzungsmaßnahmen würden es den Mitgliedstaaten ermöglichen, die Ströme von Vertriebenen auf kontrollierte und wirksame Weise unter uneingeschränkter Achtung der Grundrechte und internationalen Verpflichtungen zu bewältigen.

Ziel dieses Vorschlags ist es, die Anwendung der Richtlinie über den vorübergehenden Schutz zu aktivieren, in dem gemäß Artikel 5 der Richtlinie die wichtigsten Elemente, einschließlich einer Beschreibung der spezifischen Personengruppen, für die der vorübergehende Schutz gelten sollte, und des Zeitpunkts, zu dem der vorübergehende Schutz wirksam wird, dargelegt werden. Nach Annahme des Durchführungsbeschlusses des Rates müssen die Mitgliedstaaten die Maßnahmen anwenden, die sie zur Umsetzung und Durchführung der Richtlinie über vorübergehenden Schutz getroffen haben, und somit ihren in Kapitel III der Richtlinie festgelegten Verpflichtungen gegenüber Personen, die vorübergehenden Schutz genießen, nachkommen.

Mit dem Vorschlag wird ein vorübergehender Schutz für drei Personengruppen eingeführt:

·Ukrainische Staatsangehörige mit Wohnsitz in der Ukraine, die nach der militärischen Invasion russischer Streitkräfte am 24. Februar 2022 vertrieben wurden;

·Drittstaatsangehörige oder Staatenlose mit rechtmäßigem Aufenthalt in der Ukraine, die nach der militärischen Invasion russischer Streitkräfte am 24. Februar 2022 vertrieben wurden und wegen der Lage in ihrem Herkunftsland oder ihrer Herkunftsregion nicht sicher und dauerhaft dorthin zurückkehren können. Dies könnte Personen umfassen, denen zum Zeitpunkt der Ereignisse, die zu dem Massenzustrom geführt haben, in der Ukraine der Flüchtlingsstatus oder ein gleichwertiger Schutz zuerkannt war oder die sich zu diesem Zeitpunkt dort als Asylbewerber aufhielten, Drittstaatsangehörige, die sich zum Zeitpunkt der Ereignisse, die zu dem Massenzustrom geführt haben, langfristig rechtmäßig in der Ukraine aufgehalten haben, sollten vorübergehenden Schutz genießen, unabhängig davon, ob sie unter sicheren und dauerhaften Bedingungen in ihr Herkunftsland oder ihre Herkunftsregion zurückkehren könnten; und

·Familienangehörige der beiden oben angeführten Gruppen von Personen, sofern die Familie zum Zeitpunkt der den Massenzustrom auslösenden Umstände in der Ukraine bereits bestand, unabhängig davon, ob der Familienangehörige sicher und dauerhaft in sein Herkunftsland zurückkehren könnte. Im Einklang mit der Richtlinie 2001/55 des Rates gelten als Familienangehörige der Ehegatte der Person, der vorübergehend Schutz gewährt wird, oder der mit ihr in einer dauerhaften Beziehung lebende nicht verheiratete Partner, sofern nach den ausländerrechtlichen Vorschriften und den Gepflogenheiten des betreffenden Mitgliedstaats nicht verheiratete Paare verheirateten Paaren gleichgestellt sind; die minderjährigen ledigen Kinder der beiden oben angeführten Gruppen von Personen oder ihrer Ehegatten, gleichgültig, ob es sich um ehelich oder außerehelich geborene oder adoptierte Kinder handelt; andere enge Verwandte, die zum Zeitpunkt der den Massenzustrom auslösenden Ereignisse innerhalb des Familienverbands lebten und vollständig oder größtenteils von einer Person abhängig waren, die einer der beiden genannten Personengruppen angehört.

Der vorübergehende Schutz ist in der derzeitigen Situation das geeignete Instrument. Angesichts der Tatsache, dass die militärische Invasion der Ukraine durch Russland eine absolute Ausnahmesituation darstellt, und des Ausmaßes des Massenzustroms sollte der vorübergehende Schutz es Vertriebenen rasch ermöglichen, in der gesamten Union harmonisierte Rechte in Anspruch zu nehmen, die ein angemessenes Schutzniveau bieten, einschließlich eines Aufenthaltstitels, der Möglichkeit der Ausübung einer abhängigen oder selbstständigen Erwerbstätigkeit, einer angemessenen Unterbringung, der notwendigen Hilfe in Form von Sozialleistungen, medizinischer oder sonstiger Hilfe und der Mittel zur Sicherung des Lebensunterhalts. Unbegleiteten Minderjährigen sollte der vorübergehende Schutz außerdem ermöglichen, eine gesetzliche Vormundschaft in Anspruch zu nehmen. Personen unter 18 Jahren sollten auch Zugang zu Bildung haben.

Die Einführung des vorübergehenden Schutzes käme auch den von dem Massenzustrom betroffenen Mitgliedstaaten zugute, da die mit dem vorübergehenden Schutz verbundenen Rechte dafür sorgen dürften, dass die Vertriebenen nicht unverzüglich internationalen Schutz beantragen müssen, was die Asylsysteme der betreffenden Mitgliedstaaten überlasten würde, und die Formalitäten aufgrund der Dringlichkeit der Lage auf ein Minimum reduziert würden. Durch die in der Richtlinie über den vorübergehenden Schutz vorgesehenen Maßnahmen und die Umsetzung nationaler Maßnahmen würden die Mitgliedstaaten daher in der Lage versetzt, den Zustrom von Vertriebenen auf kontrollierte und wirksame Weise unter uneingeschränkter Achtung der Grundrechte und internationalen Verpflichtungen zu bewältigen.

Der vorübergehende Schutz würde es den Mitgliedstaaten ermöglichen, sich für den derzeitigen und bevorstehenden Zustrom von Vertriebenen aus der Ukraine, die internationalen Schutz suchen, zu wappnen. Ferner würde er die Mitgliedstaaten in die Lage versetzen, eine Lösung für diejenigen Ukrainer zu finden, die aufgrund der Tatsache, dass sie von der Visumpflicht befreit sind, sich nach Ablauf ihres 90-tägigen legalen Aufenthalts in der Union um einen anderen Status bemühen werden. Nach den Erfahrungen aus dem Jahr 2014 ist davon auszugehen, dass viele von ihnen dann internationalen Schutz beantragen werden, da dieser ihre einzige Alternative darstellt. Somit wird mit diesem Vorschlag auch der Forderung des Europäischen Rates entsprochen, die Arbeiten, die dazu dienen, vorbereitet und gerüstet zu sein, voranzubringen, und er ist Teil der Reaktion der Union auf den Migrationsdruck, der infolge des militärischen Eindringens Russlands in die Ukraine entsteht.

Nicht zuletzt fördern die Bestimmungen gemäß der Richtlinie über den vorübergehenden Schutz eine ausgewogene Verteilung der Anstrengungen zwischen den Mitgliedstaaten, die die Folgen der Aufnahme von Vertriebenen aus der Ukraine tragen. Ukrainische Staatsangehörige können sich als von der Visumpflicht befreite Reisende nach ihrer Einreise in das Gebiet der EU frei dort bewegen, sodass sie zu ihren Familienangehörigen und Freunden in den aktuell in der Europäischen Union bestehenden großen Diasporagemeinschaften gelangen können, wodurch eine ausgewogene Verteilung der Anstrengungen zwischen den Mitgliedstaaten erleichtert wird. Dies würde der Union und ihren Mitgliedstaaten helfen, zu einem Zeitpunkt, zu dem sehr viele Menschen in der EU eintreffen, eine effiziente und kontrollierte Steuerung des Zustroms von Vertriebenen aus der Ukraine innerhalb der Europäischen Union sicherzustellen.

Der Durchführungsbeschluss des Rates wird es der EU ermöglichen, die Aufnahmekapazitäten in den Mitgliedstaaten zu koordinieren und genau zu überwachen, damit erforderlichenfalls Maßnahmen ergriffen und zusätzliche Unterstützung geleistet werden können. Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, im Benehmen mit der Kommission zusammenzuarbeiten und Informationen auszutauschen, um die Gewährung des vorübergehenden Schutzes zu erleichtern. Dies kann im Wege einer „Solidaritätsplattform“ geschehen, über die die Mitgliedstaaten Informationen über ihre Aufnahmekapazitäten und die Zahl der Personen austauschen, die in ihrem Hoheitsgebiet vorübergehenden Schutz genießen. Zu diesem Zweck sieht der Vorschlag eine koordinierende Rolle der Kommission vor. Darüber hinaus wurden in den letzten Jahren verschiedene Plattformen eingerichtet mit dem Ziel, die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Im vorliegenden Vorschlag wird unter diesen Plattformen die Nutzung des Vorsorge- und Krisenmanagementnetzes für Migration (gemäß der Empfehlung (EU) 2020/1366 der Kommission vom 23. September 2020 über einen Vorsorge- und Krisenmanagementmechanismus der EU für Migration) für die in der Richtlinie 2001/55/EG vorgesehene Verwaltungszusammenarbeit als das am besten geeignete Forum erachtet.

In den Jahren seit der Annahme der Richtlinie wurden mehrere EU-Agenturen eingerichtet oder ihre Mandate gestärkt. Aus diesem Grund sieht dieser Vorschlag ausdrücklich vor, dass die Kommission mit der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex), der Asylagentur der Europäischen Union und der Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung (Europol) zusammenarbeitet, um die Lage ständig zu beobachten und zu überprüfen.

Gemäß der Richtlinie 2001/55/EG beträgt die Dauer des vorübergehenden Schutzes ein Jahr und kann, sofern er nicht anderweitig beendet wird, automatisch um weitere Sechsmonatszeiträume bis zu einer Gesamtdauer von höchstens einem Jahr verlängert werden. Im Rahmen ihrer Überwachungsfunktion und gemäß Artikel 6 der Richtlinie 2001/55/EG kann die Kommission dem Rat jederzeit vorschlagen, den vorübergehenden Schutz aufgrund der Tatsache, dass die Lage in der Ukraine die sichere und dauerhafte Rückkehr der Personen, denen vorübergehender Schutz gewährt wurde, ermöglicht, zu beenden. Ebenso kann die Kommission dem Rat vorschlagen, den vorübergehenden Schutz zu verlängern, wenn der ursprüngliche Zeitraum als nicht ausreichend erachtet wird, um den Mitgliedstaaten eine wirksame Bewältigung der Lage zu ermöglichen, oder wenn die Situation weiterhin keine sichere Rückkehr der Personen, die vorübergehenden Schutz genießen, in die Ukraine zulässt.

Kohärenz mit den bestehenden Vorschriften in diesem Politikbereich

Dieser Vorschlag steht voll und ganz im Einklang mit dem Besitzstand der EU im Asylbereich, da die Richtlinie über den vorübergehenden Schutz integraler Bestandteil des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist und so konzipiert ist, dass eine außergewöhnliche Situation eines Massenzustroms von Vertriebenen, wie sie derzeit aufgrund der Invasion der Ukraine durch Russland gegeben ist, bewältigt werden kann. Er steht zudem voll und ganz im Einklang mit dem Ziel der Europäischen Union, einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu schaffen, der allen offensteht, die wegen besonderer Umstände rechtmäßig um internationalen Schutz in der Europäischen Union nachsuchen.

Die Elemente des Vorschlags stehen ferner im Einklang mit dem Migrations- und Asylpaket vom September 2020 und den begleitenden Legislativvorschlägen. Im Rahmen des Pakets schlug die Kommission vor, die Richtlinie über den vorübergehenden Schutz aufzuheben und sie durch eine verbesserte Verordnung zu ersetzen, mit der das Konzept des vorübergehenden Schutzes beibehalten wird, aber Krisen und Fälle höherer Gewalt im Bereich Migration und Asyl umfassender angegangen werden, und so sicherzustellen, dass die neuen europäischen Instrumente im Rahmen des im Paket vorgeschlagenen neuen umfassenden Ansatzes untereinander kohärent sind. Da jedoch derzeit die Verhandlungen über die betreffenden Legislativvorschläge laufen und ihre Annahme nicht unmittelbar bevorsteht, kann die Verordnung zur Bewältigung von Krisen und Fällen höherer Gewalt nicht in Anspruch genommen werden, um auf die unmittelbaren Herausforderungen der Krise in der Ukraine zu reagieren. Die Richtlinie über den vorübergehenden Schutz ist der derzeit geltende Besitzstand und bietet das Instrument für den wirksamen und verhältnismäßigen Umgang mit der Situation.

Kohärenz mit der Politik der Union in anderen Bereichen

Dieser Vorschlag steht voll und ganz im Einklang mit der Notwendigkeit, starke Außengrenzen aufrechtzuerhalten, indem den Mitgliedstaaten ermöglicht wird, mögliche Anträge auf internationalen Schutz ordnungsgemäß zu bearbeiten, ohne dass ihre Asylsysteme im Falle eines Massenzustroms vertriebener Ukrainer überlastet werden, und trägt so dazu bei, Probleme an den Grenzübergangsstellen an den östlichen Außengrenzen der Europäischen Union zu vermeiden. Er steht auch im Einklang mit dem auswärtigen Handeln der Union, wie etwa den Sanktionen und anderen restriktiven Maßnahmen der EU, und sollte parallel zu ihnen genutzt werden. Dieser Vorschlag ist Teil eines umfassenden Maßnahmenpakets der EU als Reaktion auf das militärische Eindringen Russlands in die Ukraine.

2.RECHTSGRUNDLAGE, SUBSIDIARITÄT UND VERHÄLTNISMÄẞIGKEIT

Rechtsgrundlage

Die Rechtsgrundlage für diesen Vorschlag ist die Richtlinie 2001/55/EG des Rates vom 20. Juli 2001 über Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen und Maßnahmen zur Förderung einer ausgewogenen Verteilung der Belastungen, die mit der Aufnahme dieser Personen und den Folgen dieser Aufnahme verbunden sind, auf die Mitgliedstaaten, insbesondere Artikel 5.

Subsidiarität (bei nicht ausschließlicher Zuständigkeit)

Titel V AEUV zum Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts verleiht der Europäischen Union in diesem Bereich gewisse Befugnisse. Diese Befugnisse müssen im Einklang mit Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union ausgeübt werden, d. h. nur sofern und soweit die Mitgliedstaaten die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen nicht ausreichend verwirklichen können, weil diese wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind.

Eine Situation, in der das ordnungsgemäße Funktionieren der Asylsysteme der Mitgliedstaaten durch einen Massenzustrom von Vertriebenen auf der Flucht aus Gebieten eines bewaffneten Konflikts in einem Land in der Nachbarschaft der Europäischen Union bedroht ist, sollte als Beeinträchtigung der EU als Ganzes betrachtet werden, sodass Lösungen und Unterstützung auf EU-Ebene erforderlich sind. Alle Mitgliedstaaten müssen rasch reagieren und Unterstützung leisten, um wirksam auf einen derartigen Zustrom zu reagieren und dieselben Standards und harmonisierten Rechte in der gesamten Union zu gewährleisten.

Da diese Ziele naturgemäß grenzübergreifender Art sind, sind Maßnahmen auf EU-Ebene erforderlich, um sie zu verwirklichen. Es liegt auf der Hand, dass gemeinsame Probleme eine gemeinsame Vorgehensweise der EU erfordern und sich nicht durch Maßnahmen einzelner Mitgliedstaaten zufriedenstellend bewältigen lassen.

Eine solche gemeinsame Vorgehensweise kann auf Ebene der einzelnen Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden; dies ist angesichts des Umfangs und der Wirkungen dieses vorgeschlagenen Durchführungsbeschlusses des Rates besser auf Unionsebene möglich. Im Einklang mit dem in Artikel 5 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union verankerten Subsidiaritätsprinzip muss die Union daher tätig werden und kann Maßnahmen erlassen.

Verhältnismäßigkeit

Gemäß dem in Artikel 5 Absatz 4 des Vertrags über die Europäische Union verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit werden in diesem vorgeschlagenen Durchführungsbeschluss des Rates die spezifischen Personengruppen, für die dieser Beschluss gilt, der Zeitpunkt des Wirksamwerdens des vorübergehenden Schutzes und die geschätzte Zahl der vertriebenen Personen beschrieben.

Alle Elemente der vorgeschlagenen Maßnahmen zum Umgang mit der besonderen Situation eines Massenzustroms von Vertriebenen aus der Ukraine in die Europäische Union sind eindeutig in der Richtlinie über den vorübergehenden Schutz beschrieben und auf das Maß beschränkt, das notwendig ist, damit die Mitgliedstaaten die Lage auf geordnete und wirksame Weise bewältigen können und die Gleichbehandlung der Personen im Hinblick auf Rechte und Garantien gewährleistet ist. Im Einklang mit den Anforderungen der Richtlinie über den vorübergehenden Schutz sind die Maßnahmen auch zeitlich befristet und auf das beschränkt, was unbedingt erforderlich ist, damit die betroffenen Mitgliedstaaten die Lage an den Außengrenzen im Osten der Europäischen Union, die die Sicherheit und Stabilität der Europäischen Union gefährdet, bewältigen können. Die Mitgliedstaaten können gemäß der Richtlinie auch günstigere Regelungen anwenden.

Wahl des Instruments

Artikel 5 des Beschlusses 2001/55/EG des Rates erfordert einen Durchführungsbeschluss des Rates zur Feststellung eines Massenzustroms von Vertriebenen und zur Einführung eines vorübergehenden Schutzes für Vertriebene.

3.ERGEBNISSE DER EX-POST-BEWERTUNG, DER KONSULTATION DER INTERESSENTRÄGER UND DER FOLGENABSCHÄTZUNG

Faktengestützte Politikgestaltung

Der Vorschlag wurde angesichts der aktuellen Situation als Vorhaben von hoher Dringlichkeit ausgearbeitet. Er umfasst Bestimmungen zur Zusammenarbeit zwischen der Kommission, den Mitgliedstaaten und EU-Agenturen; außerdem verpflichtet er die Mitgliedstaaten, einschlägige Daten und Statistiken über das EU-Vorsorge- und Krisenmanagementnetz für Migration zu melden. Die Belege über den möglichen Umfang der Bewegungen basieren auf den jüngsten Daten, die über das EU-Vorsorge- und Krisenmanagementnetz für Migration gemeldet wurden, und den ausgearbeiteten Szenarien, angefangen bei Szenarien von UN-Agenturen für Binnenvertriebene über gesammelte Informationen über die nach 2014 festgestellten Bewegungen (sowohl von Asylsuchenden als auch im Rahmen legaler Migration) bis hin zur Größe und Zusammensetzung der (russischen/nicht-russischen) Bevölkerung in den von den verschiedenen Szenarien betroffenen Gebieten. Es wurden fünf erste Szenarien abhängig von der Intensität des russischen Angriffs auf die Ukraine ausgearbeitet.

Das Szenario D geht von einer Militärinvasion großer Teile der Ukraine aus, darunter der drei größten Städte: Kiew, Charkiw und Odessa, wie es derzeit geschieht. Das Szenario E geht von einer drastischen Zunahme der Feindseligkeiten und einer Invasion des gesamten Landes aus. Auf der Grundlage dieser Szenarien ist mit der Ankunft von zwischen 2,5 und 6,5 Millionen Vertriebenen in der Europäischen Union zu rechnen. Schätzungen des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) zufolge werden schlimmstenfalls möglicherweise bis zu 4 Millionen Menschen aus der Ukraine fliehen.

Angesichts der im Nachgang zu den Ereignissen von 2014 beobachteten Trends bei den Aufenthaltsgenehmigungen und den Anträgen auf internationalen Schutz wird wahrscheinlich die Hälfte der Vertriebenen von den in der gesamten EU vorhandenen großen Diasporagemeinschaften aufgenommen und Möglichkeiten der legalen Migration nutzen – hauptsächlich, jedoch nicht nur in „traditionellen“ Zielländern (Polen, Tschechische Republik, Deutschland, Italien und Spanien) und ohne dabei die Aufnahmekapazitäten dieser Länder zu belasten. Die andere Hälfte, zwischen 1,2 und 3,5 Millionen Menschen, könnte über einen Zeitraum von zwei Jahren um internationalen Schutz ersuchen.

Konsultation der Interessenträger und Einholung und Nutzung von Expertenwissen

Als eine mögliche russische Militärinvasion in der Ukraine wahrscheinlich wurde, aktivierte die Kommission den regulären Überwachungsmechanismus über das EU-Vorsorge- und Krisenmanagementnetz für Migration, um mit den Mitgliedstaaten, dem Europäischen Auswärtigen Dienst und einschlägigen EU-Agenturen zu beraten sowie Daten, Informationen und Erkenntnisse auszutauschen, die regelmäßig gemeldet werden. Die Kommission konsultierte auch den Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, der die Lage bewertet und einschlägige Informationen übermittelt hat. Der Hohe Kommissar begrüßte die Unterstützung vieler Mitgliedstaaten für die Aktivierung der Anwendung der Richtlinie 2001/55/EG zur Gewährung sofortiger und vorübergehender Zuflucht in der Union und zur Erleichterung der Aufteilung der Verantwortung für die aus der Ukraine fliehenden Menschen unter den europäischen Staaten.

Grundrechte

Dieser Vorschlag steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die insbesondere mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt wurden, sowie mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen, einschließlich des Genfer Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 in der durch das New Yorker Protokoll vom 31. Januar 1967 geänderten Fassung.

4.AUSWIRKUNGEN AUF DEN HAUSHALT

Da sich dieser Vorschlag auf eine Krisensituation bezieht, lassen sich die möglichen Auswirkungen auf den Haushalt nicht im Voraus abschätzen. Der Finanzbedarf wird aus der Mittelausstattung der Finanzierungsinstrumente der EU im Bereich Migration, Asyl und Grenzmanagement für die Zeiträume 2014-2020 bzw. 2021-2027 bestritten. Die Kommission wird prüfen, wie die Mittel der Fonds im Bereich Inneres in vollem Umfang genutzt werden können. Sollte sich die Lage weiter verschärfen, könnten ausnahmsweise im MFR 2021-2027 verfügbare Mittel genutzt werden. Falls sich darüber hinaus weiterer Sonderbedarf ergibt, könnten die Flexibilitätsmechanismen innerhalb des MFR 2021-2027 aktiviert werden.

5.WEITERE ANGABEN

Ausführliche Erläuterung einzelner Bestimmungen des Vorschlags

In Artikel 1 wird das Bestehen eines Massenzustroms von Vertriebenen in die Union festgestellt, die infolge eines bewaffneten Konflikts die Ukraine verlassen mussten.

In Artikel 2 wird die spezifische Personengruppe, der vorübergehender Schutz gewährt wird, beschrieben. Mit dieser Bestimmung wird ein vorübergehender Schutz für vertriebene ukrainische Staatsangehörige mit Wohnsitz in der Ukraine eingeführt, die infolge der militärischen Invasion russischer Streitkräfte seit dem 24. Februar 2022 vertrieben wurden. Im Einklang mit dem Geist der Richtlinie 2001/55/EG wird mit Artikel 2 zudem ein vorübergehender Schutz für Drittstaatsangehörige sowie Staatenlose mit rechtmäßigem Aufenthalt in der Ukraine eingeführt, die seit dem 24. Februar 2022 vertrieben wurden und in ihr Herkunftsland oder ihre Herkunftsregion wegen der dort herrschenden Lage nicht sicher und dauerhaft zurückkehren können. Dazu können Personen zählen, denen zum Zeitpunkt der Ereignisse, die zu dem Massenzustrom geführt haben, in der Ukraine die Flüchtlingseigenschaft oder ein gleichwertiger Schutz zuerkannt war oder die sich zu diesem Zeitpunkt dort als Asylbewerber aufhielten. Drittstaatsangehörigen, die sich zum Zeitpunkt der Ereignisse, die zu dem Massenzustrom geführt haben, langfristig rechtmäßig in der Ukraine aufhielten, sollte vorübergehender Schutz gewährt werden, unabhängig davon, ob sie sicher und dauerhaft in ihr Herkunftsland oder ihre Herkunftsregion zurückkehren könnten.

Da es ferner wichtig ist, den Familienverband zu wahren und zu vermeiden, dass für einzelne Mitglieder derselben Familie ein unterschiedlicher Status gilt, wird mit Artikel 2 auch ein vorübergehender Schutz für Familienangehörige eingeführt, deren Familie zum Zeitpunkt der den Massenzustrom auslösenden Umstände in der Ukraine bereits bestand, unabhängig davon, ob sie selbst sicher und dauerhaft in ihr Herkunftsland zurückkehren könnten. Als Familienangehörige gelten der Ehegatte der Person, der vorübergehend Schutz gewährt wird, oder der mit ihr eine dauerhafte Beziehung führende nicht verheiratete Partner, sofern nach dem Ausländerrecht des betreffenden Mitgliedstaats nicht verheiratete Paare gemäß den Rechtsvorschriften oder den Gepflogenheiten ähnlich behandelt werden wie verheiratete Paare, die minderjährigen ledigen Kinder der Person, der vorübergehend Schutz gewährt wird, oder ihres Ehegatten, gleichgültig, ob es sich um ehelich oder außerehelich geborene oder adoptierte Kinder handelt, sowie andere enge Verwandte, die zum Zeitpunkt der den Massenzustrom auslösenden Umstände innerhalb des Familienverbands lebten und für ihren Unterhalt vollständig oder größtenteils auf die Person, der vorübergehend Schutz gewährt wird, angewiesen waren.

In Artikel 3 wird festgelegt, dass das Vorsorge- und Krisenmanagementnetz für Migration als wichtigste Plattform für die Gewährleistung einer Verwaltungszusammenarbeit nach Artikel 27 der Richtlinie 2001/55/EG des Rates dienen wird. Gemäß dieser Bestimmung sollten die Mitgliedstaaten ferner durch den Austausch relevanter Informationen im Rahmen der integrierten EU-Regelung für die politische Reaktion auf Krisen (IPCR) und gegebenenfalls in Abstimmung mit dem Europäischen Auswärtigen Dienst zu einem gemeinsamen Lagebewusstsein der Union beitragen. Dort wird zudem festgelegt, dass der Kommission zur Gewährleistung der Zusammenarbeit und des Informationsaustauschs zwischen den Mitgliedstaaten insbesondere in Bezug auf die Überwachung der Aufnahmekapazitäten in jedem Mitgliedstaat und die Ermittlung eines etwaigen Bedarfs an zusätzlicher Unterstützung eine Koordinierungsrolle zukommt. Zu diesem Zweck wird die Kommission in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten, der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex), der Asylagentur der Europäischen Union und der Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung (Europol) die Lage ständig beobachten und bewerten. Ferner sollten diese EU-Agenturen die Mitgliedstaaten unterstützen.

In Artikel 4 wird angesichts der Ausnahmesituation und der Dringlichkeit festgelegt, dass der Durchführungsbeschluss des Rates am Tag seiner Veröffentlichung in Kraft tritt.

2022/0069 (NLE)

Vorschlag für einen

DURCHFÜHRUNGSBESCHLUSS DES RATES

zur Feststellung des Bestehens eines Massenzustroms von Vertriebenen aus der Ukraine im Sinne des Artikels 5 der Richtlinie 2001/55/EG des Rates vom 20. Juli 2001 und zur Einführung eines vorübergehenden Schutzes

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Richtlinie 2001/55/EG des Rates vom 20. Juli 2001 über Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen und Maßnahmen zur Förderung einer ausgewogenen Verteilung der Belastungen, die mit der Aufnahme dieser Personen und den Folgen dieser Aufnahme verbunden sind, auf die Mitgliedstaaten 3 , insbesondere auf Artikel 5,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)Am 24. Februar 2022 starteten russische Streitkräfte ausgehend von der Russischen Föderation, von Belarus und von ukrainischen Gebieten, die nicht von der Regierung des Landes kontrolliert werden, an mehreren Orten eine groß angelegte Invasion der Ukraine.

(2)Infolgedessen sind beträchtliche Teile des ukrainischen Hoheitsgebiets nun Gebiete bewaffneter Konflikte, aus denen Tausende Personen geflohen sind.

(3)Im Anschluss an diese Invasion verurteilte der Europäische Rat in seinen Schlussfolgerungen vom 24. Februar 2022 die grundlose und ungerechtfertigte militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine, durch die die Sicherheit und Stabilität Europas und der Welt gefährdet wird, aufs Schärfste und kritisierte die massive Verletzung des Völkerrechts und der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen. Der Europäische Rat forderte, dass Russland die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen uneingeschränkt achtet, wozu auch das Recht der Ukraine gehört, über ihr eigenes Schicksal zu bestimmen. Der Europäische Rat erklärte ferner, dass die russische Regierung die volle Verantwortung für diesen Akt der Aggression sowie für das dadurch verursachte Leid und den Verlust von Menschenleben trägt und dass sie für ihr Handeln zur Rechenschaft gezogen werden wird. In Solidarität mit der Ukraine verabschiedete der Europäische Rat ein zweites Sanktionspaket, rief zu Vorbereitungsarbeiten auf allen Ebenen auf und ersuchte die Kommission, Notfallmaßnahmen vorzuschlagen.

(4)Die Union hat die Ukraine und ihre Bürgerinnen und Bürger, die mit einer beispiellosen Aggression seitens der Russischen Föderation konfrontiert sind, entschlossen unterstützt und wird dies auch weiterhin tun. Dieser Vorschlag ist Teil der Reaktion der Union auf den Migrationsdruck, der von der russischen Militärinvasion in der Ukraine verursacht wird.

(5)Der Konflikt hat bereits Auswirkungen auf die Union, wozu auch die Wahrscheinlichkeit gehört, dass sich während des Konflikts an ihren östlichen Grenzen ein hoher Migrationsdruck aufbaut. Am 1. März waren bereits mehr als 650 000 Vertriebene über Polen, die Slowakei, Ungarn und Rumänien in die Europäische Union gekommen. Es ist davon auszugehen, dass diese Zahlen noch zunehmen werden.

(6)Da die Ukraine in Anhang II der Verordnung (EU) 2018/1806 4 aufgeführt ist, sind Staatsangehörige der Ukraine für einen Aufenthalt, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, von der Pflicht, beim Überschreiten der Außengrenzen der Mitgliedstaaten im Besitz eines Visums zu sein, befreit. Ausgehend von den Erfahrungen nach der rechtswidrigen Annexion der Autonomen Republik Krim und der Stadt Sewastopol durch Russland im Jahr 2014 und dem Krieg in der Ostukraine wird erwartet, dass die Hälfte der Ukrainer, die im Rahmen des für einen kurzfristigen Aufenthalt geltenden visumfreien Reiseverkehrs in die Union kommen, Familienangehörigen nachzieht oder eine Beschäftigung in der Union sucht, während die andere Hälfte internationalen Schutz beantragt. Je nach Entwicklung des Konflikts dürfte die Union den aktuellen Schätzungen zufolge mit einer sehr großen Zahl – möglicherweise zwischen 2,5 Millionen und 6,5 Millionen – Vertriebenen als Folge des bewaffneten Konflikts konfrontiert werden, wobei davon ausgegangen wird, dass zwischen 1,2 Millionen und 3,2 Millionen von ihnen internationalen Schutz beantragen. Nach Schätzungen des Hohen Flüchtlingskommissariats der Vereinten Nationen werden im schlimmsten Fall möglicherweise bis zu 4 Millionen Menschen aus der Ukraine fliehen.

(7)Diese Zahlen zeigen, dass die Union wahrscheinlich mit einer Situation konfrontiert sein wird, die durch einen Massenzustrom von Vertriebenen aus der Ukraine gekennzeichnet ist, die aufgrund der militärischen Aggression Russlands nicht in ihr Herkunftsland oder ihre Herkunftsregion zurückkehren können, und dass aufgrund des Ausmaßes des Zustroms auch eindeutig die Gefahr besteht, dass die Asylsysteme der Mitgliedstaaten die Einreisen nicht ohne Beeinträchtigung ihrer Funktionsweise und ohne Nachteile für die betroffenen Personen oder andere um Schutz nachsuchende Personen bearbeiten können.

(8)Die VN haben einen dringenden humanitären Hilfsappell für den Schutz- und Hilfsbedarf in der Ukraine und den Krisenplan zur Unterstützung der Flüchtlinge in der Region Ukraine auf den Weg gebracht, in dem genaue Angaben zur Zahl der in Not befindlichen Menschen und der im Rahmen der Hilfe zu unterstützenden Menschen gemacht werden.

(9)Das Hohe Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen begrüßte die von vielen Mitgliedstaaten bekundete Unterstützung für die Aktivierung der Richtlinie 2001/55/EG, die eine sofortige, vorübergehende Zuflucht in der Union ermöglicht und die Aufteilung der Verantwortung für die Menschen, die aus der Ukraine fliehen, unter den europäischen Staaten erleichtert.

(10)Als Reaktion auf diese Situation sollte das Bestehen eines Massenzustroms von Vertriebenen im Sinne der Richtlinie 2001/55/EG festgestellt werden, was die Einführung eines vorübergehenden Schutzes für die betroffenen Vertriebenen zur Folge hat.

(11)Ziel dieses Durchführungsbeschlusses ist es, einen vorübergehenden Schutz für ukrainische Staatsangehörige mit Wohnsitz in der Ukraine einzuführen, die infolge der militärischen Invasion russischer Streitkräfte am 24. Februar 2022 seit diesem Zeitpunkt vertrieben wurden. Im Einklang mit dem Geist der Richtlinie 2001/55/EG sollte zudem ein vorübergehender Schutz für Drittstaatsangehörige mit rechtmäßigem Aufenthalt in der Ukraine eingeführt werden, die seit dem 24. Februar 2022 vertrieben wurden und in ihr Herkunftsland oder ihre Herkunftsregion wegen der dort herrschenden Lage nicht sicher und dauerhaft zurückkehren können. Dies könnte Personen umfassen, denen zum Zeitpunkt der Ereignisse, die zu dem Massenzustrom geführt haben, in der Ukraine der Flüchtlingsstatus oder ein gleichwertiger Schutz zuerkannt war oder die sich zu diesem Zeitpunkt dort als Asylbewerber aufhielten, Darüber hinaus sollte für nicht-ukrainische Drittstaatsangehörige, die in der Ukraine langfristig aufenthaltsberechtigt sind, die Bedingung, dass sie nicht in ihr Herkunftsland oder ihre Herkunftsregion zurückkehren können, nicht gelten, und sie sollten daher ebenfalls vorübergehenden Schutz genießen. Ferner ist es wichtig, den Familienverband zu wahren und zu vermeiden, dass für einzelne Mitglieder derselben Familie ein unterschiedlicher Status gilt. Daher muss ein vorübergehender Schutz für Familienangehörige eingeführt werden, deren Familie zum Zeitpunkt der den Massenzustrom auslösenden Umstände in der Ukraine bereits bestand, unabhängig davon, ob sie selbst sicher und dauerhaft in ihr Herkunftsland zurückkehren könnten.

(12)Jedoch sollten nicht-ukrainische Drittstaatsangehörige oder Staatenlose, die sicher und dauerhaft in ihr Herkunftsland oder ihre Herkunftsregion zurückkehren können und die nicht als in der Ukraine langfristig Aufenthaltsberechtigte oder als Familienangehörige einer Person, die vorübergehenden Schutz genießt, angesehen werden können, nicht in den Anwendungsbereich dieses Beschlusses fallen. Zu diesen Personen könnten Drittstaatsangehörige gehören, die zum Zeitpunkt der Ereignisse, die zu dem Massenzustrom geführt haben, kurzfristig in der Ukraine studiert oder gearbeitet haben und die sicher in ihr Herkunftsland zurückkehren können. Diesen Personen sollte die Einreise in die Union dennoch aus humanitären Gründen gestattet werden, ohne dass von ihnen verlangt wird, insbesondere im Besitz eines gültigen Visums oder ausreichender Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts oder eines gültigen Reisedokuments zu sein, um eine sichere Durchreise im Hinblick auf die Rückkehr in ihr Herkunftsland oder ihre Herkunftsregion zu gewährleisten.

(13)Nach der Richtlinie 2001/55/EG können die Mitgliedstaaten den vorübergehenden Schutz weiteren – von diesem Beschluss des Rates nicht erfassten – Gruppen von Vertriebenen gewähren, sofern sie aus den gleichen Gründen vertrieben wurden und aus demselben Herkunftsland oder derselben Herkunftsregion kommen. In diesem Fall sollten sie den Rat und die Kommission umgehend davon unterrichten. In diesem Zusammenhang sollten die Mitgliedstaaten aufgefordert werden, die Ausdehnung des vorübergehenden Schutzes auf Personen in Erwägung zu ziehen, die kurz vor dem 24. Februar 2022, als die Spannungen zunahmen, aus der Ukraine geflohen sind oder die sich kurz vor diesem Zeitpunkt (z. B. im Urlaub oder zur Arbeit) im Gebiet der Union befunden haben und die infolge des bewaffneten Konflikts nicht in die Ukraine zurückkehren können.

(14)Der vorübergehende Schutz ist in der derzeitigen Situation das am besten geeignete Instrument. Angesichts der Tatsache, dass die militärische Invasion der Ukraine durch die Russische Föderation eine absolute Ausnahmesituation darstellt, und in Anbetracht des Ausmaßes des Massenzustroms sollte der vorübergehende Schutz es Vertriebenen ermöglichen, in der gesamten Union harmonisierte Rechte in Anspruch zu nehmen, die ein angemessenes Schutzniveau bieten. Die Einführung des vorübergehenden Schutzes käme auch den Mitgliedstaaten zugute, da die Vertriebenen infolge der mit dem vorübergehenden Schutz verbundenen Rechte nicht unverzüglich internationalen Schutz beantragen müssen und sich folglich die Gefahr einer Überlastung der Asylsysteme der Mitgliedstaaten verringert, da die Formalitäten aufgrund der Dringlichkeit der Lage auf ein Minimum reduziert würden. Darüber hinaus haben ukrainische Staatsangehörige als von der Visumpflicht befreite Reisende das Recht, sich innerhalb der Union frei zu bewegen, nachdem ihnen die Einreise in deren Gebiet für einen Zeitraum von 90 Tagen gestattet wurde. Auf dieser Grundlage können sie den Mitgliedstaat wählen, in dem sie die mit dem vorübergehenden Schutz verbundenen Rechte in Anspruch nehmen wollen, und ihrer Familie und ihren Freunden in den derzeit in der Union bestehenden beachtlichen Diaspora-Netzwerken nachziehen. Dies wird in der Praxis eine ausgewogene Verteilung der Belastungen zwischen den Mitgliedstaaten erleichtern und so den Druck auf die nationalen Aufnahmesysteme verringern. Sobald ein Mitgliedstaat einen Aufenthaltstitel nach der Richtlinie 2001/55/EG erteilt hat, hat die Person, die vorübergehenden Schutz genießt, zwar das Recht, 90 Tage innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen in der Union zu reisen, sollte aber nur die Rechte geltend machen können, die sich aus dem vorübergehenden Schutz in dem Mitgliedstaat ergeben, der den Aufenthaltstitel erteilt hat. Dies sollte einem Mitgliedstaat nicht die Möglichkeit nehmen zu beschließen, Personen, die nach diesem Durchführungsbeschluss vorübergehenden Schutz genießen, jederzeit einen Aufenthaltstitel zu erteilen.

(15)Dieser Beschluss wäre mit nationalen Regelungen für den vorübergehenden Schutz vereinbar und kann in Ergänzung zu diesen Regelungen angewendet werden, die als Umsetzung der Richtlinie gelten können. Wenn der Mitgliedstaat über eine nationale Regelung verfügt, die günstiger ist als die Richtlinie, sollte der Mitgliedstaat diese Regelung weiter anwenden können, da die Mitgliedstaaten nach der Richtlinie 2001/55/EG für Personen, die unter den vorübergehenden Schutz fallen, günstigere Regelungen treffen oder beibehalten können. Sollte die nationale Regelung jedoch weniger günstig sein, so sollte der Mitgliedstaat die in der Richtlinie vorgesehenen zusätzlichen Rechte gewähren.

(16)Die Richtlinie 2001/55/EG trägt der Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit gebührend Rechnung, da sie es den Mitgliedstaaten ermöglicht, einen Vertriebenen vom vorübergehenden Schutz auszuschließen, wenn ernsthafte Gründe zur Annahme bestehen, dass die betreffende Person ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Instrumente begangen hat, die ausgearbeitet wurden, um Bestimmungen für diese Verbrechen vorzusehen, dass sie vor ihrer Aufnahme in den Aufnahmemitgliedstaat als Person, die vorübergehenden Schutz genießt, ein schweres Verbrechen des gemeinen Rechts außerhalb jenes Mitgliedstaates begangen hat oder dass sie sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen. Die Richtlinie ermöglicht es den Mitgliedstaaten auch, einen Vertriebenen vom vorübergehenden Schutz auszuschließen, wenn triftige Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Aufnahmemitgliedstaats oder eine Gefahr für die Allgemeinheit im Aufnahmemitgliedstaat darstellt.

(17)Bei der Gewährung vorübergehenden Schutzes sollten die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass im Zuge der Verarbeitung personenbezogener Daten der Personen, die vorübergehenden Schutz genießen, die Anforderungen der Datenschutzvorschriften der Europäischen Union, insbesondere der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates 5 , eingehalten werden.

(18)Dieser Durchführungsbeschluss sollte es der Union ermöglichen, die Aufnahmekapazitäten in den Mitgliedstaaten zu koordinieren und genau zu überwachen, um erforderlichenfalls Maßnahmen ergreifen und zusätzliche Unterstützung leisten zu können. Die Richtlinie 2001/55/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten, im Benehmen mit der Kommission zusammenzuarbeiten und Informationen auszutauschen, um die Gewährung des vorübergehenden Schutzes zu erleichtern. Dies sollte über eine „Solidaritätsplattform“ geschehen, auf der die Mitgliedstaaten Informationen über ihre Aufnahmekapazitäten und die Zahl der Personen austauschen, die in ihrem Hoheitsgebiet vorübergehenden Schutz genießen. Auf der Grundlage der Informationen, die einige Mitgliedstaaten im Rahmen des Vorsorge- und Krisenmanagementnetzes für Migration übermittelt haben, liegen die über die Aufnahmekapazität der in der Union ansässigen Diaspora hinausgehenden Aufnahmekapazitäten bei mindestens 310 000 Plätzen. Für die Zwecke dieses Informationsaustauschs sollte die Kommission eine Koordinierungsrolle übernehmen. Darüber hinaus wurden in den letzten Jahren verschiedene Plattformen eingerichtet mit dem Ziel, die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Von diesen Plattformen ist das Vorsorge- und Krisenmanagementnetz für Migration (gemäß der Empfehlung (EU) 2020/1366 der Kommission) für die in der Richtlinie 2001/55/EG des Rates vorgesehene Verwaltungszusammenarbeit am besten geeignet. Die Mitgliedstaaten sollten auch ermutigt werden, durch den Austausch relevanter Informationen im Rahmen der integrierten EU-Regelung für die politische Reaktion auf Krisen (IPCR) zu einem gemeinsamen Lagebewusstsein der Union beizutragen. Gegebenenfalls sollte der Europäische Auswärtige Dienst konsultiert werden. In diesem Zusammenhang sollten die Mitgliedstaaten auch eng mit dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen zusammenarbeiten.

(19)Gemäß der Richtlinie 2001/55/EG sollte die Dauer des vorübergehenden Schutzes zunächst ein Jahr betragen. Wird der vorübergehende Schutz nicht gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie beendet, so verlängert sich dieser Zeitraum automatisch um jeweils sechs Monate, höchstens jedoch um ein Jahr. Die Kommission wird die Lage ständig beobachten und überprüfen. Sie kann dem Rat jederzeit vorschlagen, den vorübergehenden Schutz zu beenden, sobald die Lage in der Ukraine die sichere und dauerhafte Rückkehr der Personen, denen vorübergehender Schutz gewährt wurde, ermöglicht, oder den vorübergehenden Schutz um höchstens ein Jahr zu verlängern.

(20)Für die Zwecke des Artikels 24 der Richtlinie 2001/55/EG des Rates ist die Bezugnahme auf den mit der Entscheidung 2000/596/EG errichteten Europäischen Flüchtlingsfonds als Bezugnahme auf den mit der Verordnung (EU) 2021/1147 eingerichteten Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds zu verstehen. Alle Bemühungen der Mitgliedstaaten, die Verpflichtungen aus diesem Durchführungsbeschluss zu erfüllen, werden aus den Unionsfonds finanziell unterstützt. Über Notfall- und Flexibilitätsmechanismen des Mehrjährigen Finanzrahmens 2021-2027 können auch Mittel mobilisiert werden, um einen punktuellen Bedarf an Hilfsleistungen in den Mitgliedstaaten zu decken. Darüber hinaus wurde das Katastrophenschutzverfahren der Union aktiviert. 6 Im Rahmen dieses Verfahrens können die Mitgliedstaaten lebensnotwendige Güter für die Befriedigung der Bedürfnisse der Vertriebenen aus der Ukraine, die sich in ihrem Hoheitsgebiet aufhalten, anfordern und für die Bereitstellung dieser Hilfe eine Kofinanzierung erhalten.

(21)Seit der Annahme der Richtlinie 2001/55/EG wurden mehrere Agenturen der Union eingerichtet oder ihre Mandate gestärkt. In diesem Zusammenhang sollte die Kommission mit der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex), der Asylagentur der Europäischen Union (EUAA) und der Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung (Europol) zusammenarbeiten, um die Lage ständig zu beobachten und zu überprüfen. Darüber hinaus sollten die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex), die Asylagentur der Europäischen Union (EUAA) und Europol den Mitgliedstaaten, die um Hilfe bei der Bewältigung der Situation ersucht haben, operative Unterstützung leisten, auch im Hinblick auf die Anwendung dieses Durchführungsbeschlusses.

(22)Dieser Durchführungsbeschluss steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert sind.

(23)Nach Artikel 4 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügten Protokolls Nr. 21 über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts hat Irland mit Schreiben vom 11. April 2003 mitgeteilt, dass es sich an der Annahme und Anwendung der Richtlinie 2001/55/EG beteiligen möchte. Irland ist daher an diesen Durchführungsbeschluss des Rates gebunden.

(24)Nach den Artikeln 1 und 2 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügten Protokolls Nr. 22 über die Position Dänemarks beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme dieses Durchführungsbeschlusses und ist weder durch diesen Durchführungsbeschluss gebunden noch zu seiner Anwendung verpflichtet.

(25)Angesichts der Dringlichkeit der Lage sollte dieser Durchführungsbeschluss am Tag seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft treten —

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

Gegenstand

Hiermit wird das Bestehen eines Massenzustroms von Vertriebenen in die Union festgestellt, die infolge eines bewaffneten Konflikts die Ukraine verlassen mussten.



Artikel 2

Personen, für die der vorübergehende Schutz gilt

(1)Dieser Beschluss gilt für die folgenden Gruppen von Personen, die nach der militärischen Invasion der russischen Streitkräfte am 24. Februar 2022 vertrieben wurden:

a)ukrainische Staatsangehörige mit Wohnsitz in der Ukraine;

b)Drittstaatsangehörige oder Staatenlose, die sich rechtmäßig in der Ukraine aufhalten und die nicht sicher und dauerhaft in ihr Herkunftsland oder ihre Herkunftsregion zurückkehren können.

Das Erfordernis der unmöglichen sicheren und dauerhaften Rückkehr in das Herkunftsland oder die Herkunftsregion gilt nicht für Drittstaatsangehörige oder Staatenlose mit rechtmäßigem langfristigem Aufenthalt in der Ukraine;

c)Familienangehörige der unter den Buchstaben a und b genannten Personen, unabhängig davon, ob der Familienangehörige sicher und dauerhaft in sein Herkunftsland oder seine Herkunftsregion zurückkehren könnte.

(2)Für die Zwecke des Absatzes 1 Buchstabe c gelten folgende Personen als Teil einer Familie, sofern die Familie zum Zeitpunkt der den Massenzustrom auslösenden Umstände bereits in der Ukraine bestand:

a)der Ehegatte einer in Absatz 1 Buchstabe a oder b genannten Person oder ihr nicht verheirateter Partner, der mit dieser Person in einer dauerhaften Beziehung lebt, sofern nicht verheiratete Paare nach den ausländerrechtlichen Rechtsvorschriften oder den Gepflogenheiten des betreffenden Mitgliedstaats verheirateten Paaren gleichgestellt sind;

b)die minderjährigen ledigen Kinder einer in Absatz 1 Buchstabe a oder b genannten Person oder ihres Ehepartners, gleichgültig, ob es sich um ehelich oder außerehelich geborene oder adoptierte Kinder handelt;

c)andere enge Verwandte, die zum Zeitpunkt der den Massenzustrom auslösenden Umstände innerhalb des Familienverbands lebten und vollständig oder größtenteils von einer in Absatz 1 Buchstabe a oder b genannten Person abhängig waren.

Artikel 3

Zusammenarbeit und Überwachung

(1)Für die Zwecke des Artikels 27 der Richtlinie 2001/55/EG nutzen die Mitgliedstaaten das Vorsorge- und Krisenmanagementnetz für Migration gemäß der Empfehlung (EU) 2020/1366. Die Mitgliedstaaten sollten durch den Austausch relevanter Informationen im Rahmen der integrierten EU-Regelung für die politische Reaktion auf Krisen auch zu einem gemeinsamen Lagebewusstsein der Union beitragen.

(2)Die Kommission koordiniert die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten, insbesondere in Bezug auf die Überwachung der Aufnahmekapazitäten in jedem Mitgliedstaat und die Ermittlung eines etwaigen Bedarfs an zusätzlicher Unterstützung.

Zu diesem Zweck beobachtet und überprüft die Kommission in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten, der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex), der Asylagentur der Europäischen Union (EUAA) und der Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung (Europol) ständig die Lage unter Nutzung des Vorsorge- und Krisenmanagementnetzes für Migration nach Absatz 1.

Darüber hinaus leisten die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex), die Asylagentur der Europäischen Union (EUAA) und Europol den Mitgliedstaaten, die um Hilfe bei der Bewältigung der Situation ersucht haben, operative Unterstützung, auch im Hinblick auf die Anwendung dieses Durchführungsbeschlusses.

Artikel 4

Dieser Beschluss tritt am Tag seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Geschehen zu Brüssel am […]

   Im Namen des Rates

   Der Präsident

(1)    Verordnung (EU) 2018/1806 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen der Mitgliedstaaten im Besitz eines Visums sein müssen (Anhang I der Verordnung) sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige für einen Aufenthalt, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, von dieser Visumpflicht befreit sind (Anhang II der Verordnung). Die Visumbefreiung gilt für Inhaber biometrischer Reisepässe, die von der Ukraine im Einklang mit den Normen der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) ausgestellt wurden.
(2)    ABl. L 212 vom 7.8.2001, S. 12.
(3)    ABl. L 212 vom 7.8.2001, S. 12.
(4)    Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39).
(5)    Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 11 vom 4.5.2016, S. 1).
(6)    Seit dem 28. Februar 2022 von der Slowakei.
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