Übermittlung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke zwischen EU-Ländern (bis 2022)
ZUSAMMENFASSUNG DES DOKUMENTS:
Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den EU-Ländern
WAS IST DER ZWECK DIESER VERORDNUNG?
Ihr Ziel besteht darin, ein schnelles, sicheres und standardisiertes Übermittlungsverfahren für gerichtliche* und außergerichtliche Schriftstücke* in Zivil- oder Handelssachen zwischen den Parteien einzuführen, die sich in verschiedenen Ländern der Europäischen Union (EU) befinden.
Durch die Verordnung (EU) 2020/1784 (siehe Zusammenfassung) wird Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 mit Wirkung vom 1. Juli 2022 aufgehoben und ersetzt.
WICHTIGE ECKPUNKTE
Geltungsbereich
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Diese Verordnung gilt für alle Zivil- und Handelssachen, in denen gerichtliche oder außergerichtliche Schriftstücke zum Zwecke der Übermittlung von einem EU-Land in ein anderes übermittelt werden müssen.
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Sie gilt nicht für
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Steuersachen,
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Zollsachen,
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verwaltungsrechtliche Angelegenheiten sowie
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die Haftung des Staates für Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte.
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Die Verordnung findet keine Anwendung, wenn die Anschrift des Empfängers des Schriftstücks unbekannt ist.
Weitere Verbesserung der Zustellung (Übermittlung) gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke
Mit der Verordnung wird Folgendes eingeführt:
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eine Regel, die besagt, dass die Empfangsstelle alle nötigen Schritte unternehmen muss, um das Schriftstück so bald wie möglich zu übermitteln, in jedem Fall aber innerhalb eines Monats nach Eingang;
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ein Formblatt zur Belehrung des Zustellungsempfängers über sein Recht, die Annahme des Schriftstücks bei der Zustellung oder dadurch zu verweigern, dass er das Schriftstück binnen einer Woche an die Empfangsstelle zurücksendet;
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eine Regel, die besagt, dass die Kosten, die dadurch entstehen, dass bei der Zustellung eine Amtsperson oder eine andere nach dem Recht des EU-Empfangslands zuständige Person mitwirkt, einer von diesem EU-Land nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der Nichtdiskriminierung im Voraus festgesetzten einheitlichen Festgebühr entsprechen müssen;
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einheitliche Bedingungen für die Zustellung durch Postdienste (Einschreiben mit Rückschein oder gleichwertigem Beleg).
Stellen innerhalb der EU-Länder sorgen für die Übermittlung
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EU-Länder benennen Stellen, die für die Übermittlung und den Empfang von Schriftstücken zuständig sind. Sie müssen der Europäischen Kommission deren Namen und Anschriften, die Bereiche, für die sie örtlich zuständig sind, sowie die jeweils akzeptierten Sprachen und die Möglichkeiten für den Empfang von Schriftstücken mitteilen.
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Jedes EU-Land verfügt darüber hinaus über eine Zentralstelle, die dafür zuständig ist, den Übermittlungsstellen Auskünfte zu erteilen, eventuell auftretende Schwierigkeiten zu beheben und in Ausnahmefällen einen Zustellungsantrag der Übermittlungsstelle an die zuständige Empfangsstelle weiterzuleiten.
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Bundesstaaten, Staaten mit mehreren Rechtssystemen oder Staaten mit autonomen Gebietskörperschaften können mehrere Zentralstellen benennen. Die Benennung hat eine Gültigkeitsdauer von fünf Jahren und kann alle fünf Jahre erneuert werden.
Beschleunigung des Zustellens gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke
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Etwaige vor der Übermittlung des Schriftstücks anfallende Übersetzungskosten trägt der Antragsteller, der Schriftstücke an die Übermittlungsstelle übergibt. Die Übermittlungsstelle hat den Antragsteller davon in Kenntnis zu setzen, dass der Empfänger die Annahme des Schriftstücks verweigern darf, wenn es nicht in einer Sprache, die der Empfänger versteht, oder in der Amtssprache des EU-Lands, in dem die Zustellung erfolgen soll, abgefasst ist.
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Schriftstücke müssen unmittelbar und so schnell wie möglich zwischen den Stellen übermittelt werden, wobei die Übermittlung auf jedem geeigneten Übermittlungsweg erfolgen kann, solange die Schriftstücke lesbar sind und dem Original genau entsprechen. Dem Schriftstück ist ein Antrag unter Verwendung des im Anhang der Verordnung abgedruckten Formblatts in einer der von dem EU-Land angegebenen akzeptierten Sprachen beizufügen. Die Schriftstücke bedürfen weder der Beglaubigung noch einer anderen gleichwertigen Formalität. Die Empfangsstelle muss innerhalb von sieben Tagen eine Empfangsbestätigung übersenden. Im Falle fehlender Angaben nimmt die Empfangsstelle so bald wie möglich Verbindung zu der Übermittlungsstelle auf.
Zustellung von Schriftstücken nach dem Recht der EU-Empfangsländer innerhalb eines Monats
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Die Zustellung des Schriftstücks wird von der Empfangsstelle innerhalb eines Monats bewirkt oder veranlasst. Ist dies nicht möglich, muss die Empfangsstelle die Übermittlungsstelle hiervon in Kenntnis setzen und weiterhin versuchen, das Schriftstück zuzustellen. Die Zustellung erfolgt nach dem Recht des EU-Empfangslands oder in einem besonderen Verfahren, wenn dies von der Übermittlungsstelle gewünscht wird und mit dem einzelstaatlichen Recht vereinbar ist. Nachdem die Zustellung erfolgt ist, muss eine Bescheinigung der Erledigung der zugehörigen Formalitäten in einer vom übermittelnden EU-Land akzeptierten Sprache ausgestellt und an die Übermittlungsstelle gesandt werden.
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Das Datum der Zustellung ist das Datum, an dem die Zustellung des Schriftstücks nach dem Recht des EU-Empfangslands bewirkt wird, ausgenommen in Fällen, in denen es nach dem Recht dieses Landes innerhalb einer bestimmten Frist zugestellt werden muss. Für die Zustellung dürfen im EU-Empfangsland keine Kosten oder Gebühren anfallen, ausgenommen in Fällen, in denen ein besonderes Verfahren der Zustellung gewählt wird oder bei der Zustellung eine Amtsperson mitwirkt. In diesem Fall hat der Antragsteller die Kosten zu tragen. Die EU-Länder müssen im Voraus eine einheitliche Gebühr festsetzen und der Kommission mitteilen.
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Schriftstücke können auch unmittelbar durch Einschreiben mit Rückschein oder durch Amtspersonen, Beamte oder sonstige zuständige Personen des EU-Empfangslands zugestellt werden, wenn dies nach dem Recht des betreffenden EU-Lands zulässig ist. In Ausnahmefällen können Schriftstücke auf konsularischem oder diplomatischem Weg an Stellen eines anderen EU-Lands übermittelt werden.
Belehrung des Zustellungsempfängers über sein Recht, die Annahme des Schriftstücks bei der Zustellung zu verweigern
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Die Empfangsstelle belehrt den Zustellungsempfänger über sein Recht, die Annahme des Schriftstücks zu verweigern, wenn es nicht in einer Sprache, die er versteht, oder in der Amtssprache des EU-Lands, in dem die Zustellung erfolgt, abgefasst ist. Die Verweigerung sollte zum Zeitpunkt der Zustellung oder durch Rücksendung des Schriftstücks an die Empfangsstelle binnen einer Woche erfolgen.
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Handelt es sich bei dem Schriftstück um ein verfahrenseinleitendes Schriftstück (eine offizielle Anordnung an eine Person, vor Gericht zu erscheinen) oder ein gleichwertiges Schriftstück, und hat sich der Beklagte nicht auf das Verfahren eingelassen, so hat das Gericht das Verfahren auszusetzen, bis sicher ist, dass das Schriftstück nach dem Recht des EU-Lands zugestellt wurde und dem Beklagten tatsächlich zugegangen ist, und der Beklagte ausreichend Zeit hatte, sich zu verteidigen. Eine Entscheidung kann jedoch ergehen, wenn das Schriftstück nach einem in der Verordnung vorgesehenen Verfahren übermittelt wurde und eine Frist von mindestens sechs Monaten verstrichen ist und trotz aller zumutbaren Schritte seitens der zuständigen Behörden des EU-Empfangslands eine Bescheinigung nicht zu erlangen war. Hat der Beklagte nicht so rechtzeitig von dem Schriftstück Kenntnis erlangt, dass er sich auf das Verfahren einlassen konnte, kann innerhalb einer angemessenen Frist, nachdem der Beklagte von der Entscheidung Kenntnis erlangt hat, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt werden.
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Die Kommission wird ein Handbuch, das die von den EU-Ländern mitgeteilten Informationen enthält, erstellen und regelmäßig aktualisieren. Im Jahr 2011 und danach alle fünf Jahre muss sie ferner einen Bericht über die Anwendung der Verordnung vorlegen, in dem sie insbesondere auf die Effizienz der benannten Stellen eingeht.
Aufhebung
Durch die Verordnung (EU) Nr. 2020/1784 wird Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 mit Wirkung vom 1. Juli 2022 aufgehoben und ersetzt.
WANN TRITT DIE VERORDNUNG IN KRAFT?
Die Verordnung ist am 13. November 2008 in Kraft getreten, mit Ausnahme von Artikel 23 (über Mitteilung und Veröffentlichung bestimmter Informationen der EU-Länder), der bereits seit 13. August 2008 Anwendung findet.
HINTERGRUND
Weiterführende Informationen:
SCHLÜSSELBEGRIFFE
Gerichtliches Schriftstück: ein Rechtsdokument, das im Rahmen eines Zivil- oder Handelsverfahrens ausgestellt wird (beispielsweise eine Vorladung, eine Anordnung oder ein Urteil) und einer Partei zugestellt werden muss.
Außergerichtliches Schriftstück: ein Rechtsdokument, das förmlich zugestellt wird und nicht Teil einer Gerichtsakte ist (beispielsweise eine Rechnung oder ein Räumungsbefehl).
HAUPTDOKUMENT
Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (Zustellung von Schriftstücken) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates (ABl. L 324 vom 10.12.2007, S. 79-120)
Die im Nachhinein vorgenommenen Änderungen der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Rates wurden in den Originaltext eingefügt. Diese konsolidierte Fassung hat ausschließlich dokumentarischen Charakter.
Letzte Aktualisierung: 11.12.2020