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Grünbuch über ein EU-Konzept zur Verwaltung der Wirtschaftsmigration

Ziel dieses Grünbuchs ist es, die Diskussion zwischen den EU-Institutionen, den Mitgliedstaaten und der Zivilgesellschaft über die Verfahren zur Zulassung von Wirtschaftsmigranten aus Drittländern wieder in Gang zu bringen. Die Kommission schlägt darin eine Reihe von Optionen für die Schaffung eines gemeinsamen Gemeinschaftsrahmens im Bereich Wirtschaftsmigration vor. So regt sie unter anderem an, die Union mit gemeinsamen Kriterien für die Zulassung von Wirtschaftsmigranten aus Drittländern auszustatten sowie die Rechte und die Rechtsstellung der verschiedenen Migrantenkategorien zu klären. Des Weiteren unterstreicht sie die Bedeutung flankierender Maßnahmen für eine reibungslose Verwaltung der Immigration. Nach Abschluss der Konsultation wird die Kommission die Schlussfolgerungen dieser umfangreichen Diskussion in ihre Überlegungen einbeziehen und bis Ende 2005 einen Aktionsplan über legale Immigration vorlegen, wie es im Haager Programm vorgesehen ist.

RECHTSAKT

Grünbuch vom 11. Januar 2005 über ein EU-Konzept zur Verwaltung der Wirtschaftsmigration [KOM(2004) 811 - Nicht im Amtsblatt veröffentlicht]

ZUSAMMENFASSUNG

In ihrer Mitteilung über Einwanderung, Integration und Beschäftigung [KOM(2003) 336 endg.] sowie in ihrem Grünbuch „Angesichts des demografischen Wandels - eine neue Solidarität zwischen den Generationen" [KOM(2005) 94 endg.] hat die Kommission darauf hingewiesen, dass ab 2010 aufgrund der demografischen Entwicklung mit einem Rückgang der Zahl der Erwerbstätigen in der EU-25 zu rechnen ist: Zwischen 2010 und 2030 wird sie um rund 20 Millionen schrumpfen. Angesichts der Auswirkungen des Bevölkerungsrückgangs und der Überalterung der Gesellschaft auf die Wirtschaft und die Wettbewerbsfähigkeit Europas ist die Kommission der Auffassung, dass der Bedarf des europäischen Arbeitsmarkts künftig nur durch eine kontinuierlichere Einwanderung gedeckt werden kann. Die Kommission vertritt daher die Auffassung, es müssten transparente und auf EU-Ebene stärker vereinheitlichte gemeinsame Regeln und Kriterien für die Zulassung von Wirtschaftsmigranten vereinbart werden.

Entwicklung eines EU-Konzepts für Arbeitsmigration

Seit dem Vertrag von Amsterdam verfügt die Europäische Union über die erforderliche Rechtsgrundlage, um Maßnahmen in bestimmten Bereichen der Einwanderungspolitik beschließen zu können. Dessen ungeachtet liegt das Recht zur Festsetzung von Zahlen für die Zulassung von Drittstaatsangehörigen bei den Mitgliedstaaten. Die Kommission schlägt ein EU-Konzept auch deshalb vor, weil von der Entscheidung eines Mitgliedstaats über die Zulassung von Drittstaatsangehörigen zwangsläufig auch die übrigen Mitgliedstaaten betroffen sind. Wenn es darüber hinaus keine gemeinsamen Kriterien für die Zulassung von Wirtschaftsmigranten gibt, wird die Zahl der Drittstaatsangehörigen, die illegal in die EU einreisen, steigen. Gemeinsame Kriterien dienen auch dem Ziel, den Verwaltungsaufwand für die Mitgliedstaaten wie für die Drittstaatsangehörigen so gering wie möglich zu halten.

Gemeinsame Kriterien

Im Hinblick auf eine Einigung im Rat analysiert die Kommission die verschiedenen denkbaren Arten der Vereinheitlichung.

  • Schaffung eines Gesamtrahmens nach dem Vorbild der Vorschlags von 2001, in dem die für alle Wirtschaftsmigranten geltenden Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt niedergelegt sind;
  • Erarbeitung einer Reihe von Vorschlägen für Rechtstexte für die einzelnen Migrantengruppen (beispielsweise Saisonarbeiter oder innerhalb eines Unternehmens versetze Personen);
  • eventuell Entwicklung eines gemeinsamen Eilverfahrens für bestimmte Wirtschaftsmigranten.

„Präferenz für den einheimischen Arbeitsmarkt"

Der Grundsatz der „Gemeinschaftspräferenz" ist wie folgt definiert: „Die Mitgliedstaaten berücksichtigen Anträge auf Einreise in ihr Hoheitsgebiet zur Ausübung einer Beschäftigung nur, wenn die in einem Mitgliedstaat angebotenen Stellen nicht mit Arbeitskräften des eigenen Landes und anderer Mitgliedstaaten oder mit Arbeitskräften aus Nichtmitgliedstaaten, die auf Dauer und legal ihren Wohnsitz in diesem Mitgliedstaat haben und dem regulären Arbeitsmarkt dieses Staates bereits angehören, besetzt werden können". Im Allgemeinen muss also vor der Zulassung eines Arbeitnehmers aus einem Drittstaat den Mitgliedstaaten gegenüber nachgewiesen werden, dass die betreffende Stelle nicht mit einer einheimischen Arbeitskraft besetzt werden kann, wobei für bestimmte Kategorien (Forscher) Ausnahmen gemacht werden.

Für Drittstaatsangehörige gilt, dass ab Januar 2006 (Richtlinie 2003/109/EG) daueraufenthaltsberechtigte Personen Vorrang vor in dem Wohnsitzmitgliedstaat ankommenden Migranten erhalten.

Die Kommission prüft die Möglichkeit der Gewährung der Gemeinschaftspräferenz (an potenzielle Migranten, die sich außerhalb der Europäischen Union befinden) auch an Arbeitnehmer, die (noch) nicht über eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung verfügen und aus unterschiedlichen Gründen einen neuen Arbeitsplatz suchen.

Darüber hinaus schlägt die Kommission vor, die Gemeinschaftspräferenz gegenüber Personen, die noch nie in der Europäschen Union gearbeitet haben, auch den Arbeitsmigranten zu gewähren, die nach einer gewissen Zeit, die sie in einem Mitgliedstaat gearbeitet haben, für eine begrenzte Zeit in ihr Herkunftsland zurückgekehrt sind und dann in den gleichen Mitgliedstaat wieder zum Arbeiten zurückkommen wollen (damit soll die Kreismigration gefördert werden).

Das Hauptziel besteht darin, unter Wahrung der Bedürfnisse der europäischen Arbeitsmärkte den Arbeitnehmern aus Drittstaaten, die sich bereits auf europäischem Hoheitsgebiet befinden und/oder bereits legal in einem Mitgliedstaat gearbeitet haben, bevor sie ihn verlassen haben, eine weitere Möglichkeit zu geben, nach Ablauf ihrer Aufenthaltsgenehmigung zu bleiben und/oder zurückzukehren. Mit diesem Vorschlag sollen Anreize gegeben werden, legal einzureisen; gleichzeitig hebt er auf eine Förderung der vorübergehenden Migration und der Mobilität kluger Köpfe („brain circulation") ab. Vor allem im Rahmen der Kreismigration könnte die Gewährung der Gemeinschaftspräferenz sowohl den Migranten selber und ihren Herkunftsländern als auch der Europäischen Union zugute kommen.

Innergemeinschaftliche Mobilität

Um wirksamer auf Situationen des Arbeitskräftemangels eingehen zu können, möchte die Kommission die Möglichkeit diskutieren, die innergemeinschaftliche Mobilität von Arbeitnehmern aus Drittstaaten zu verbessern. Daueraufenthaltsberechtigte haben ab 2006 die Möglichkeit, sich in einen zweiten Mitgliedstaat zu begeben und sich dort zum Studium, zur Arbeit oder zu anderen Zwecken niederzulassen.

Im Hinblick auf die Arbeitnehmer, die (noch) nicht die Voraussetzungen für die Gewährung der Rechtsstellung eines Daueraufenthaltsberechtigten erfüllen, prüft die Kommission des Weiteren die Aussichten, ihnen - im Vergleich zu den Daueraufenthaltsberechtigten - etwas eingeschränktere Möglichkeiten zur Reise und Niederlassung in einem zweiten Mitgliedstaat zu gewähren, um so den Bedürfnissen der einzelstaatlichen Arbeitsmärkte entgegenzukommen.

Zulassungssysteme

Um darüber entscheiden zu können, wann Bedarf an der Einstellung von Drittstaatsangehörigen besteht, müssen sehr strenge Bedingungen und etwas flexiblere Voraussetzungen festgelegt werden. Wie auch immer das/die auf EU-Ebene zugelassene(n) System(e) aussehen mag/mögen, es muss auf jeden Fall möglich sein, einen bestimmten Arbeitsplatz zu besetzen und anerkannte kurz- und langfristige Bedürfnisse des Arbeitsmarkts zu befriedigen.

Darüber hinaus sind Überlegungen über die Verfahren für diejenigen Drittstaatsangehörigen anzustellen, die zwecks Ausübung einer wirtschaftlichen Erwerbstätigkeit in die EU einreisen wollen, aber eigentlich keinen Zugang zum EU-Arbeitsmarkt suchen.

Die Kommission legt eine Liste potenzieller Kriterien für die Ermittlung des Bedarfs an der Zulassung von Drittstaatsangehörigen zum EU-Arbeitsmarkt vor.

  • Eine Einzelfallbewertung - Danach dürften Arbeitgeber einen Arbeitnehmer aus einem Drittland einstellen, wenn sie die freie Stelle während einer Mindestzeit ausgeschrieben haben und darauf keine annehmbare Bewerbung von einem Arbeitsuchenden des EU-Arbeitsmarkts eingegangen ist (allgemeine Regel), und
  • Vorgabe eines Jahreseinkommens und/oder
  • eine gewisses Qualifikationsniveau und/oder
  • nach Sektoren und/oder Regionen in einem Mitgliedstaat festgelegter Bedarf.

Deckung des Qualifikationsbedarfs

Zur Deckung des Bedarfs an bestimmten Qualifikationen schlägt die Kommission den Aufbau eines EU-Auswahlsystems vor (z. B. Arbeitserfahrung, Bildung, Sprachkenntnisse, Vorliegen eines Stellenangebots). Denkbar wären aber auch verschiedene Systeme, z. B. eines für gering Qualifizierte und eins für Arbeitskräfte mit mittlerer bis hoher Qualifikation. In diesem Zusammenhang schlägt die Kommission eine Diskussion über die Art und Weise vor, in der die öffentlichen Arbeitsvermittlungsdienste (SPE) und das Portal EURES sich anpassen könnten.

Für Drittstaatsangehörige, die zum Zweck der selbständigen Erwerbstätigkeit zugelassen werden möchten, regt die Kommission eine Vereinheitlichung der Zulassungsbedingungen an. Ein Drittstaatsangehöriger könnte aufgefordert werden, einen detaillierten und finanziell machbaren Geschäftsplan sowie einen Nachweis über seine finanziellen Mittel vorzulegen. Bei bestimmten Verträgen, die mit einem EU-Kunden abgeschlossen wurden, empfiehlt die Kommission für Selbständige, die weniger als ein Jahr in der EU tätig sein wollen, flexiblere Verfahren vor.

Anträge auf Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung

In den meisten Mitgliedstaaten benötigen Drittstaatsangehörige eine Arbeitsgenehmigung, bevor ihr Antrag auf einen Aufenthaltstitel geprüft werden kann. Das Grünbuch sieht zur Vereinfachung der geltenden Verfahren ein einziges einzelstaatliches Antragsverfahren zur Erteilung einer kombinierten Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung vor.

Möglichkeit des Wechsels des Arbeitgebers/Sektors

In diesem Bereich spricht das Grünbuch zwei Fragen an:

  • Sollte die Mobilität des Arbeitnehmers aus einem Drittstaat auf dem Arbeitsmarkt des Wohnsitzmitgliedstaats begrenzt werden?
  • Wer soll Inhaber der Zulassung sein? Arbeitgeber, Arbeitnehmer oder beide gemeinsam?

Rechtsstellung und Rechte

Mit dem Hinweis, dass Arbeitnehmer aus Drittländern bereits gewisse Rechte des gemeinschaftlichen Besitzstandes genießen, erwähnt das Grünbuch noch einmal die Fragen, die bei einer Klärung der Rechtsstellung der Arbeitsmigranten zu bedenken sind.

  • Sollten bestimmte Rechte an eine Mindestaufenthaltsdauer geknüpft werden? (Grundsatz der Differenzierung der Rechte je nach Aufenthaltsdauer);
  • Sollten für bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern aus Drittländern Anreize - z. B. günstigere Bedingungen für die Familienzusammenführung oder für die Erlangung der Daueraufenthaltsgenehmigung - vorgesehen werden?

Flankierende Maßnahmen: Integration, Rückkehr und Zusammenarbeit mit Drittländern

Eine Politik der EU zur Wirtschaftsmigration kann nur dann Erfolg haben, wenn die Migrationsströme in Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und Transitländern gesteuert und die Gegebenheiten und Bedürfnisse dieser Länder in Betracht gezogen werden. Einige besonders sensible Punkte sind dabei vorrangig zu prüfen.

  • Der Umstand, dass die Herkunftsländer in die Ausbildung von Personen investieren, die dann zum Arbeiten ins Ausland gehen;
  • wie lässt sich die „brain circulation" fördern;
  • flankierende und betreuende Maßnahmen (Einführungsprogramme für neue Einwanderer mit Sprachkursen und staatsbürgerlichen Schulungen);
  • Regelung der Rückkehr von Personen mit befristetem Arbeitsvertrag und ihre gesellschaftliche Wiedereingliederung im Herkunftsland;
  • Möglichkeit, bestimmte Drittländer bei der Zulassung ihrer Staatsangehörigen zu bevorzugen, beispielsweise im Rahmen der europäischen Nachbarschaftspolitik oder der Heranführungsstrategien.

Hintergrund

Gestützt auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Tampere vom Oktober 1999 hat die EU mit der Konzeption einer umfassenden Einwanderungspolitik begonnen. Es wurden bereits mehrere Richtlinien angenommen:

2001 hat die Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zur Ausübung einer unselbständigen oder selbständigen Erwerbstätigkeit vorgelegt. Die Aussprache im Rat erfolgte jedoch nur in Form einer ersten Lesung des Textes.

Die Kommission hat den in der Diskussion über diesen Richtlinienvorschlag von 2001 vorgetragenen Vorbehalten und Anliegen der Mitgliedstaaten Rechnung getragen und die Debatte mit Hilfe der in diesem Grünbuch vorgelegten Alternativvorschläge neu in Gang gebracht. Die schriftlichen Antworten (EN) auf die Konsultation, die von den nationalen, regionalen und lokalen Behörden sowie den Sozialpartnern, den Nichtregierungsorganisationen, den Bewerberländern, den Drittländern, den Universitäten und anderen Akteuren der Zivilgesellschaft eingereicht wurden, und die Stellungsnahmen des Europäischen Parlaments, des Wirtschafts- und Sozialausschusses und des Ausschusses der Regionen, wurden auf der Website der Kommission veröffentlicht. Im Juni 2005 veranstaltete die Kommission darüber hinaus eine öffentliche Anhörung, um das Thema mit allen betroffenen Parteien zu diskutieren.

Schlüsselwörter des Rechtsakts

  • Grundsatz der „Gemeinschaftspräferenz": „Die Mitgliedstaaten berücksichtigen Anträge auf Einreise in ihr Hoheitsgebiet zur Ausübung einer Beschäftigung nur, wenn die in einem Mitgliedstaat angebotenen Stellen nicht mit Arbeitskräften des eigenen Landes und anderer Mitgliedstaaten oder mit Arbeitskräften aus Nichtmitgliedstaaten, die auf Dauer und legal ihren Wohnsitz in diesem Mitgliedstaat haben und dem regulären Arbeitsmarkt dieses Staates bereits angehören, besetzt werden können". Der Beitrittsvertrag vom 16.April 2003 gibt Arbeitskräften mit der Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats Vorrang vor Arbeitskräften aus Drittstaaten, soweit der Zugang zum Arbeitsmarkt der Mitgliedstaaten betroffen ist (Entschließung des Rates vom 20. Juni 1994 zur Verordnung (EWG) Nr. 1621/68

Letzte Änderung: 13.11.2007

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