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Document 62018TJ0257
Urteil des Gerichts (Zweite Kammer) vom 16. Januar 2020.
Iberpotash, SA gegen Europäische Kommission.
Staatliche Beihilfen – Bergbau – Maßnahme, die zum einen in der Herabsetzung der Finanzgarantien für die Sanierung der Abbaustätten und zum anderen in der staatlichen Investition für die mit einem höheren Umweltschutzniveau verbundene Sanierung der Abbaustätten besteht – Beschluss, mit dem die Beihilfe teilweise für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt und ihre Rückforderung angeordnet wird – Begriff der Beihilfe – Vorteil – Übertragung staatlicher Mittel – Selektiver Charakter – Vertrauensschutz – Rechtssicherheit – Berechnung der Höhe der Beihilfe.
Rechtssache T-257/18.
Urteil des Gerichts (Zweite Kammer) vom 16. Januar 2020.
Iberpotash, SA gegen Europäische Kommission.
Staatliche Beihilfen – Bergbau – Maßnahme, die zum einen in der Herabsetzung der Finanzgarantien für die Sanierung der Abbaustätten und zum anderen in der staatlichen Investition für die mit einem höheren Umweltschutzniveau verbundene Sanierung der Abbaustätten besteht – Beschluss, mit dem die Beihilfe teilweise für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt und ihre Rückforderung angeordnet wird – Begriff der Beihilfe – Vorteil – Übertragung staatlicher Mittel – Selektiver Charakter – Vertrauensschutz – Rechtssicherheit – Berechnung der Höhe der Beihilfe.
Rechtssache T-257/18.
ECLI identifier: ECLI:EU:T:2020:1
Rechtssache T‑257/18
Iberpotash, SA
gegen
Europäische Kommission
Urteil des Gerichts (Zweite Kammer) vom 16. Januar 2020
„Staatliche Beihilfen – Bergbau – Maßnahme, die zum einen in der Herabsetzung der Finanzgarantien für die Sanierung der Abbaustätten und zum anderen in der staatlichen Investition für die mit einem höheren Umweltschutzniveau verbundene Sanierung der Abbaustätten besteht – Beschluss, mit dem die Beihilfe teilweise für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt und ihre Rückforderung angeordnet wird – Begriff der Beihilfe – Vorteil – Übertragung staatlicher Mittel – Selektiver Charakter – Vertrauensschutz – Rechtssicherheit – Berechnung der Höhe der Beihilfe“
Staatliche Beihilfen – Begriff – Dem Staat zurechenbare Gewährung einer Vergünstigung aus staatlichen Mitteln – Vorteile, durch die eine Verringerung des Staatshaushalts bewirkt wird oder droht – Erfordernis des Nachweises eines hinreichend unmittelbaren Zusammenhangs zwischen dem gewährten Vorteil und der Verringerung des Staatshaushalts oder einer konkreten Gefahr der Verringerung des Staatshaushalts – Betriebserlaubnisse für Bergwerke, die nach Stellung von Finanzgarantien erteilt wurden, die in Bezug auf das für den Mitgliedstaat bestehende rechtliche Risiko der Haftung für die Beseitigung etwaiger Umweltschäden unzureichend waren – Einbeziehung
(Art. 107 Abs. 1 AEUV)
(vgl. Rn. 49-57, 60-80)
Staatliche Beihilfen – Entscheidung der Kommission – Beurteilung der Rechtmäßigkeit anhand der bei Erlass der Entscheidung verfügbaren Informationen – Einstufung einer Maßnahme als staatliche Beihilfe – Unmöglichkeit für einen Kläger, der am förmlichen Prüfverfahren teilgenommen hat, seine Klage auf sachliche oder rechtliche Gesichtspunkte zu stützen, die in diesem Verfahren nicht geltend gemacht wurden
(Art. 108 Abs. 2 und Art. 263 AEUV)
(vgl. Rn. 92, 93, 99, 107, 112)
Staatliche Beihilfen – Begriff – Rechtlicher Charakter – Auslegung anhand objektiver Kriterien – Würdigung komplexer wirtschaftlicher Gegebenheiten – Gerichtliche Überprüfung – Umfang
(Art. 107 Abs. 1 AEUV)
(vgl. Rn. 95, 96)
Staatliche Beihilfen – Begriff – Selektiver Charakter der Maßnahme – Beurteilungskriterium – Einzelbeihilfe – Vermutung der Selektivität
(Art. 107 Abs. 1 AEUV)
(vgl. Rn. 117)
Staatliche Beihilfen – Rückforderung einer rechtswidrigen Beihilfe – Unter Verstoß gegen die Verfahrensvorschriften des Art. 108 AEUV gewährte Beihilfe – Mögliches berechtigtes Vertrauen der Empfänger – Rechtssicherheit – Schutz – Voraussetzungen und Grenzen
(Art. 108 Abs. 2 AEUV; Verordnung 2015/1589 des Rates, Art. 16 Abs. 1)
(vgl. Rn. 130-151)
Staatliche Beihilfen – Begriff – Gewährung eines Vorteils für die Begünstigten – Staatliche Maßnahme, die die Belastungen vermindert, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat – Von der öffentlichen Hand beschlossene und finanzierte Maßnahme zur Abdeckung einer Abraumhalde, die die allgemeine umweltschutzrechtliche Haftung der Eigentümergesellschaft ersetzt – Einbeziehung – Maßnahme, die über die Umweltschutzanforderungen der Union hinausgeht – Keine Auswirkung
(Art. 107 Abs. 1 AEUV; Mitteilung 2008/C 82/01 der Kommission, Rn. 7, 8 und 9)
(vgl. Rn. 157, 158, 162-174)
Zusammenfassung
Mit dem Urteil Iberpotash/Kommission (T‑257/18) vom 16. Januar 2020 hat das Gericht die Klage der Gesellschaft Iberpotash, SA auf Nichtigerklärung des Beschlusses der Kommission abgewiesen, mit dem festgestellt worden war, dass zwei dieser Gesellschaft vom Königreich Spanien im Rahmen ihrer Bergbautätigkeiten gewährte Beihilfemaßnahmen rechtswidrig und mit dem Binnenmarkt unvereinbar waren ( 1 ).
Iberpotash, die spanische Tochtergesellschaft des weltgrößten Düngemittelherstellers und Eigentümerin von zwei Kalibergwerken an den Standorten Súria und Sallent/Balsareny in Katalonien, erhielt 2006 und 2008 von der Generalidad de Cataluña (Generalitat von Katalonien, Spanien) Umweltgenehmigungen zur Kaligewinnung. Diese Genehmigungen wurden im Rahmen von Sanierungsprogrammen erteilt, die nach der – insbesondere die Richtlinie 2006/21 ( 2 ) umsetzenden – spanischen Regelung erforderlich waren und Maßnahmen umfassen mussten, durch die die umweltschädlichen Folgen der beabsichtigten Bergbautätigkeiten vermieden und ausgeglichen werden sollten. Die Anwendbarkeit dieser Programme wurde durch die Verpflichtung des Bergwerksbetreibers gewährleistet, Finanzgarantien zu stellen, die nach Maßgabe des von der Sanierung betroffenen Areals und der Gesamtkosten der Sanierung berechnet wurden. Diese Garantien wurden ursprünglich auf 773682,28 Euro (erhöht auf828013,24 Euro im Jahr 2008) für den Standort Súria und auf 1130128 Euro für den Standort Sallent/Balsareny festgesetzt. Nach einem Gerichtsurteil vom 11. Oktober 2011, in dem entschieden wurde, dass der Plan zur Sanierung des Bergwerks Sallent/Balsareny unvollständig und die hierfür gestellte Finanzgarantie unzureichend war, wurden diese Beträge von den spanischen Behörden auf 6160872,35 Euro bzw. 6979471,83 Euro erhöht. Außerdem beschlossen die spanischen nationalen und regionalen Behörden am 17. Dezember 2007, die – ebenfalls im Eigentum von Iberpotash stehende – Abraumhalde von Vilafruns auf eigene Kosten abzudecken.
In der angefochtenen Entscheidung, die aufgrund einer anonymen Beschwerde erlassen wurde, vertrat die Kommission zum einen die Auffassung, dass Iberpotash aufgrund des zu niedrigen Niveaus der gestellten Garantien Beihilfen in Form ermäßigter Garantiegebühren erhalten habe. Zum anderen vertrat sie die Ansicht, dass Iberpotash auch eine Investitionsbeihilfe zur Abdeckung der Abraumhalde von Villafruns erhalten habe. Mit der Begründung, dass diese Beihilfen, die unter Verstoß gegen die Anmeldepflicht der Mitgliedstaaten ( 3 ) gewährt worden seien, rechtswidrig und mit dem Binnenmarkt unvereinbar seien, ordnete die Kommission ihre Rückforderung an.
In seinem Urteil hat das Gericht als Erstes bestätigt, dass die Unzulänglichkeit der für den Betrieb der beiden Bergwerke gestellten Finanzgarantien als staatliche Beihilfe einzustufen ist und dass sich daraus eine Rückzahlungspflicht des Mitgliedstaats ergibt.
Erstens hat das Gericht zunächst festgestellt, dass die Höhe der beiden Finanzgarantien von der Generalitat von Katalonien in den beiden Entscheidungen über die Erteilung der Betriebserlaubnis festgesetzt wurde und dass diese Maßnahmen daher dem Staat zuzurechnen sind, und sodann bestätigt, dass die Unzulänglichkeit der Finanzgarantien das konkrete Risiko für den Staat erhöht, Mittel zur Deckung der tatsächlichen Kosten der Umweltschäden und der Sanierung aufwenden zu müssen, so dass staatliche Mittel betroffen sind. In diesem Zusammenhang hat das Gericht insbesondere erklärt, dass der spanische Staat nach der anwendbaren nationalen Regelung gehalten ist, subsidiär einzugreifen, wenn Bergbauunternehmen ihren umweltrechtlichen Verpflichtungen nicht nachkommen. Das Gericht hat zudem darauf hingewiesen, dass die zuständigen nationalen Behörden gemäß der Richtlinie 2004/35 ( 4 ) die den Betreibern obliegenden Maßnahmen zur Sanierung von Umweltschäden ergreifen können und dass andernfalls die Gefahr besteht, dass sie gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 2006/21 verstoßen, gegen sie ein Vertragsverletzungsverfahren eröffnet wird und sie zur Zahlung von Zwangsgeldern verurteilt werden. Außerdem hat das Gericht ausgeführt, dass durch die Verpflichtung zur Stellung einer Garantie ( 5 ) sichergestellt werden soll, dass die Bergbauunternehmen über hinreichende Mittel verfügen, um die künftigen Kosten einer Sanierung der Bergwerke unabhängig von ihrer künftigen finanziellen Situation zu decken, und verhindert werden soll, dass der Staat an ihrer Stelle tätig werden muss. Das Gericht hat im Übrigen die Argumente zurückgewiesen, die Iberpotash insbesondere in Bezug auf ihre Finanzkraft, die sich jederzeit ändern könne, und den Umstand, dass der Einnahmeverlust das Budget einer privaten Bank betreffe, vorgebracht hat, und ist zu dem Schluss gelangt, dass die Unzulänglichkeit der im vorliegenden Fall verlangten Finanzgarantien ein hinreichend konkretes Risiko für den Eintritt einer künftigen zusätzlichen Belastung für den Staat darstellt, um die Maßnahmen als staatliche Beihilfen einzustufen.
Zweitens hat das Gericht bestätigt, dass das Niveau der Garantien tatsächlich unangemessen und erheblich niedriger war, als es zur Deckung der Sanierungskosten für die Bergwerke erforderlich gewesen wäre, und dass die Maßnahmen durch individuelle Entscheidungen über die Betriebserlaubnis erlassen wurden, so dass Iberpotash ein selektiver Vorteil verschafft wurde. Im Rahmen seiner Prüfung hat das Gericht insbesondere festgestellt, dass die Tatsache, dass die Kommission keine eigene Bewertung der korrekten Höhe der Finanzgarantien vorgenommen hat, keine Verletzung ihrer Sorgfaltspflicht darstellte, da dies durch den Ermessensspielraum gerechtfertigt war, über den die Mitgliedstaaten aufgrund von Art. 14 der Richtlinie 2006/21 verfügten.
Drittens hat das Gericht schließlich festgestellt, dass die Verpflichtung des Mitgliedstaats, die auf diese Weise rechtswidrig gewährten Beihilfen zurückzufordern, weder dem Grundsatz des Vertrauensschutzes widerspricht – da Iberpotash nicht nachgewiesen hat, dass sie hinreichend präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Zusicherungen erhalten hat, die aus einem aktiven Tun der Kommission herrühren, oder dass außergewöhnliche Umstände vorliegen – noch dem Grundsatz der Rechtssicherheit – da die Feststellung einer Übertragung staatlicher Mittel im vorliegenden Fall für einen aufmerksamen und verständigen Wirtschaftsteilnehmer angesichts der früheren Praxis der Kommission nicht unvorhersehbar war.
Als Zweites hat das Gericht bestätigt, dass die von der öffentlichen Hand beschlossene und vollständig finanzierte Abdeckung der Abraumhalde von Vilafruns, genauso wie eine Subvention, eine positive Leistung darstellt, die zwangsläufig einen Vorteil für Iberpotash mit sich brachte. Diese Maßnahme trug nämlich dazu bei, das Verschmutzungsproblem auf wirksame, dauerhafte und nicht unverhältnismäßige Weise zu lösen, indem sie Iberpotash von ihrer nach den anwendbaren nationalen und unionsrechtlichen Vorschriften bestehenden allgemeinen Verpflichtung, die etwaigen negativen Folgen der Ausbeutung der Abbaustätte ständig zu beheben, befreite und ihr für einen sehr langen Zeitraum das Ergreifen weiterer Sanierungsmaßnahmen ersparte. Das Gericht hat daraus geschlossen, dass diese Maßnahme Iberpotash dadurch begünstigte, dass die Umweltrisiken für die Zukunft verringert wurden. Darüber hinaus hat das Gericht – wenngleich es ebenso wie die Kommission anerkannt hat, dass Iberpotash sich hinsichtlich der Einhaltung ihrer umweltschutzrechtlichen Verpflichtungen völlig gesetzeskonform verhalten hat, wobei der Staat ein höheres Umweltschutzniveau festgelegt hatte, als es bei Erlass des angefochtenen Beschlusses verlangt worden war – entschieden, dass Iberpotash als Eigentümerin der Abbaustätte jedoch nicht davon befreit ist, die damit verbundenen Kosten zu tragen, wobei ausgeführt wird, dass dieser Aspekt im angefochtenen Beschluss insofern berücksichtigt wurde, als nur ein Teil des Betrags der auf diese Weise getätigten staatlichen Investition zurückgefordert wurde.
( 1 ) Beschluss (EU) 2018/118 der Kommission vom 31. August 2017 über die von Spanien gewährte staatliche Beihilfe SA.35818 (2016/C) (ex 2015/NN) (ex 2012/CP) zugunsten von Iberpotash (ABl. 2018, L 28, S. 25).
( 2 ) Richtlinie 2006/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über die Bewirtschaftung von Abfällen aus der mineralgewinnenden Industrie und zur Änderung der Richtlinie 2004/35/EG (ABl. 2006, L 102, S. 15).
( 3 ) Art. 108 Abs. 3 AEUV.
( 4 ) Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (ABl. 2004, L 143, S. 56).
( 5 ) Vorgesehen in Art. 14 der Richtlinie 2006/21.