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Document 62015TJ0165

    Urteil des Gerichts (Sechste erweiterte Kammer) vom 13. Dezember 2018 (Auszüge).
    Ryanair DAC und Airport Marketing Services Ltd gegen Europäische Kommission.
    Staatliche Beihilfen – Von der Industrie- und Handelskammer Pau-Béarn mit Ryanair und deren Tochtergesellschaft Airport Marketing Services geschlossene Vereinbarungen – Flughafendienstleistungen – Marketingdienstleistungen – Beschluss, mit dem die Beihilfe für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt und ihre Rückforderung angeordnet wird – Begriff der staatlichen Beihilfe – Zurechenbarkeit an den Staat – Industrie- und Handelskammer – Vorteil – Kriterium des privaten Kapitalgebers – Rückforderung – Art. 41 der Charta der Grundrechte – Recht auf Akteneinsicht – Recht auf Anhörung.
    Rechtssache T-165/15.

    Rechtssache T‑165/15

    (Auszugsweise Veröffentlichung)

    Ryanair DAC, ehemals Ryanair Ltd
    und
    Airport Marketing Services Ltd

    gegen

    Europäische Kommission

    „Staatliche Beihilfen – Von der Industrie- und Handelskammer Pau-Béarn mit Ryanair und deren Tochtergesellschaft Airport Marketing Services geschlossene Vereinbarungen – Flughafendienstleistungen – Marketingdienstleistungen – Beschluss, mit dem die Beihilfe für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt und ihre Rückforderung angeordnet wird – Begriff der staatlichen Beihilfe – Zurechenbarkeit an den Staat – Industrie- und Handelskammer – Vorteil – Kriterium des privaten Kapitalgebers – Rückforderung – Art. 41 der Charta der Grundrechte – Recht auf Akteneinsicht – Recht auf Anhörung“

    Leitsätze – Urteil des Gerichts (Sechste erweiterte Kammer) vom 13. Dezember 2018

    1. Staatliche Beihilfen – Verwaltungsverfahren – Verpflichtungen der Kommission – Möglichkeit für den Beihilfebegünstigten, sich auf so weitgehende Rechte wie Verteidigungsrechte als solche zu berufen – Fehlen – Anspruch des Beihilfebegünstigten, angemessen an dem Verfahren beteiligt zu werden – Reichweite

      (Art. 108 Abs. 2 AEUV; Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 41)

    2. Staatliche Beihilfen – Begriff – Von regionalen oder lokalen Einrichtungen gewährte Beihilfen – Einbeziehung – Industrie- und Handelskammer – Einstufung dieser Einrichtung sowohl als Behörde als auch als Beihilfebegünstigte – Kein Rechtsfehler

      (Art. 107 Abs. 1 AEUV)

    3. Staatliche Beihilfen – Begriff – Beurteilung nach dem Kriterium des privaten Kapitalgebers – Würdigung komplexer wirtschaftlicher Gegebenheiten – Ermessen der Kommission – Gerichtliche Nachprüfung – Grenzen

      (Art. 107 Abs. 1 AEUV)

    4. Staatliche Beihilfen – Begriff – Beurteilung nach dem Kriterium des privaten Kapitalgebers – Beurteilung unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Aspekte des streitigen Vorgangs und seines Kontexts – Fehlen einer Hierarchie zwischen der vergleichenden Analysemethode und anderen Beurteilungsmethoden

      (Art. 107 Abs. 1 AEUV)

    5. Staatliche Beihilfen – Begriff – Beurteilung anhand von Art. 107 Abs. 1 AEUV – Berücksichtigung einer früheren Praxis – Nichteinbeziehung

      (Art. 107 Abs. 1 AEUV)

    6. Staatliche Beihilfen – Begriff – Beurteilung nach dem Kriterium des privaten Kapitalgebers – Beurteilung unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Aspekte des streitigen Vorgangs und seines Kontexts – Komplexe Einheit aus Verträgen über Flughafen- und Marketingdienstleistungen – Berücksichtigung des voraussichtlich negativen Ertrags – Zulässigkeit – Rentabilitätsanalyse dieser komplexen Einheit

      (Art. 107 Abs. 1 AEUV)

    7. Handlungen der Organe – Begründung – Pflicht – Umfang – Beschluss der Kommission über staatliche Beihilfen – Prüfung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers – Erfordernis einer besonderen Begründung für jede fachliche Entscheidung oder bezifferte Angabe – Fehlen

      (Art. 296 AEUV)

    8. Staatliche Beihilfen – Begriff – Beurteilung nach dem Kriterium des privaten Kapitalgebers – Beurteilung unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Aspekte des streitigen Vorgangs und seines Kontexts – Berücksichtigung der zum Zeitpunkt des Ergehens des Beschlusses über die fragliche Maßnahme verfügbaren Aspekte – Ermittlungspflichten der Kommission – Umfang

      (Art. 107 Abs. 1 AEUV)

    9. Staatliche Beihilfen – Begriff – Selektiver Charakter der Maßnahme – Unterscheidung zwischen dem Erfordernis der Selektivität und dem begleitenden Nachweis eines wirtschaftlichen Vorteils sowie zwischen einer Beihilferegelung und einer Einzelbeihilfe – Einzelbeihilfe – Verträge über Flughafen- und Marketingdienstleistungen, die einen Vorteil zugunsten einer Fluggesellschaft bewirken – Vermutung der Selektivität – Erforderlichkeit eines Vergleichs des Begünstigten mit anderen Wirtschaftsteilnehmern, die sich in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden – Fehlen

      (Art. 107 Abs. 1 AEUV)

    1.  Die Kommission verletzt weder den in Art. 41 Abs. 1 und 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vorgesehenen Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung noch die Verteidigungsrechte der durch eine Beihilfe begünstigten Unternehmen, wenn sie einen Beschluss erlässt, mit dem diese Beihilfe für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt und ihre Rückforderung angeordnet wird, ohne den Begünstigten Zugang zu den Akten zu gewähren und zuvor die Tatsachen und Erwägungen mitzuteilen, auf die sie ihren Beschluss zu stützen gedenkt. Im Verfahren zur Kontrolle staatlicher Beihilfen können sich die Beihilfebegünstigten nämlich nicht auf wirkliche Verteidigungsrechte berufen.

      Insoweit zielt die Charta nicht darauf ab, das Wesen der durch den AEU-Vertrag eingeführten Kontrolle staatlicher Beihilfen zu verändern oder Dritten ein Auskunftsrecht zu verleihen, dass in Art. 108 AEUV nicht vorgesehen ist. Wenn die Beteiligten im Rahmen eines Verfahrens zur Kontrolle staatlicher Beihilfen in der Lage wären, Zugang zu den Dokumenten der Verwaltungsakte der Kommission zu erhalten, wäre das in Art. 108 AEUV vorgesehene System der Kontrolle staatlicher Beihilfen gefährdet. Ebenso würde eine Verpflichtung der Kommission, den Beihilfebegünstigten zuvor die Umstände mitzuteilen, auf die sie ihren endgültigen Beschluss zu stützen beabsichtigt, auf die Einleitung einer streitigen Erörterung hinauslaufen, wie sie mit dem für die Gewährung der Beihilfe verantwortlichen Mitgliedstaat geführt wird, obwohl die Beihilfeempfänger im Wesentlichen nur die Rolle einer Informationsquelle im Verfahren haben.

      Den Beteiligten im Sinne von Art. 108 Abs. 2 AEUV steht dennoch ein Recht zu, am Verwaltungsverfahren unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls angemessen beteiligt zu werden. Der Beschluss zur Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens muss die Betroffenen somit in die Lage versetzen, sich wirksam an diesem Verfahren zu beteiligen, in dem sie ihre Argumente geltend machen können. Hierfür genügt es, dass die Beteiligten erfahren, welche Überlegungen die Kommission zu der vorläufigen Ansicht veranlasst haben, dass die in Rede stehende Maßnahme eine neue, mit dem Binnenmarkt unvereinbare Beihilfe darstellen könnte.

      (vgl. Rn. 63-66, 68, 79, 82)

    2.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Rn. 95-101, 116-122)

    3.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Rn. 128-131)

    4.  Die Voraussetzungen, die eine Maßnahme erfüllen muss, um unter den Begriff „Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 AEUV zu fallen, sind nicht erfüllt, wenn das begünstigte Unternehmen denselben Vorteil, der ihm aus Staatsmitteln gewährt wurde, unter Umständen, die normalen Marktbedingungen entsprechen, hätte erhalten können. Diese Beurteilung erfolgt grundsätzlich unter Anwendung des Kriteriums des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsteilnehmers.

      Um zu ermitteln, ob eine staatliche Maßnahme eine Beihilfe darstellt, ist somit zu prüfen, ob ein marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsteilnehmer von vergleichbarer Größe wie die Einrichtungen des öffentlichen Sektors unter den gleichen Umständen hätte veranlasst werden können, die fragliche Abmachung zu schließen. Die Prüfung, ob ein marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsteilnehmer eine solche Abmachung getroffen hätte, kann jedoch nicht zwangsläufig bedeuten, dass die Kommission verpflichtet wäre, die vergleichende Analysemethode zu benutzen. Diese Methode stellt nämlich nur eines von mehreren Analyseinstrumenten dar, mit denen ermittelt werden soll, ob das begünstigte Unternehmen eine wirtschaftliche Vergünstigung erhält, die es unter normalen Marktbedingungen nicht erhalten hätte. Die Wahl des geeigneten Analyseinstruments gehört zu der Verpflichtung der Kommission, alle maßgeblichen Aspekte des streitigen Vorgangs und seinen Kontext einschließlich der Lage des begünstigten Unternehmens und des betroffenen Marktes zu prüfen.

      Daraus ergibt sich, dass die Kommission in einem Beschluss, mit dem eine staatliche Beihilfe für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt wird, die gemäß Verträgen über Flughafen- und Marketingdienstleistungen gewährt wurde, rechtsfehlerfrei eingehend untersuchen kann, welche Bewertungsmethode sich am besten für die Anwendung des Kriteriums des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsteilnehmers eignet und sich hierzu für die Methode der inkrementellen Rentabilitätsanalyse und gegen die vergleichende Analyse entscheiden kann.

      (vgl. Rn. 139-143)

    5.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Rn. 159, 283, 305)

    6.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Rn. 164-177, 255-299, 306-326, 341-393)

    7.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Rn. 185-193)

    8.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Rn. 205-218, 221-225)

    9.  Das aus Art. 107 Abs. 1 AEUV folgende Erfordernis der Selektivität muss klar vom begleitenden Nachweis eines wirtschaftlichen Vorteils unterschieden werden, so dass die Kommission, wenn sie das Vorliegen eines Vorteils – in einem weiten Sinne – entdeckt hat, der sich unmittelbar oder mittelbar aus einer bestimmten Maßnahme ergibt, weiterhin noch nachweisen muss, dass dieser Vorteil spezifisch einem oder mehreren Unternehmen zugutekommt. Sie muss insbesondere dartun, dass die in Rede stehende Maßnahme zwischen Unternehmen differenziert, die sich im Hinblick auf das mit ihr verfolgte Ziel in einer vergleichbaren Lage befinden. Die Gewährung des Vorteils muss also selektiv erfolgen und geeignet sein, bestimmte Unternehmen in eine günstigere Lage zu versetzen als andere.

      Allerdings unterscheidet sich das Erfordernis der Selektivität danach, ob die in Rede stehende Maßnahme als allgemeine Beihilferegelung oder als Einzelbeihilfe gewährt werden soll. Im letztgenannten Fall ermöglicht die Feststellung des wirtschaftlichen Vorteils grundsätzlich eine Annahme der Selektivität. Bei der Prüfung einer allgemeinen Beihilferegelung ist hingegen die Feststellung erforderlich, ob die in Rede stehende Maßnahme dessen ungeachtet, dass sie einen allgemeinen Vorteil verschafft, diesen allein zugunsten bestimmter Unternehmen oder Branchen schafft.

      Daraus ergibt sich, dass Verträge über Flughafen- und Marketingdienstleistungen zwischen einer öffentlichen Behörde, die einen Flughafen betreibt, sowie einer Fluggesellschaft und ihrer Tochtergesellschaft selektiven Charakter haben, wenn sie bestimmte Bedingungen einschließen, die zwischen diesen Parteien speziell vereinbart wurden und einen Vorteil zugunsten der Fluggesellschaft und ihrer Tochtergesellschaft bewirken.

      Es braucht nicht geprüft zu werden, ob die fraglichen Verträge dieser Fluggesellschaft und ihrer Tochtergesellschaft gegenüber anderen Wirtschaftsteilnehmern, die sich in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Lage befinden, Vorteile verschaffen. Das Kriterium des Vergleichs des Begünstigten mit anderen Wirtschaftsteilnehmern, die sich im Hinblick auf das mit der Maßnahme verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Lage befinden, findet seinen Ursprung und seine Rechtfertigung nämlich im Rahmen der Beurteilung des selektiven Charakters von Maßnahmen mit potenziell allgemeiner Geltung. Das Vergleichskriterium ist unerheblich, wenn es darum geht, den selektiven Charakter einer Ad-hoc-Maßnahme zu beurteilen, die nur ein einziges Unternehmen betrifft und die darauf abzielt, bestimmte diesem Unternehmen eigene Wettbewerbszwänge zu verändern.

      (vgl. Rn. 398, 399, 403-405)

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