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Document 62006TJ0362

    Leitsätze des Urteils

    Rechtssache T-362/06

    Ballast Nedam Infra BV

    gegen

    Europäische Kommission

    „Wettbewerb — Kartelle — Niederländischer Straßenbaubitumenmarkt — Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG festgestellt wird — Geldbußen — Nachweis der Zuwiderhandlung — Schwere der Zuwiderhandlung — Zurechenbarkeit der Zuwiderhandlung — Verteidigungsrechte — Vorbringen neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens — Unbeschränkte Nachprüfung“

    Leitsätze – Urteil des Gerichts (Sechste Kammer) vom 27. September 2012

    1. Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Mitteilung der Beschwerdepunkte – Notwendiger Inhalt – Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Abweichung der Entscheidung von der Mitteilung der Beschwerdepunkte – Fehlen eines eindeutigen Hinweises darauf, in welcher Eigenschaft ein Unternehmen gerügt wird – Verletzung der Verteidigungsrechte

      (Art. 81 EG und 82 EG; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 27 Abs. 1)

    2. Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Beweislast der Kommission für die Zuwiderhandlung und ihre Dauer – Umfang der Beweislast – Grad an Genauigkeit, den die von der Kommission verwendeten Beweise aufweisen müssen – Indizienbündel – Gerichtliche Überprüfung – Umfang

      (Art. 81 EG und 82 EG; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 2)

    3. Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission, mit der eine im Abschluss einer wettbewerbswidrigen Vereinbarung bestehende Zuwiderhandlung festgestellt wird – Entscheidung, die auf Urkundenbeweise gestützt ist – Fehlen eines wirtschaftlichen Interesses dieser Vereinbarung für ein mit einer Sanktion belegtes Unternehmen – Keine Auswirkung

      (Art. 81 Abs. 1 EG)

    4. Kartelle – Vereinbarungen zwischen Unternehmen – Nachweis der Zuwiderhandlung – Beurteilung des Beweiswerts der verschiedenen Beweisstücke – Kriterien

      (Art. 81 Abs. 1 EG)

    5. Kartelle – Verbot – Freistellung – Verpflichtung des Unternehmens, die Begründetheit seines Antrags darzutun – Entscheidung der Kommission, mit der ein Befreiungsantrag abgelehnt wird – Begründungspflicht – Umfang

      (Art. 81 Abs. 3 EG)

    6. Kartelle – Verbot – Freistellung – Geltungsbereich – Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit – Einkaufsvereinbarungen, die darauf abzielen, den Preiswettbewerb einzuschränken – Beurteilung im Hinblick auf die Grundsätze der Leitlinien – Zwingende Berücksichtigung der tatsächlichen Auswirkungen auf den Markt – Fehlen

      (Art. 81 Abs. 1 und 3 EG; Mitteilung 2001/C 3/02 der Kommission, Nrn. 18, 124 und 133)

    7. Kartelle – Beeinträchtigung des Wettbewerbs – Beurteilungskriterien – Wettbewerbsfeindlichkeit – Hinreichende Feststellung – Feststellung, die nicht von der Verpflichtung, das Vorliegen von Nachteilen für die Endverbraucher nachzuweisen, abhängig ist – Beurteilung anhand des Inhalts der Vereinbarung und des wirtschaftlichen Kontexts

      (Art. 81 Abs. 1 EG)

    8. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlung – Ermessen der Kommission – Beurteilung anhand der Art der Zuwiderhandlung – Besonders schwere Zuwiderhandlungen – Horizontale Preisabsprache und Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern – Gesamtbeurteilung

      (Art. 81 Abs. 1 EG; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission, Nr. 1)

    9. Kartelle – Vereinbarungen zwischen Unternehmen – Angeblich erzwungene Beteiligung – Umstand, der keinen Rechtfertigungsgrund für ein Unternehmen darstellt, das von der Möglichkeit einer Anzeige bei den zuständigen Behörden keinen Gebrauch gemacht hat

      (Art. 81 Abs. 1 EG; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 7)

    10. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlung – Beurteilung anhand der Art der Zuwiderhandlung – Besonders schwere Zuwiderhandlungen – Erfordernis, ihre Auswirkungen und ihren räumlichen Umfang zu bestimmen – Fehlen

      (Art. 81 Abs. 1 EG; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission, Nr. 1 Teil A)

    11. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Einteilung der betroffenen Unternehmen in verschiedene Kategorien – Voraussetzungen – Beachtung der Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit – Berücksichtigung des Umsatzes der Unternehmen – Ermessen der Kommission

      (Art. 81 Abs. 1 EG; Verordnungen des Rates Nr. 17, Art. 15 Abs. 2, und Nr. 1/2003, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission, Nr. 1 Teil A Abs. 6 und 7)

    12. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Erfordernis einer Differenzierung zwischen den an der gleichen Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen nach ihrem Gesamtumsatz oder nach ihrem Umsatz auf dem fraglichen Produktmarkt – Fehlen

      (Art. 81 Abs. 1 EG; Verordnungen des Rates Nr. 17, Art. 15 Abs. 2, und Nr. 1/2003, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission, Nr. 1 Teil A Abs. 6)

    13. Gerichtliches Verfahren – Klageschrift – Formerfordernisse – Kurze Darstellung der Klagegründe – Vorbringen neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens – Berücksichtigung im Rahmen der Ausübung der Befugnis zur unbeschränkten Nachprüfung – Voraussetzungen

      (Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 44 § 1 Buchst. c und Art. 48 § 2)

    14. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Ermessen der Kommission – Gerichtliche Nachprüfung – Befugnis des Gerichts zu unbeschränkter Nachprüfung – Berücksichtigung der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen – Grenzen

      (Art. 81 Abs. 1 EG; Art. 261 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 31; Mitteilungen der Kommission 98/C 9/03 und 2006/C 210/02)

    1.  Im Rahmen eines Verfahrens wegen Verletzung der Wettbewerbsregeln ist es für die Wahrung der Verteidigungsrechte erforderlich, dem betroffenen Unternehmen im Laufe des Verwaltungsverfahrens Gelegenheit zu geben, zum Vorliegen und zur Erheblichkeit der behaupteten Tatsachen und Umstände sowie zu den von der Kommission für ihre Behauptung einer Verletzung des Vertrags herangezogenen Unterlagen gebührend Stellung zu nehmen. Ebenso muss in der Mitteilung der Beschwerdepunkte angesichts ihrer Bedeutung eindeutig angegeben werden, gegen welche juristische Person Geldbußen festgesetzt werden könnten, und sie muss an diese gerichtet werden. Ebenso muss in der Mitteilung der Beschwerdegründe angegeben werden, in welcher Eigenschaft dem Unternehmen die behaupteten Tatsachen zur Last gelegt werden.

      Die Entscheidung der Kommission muss nicht unbedingt eine genaue Kopie der Mitteilung der Beschwerdepunkte sein. Nur wenn die endgültige Entscheidung den betroffenen Unternehmen andere Zuwiderhandlungen als die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte genannten zur Last legt oder andere Tatsachen berücksichtigt, ist daher eine Verletzung der Verteidigungsrechte festzustellen. Dies ist nicht der Fall, wenn die behaupteten Abweichungen zwischen der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der endgültigen Entscheidung wie hier keine anderen Verhaltensweisen betreffen als diejenigen, zu denen sich die betroffenen Unternehmen bereits geäußert hatten und die daher nichts mit einem neuen Beschwerdepunkt zu tun haben

      Die Kommission kommt ihren Verpflichtungen nicht nach, wenn sie in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht angibt, in welcher Eigenschaft einem Unternehmen eine Zuwiderhandlung zur Last gelegt wird, und dieses Unternehmen dem Wortlaut der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht entnehmen kann, dass die Kommission beabsichtigt, in ihrer endgültigen Entscheidung ihm die Zuwiderhandlung zur Last legen und sich dabei auf seine unmittelbare Beteiligung an den Kartelltätigkeiten und – aufgrund der von ihm zu widerlegenden Vermutung der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses auf das Verhalten seiner Tochtergesellschaft – auf die Eigenschaft des Unternehmens als Muttergesellschaft stützen möchte. Da die Mitteilung der Beschwerdepunkte es dem Unternehmen nicht ermöglicht, von der auf seine mittelbare Beteiligung an den Kartelltätigkeiten gestützten Rüge Kenntnis zu nehmen, hatte es keine Gelegenheit, sich im Verwaltungsverfahren sachdienlich zu verteidigen.

      Allein aufgrund des Umstands, dass zum einen die Kommission in ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte allgemein ausgeführt hat, dass sie die Muttergesellschaften für das Verhalten ihrer Tochtergesellschaften verantwortlich machen werde, und dass zum anderen das Unternehmen wusste, dass es die 100%ige Muttergesellschaft seiner Tochtergesellschaft war, kann nicht angenommen werden, dass die Kommission ihrer Verpflichtung nachgekommen sei, in der Mitteilung der Beschwerdepunkte anzugeben, in welcher Eigenschaft dem Unternehmen die behaupteten Tatsachen zur Last gelegt werden.

      (vgl. Randnrn. 22-23, 29-31)

    2.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Randnr. 44)

    3.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Randnrn. 45, 74)

    4.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Randnrn. 58-60)

    5.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Randnr. 82)

    6.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Randnrn. 83-84)

    7.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Randnrn. 87-88, 90)

    8.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Randnrn. 98-100, 102-103, 106)

    9.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Randnr. 104)

    10.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Randnrn. 111-114)

    11.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Randnrn. 119, 121-123, 125)

    12.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Randnr. 124)

    13.  Aus Art. 44 § 1 Buchst. c in Verbindung mit Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts geht hervor, dass die Klageschrift den Streitgegenstand benennen und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten muss und dass neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden können, es sei denn, dass sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind.

      Der Unionsrichter muss jedoch in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel oder ein neues Vorbringen zulassen können, wenn sie für seine Entscheidung erheblich und nicht auf einen Nichtigkeitsgrund gestützt sind, der in der Klageschrift nicht geltend gemacht worden ist.

      (vgl. Randnrn. 137-138)

    14.  Im Wettbewerbsrecht ist das Gericht weder an die Berechnungen noch an die Leitlinien der Kommission gebunden, wenn es aufgrund seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung entscheidet, vielmehr muss es seine eigene Beurteilung unter Berücksichtigung aller Umstände des gegebenen Falles vornehmen. Die Ausübung einer Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung darf aber nicht dazu führen, dass Unternehmen, die an einer gegen Art. 81 EG verstoßenden Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise beteiligt waren, bei der Bemessung ihrer Geldbußen ungleich behandelt werden. Wenn das Gericht bei einem bestimmten Unternehmen von der Berechnungsmethode abweichen will, die die Kommission für alle diese Unternehmen angewandt hat, muss es diese Wahl begründen.

      (vgl. Randnr. 143)

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    Rechtssache T-362/06

    Ballast Nedam Infra BV

    gegen

    Europäische Kommission

    „Wettbewerb — Kartelle — Niederländischer Straßenbaubitumenmarkt — Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG festgestellt wird — Geldbußen — Nachweis der Zuwiderhandlung — Schwere der Zuwiderhandlung — Zurechenbarkeit der Zuwiderhandlung — Verteidigungsrechte — Vorbringen neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens — Unbeschränkte Nachprüfung“

    Leitsätze – Urteil des Gerichts (Sechste Kammer) vom 27. September 2012

    1. Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Mitteilung der Beschwerdepunkte – Notwendiger Inhalt – Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Abweichung der Entscheidung von der Mitteilung der Beschwerdepunkte – Fehlen eines eindeutigen Hinweises darauf, in welcher Eigenschaft ein Unternehmen gerügt wird – Verletzung der Verteidigungsrechte

      (Art. 81 EG und 82 EG; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 27 Abs. 1)

    2. Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Beweislast der Kommission für die Zuwiderhandlung und ihre Dauer – Umfang der Beweislast – Grad an Genauigkeit, den die von der Kommission verwendeten Beweise aufweisen müssen – Indizienbündel – Gerichtliche Überprüfung – Umfang

      (Art. 81 EG und 82 EG; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 2)

    3. Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission, mit der eine im Abschluss einer wettbewerbswidrigen Vereinbarung bestehende Zuwiderhandlung festgestellt wird – Entscheidung, die auf Urkundenbeweise gestützt ist – Fehlen eines wirtschaftlichen Interesses dieser Vereinbarung für ein mit einer Sanktion belegtes Unternehmen – Keine Auswirkung

      (Art. 81 Abs. 1 EG)

    4. Kartelle – Vereinbarungen zwischen Unternehmen – Nachweis der Zuwiderhandlung – Beurteilung des Beweiswerts der verschiedenen Beweisstücke – Kriterien

      (Art. 81 Abs. 1 EG)

    5. Kartelle – Verbot – Freistellung – Verpflichtung des Unternehmens, die Begründetheit seines Antrags darzutun – Entscheidung der Kommission, mit der ein Befreiungsantrag abgelehnt wird – Begründungspflicht – Umfang

      (Art. 81 Abs. 3 EG)

    6. Kartelle – Verbot – Freistellung – Geltungsbereich – Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit – Einkaufsvereinbarungen, die darauf abzielen, den Preiswettbewerb einzuschränken – Beurteilung im Hinblick auf die Grundsätze der Leitlinien – Zwingende Berücksichtigung der tatsächlichen Auswirkungen auf den Markt – Fehlen

      (Art. 81 Abs. 1 und 3 EG; Mitteilung 2001/C 3/02 der Kommission, Nrn. 18, 124 und 133)

    7. Kartelle – Beeinträchtigung des Wettbewerbs – Beurteilungskriterien – Wettbewerbsfeindlichkeit – Hinreichende Feststellung – Feststellung, die nicht von der Verpflichtung, das Vorliegen von Nachteilen für die Endverbraucher nachzuweisen, abhängig ist – Beurteilung anhand des Inhalts der Vereinbarung und des wirtschaftlichen Kontexts

      (Art. 81 Abs. 1 EG)

    8. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlung – Ermessen der Kommission – Beurteilung anhand der Art der Zuwiderhandlung – Besonders schwere Zuwiderhandlungen – Horizontale Preisabsprache und Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern – Gesamtbeurteilung

      (Art. 81 Abs. 1 EG; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission, Nr. 1)

    9. Kartelle – Vereinbarungen zwischen Unternehmen – Angeblich erzwungene Beteiligung – Umstand, der keinen Rechtfertigungsgrund für ein Unternehmen darstellt, das von der Möglichkeit einer Anzeige bei den zuständigen Behörden keinen Gebrauch gemacht hat

      (Art. 81 Abs. 1 EG; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 7)

    10. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlung – Beurteilung anhand der Art der Zuwiderhandlung – Besonders schwere Zuwiderhandlungen – Erfordernis, ihre Auswirkungen und ihren räumlichen Umfang zu bestimmen – Fehlen

      (Art. 81 Abs. 1 EG; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission, Nr. 1 Teil A)

    11. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Einteilung der betroffenen Unternehmen in verschiedene Kategorien – Voraussetzungen – Beachtung der Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit – Berücksichtigung des Umsatzes der Unternehmen – Ermessen der Kommission

      (Art. 81 Abs. 1 EG; Verordnungen des Rates Nr. 17, Art. 15 Abs. 2, und Nr. 1/2003, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission, Nr. 1 Teil A Abs. 6 und 7)

    12. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Erfordernis einer Differenzierung zwischen den an der gleichen Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen nach ihrem Gesamtumsatz oder nach ihrem Umsatz auf dem fraglichen Produktmarkt – Fehlen

      (Art. 81 Abs. 1 EG; Verordnungen des Rates Nr. 17, Art. 15 Abs. 2, und Nr. 1/2003, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission, Nr. 1 Teil A Abs. 6)

    13. Gerichtliches Verfahren – Klageschrift – Formerfordernisse – Kurze Darstellung der Klagegründe – Vorbringen neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens – Berücksichtigung im Rahmen der Ausübung der Befugnis zur unbeschränkten Nachprüfung – Voraussetzungen

      (Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 44 § 1 Buchst. c und Art. 48 § 2)

    14. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Ermessen der Kommission – Gerichtliche Nachprüfung – Befugnis des Gerichts zu unbeschränkter Nachprüfung – Berücksichtigung der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen – Grenzen

      (Art. 81 Abs. 1 EG; Art. 261 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 31; Mitteilungen der Kommission 98/C 9/03 und 2006/C 210/02)

    1.  Im Rahmen eines Verfahrens wegen Verletzung der Wettbewerbsregeln ist es für die Wahrung der Verteidigungsrechte erforderlich, dem betroffenen Unternehmen im Laufe des Verwaltungsverfahrens Gelegenheit zu geben, zum Vorliegen und zur Erheblichkeit der behaupteten Tatsachen und Umstände sowie zu den von der Kommission für ihre Behauptung einer Verletzung des Vertrags herangezogenen Unterlagen gebührend Stellung zu nehmen. Ebenso muss in der Mitteilung der Beschwerdepunkte angesichts ihrer Bedeutung eindeutig angegeben werden, gegen welche juristische Person Geldbußen festgesetzt werden könnten, und sie muss an diese gerichtet werden. Ebenso muss in der Mitteilung der Beschwerdegründe angegeben werden, in welcher Eigenschaft dem Unternehmen die behaupteten Tatsachen zur Last gelegt werden.

      Die Entscheidung der Kommission muss nicht unbedingt eine genaue Kopie der Mitteilung der Beschwerdepunkte sein. Nur wenn die endgültige Entscheidung den betroffenen Unternehmen andere Zuwiderhandlungen als die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte genannten zur Last legt oder andere Tatsachen berücksichtigt, ist daher eine Verletzung der Verteidigungsrechte festzustellen. Dies ist nicht der Fall, wenn die behaupteten Abweichungen zwischen der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der endgültigen Entscheidung wie hier keine anderen Verhaltensweisen betreffen als diejenigen, zu denen sich die betroffenen Unternehmen bereits geäußert hatten und die daher nichts mit einem neuen Beschwerdepunkt zu tun haben

      Die Kommission kommt ihren Verpflichtungen nicht nach, wenn sie in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht angibt, in welcher Eigenschaft einem Unternehmen eine Zuwiderhandlung zur Last gelegt wird, und dieses Unternehmen dem Wortlaut der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht entnehmen kann, dass die Kommission beabsichtigt, in ihrer endgültigen Entscheidung ihm die Zuwiderhandlung zur Last legen und sich dabei auf seine unmittelbare Beteiligung an den Kartelltätigkeiten und – aufgrund der von ihm zu widerlegenden Vermutung der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses auf das Verhalten seiner Tochtergesellschaft – auf die Eigenschaft des Unternehmens als Muttergesellschaft stützen möchte. Da die Mitteilung der Beschwerdepunkte es dem Unternehmen nicht ermöglicht, von der auf seine mittelbare Beteiligung an den Kartelltätigkeiten gestützten Rüge Kenntnis zu nehmen, hatte es keine Gelegenheit, sich im Verwaltungsverfahren sachdienlich zu verteidigen.

      Allein aufgrund des Umstands, dass zum einen die Kommission in ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte allgemein ausgeführt hat, dass sie die Muttergesellschaften für das Verhalten ihrer Tochtergesellschaften verantwortlich machen werde, und dass zum anderen das Unternehmen wusste, dass es die 100%ige Muttergesellschaft seiner Tochtergesellschaft war, kann nicht angenommen werden, dass die Kommission ihrer Verpflichtung nachgekommen sei, in der Mitteilung der Beschwerdepunkte anzugeben, in welcher Eigenschaft dem Unternehmen die behaupteten Tatsachen zur Last gelegt werden.

      (vgl. Randnrn. 22-23, 29-31)

    2.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Randnr. 44)

    3.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Randnrn. 45, 74)

    4.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Randnrn. 58-60)

    5.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Randnr. 82)

    6.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Randnrn. 83-84)

    7.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Randnrn. 87-88, 90)

    8.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Randnrn. 98-100, 102-103, 106)

    9.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Randnr. 104)

    10.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Randnrn. 111-114)

    11.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Randnrn. 119, 121-123, 125)

    12.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Randnr. 124)

    13.  Aus Art. 44 § 1 Buchst. c in Verbindung mit Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts geht hervor, dass die Klageschrift den Streitgegenstand benennen und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten muss und dass neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden können, es sei denn, dass sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind.

      Der Unionsrichter muss jedoch in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel oder ein neues Vorbringen zulassen können, wenn sie für seine Entscheidung erheblich und nicht auf einen Nichtigkeitsgrund gestützt sind, der in der Klageschrift nicht geltend gemacht worden ist.

      (vgl. Randnrn. 137-138)

    14.  Im Wettbewerbsrecht ist das Gericht weder an die Berechnungen noch an die Leitlinien der Kommission gebunden, wenn es aufgrund seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung entscheidet, vielmehr muss es seine eigene Beurteilung unter Berücksichtigung aller Umstände des gegebenen Falles vornehmen. Die Ausübung einer Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung darf aber nicht dazu führen, dass Unternehmen, die an einer gegen Art. 81 EG verstoßenden Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise beteiligt waren, bei der Bemessung ihrer Geldbußen ungleich behandelt werden. Wenn das Gericht bei einem bestimmten Unternehmen von der Berechnungsmethode abweichen will, die die Kommission für alle diese Unternehmen angewandt hat, muss es diese Wahl begründen.

      (vgl. Randnr. 143)

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