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Document 61994TJ0275
Leitsätze des Urteils
Leitsätze des Urteils
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1. Wettbewerb ° Geldbussen ° Ermessen der Kommission ° Umfang ° Befugnis, zusätzlich zu den Geldbussen Verzugszinsen zu verlangen
(EWG-Vertrag, Artikel 89; Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2)
2. Wettbewerb ° Geldbussen ° Wahlmöglichkeiten für Unternehmen, die gegen eine Bußgeldentscheidung der Kommission Klage erheben ° Unternehmen, das sich für die Stellung einer Bankbürgschaft entschieden hat ° Herabsetzung der Geldbusse durch den Gemeinschaftsrichter ° Zahlung von Verzugszinsen ab Fälligkeit der in der Entscheidung verhängten Geldbusse, allerdings auf den Betrag der vom Gemeinschaftsrichter festgesetzten Geldbusse
(EWG-Vertrag, Artikel 172 und 185; Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2 und Artikel 17)
3. Kommission ° Maßnahmen der Geschäftsführung, die aufgrund einer Ermächtigung getroffen werden können ° Begriff ° Entscheidung, mit der die Kommission auf ein Urteil des Gerichts hin, das eine Bußgeldentscheidung, die auch Verzugszinsen vorsah, teilweise bestätigt hat, die Zahlung von Verzugszinsen verlangt ° Einbeziehung
(Geschäftsordnung der Kommission 93/492, Artikel 11)
4. Wettbewerb ° Geldbussen ° Ermessen der Kommission ° Umfang ° Befugnis, darüber zu entscheiden, wie die im Zusammenhang mit Geldbussen geleisteten Zahlungen anzurechnen sind ° Voraussetzungen ° Einhaltung der Normen oder allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts
(Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2)
1. Die der Kommission gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 eingeräumte Befugnis, Geldbussen gegen Unternehmen festzusetzen, umfasst das Recht, den Fälligkeitstermin für die Geldbusse und den Beginn der Laufzeit der Verzugszinsen zu bestimmen, den Zinssatz für diese Zinsen und die Einzelheiten der Durchführung ihrer Entscheidung festzulegen, wobei sie gegebenenfalls die Stellung einer Bankbürgschaft verlangen kann, die die Hauptforderung und die Zinsen für die festgesetzte Geldbusse abdeckt.
Hätte sie diese Befugnis nämlich nicht, so käme es durch den Vorteil, den die Unternehmen aus der verspäteten Zahlung der Geldbussen ziehen könnten, zu einer Abschwächung der Sanktionen, die die Kommission im Rahmen der ihr durch Artikel 89 des Vertrages übertragenen Aufgabe, auf die Verwirklichung der Wettbewerbsregeln zu achten, verhängt hat. So ist die Berechnung von Verzugszinsen auf Geldbussen gerechtfertigt, um zu verhindern, daß die praktische Wirksamkeit des Vertrages durch einseitiges Verhalten von Unternehmen unterlaufen wird, die die Zahlung der Geldbussen hinauszögern, zu denen sie verurteilt worden sind.
Hätte die Kommission nicht das Recht, zusätzlich zu den Geldbussen auch Verzugszinsen zu verlangen, so wären ausserdem Unternehmen, die die Zahlung ihrer Geldbussen hinauszögern, gegenüber den Unternehmen im Vorteil, die ihre Geldbussen am festgesetzten Fälligkeitstermin zahlen.
2. Ein Unternehmen, das gegen eine Entscheidung der Kommission Klage erhebt, mit der ihm eine Geldbusse auferlegt wurde, hat die Wahl, entweder die Geldbusse bei Fälligkeit zu zahlen oder gemäß Artikel 185 Satz 2 des Vertrages und Artikel 104 der Verfahrensordnung des Gerichts die Aussetzung der Durchführung der Entscheidung zu beantragen, oder schließlich, falls die Kommission ihm dies ermöglicht, eine Bankbürgschaft zur Sicherung der Zahlung der Geldbusse und der Verzugszinsen zu den von der Kommission festgelegten Bedingungen zu stellen.
Hat sich das klagende Unternehmen für die letztere Möglichkeit entschieden und hat der Gemeinschaftsrichter in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung die von der Kommission festgesetzte Geldbusse herabgesetzt, dann kann diese die Zahlung von Verzugszinsen ab Fälligkeit der mit ihrer Entscheidung verhängten Geldbusse fordern, allerdings nur auf den Betrag der vom Gemeinschaftsrichter in seinem Urteil festgesetzten Geldbusse. In Anbetracht der dem Gemeinschaftsrichter durch Artikel 172 des Vertrages und Artikel 17 der Verordnung Nr. 17 übertragenen Befugnisse ist die von ihm festgesetzte Geldbusse nämlich keine neue Geldbusse, die sich rechtlich von derjenigen unterscheidet, die die Kommission in ihrer Entscheidung verhängt hat, und ändert nicht die Wirkungen der von dem klagenden Unternehmen gestellten Bankbürgschaft.
3. Die von der Kommission getroffenen Maßnahmen, die für die Bürger Rechte und Pflichten begründen, stellen Entscheidungen dar, die von den Mitgliedern der Kommission gemeinsam beraten werden müssen, während Maßnahmen, die diese Entscheidungen lediglich bestätigen, als ergänzende Maßnahmen solche der Geschäftsführung darstellen, die aufgrund einer Ermächtigung gemäß Artikel 11 ihrer Geschäftsordnung getroffen werden können.
In diesem Zusammenhang ist eine Entscheidung, mit der die Kommission auf ein Urteil des Gerichts hin, das eine Bußgeldentscheidung, die auch Verzugszinsen vorsah, teilweise bestätigt hat, die Zahlung von Verzugszinsen verlangt, als Maßnahme zur Durchführung der ursprünglichen Entscheidung zur Festsetzung der Geldbusse und der Zinsen und damit als blosse Verwaltungs- und Geschäftsführungsmaßnahme zu betrachten.
4. Da die Kommission befugt ist, neben der Pflicht zur Zahlung der von ihr festgesetzten Geldbussen auch eine Zinsbelastung für den Fall ihrer Nichtzahlung vorzusehen, kann sie auch darüber entscheiden, wie die im Zusammenhang mit diesen Geldbussen geleisteten Zahlungen anzurechnen sind, sofern sie dabei nicht gegen Normen oder allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts verstösst. Unter dieser Voraussetzung kann die Kommission unter Zugrundelegung von Regeln, die in den meisten nationalen Rechtsordnungen anerkannt sind, diese Zahlungen zunächst auf die Zinsen und dann auf die Hauptforderung anrechnen.