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Document 61993TJ0466

    Leitsätze des Urteils

    Schlüsselwörter
    Leitsätze

    Schlüsselwörter

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    1. Landwirtschaft ° Gemeinsame Marktorganisation ° Milch und Milcherzeugnisse ° Zusätzliche Abgabe für Milch ° Herabsetzung der Referenzmengen, die von der Abgabe ausgenommen sind, ohne Vergütung ° Grundsatz des Vertrauensschutzes ° Kein Verstoß

    (Verordnung Nr. 816/92 des Rates)

    2. Handlungen der Organe ° Begründungspflicht ° Umfang ° Verordnungen

    (EWG-Vertrag, Artikel 190)

    3. Landwirtschaft ° Gemeinsame Agrarpolitik ° Ziele ° Ausgleich ° Ermessen der Organe ° Stabilisierung des Marktes für Milcherzeugnisse ° Herabsetzung der Referenzmengen, die von der zusätzlichen Abgabe ausgenommen sind

    (EWG-Vertrag, Artikel 39 Absatz 1 Buchstabe c, 40 und 43; Verordnung Nr. 816/92 des Rates)

    4. Landwirtschaft ° Gemeinsame Marktorganisation ° Milch und Milcherzeugnisse ° Zusätzliche Abgabe für Milch ° Herabsetzung der Referenzmengen, die von der Abgabe ausgenommen sind, ohne Vergütung ° Eigentumsrecht ° Freie Berufsausübung ° Grundsatz der Verhältnismässigkeit ° Diskriminierungsverbot ° Kein Verstoß

    (EWG-Vertrag, Artikel 40 Absatz 3 Unterabsatz 2; Verordnung Nr. 816/92 des Rates)

    Leitsätze

    1. Da die Festsetzung der Gesamtgarantiemengen im Rahmen der durch die Verordnung Nr. 856/84 eingeführten Zusatzabgabenregelung für Milch in das weite Ermessen des Rates zur Anpassung der gemeinsamen Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse an die Veränderungen der wirtschaftlichen Lage fällt, darf grundsätzlich kein Wirtschaftsteilnehmer darauf vertrauen, daß der Rat im Rahmen der Ausgestaltung der gemeinsamen Agrarpolitik die Gesamtgarantiemengen und damit die Referenzmengen der einzelnen Erzeuger künftig nicht herabsetzen wird und daß jede Herabsetzung der individuellen Referenzmengen mit einer Vergütung verbunden sein wird. Insbesondere kann die blosse Tatsache, daß bei den Herabsetzungen der Gesamtgarantiemengen durch die früheren Verordnungen eine Vergütung gewährt wurde, im Zusammenhang damit, daß die Referenzmengen für den Zeitraum 1992/93 ohne Vergütung herabgesetzt wurden, bei den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern kein berechtigtes Vertrauen darauf geweckt haben, daß bei jeder späteren Herabsetzung dieser Mengen eine Vergütung gewährt wird.

    Diese Erwägungen treffen um so mehr zu, als die gesamte Zusatzabgabenregelung am 31. März 1992 auslief. Angesichts des weiten Ermessens des Rates hinsichtlich der Bedingungen einer Verlängerung dieser Regelung für die Folgejahre konnte grundsätzlich kein Wirtschaftsteilnehmer ein irgendwie geartetes berechtigtes Vertrauen in bezug auf den Inhalt der Rechtsvorschriften hegen, die der Rat für den Zeitraum danach erlassen würde, schon gar nicht in bezug auf die Beibehaltung der Gesamtgarantiemengen.

    Zudem war angesichts der Tatsache, daß die entsprechenden Referenzmengen in den fünf Jahren vorher vorübergehend ausgesetzt worden waren, daß den Erzeugern während dieses ganzen Zeitraums schon eine degressive Vergütung in Höhe von insgesamt 45,5 ECU pro 100 kg gezahlt worden war und daß noch immer im Übermaß Milch erzeugt wurde, die durch die Verordnung Nr. 816/92 vorgenommene Herabsetzung der Referenzmengen für den Zeitraum vom 1. April 1992 bis zum 31. März 1993 ohne Vergütung für einen umsichtigen und besonnenen Milcherzeuger vorhersehbar. Überdies waren alle Betroffenen durch die Veröffentlichung der Vorschläge der Kommission am 31. Dezember 1991 ausdrücklich über die Möglichkeit einer Herabsetzung der streitigen Mengen ohne Vergütung ausdrücklich informiert worden. Da die Milcherzeugung im wesentlichen auf Jahresbasis jeweils zum 1. April vorausgeplant wird, konnten die Erzeuger also die Wirkung der vorgeschlagenen Maßnahmen rechtzeitig vorhersehen und angemessen darauf reagieren.

    2. Die durch Artikel 190 des Vertrages vorgeschriebene Begründung muß der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein. Sie muß die Überlegungen der Gemeinschaftsbehörde, die den angefochtenen Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, daß die Betroffenen zur Wahrnehmung ihrer Rechte die Gründe für die erlassene Maßnahme erkennen können und der Gemeinschaftsrichter seine Kontrolle ausüben kann. Es ist jedoch nicht erforderlich, daß in der Begründung der Verordnungen die verschiedenen, manchmal sehr zahlreichen und komplexen tatsächlichen und rechtlichen Einzelheiten dargelegt werden, die Gegenstand der Verordnungen sind, wenn sie sich im systematischen Rahmen des Maßnahmenbündels halten, zu dem sie gehören.

    3. Die Gemeinschaftsorgane müssen bei der Verfolgung der Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik für den ständigen Ausgleich sorgen, den etwaige Widersprüche zwischen diesen Zielen, wenn sie isoliert betrachtet werden, erforderlich machen können; gegebenenfalls müssen sie dem einen oder anderen von ihnen den zeitweiligen Vorrang einräumen, den die wirtschaftlichen Tatsachen oder Umstände, im Hinblick auf die sie ihre Entscheidungen erlassen, gebieten.

    Daher durfte der Gemeinschaftsgesetzgeber, der auf dem Gebiet der gemeinsamen Agrarpolitik über ein weites Ermessen verfügt, das der politischen Verantwortung entspricht, die ihm die Artikel 40 und 43 des Vertrages übertragen, dem Ziel der Stabilisierung des Marktes für Milcherzeugnisse, der durch strukturelle Überschüsse gekennzeichnet ist, vorübergehend Vorrang einräumen ° wie er dies getan hat, indem er durch die Verordnung Nr. 816/92 die Referenzmengen, die von der zusätzlichen Abgabe ausgenommen sind, für das Jahr 1992/93 herabsetzte °, ohne damit seine Befugnisse aus Artikel 39 des Vertrages zu überschreiten.

    4. Die durch die Verordnung Nr. 816/92 für das Jahr 1992/93 vorgenommene Herabsetzung der Referenzmengen, die von der zusätzlichen Abgabe für Milch ausgenommen sind, ohne Vergütung verstösst weder gegen das Eigentumsrecht noch gegen das Recht auf freie Berufsausübung, noch gegen den Verhältnismässigkeitsgrundsatz, noch gegen das Diskriminierungsverbot.

    Diese Maßnahme kann nämlich weder für sich allein eine Verletzung des Eigentumsrechts oder des Rechts auf freie Berufsausübung darstellen, die jedenfalls, wie sie im Gemeinschaftsrecht anerkannt sind, keine absolute Geltung beanspruchen und im Interesse des Gemeinwohls Beschränkungen unterworfen werden können, noch kann sie als Verstoß gegen den Verhältnismässigkeitsgrundsatz angesehen werden, da es an der offensichtlichen Ungeeignetheit zur Erreichung des Ziels der Stabilisierung des Marktes für Milcherzeugnisse fehlt, noch kann gerügt werden, sie verstosse gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, der im Rahmen der gemeinsamen Marktorganisation in Artikel 40 Absatz 3 Unterabsatz 2 des Vertrages niedergelegt ist, da sie eine Maßnahme ist, die für alle Erzeuger der Gemeinschaft gilt, und keine objektiven Hinweise dafür vorliegen, daß bestimmte Erzeuger berechtigt gewesen wären, aufgrund ihrer besonderen Lage unter Berufung auf die Gleichheit eine daran angepasste Behandlung zu beanspruchen.

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