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Document 62017CJ0020

Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 21. Juni 2018.
Verfahren auf Betreiben von Vincent Pierre Oberle.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Verordnung (EU) Nr. 650/2012 – Art. 4 – Allgemeine Zuständigkeit eines Gerichts eines Mitgliedstaats für Entscheidungen in Erbsachen für den gesamten Nachlass – Nationale Regelung über die internationale Zuständigkeit für die Ausstellung nationaler Nachlasszeugnisse – Europäisches Nachlasszeugnis.
Rechtssache C-20/17.

Court reports – general – 'Information on unpublished decisions' section

Rechtssache C-20/17

Verfahren auf Antrag von Vincent Pierre Oberle

(Vorabentscheidungsersuchen des Kammergerichts Berlin)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Verordnung (EU) Nr. 650/2012 – Art. 4 – Allgemeine Zuständigkeit eines Gerichts eines Mitgliedstaats für Entscheidungen in Erbsachen für den gesamten Nachlass – Nationale Regelung über die internationale Zuständigkeit für die Ausstellung nationaler Nachlasszeugnisse – Europäisches Nachlasszeugnis“

Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 21. Juni 2018

  1. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen–Zuständigkeit, anzuwendendes Recht, Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen, Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses–Verordnung Nr. 650/2012–Allgemeine Zuständigkeit–Anwendung auf Erbfälle mit grenzüberschreitendem Bezug

    (Verordnung Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 4)

  2. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen–Zuständigkeit, anzuwendendes Recht, Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen, Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses–Verordnung Nr. 650/2012–Allgemeine Zuständigkeit–Geltungsbereich–Streitige oder außerstreitige Natur des Verfahrens–Keine Auswirkung

    (Verordnung Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 4)

  3. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen–Zuständigkeit, anzuwendendes Recht, Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen, Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses–Verordnung Nr. 650/2012–Europäisches Nachlasszeugnis–Zuständigkeit zur Ausstellung des Zeugnisses–Art. 64–Gegenstand der Bestimmung

    (Verordnung Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 64)

  4. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen–Zuständigkeit, anzuwendendes Recht, Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen, Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses–Verordnung Nr. 650/2012–Allgemeine Zuständigkeit–Geltungsbereich–Rechtsvorschrift eines Mitgliedstaats, die die Zuständigkeit seiner Gerichte für die Ausstellung nationaler Nachlasszeugnisse trotz fehlenden gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers in diesem Mitgliedstaat vorsieht–Unzulässigkeit

    (Verordnung Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 4)

  1.  Art. 4 der Verordnung Nr. 650/2012 bestimmt nach seinem Wortlaut die Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, für Entscheidungen in Erbsachen für den gesamten Nachlass. Diesbezüglich lässt zwar der Wortlaut dieser Bestimmung keinen Anhaltspunkt dafür erkennen, dass die Anwendung der dort aufgestellten allgemeinen Zuständigkeitsregel davon abhinge, dass ein Erbfall vorliegt, in den mehrere Mitgliedstaaten involviert sind. Nichtsdestotrotz gründet diese Regelung auf dem Vorliegen eines Erbfalls mit grenzüberschreitendem Bezug. Darüber hinaus lässt sich der Überschrift des Art. 4 der Verordnung Nr. 650/2012 entnehmen, dass diese Vorschrift die Bestimmung der allgemeinen Zuständigkeit der Gerichte der Mitgliedstaaten regelt, während sich die innerstaatliche Zuständigkeitsverteilung gemäß Art. 2 der Verordnung nach den nationalen Regeln richtet.

    (vgl. Rn. 34-36)

  2.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 43, 44)

  3.  Wie der Generalanwalt in Nr. 90 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, gilt für das durch die Bestimmungen in Kapitel VI der Verordnung Nr. 650/2012 geschaffene Europäische Nachlasszeugnis eine autonome rechtliche Regelung. In diesem Zusammenhang dient Art. 64 der Verordnung zur Klarstellung, dass sowohl die Gerichte als auch bestimmte andere Behörden für die Ausstellung eines solchen Nachlasszeugnisses zuständig sind, wobei er mittels Verweises auf die Zuständigkeitsregelungen der Art. 4, 7, 10 und 11 der Verordnung bestimmt, in welchem Mitgliedstaat diese Ausstellung stattzufinden hat.

    (vgl. Rn. 46)

  4.  Art. 4 der Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses ist dahin auszulegen, dass er einer Rechtsvorschrift eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren entgegensteht, die vorsieht, dass, auch wenn der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in diesem Mitgliedstaat hatte, dessen Gerichte ihre Zuständigkeit für die Ausstellung der nationalen Nachlasszeugnisse im Zusammenhang mit einem Erbfall mit grenzüberschreitendem Bezug behalten, wenn Nachlassvermögen auf dem Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats belegen ist oder der Erblasser dessen Staatsangehörigkeit besaß.

    Wie der Generalanwalt in den Nrn. 109 und 110 seiner Schlussanträge in Erinnerung gerufen hat, hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass eine Auslegung der Normen der Verordnung Nr. 650/2012, die eine Nachlassspaltung nach sich zöge, mit den Zielen dieser Verordnung unvereinbar wäre (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Oktober 2017, Kubicka, C 218/16, EU:C:2017:755, Rn. 57). Da nämlich eines dieser Ziele in der Schaffung einer einheitlichen Regelung für Erbfälle mit grenzüberschreitendem Bezug besteht, erfordert dessen Verwirklichung die Harmonisierung der Vorschriften über die internationale Zuständigkeit der mitgliedstaatlichen Gerichte sowohl bei streitigen als auch bei außerstreitigen Verfahren. Die Auslegung von Art. 4 der Verordnung, wonach diese Bestimmung die internationale Zuständigkeit der Gerichte der Mitgliedstaaten für die Verfahren zur Ausstellung der nationalen Nachlasszeugnisse festlegt, wirkt im Interesse einer geordneten Rechtspflege innerhalb der Union auf die Verwirklichung dieses Ziels hin, indem sie die Gefahr von Parallelverfahren vor den Gerichten der verschiedenen Mitgliedstaaten sowie von daraus resultierenden Widersprüchen einschränkt.

    (vgl. Rn. 56, 57, 59 und Tenor)

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