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Document 62016CJ0367

    Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 23. Januar 2018.
    Openbaar Ministerie gegen Dawid Piotrowski.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen – Rahmenbeschluss 2002/584/JI – Europäischer Haftbefehl – Übergabeverfahren zwischen Mitgliedstaaten – Gründe, aus denen die Vollstreckung abzulehnen ist – Art. 3 Nr. 3 – Minderjährige – Erfordernis der Prüfung des Mindestalters, um strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden zu können, oder einer Einzelfallprüfung der zusätzlichen Voraussetzungen, die das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats vorsieht, um einen Minderjährigen konkret verfolgen oder verurteilen zu können.
    Rechtssache C-367/16.

    Court reports – general – 'Information on unpublished decisions' section

    Rechtssache C-367/16

    Dawid Piotrowski

    (Vorabentscheidungsersuchen des Hof van beroep te Brussel)

    „Vorlage zur Vorabentscheidung – Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen – Rahmenbeschluss 2002/584/JI – Europäischer Haftbefehl – Übergabeverfahren zwischen Mitgliedstaaten – Gründe, aus denen die Vollstreckung abzulehnen ist – Art. 3 Nr. 3 – Minderjährige – Erfordernis der Prüfung des Mindestalters, um strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden zu können, oder einer Einzelfallprüfung der zusätzlichen Voraussetzungen, die das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats vorsieht, um einen Minderjährigen konkret verfolgen oder verurteilen zu können“

    Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 23. Januar 2018

    1. Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen–Rahmenbeschluss über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten–Gründe, aus denen die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls abzulehnen ist–Minderjährige–Geltungsbereich–Personen, die nicht das nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats erforderliche Mindestalter erreicht haben, um für die Handlung, die dem Haftbefehl zugrunde liegt, strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden zu können

      (Rahmenbeschluss 2002/584 des Rates in der durch den Rahmenbeschluss 2009/299 geänderten Fassung, Art. 3 Nr. 3)

    2. Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen–Rahmenbeschluss über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten–Gründe, aus denen die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls abzulehnen ist–Minderjährige–Anwendbarkeit zusätzlicher Voraussetzungen, von denen das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats die Verfolgung oder Verurteilung eines Minderjährigen konkret abhängig macht–Fehlen

      (Rahmenbeschluss 2002/584 des Rates in der durch den Rahmenbeschluss 2009/299 geänderten Fassung, Art. 3 Nr. 3)

    1.  Art. 3 Nr. 3 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten in der durch den Rahmenbeschluss 2009/299/JI des Rates vom 26. Februar 2009 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die Justizbehörde des Vollstreckungsmitgliedstaats nur die Übergabe von Minderjährigen ablehnen muss, die nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats nicht das erforderliche Alter haben, um für die Handlung, die dem gegen sie ergangenen Haftbefehl zugrunde liegt, strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden zu können.

      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die vollstreckende Justizbehörde nach Art. 3 Nr. 3 des Rahmenbeschlusses 2002/584 die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls ablehnen muss, wenn die Person, gegen die er ergangen ist, „nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats aufgrund ihres Alters für die Handlung, die diesem Haftbefehl zugrunde liegt, nicht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann“. Aus dem Wortlaut von Art. 3 Nr. 3 des Rahmenbeschlusses 2002/584 ergibt sich somit, dass der in dieser Vorschrift vorgesehene Ablehnungsgrund nicht Minderjährige im Allgemeinen betrifft, sondern nur Minderjährige, die nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats nicht das erforderliche Alter haben, um für die Handlung, die dem gegen sie ergangenen Haftbefehl zugrunde liegt, strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden zu können.

      (vgl. Rn. 28, 29, 38, Tenor 1)

    2.  Art. 3 Nr. 3 des Rahmenbeschlusses 2002/584 in der durch den Rahmenbeschluss 2009/299 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die Justizbehörde des Vollstreckungsmitgliedstaats bei der Entscheidung über die Übergabe eines Minderjährigen, gegen den ein Europäischer Haftbefehl ergangen ist, nur prüfen muss, ob die betreffende Person das Mindestalter erreicht hat, um im Vollstreckungsmitgliedstaat für die Handlung, die diesem Haftbefehl zugrunde liegt, strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden zu können, ohne etwaige zusätzliche, eine individuelle Begutachtung betreffende Voraussetzungen berücksichtigen zu müssen, von denen das Recht dieses Mitgliedstaats die Verfolgung oder Verurteilung eines Minderjährigen wegen einer solchen Handlung konkret abhängig macht.

      (vgl. Rn. 62, Tenor 2)

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