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Document 62015CJ0016
Urteil des Gerichtshofs (Zehnte Kammer) vom 14. September 2016.
María Elena Pérez López gegen Servicio Madrileño de Salud (Comunidad de Madrid).
Vorlage zur Vorabentscheidung – Sozialpolitik – Richtlinie 1999/70/EG – EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge – Paragrafen 3 bis 5 – Aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge im Bereich des öffentlichen Gesundheitswesens – Maßnahmen zur Vermeidung von Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverhältnisse – Sanktionen – Umwandlung des Arbeitsverhältnisses – Anspruch auf eine Ausgleichszahlung.
Rechtssache C-16/15.
Urteil des Gerichtshofs (Zehnte Kammer) vom 14. September 2016.
María Elena Pérez López gegen Servicio Madrileño de Salud (Comunidad de Madrid).
Vorlage zur Vorabentscheidung – Sozialpolitik – Richtlinie 1999/70/EG – EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge – Paragrafen 3 bis 5 – Aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge im Bereich des öffentlichen Gesundheitswesens – Maßnahmen zur Vermeidung von Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverhältnisse – Sanktionen – Umwandlung des Arbeitsverhältnisses – Anspruch auf eine Ausgleichszahlung.
Rechtssache C-16/15.
Court reports – general
Rechtssache C‑16/15
María Elena Pérez López
gegen
Servicio Madrileño de Salud (Comunidad de Madrid)
(Vorabentscheidungsersuchen des Juzgado de lo Contencioso-Administrativo no 4 de Madrid)
„Vorlage zur Vorabentscheidung — Sozialpolitik — Richtlinie 1999/70/EG — EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge — Paragrafen 3 bis 5 — Aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge im Bereich des öffentlichen Gesundheitswesens — Maßnahmen zur Vermeidung von Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverhältnisse — Sanktionen — Umwandlung des Arbeitsverhältnisses — Anspruch auf eine Ausgleichszahlung“
Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Zehnte Kammer) vom 14. September 2016
Sozialpolitik – EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge – Richtlinie 1999/70 – Geltungsbereich – Befristeter Arbeitsvertrag im öffentlichen Sektor – Als Krankenpfleger beschäftigter Arbeitnehmer, der zum statutarischen Aushilfspersonal des öffentlichen Gesundheitsdienstes gehört – Einbeziehung
(Richtlinie 1999/70 des Rates, Anhang, Paragrafen 2 Nr. 1 und 3 Nr. 1)
Sozialpolitik – EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge – Richtlinie 1999/70 – Maßnahmen zur Vermeidung von Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge – Nationale Regelung, die es den Gesundheitsdiensten erlaubt, befristet beschäftigtes statutarisches Personal zu ernennen – Bestimmungen, die die Verlängerung aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge zur Sicherstellung bestimmter Leistungen zeitlich begrenzter, konjunktureller oder außerordentlicher Art zulassen – Anwendung dieser Bestimmungen für einen ständigen und dauerhaften Bedarf – Unzulässigkeit – Keine Verpflichtung zur Schaffung von Planstellen im Fall eines in dem Bereich bestehenden strukturellen Mangels an Planstellen für fest angestellte Mitarbeiter – Unzulässigkeit
(Richtlinie 1999/70 des Rates, Anhang, Paragraf 5 Nr. 1 Buchst. a)
Sozialpolitik – EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge – Richtlinie 1999/70 – Maßnahmen zur Vermeidung von Missbrauch durch aufeinander folgende befristete Arbeitsverträge – Ziel – Nationale Regelung, die eine Beendigung des Vertragsverhältnisses zu dem im befristeten Vertrag vorgesehen Zeitpunkt und, unbeschadet einer eventuellen erneuten Ernennung, einen Ausgleich aller Ansprüche bestimmt – Zulässigkeit – Voraussetzung – Überprüfung durch das nationale Gericht
(Richtlinie 1999/70 des Rates, Anhang, Paragraf 5)
Sozialpolitik – EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge – Richtlinie 1999/70 – Geltungsbereich – Ungleichbehandlung zwischen bestimmten Gruppen befristet beschäftigter Arbeitnehmer – Ausschluss – Frage des nationalen Rechts und nicht des Unionsrechts – Offensichtliche Unzuständigkeit des Gerichtshofs
(Richtlinie 1999/70 des Rates, Anhang, Paragraf 4)
Der Anwendungsbereich der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge, die im Anhang der Richtlinie 1999/70 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge enthalten ist, ist, wie sich schon aus dem Wortlaut ihres Paragrafen 2 Nr. 1 entnehmen lässt, weit gefasst, da sie allgemein auf „befristet beschäftigte Arbeitnehmer mit einem Arbeitsvertrag oder ‑verhältnis gemäß der gesetzlich, tarifvertraglich oder nach den Gepflogenheiten in jedem Mitgliedstaat geltenden Definitionen“ abstellt. Auch die Definition des Begriffs „befristet beschäftigter Arbeitnehmer“ im Sinne der Rahmenvereinbarung, die in deren Paragraf 3 Nr. 1 enthalten ist, erfasst alle Arbeitnehmer, ohne danach zu unterscheiden, ob sie an einen öffentlichen oder an einen privaten Arbeitgeber gebunden sind, und unabhängig davon, wie ihr Vertrag nach dem innerstaatlichen Recht zu qualifizieren ist.
Da die Rahmenvereinbarung keine bestimmte Branche ausschließt, fällt ein Arbeitnehmer, der als Krankenpfleger beschäftigt ist und zum statutarischen Aushilfspersonal des öffentlichen Gesundheitsdienstes gehört, in den Anwendungsbereich der Rahmenvereinbarung.
(vgl. Rn. 24, 25)
Paragraf 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge, die im Anhang der Richtlinie 1999/70 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge enthalten ist, ist dahin auszulegen, dass er der Anwendung einer nationalen Regelung, die es den Gesundheitsdiensten erlaubt, befristet beschäftigtes statutarisches Personal zu ernennen, durch die Stellen des betreffenden Mitgliedstaats entgegensteht, wenn
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die Verlängerung aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge im öffentlichen Gesundheitssektor deshalb als aus „sachlichen Gründen“ im Sinne dieses Paragrafen gerechtfertigt angesehen wird, weil die Verträge auf Rechtsvorschriften gestützt sind, die die Vertragsverlängerung zur Sicherstellung bestimmter Leistungen zeitlich begrenzter, konjunktureller oder außerordentlicher Art zulassen, während in Wirklichkeit dieser Bedarf ständig und dauerhaft ist; |
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die zuständige Verwaltung nicht verpflichtet ist, Planstellen zu schaffen, mit denen die Ernennung statutarischer Aushilfskräfte beendet wird, und es ihr offensteht, geschaffene Planstellen durch die Einstellung von Interimskräften zu besetzen, so dass die Unsicherheit der Arbeitnehmer andauert, obwohl der betreffende Staat einen strukturellen Mangel an Planstellen für fest angestellte Mitarbeiter in diesem Bereich aufweist. |
Die vorübergehende Vertretung eines Arbeitnehmers, um einen zeitweiligen Arbeitskräftebedarf des Arbeitgebers zu decken, kann insoweit einen „sachlichen Grund“ im Sinne von Paragraf 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung darstellen.
In einer Verwaltung, die, wie der öffentliche Gesundheitssektor, über eine große Anzahl von Mitarbeitern verfügt, ist es nämlich unvermeidlich, dass u. a. aufgrund des Ausfalls von Beschäftigten, die Krankheits‑, Mutterschafts‑, Eltern‑ oder anderen Urlaub in Anspruch nehmen, vorübergehende Vertretungen erforderlich sind. Unter diesen Umständen kann die vorübergehende Vertretung von Arbeitnehmern einen sachlichen Grund im Sinne von Paragraf 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung bilden, der sowohl die Befristung der mit den Vertretungskräften geschlossenen Verträge als auch, bei erneutem Bedarf, deren Verlängerung rechtfertigt, sofern die insoweit in der Rahmenvereinbarung aufgestellten Anforderungen beachtet werden.
Die Verpflichtung, die Gesundheitsdienste so zu organisieren, dass ein gleichbleibend angemessenes Verhältnis zwischen der Zahl der Mitglieder des Pflegepersonals und der Zahl der Patienten sichergestellt ist, obliegt der öffentlichen Verwaltung und hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, die ein besonderes Bedürfnis nach Flexibilität widerspiegeln können, das in diesem spezifischen Bereich geeignet ist, einen Rückgriff auf aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge im Hinblick auf Paragraf 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung sachlich zu rechtfertigen.
Es kann hingegen nicht zugelassen werden, dass befristete Arbeitsverträge zum Zweck einer ständigen und dauerhaften Wahrnehmung von Aufgaben der Gesundheitsdienste, die zur normalen Tätigkeit des festen Krankenhauspersonals gehören, verlängert werden.
Die Verlängerung befristeter Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse zur Deckung eines Bedarfs, der in Wirklichkeit kein zeitweiliger, sondern ein ständiger und dauerhafter ist, ist nämlich nicht im Sinne von Paragraf 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung gerechtfertigt, da ein solcher Einsatz befristeter Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse der Prämisse der Rahmenvereinbarung, dass unbefristete Arbeitsverträge die übliche Form der Beschäftigungsverhältnisse sind, auch wenn befristete Arbeitsverträge für die Beschäftigung in bestimmten Branchen oder für bestimmte Berufe und Tätigkeiten charakteristisch sind, unmittelbar zuwiderläuft.
Zum Ermessensspielraum, der der Verwaltung bei der Schaffung von Planstellen zukommt, ist darauf hinzuweisen, dass das Bestehen einer solchen Möglichkeit zur Schaffung einer festen Stelle wie auch das der Möglichkeit der Umwandlung eines befristeten Vertrags in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis ein wirksames Mittel gegen die missbräuchliche Verwendung befristeter Verträge darstellen kann.
Auch wenn eine nationale Regelung, die die Verlängerung aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge zum Zweck der Vertretung von Personal bis zur Besetzung der geschaffenen Planstellen zulässt, grundsätzlich durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sein kann, muss die konkrete Anwendung dieses Grundes unter Berücksichtigung der betreffenden Tätigkeit und der Bedingungen ihrer Ausübung allerdings der Rahmenvereinbarung entsprechen.
(vgl. Rn. 44-48, 53, 54, 56, Tenor 1)
Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge, die im Anhang der Richtlinie 1999/70 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge enthalten ist, ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung, nach der das Vertragsverhältnis zu dem im befristeten Vertrag vorgesehenen Zeitpunkt beendet wird und – unbeschadet einer eventuellen erneuten Ernennung – ein Ausgleich aller Ansprüche erfolgt, grundsätzlich nicht entgegensteht, soweit diese Regelung nicht geeignet ist, das Ziel oder die tatsächliche Wirksamkeit der Rahmenvereinbarung in Frage zu stellen, was vom nationalen Gericht zu prüfen sein wird.
Das von diesem Paragraf 5 verfolgte Ziel, das darin besteht, den Rückgriff auf aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge und ‑verhältnisse einzugrenzen, würde nämlich jeglichen Inhalts beraubt, wenn der bloße Umstand, dass ein Arbeitsverhältnis nach nationalem Recht als neu eingestuft wird, einen „sachlichen Grund“ darstellen könnte, der die Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrags im Sinne dieses Paragrafen erlaubt.
(vgl. Rn. 60, 61, Tenor 2)
Eine Ungleichbehandlung zwischen bestimmten Gruppen befristet beschäftigten Personals, die nicht auf der befristeten oder unbefristeten Dauer des Arbeitsverhältnisses beruht, sondern auf dessen Einordnung als statutarisch oder vertraglich, fällt hingegen nicht unter den in der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge, die im Anhang der Richtlinie 1999/70 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge enthalten ist, verankerten Grundsatz der Nichtdiskriminierung.
Die Ungleichbehandlung zwischen dem statutarischen Aushilfspersonal und vergleichbaren Arbeitnehmern, die im Rahmen eines Arbeitsvertrags für Aushilfskräfte beschäftigt sind, fällt somit ausschließlich unter das nationale Recht, dessen Auslegung allein Sache des nationalen Gerichts ist.
Unter diesen Umständen ist der Gerichtshof für die Beantwortung der Frage, ob Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die dem statutarischen Aushilfspersonal jegliche Ausgleichszahlung für die Beendigung des Arbeitsvertrags vorenthält, während eine solche Ausgleichszahlung vergleichbaren Arbeitnehmern, die im Rahmen eines Arbeitsvertrags für Aushilfskräfte beschäftigt sind, gewährt wird, offensichtlich unzuständig.
(vgl. Rn. 62, 66, 68, 69)