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Document 62014CJ0191

    Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 28. April 2016.
    Borealis Polyolefine GmbH u. a. gegen Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft u. a.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Europäischen Union – Richtlinie 2003/87/EG – Art. 10a Abs. 5 – Methode der Zuteilung von Zertifikaten – Kostenlose Zuteilung von Zertifikaten – Berechnungsmodus für den einheitlichen sektorübergreifenden Korrekturfaktor – Beschluss 2011/278/EU – Art. 15 Abs. 3 – Beschluss 2013/448/EU – Art. 4 – Anhang II – Gültigkeit.
    Verbundene Rechtssachen C-191/14, C-192/14, C-295/14, C-389/14 und C-391/14 bis C-393/14.

    Court reports – general

    Verbundene Rechtssachen C‑191/14, C‑192/14, C‑295/14, C‑389/14 und C‑391/14 bis C‑393/14

    Borealis Polyolefine GmbH u. a.

    gegen

    Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft u. a.

    (Vorabentscheidungsersuchen des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich, des Raad van State [Niederlande] und des Tribunale amministrativo regionale per il Lazio)

    „Vorlage zur Vorabentscheidung — System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Europäischen Union — Richtlinie 2003/87/EG — Art. 10a Abs. 5 — Methode der Zuteilung von Zertifikaten — Kostenlose Zuteilung von Zertifikaten — Berechnungsmodus für den einheitlichen sektorübergreifenden Korrekturfaktor — Beschluss 2011/278/EU — Art. 15 Abs. 3 — Beschluss 2013/448/EU — Art. 4 — Anhang II — Gültigkeit“

    Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 28. April 2016

    1. Gerichtliches Verfahren – Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung – Antrag mit dem Ziel, zu den Rechtsausführungen in den Schlussanträgen des Generalanwalts Stellung zu nehmen – Voraussetzungen für die Wiedereröffnung

      (Satzung des Gerichtshofs, Art. 23; Verfahrensordnung des Gerichtshofs, Art. 83)

    2. Zur Vorabentscheidung vorgelegte Fragen – Gültigkeitsprüfung – Frage nach der Gültigkeit einer nicht nach Art. 263 AEUV angefochtenen Entscheidung – Von einer Gesellschaft, die offenkundig nicht zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage befugt war, im Ausgangsverfahren erhobene Klage – Zulässigkeit

      (Art. 263 Abs.4 AEUV und Art. 267 Buchst. b AEUV; Beschlüsse der Kommission 2011/278, Art. 10 Abs. 9 und Art. 15 Abs. 4, und 2013/448 Art. 4 und Anhang II]

    3. Umwelt – Luftverschmutzung – Richtlinie 2003/87 – System für den Handel mit Emissionszertifikaten für Treibhausgase – Übergangsregelung für die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten – Zuteilungsmethode – Berechnung anhand der jährlichen Höchstmenge solcher zuzuteilender Zertifikate – Berücksichtigung der Emissionen von Stromerzeugern bei der Festlegung dieser Höchstmenge – Unzulässigkeit

      (Richtlinie 2003/87 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 10a Abs. 3 und 5; Beschluss 2011/278 der Kommission, Art. 15 Abs. 3)

    4. Recht der Europäischen Union – Auslegung – Vorschriften in mehreren Sprachen – Einheitliche Auslegung – Abweichungen zwischen den verschiedenen Sprachfassungen – Kontext und Zielsetzung der betreffenden Regelung als Bezugsgrundlage

    5. Umwelt – Luftverschmutzung – Richtlinie 2003/87 – System für den Handel mit Emissionszertifikaten für Treibhausgase – Übergangsregelung für die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten – Zuteilungsmethode – Berechnung anhand der jährlichen Höchstmenge zuzuteilender Zertifikate – Berücksichtigung der Emissionen von Anlagen, die vor 2013 in das System für den Handel mit Zertifikaten einbezogen waren, bei der Festlegung dieser Höchstmenge – Unzulässigkeit

      (Richtlinie 2003/87 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 10a Abs. 5 Unterabs. 1 Buchst. b und Anhang I; Beschluss 2013/448 der Kommission, Art. 4 und Anhang II)

    6. Zur Vorabentscheidung vorgelegte Fragen – Gültigkeitsprüfung – Feststellung der Ungültigkeit der Bestimmungen eines Beschlusses der Kommission zum Korrekturfaktor, den die Mitgliedstaaten angewandt haben, um die Menge an kostenlos zuzuteilenden Emmissionszertifikaten für Treibhausgase zu bestimmen – Wirkungen – Zeitliche Begrenzung

      (Art. 264 Abs. 2 AEUV und Art. 267 AEUV; Richtlinie 2003/87 des Europäischen Parlaments und des Rates; Beschluss 2013/448 der Kommission, Art. 4 und Anhang II)

    7. Zur Vorabentscheidung vorgelegte Fragen – Gültigkeitsprüfung – Feststellung der Ungültigkeit eines Unionsrechtsakts – Wirkungen – Entsprechende Anwendung von Art. 266 AEUV – Verpflichtungen der Unionsorgane – Verpflichtung zum Erlass der Maßnahmen, die erforderlich sind, um der festgestellten Rechtswidrigkeit abzuhelfen

      (Art. 266 AEUV und 267 AEUV)

    8. Zur Vorabentscheidung vorgelegte Fragen – Gültigkeitsprüfung – Feststellung der Ungültigkeit eines Unionsrechtsakts – Wirkungen – Zeitliche Begrenzung – Ausnahme zugunsten eines Wirtschaftsteilnehmers, der eine Klage bei Gericht erhoben oder einen nach dem anwendbaren innerstaatlichen Recht gleichwertigen Rechtsbehelf eingelegt hat

      (Art. 267 AEUV)

    1.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Rn. 40)

    2.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Rn. 46, 49, 50, 58)

    3.  Der Ausschluss der Emissionen von Stromerzeugern bei der Festlegung der jährlichen Höchstmenge an Zertifikaten folgt aus Art. 10a Abs. 5 der Richtlinie 2003/87 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft, der der Kommission insoweit keinerlei Ermessen einräumt. Der Verweis in Art. 10a Abs. 5 dieser Richtlinie auf Anlagen, die nicht unter Abs. 3 fallen, ist nämlich dahin zu verstehen, dass damit Anlagen gemeint sind, bei denen es sich weder um Stromerzeuger noch um Anlagen zur Abscheidung von CO2, um Pipelines für die Beförderung von CO2 oder um CO2‑Speicherstätten handelt.

      Überdies steht eine solche asymmetrische Behandlung der Emissionen von Stromerzeugern und von Treibhausgasemissionen erzeugenden Anlagen mit dem Hauptziel der Richtlinie 2003/87 – dem Schutz der Umwelt durch eine Verringerung der Treibhausgasemissionen – im Einklang.

      (vgl. Rn. 65, 78, 79)

    4.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Rn. 90)

    5.  Die Kommission durfte bei der Festlegung der jährlichen Höchstmenge an Zertifikaten, die als Grundlage für die Berechnung der kostenlos zuzuteilenden Emissionszertifikate für Treibhausgase dient, gemäß Art. 10a Abs. 5 Unterabs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/87 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft nur die Emissionen von Anlagen berücksichtigen, die ab 2013 in das Gemeinschaftssystem einbezogen werden. Diese Bestimmung steht somit einer Berücksichtigung der Emissionen aus seit 2013 in Anhang I dieser Richtlinie aufgeführten Tätigkeiten entgegen, soweit diese Emissionen von Anlagen ausgingen, die vor 2013 in das System für den Handel mit Zertifikaten einbezogen waren.

      Da die Kommission für die Festlegung der jährlichen Höchstmenge an Zertifikaten, die kostenlos zugeteilt werden können, zumindest teilweise Emissionen von Anlagen berücksichtigt hat, die vor 2013 in das System für den Handel mit Zertifikaten einbezogen waren, erfüllt die jährliche Höchstmenge nicht die sich aus Art. 10a Abs. 5 Unterabs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/87 ergebenden Anforderungen, weil sie zu hoch angesetzt ist. Auch der in Art. 4 und Anhang II des Beschlusses 2013/448 über nationale Umsetzungsmaßnahmen für die übergangsweise kostenlose Zuteilung von Treibhausgasemissionszertifikaten gemäß Art. 11 Abs. 3 dieser Richtlinie festgelegte einheitliche sektorübergreifende Korrekturfaktor verstößt gegen Art. 10a Abs. 5 Unterabs. 1 Buchst. b der Richtlinie. Art. 4 und Anhang II des Beschlusses 2013/448 sind daher ungültig.

      (vgl. Rn. 94, 95, 98, 99, Tenor 2)

    6.  Wenn zwingende Erwägungen der Rechtssicherheit es rechtfertigen, hat der Gerichtshof gemäß Art. 264 Abs. 2 AEUV, der im Rahmen von Vorabentscheidungsersuchen gemäß Art. 267 AEUV zur Beurteilung der Gültigkeit von Handlungen der Organe der Europäischen Union entsprechend anwendbar ist, die Befugnis, in jedem einzelnen Fall diejenigen Wirkungen der betreffenden Handlung zu bezeichnen, die als fortgeltend zu betrachten sind.

      Die Wirkungen der Feststellung der Ungültigkeit von Art. 4 und Anhang II des Beschlusses 2013/448 über nationale Umsetzungsmaßnahmen für die übergangsweise kostenlose Zuteilung von Treibhausgasemissionszertifikaten gemäß Art. 11 Abs. 3 der Richtlinie 2003/87 sind zeitlich zu begrenzen, um der Kommission den Erlass der erforderlichen Maßnahmen zu ermöglichen und damit die erlassenen Maßnahmen nicht in Frage gestellt werden können. Die Aufhebung des in Art. 4 und Anhang II des Beschlusses 2013/448 festgesetzten einheitlichen sektorübergreifenden Korrekturfaktors kann nämlich alle vorherigen endgültigen Zuteilungen von kostenlosen Emissionszertifikaten für Treibhausgase in Frage stellen, die in den Mitgliedstaaten auf der Grundlage einer für gültig gehaltenen Regelung erfolgt sind. Die Feststellung der Ungültigkeit dieser Bestimmungen birgt somit die Gefahr schwerwiegender Auswirkungen auf eine Vielzahl gutgläubig begründeter Rechtsverhältnisse. Diese zwingenden Erwägungen der Rechtssicherheit können eine zeitliche Begrenzung der Wirkungen der Ungültigkeitsfeststellung rechtfertigen. Zudem könnte das vorübergehende Rechtsvakuum, das aus der Ungültigkeitsfeststellung entstünde, die Durchführung des mit der Richtlinie 2003/87 eingerichteten Systems für den Handel mit Zertifikaten und damit die Erreichung der mit ihr verfolgten Ziele gefährden.

      (vgl. Rn. 103, 105, 106, 111, Tenor 3)

    7.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Rn. 107)

    8.  Es ist Sache des Gerichtshofs, wenn er von der Möglichkeit Gebrauch macht, die Wirkung der Feststellung der Ungültigkeit einer Unionshandlung im Vorabentscheidungsverfahren für die Vergangenheit zu begrenzen, zu bestimmen, ob eine Ausnahme von dieser zeitlichen Begrenzung der Wirkung seines Urteils zugunsten der Partei des Ausgangsverfahrens vorgesehen werden kann, die die Klage vor dem nationalen Gericht gegen die nationalen Maßnahmen zur Durchführung der Unionshandlung erhoben hat, oder ob im Gegenteil auch für diese Partei eine nur in die Zukunft wirkende Feststellung der Ungültigkeit der Unionshandlung in angemessener Weise Abhilfe schafft.

      (vgl. Rn. 108)

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