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Document 62014CJ0347

Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 21. Oktober 2015.
New Media Online GmbH gegen Bundeskommunikationssenat.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 2010/13/EU – Begriffe ‚Sendung‘ und ‚audiovisueller Mediendienst‘ – Bestimmung des Hauptzwecks eines audiovisuellen Mediendienstes – Vergleichbarkeit des Dienstes mit Fernsehprogrammen – Einbindung kurzer Videos in einen Bereich der Website einer im Internet verfügbaren Zeitung.
Rechtssache C-347/14.

Court reports – general

Rechtssache C‑347/14

New Media Online GmbH

gegen

Bundeskommunikationssenat

(Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichtshofs)

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Richtlinie 2010/13/EU — Begriffe ‚Sendung‘ und ‚audiovisueller Mediendienst‘ — Bestimmung des Hauptzwecks eines audiovisuellen Mediendienstes — Vergleichbarkeit des Dienstes mit Fernsehprogrammen — Einbindung kurzer Videos in einen Bereich der Website einer im Internet verfügbaren Zeitung“

Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 21. Oktober 2015

  1. Freier Dienstleistungsverkehr — Fernsehtätigkeit — Richtlinie 2010/13 — Anwendungsbereich — Sendung — Begriff — Auf der Website einer Zeitung verfügbare kurze Videos — Einbeziehung

    (Richtlinie 2010/13 des Europäischen Parlaments und des Rates, 21. Erwägungsgrund und Art. 1 Abs. 1 Buchst. b und g)

  2. Freier Dienstleistungsverkehr — Fernsehtätigkeit — Richtlinie 2010/13 — Geltungsbereich — Audiovisueller Mediendienst — Bestimmung des Hauptzwecks — Kriterien — Prüfung durch den nationalen Richter

    (Richtlinie 2010/13 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 1 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i)

  1.  Der Begriff „Sendung“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2010/13 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste ist dahin auszulegen, dass er die Bereitstellung kurzer Videos, die kurzen Sequenzen aus lokalen Nachrichten, Sport oder Unterhaltung entsprechen, in einer Subdomain der Website einer Zeitung erfasst. Diese Bestimmung verlangt nämlich die Vergleichbarkeit von Videosequenzen mit der Form und dem Inhalt von Fernsehprogrammen, nicht aber die Vergleichbarkeit einer kompletten Kurzvideosammlung mit einem von einem Fernsehveranstalter erstellten kompletten Sendeplan oder Katalog.

    Ferner ist die Einstufung der Videos als „Sendung“ nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil sie von kurzer Dauer sind. Dass der Internetnutzer auf das ihn interessierende Video zu dem von ihm gewählten Zeitpunkt und auf seinen individuellen Abruf hin aus einem vom Betreiber der Online-Zeitung festgelegten Katalog zugreifen kann, ändert nichts daran, dass sich die Videos wie ein Fernsehprogramm an ein Massenpublikum richten und bei diesem im Sinne des 21. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2010/13 eine deutliche Wirkung entfalten können. Im Übrigen ist diese Möglichkeit in der Definition des audiovisuellen Mediendienstes auf Abruf in Art. 1 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2010/13 ausdrücklich vorgesehen. Daher unterscheidet sich diese Art und Weise der Auswahl der Videos nicht von derjenigen, die im Rahmen der in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallenden audiovisuellen Mediendienste auf Abruf vorgeschlagen wird.

    (vgl. Rn. 19-21, 24, Tenor 1)

  2.  Art. 1 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2010/13 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste ist dahin auszulegen, dass bei der Beurteilung des Hauptzwecks eines in der elektronischen Ausgabe einer Zeitung angebotenen Dienstes der Bereitstellung von Videos darauf abzustellen ist, ob dieser Dienst in Inhalt und Funktion gegenüber der journalistischen Tätigkeit des Betreibers der betreffenden Website eigenständig und nicht nur eine – insbesondere wegen der zwischen dem audiovisuellen Angebot und dem Textangebot bestehenden Verbindungen – unabtrennbare Ergänzung dieser Tätigkeit ist. Diese Beurteilung ist Sache des nationalen Gerichts.

    Die elektronische Ausgabe einer Zeitung ist nämlich trotz der audiovisuellen Elemente, die sie enthält, nicht als ein audiovisueller Dienst zu betrachten, wenn diese audiovisuellen Elemente eine Nebenerscheinung darstellen und nur zur Ergänzung des Presseartikelangebots dienen. Die Richtlinie 2010/13 darf jedoch nicht in dem Sinne verstanden werden, dass ein audiovisueller Dienst immer und schon dann von ihrem Anwendungsbereich auszuschließen ist, wenn der Betreiber der Website, zu der dieser Dienst gehört, eine Online-Zeitung verlegt. Insoweit ist ein materieller Ansatz vorzuziehen, der entsprechend dem Wortlaut von Art. 1 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2010/13 darin besteht, zu prüfen, ob der betreffende Dienst als solcher und unabhängig von dem Rahmen, in dem er angeboten wird, den Hauptzweck hat, eine Sendung zur Information, Unterhaltung oder Bildung der allgemeinen Öffentlichkeit bereitzustellen. Daher fällt der in der Subdomain Video angebotene Dienst in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2010/13, wenn er in Inhalt und Funktion gegenüber den Presseartikeln des Verlegers der Online-Zeitung eigenständig ist. Wenn der Dienst dagegen insbesondere wegen der zwischen dem audiovisuellen Angebot und dem Textangebot bestehenden Verbindungen untrennbar mit der journalistischen Tätigkeit dieses Verlegers verknüpft ist, fällt er nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie. Bei dieser Prüfung kann nicht maßgebend sein, ob das fragliche audiovisuelle Angebot im Hauptbereich der betreffenden Website oder in einer ihrer Subdomains präsentiert wird, da sonst die Möglichkeit geschaffen würde, die Vorschriften der Richtlinie 2010/13 durch eine entsprechende Strukturierung der Website zu umgehen.

    (vgl. Rn. 26, 28, 33-35, 37, Tenor 2)

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