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Document 62013CJ0506

Lito Maieftiko Gynaikologiko kai Cheirourgiko Kentro / Kommission

Rechtssache C‑506/13 P

Lito Maieftiko Gynaikologiko kai Cheirourgiko Kentro AE

gegen

Europäische Kommission

„Rechtsmittel — Vertrag über einen finanziellen Gemeinschaftsausschuss für ein Projekt im Bereich der medizinischen Zusammenarbeit — Entscheidung der Kommission, die Rückforderung eines Teils der überwiesenen Vorschüsse zu betreiben — Nichtigkeitsklage — Unzulässigkeit“

Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Erste Kammer) vom 9. September 2015

  1. Nichtigkeitsklage — Klage, die in Wirklichkeit einen Rechtsstreit vertraglicher Natur betrifft — Nichtigkeit eines Belastungsanzeige der Kommission — Unzuständigkeit des Unionsrichters — Unzulässigkeit

    (Art. 263 AEUV, 272 AEUV, 274 AEUV, 288 AEUV und 299 AEUV)

  2. Grundrechte — Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz — Grenzen — Einhaltung der Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Klage

    (Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 3, EUV; Art. 263 Abs. 4 AEUV; Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 47 und 52 Abs. 7)

  3. Recht der Europäischen Union — Grundsätze — Vertrauensschutz — Voraussetzungen — Konkrete Zusicherungen der Verwaltung

  4. Rechtsmittel — Gründe — Bloße Wiederholung der vor dem Gericht vorgetragenen Gründe und Argumente — Unzulässigkeit

    (Art. 256 Abs. 1 Unterabs. 2, AEUV; Satzung des Gerichtshofs, Art. 58 Abs. 1; Verfahrensordnung des Gerichtshofs, Art. 168 Abs. 1 Buchst. d)

  5. Recht der Europäischen Union — Grundsätze — Verteidigungsrechte — Anspruch auf rechtliches Gehör vor Gericht — Pflicht zum Eingehen auf das gesamte Vorbringen der Parteien — Fehlen

  6. Rechtsmittel — Gründe — Angriffs- oder Verteidigungsmittel, das erstmals im Rechtsmittelverfahren geltend gemacht wird — Unzulässigkeit

    (Art. 256 AEUV; Satzung des Gerichtshofs, Art. 58; Verfahrensordnung des Gerichtshofs, Art. 170 Abs. 1)

  7. Gerichtliches Verfahren — Anrufung des Gerichts aufgrund einer Schiedsklausel — Gründe — Ermessensmissbrauch — Ins Leere gehender Klagegrund — Zurückweisung

    (Art. 263 AEUV und 272 AEUV)

  8. Gerichtliches Verfahren — Anrufung des Gerichts aufgrund einer Schiedsklausel — Gründe — Fehlende oder unzureichende Begründung — Ins Leere gehender Klagegrund — Zurückweisung

    (Art. 272 AEUV und 296 AEUV)

  1.  Zwar würde dem Ziel der Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV eine Auslegung zuwiderlaufen, die die Zulässigkeitsvoraussetzungen dahin einschränkte, dass die Klage nur gegen die in Art. 288 AEUV genannten Arten von Handlungen gegeben wäre; unbeschadet dessen findet diese Zuständigkeit des Unionsrichters zur Auslegung und Anwendung der Bestimmungen des Vertrags keine Anwendung, wenn die Rechtsstellung des Klägers im Rahmen vertraglicher Beziehungen festgelegt wird, für die das von den Vertragsparteien gewählte nationale Recht gilt.

    Wenn sich nämlich die Unionsgerichte für Klagen für zuständig erklärten, mit denen die Nichtigerklärung von Rechtshandlungen beantragt wird, die in einem rein vertraglichen Rahmen stehen, liefen sie nicht nur Gefahr Art. 272 AEUV überflüssig zu machen, der die Übertragung der gerichtlichen Zuständigkeit aufgrund einer Schiedsklausel ermöglicht, sondern außerdem, falls der Vertrag keine solche Klausel enthält, ihre Zuständigkeit über die Grenzen hinaus auszudehnen, die in Art. 274 AEUV gezogen worden sind, der den nationalen Gerichten die allgemeine Zuständigkeit für die Entscheidung von Streitsachen überträgt, in denen die Union Partei ist. Daraus folgt, dass bei Vorliegen eines Vertrags, der den Kläger an ein Organ bindet, eine Klage nach Art. 263 AEUV nur dann bei den Unionsgerichten anhängig gemacht werden kann, wenn die angefochtene Handlung verbindliche Rechtswirkungen erzeugen soll, die außerhalb der vertraglichen Beziehung, die die Parteien bindet, angesiedelt sind und die Ausübung hoheitlicher Befugnisse voraussetzen, die dem vertragschließenden Organ als Verwaltungsbehörde übertragen worden sind.

    Insoweit steht eine Belastungsanzeige der Kommission im Rahmen eines Gemeinschaftszuschusses im Zusammenhang mit dem Vertrag, da sie die Beitreibung einer Forderung zum Gegenstand hat, die ihren Ursprung in den Bestimmungen des zwischen diesem Organ und dem Empfänger des Gemeinschaftszuschusses geschlossenen Vertrags hat. Denn diese Belastungsanzeige ist als eine Mahnung zu verstehen, in der auf den Fälligkeitszeitpunkt sowie die Zahlungsbedingungen hingewiesen wird und die einem vollstreckbaren Titel nicht gleichgesetzt werden kann, auch wenn sie das Vollstreckungsverfahren nach Art. 299 AEUV als einen möglichen Weg nennt, der der Kommission offenstehe, falls der Schuldner nicht zum festgelegten Fälligkeitszeitpunkt erfüllen sollte. Im Übrigen ist ein Organ, speziell die Kommission, dann, wenn es sich dafür entscheidet, Zuschüsse auf vertraglichem Weg im Rahmen von Art. 272 AEUV zu vergeben, verpflichtet, innerhalb dieses Rahmens zu bleiben. Es hat somit u. a. darauf zu achten, im Rahmen der Beziehungen mit seinen Vertragspartnern die Verwendung mehrdeutiger Formulierungen zu vermeiden, die von den Vertragspartnern als Hinweis auf einseitige Entscheidungsbefugnisse, die über die vertraglichen Festlegungen hinausgehen, verstanden werden könnten.

    (vgl. Rn. 17-21, 23)

  2.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 26)

  3.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 27, 43)

  4.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 39, 62, 69-71, 91)

  5.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 48)

  6.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 80, 81)

  7.  Ein Ermessensmissbrauch liegt dann vor, wenn ein Organ von seinen Kompetenzen ausschließlich oder zumindest überwiegend zu anderen als den angegebenen Zwecken oder mit dem Ziel Gebrauch macht, ein Verfahren zu umgehen, das der Vertrag speziell vorsieht, um die konkrete Sachlage zu bewältigen. Die Frage eines Ermessensmissbrauchs ist somit einer der Anhaltspunkte, anhand deren der Unionsrichter die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Handlung im Rahmen einer Nichtigkeitsklage gemäß den Bestimmungen von Art. 263 AEUV beurteilt. Im Rahmen einer nach Art. 272 AEUV erhobenen Klage hingegen kann der Kläger dem Organ, das sein Vertragspartner ist, nur die Verletzung vertraglicher Bestimmungen oder die Verletzung des auf den Vertrag anwendbaren Rechts vorwerfen.

    (vgl. Rn. 94-96)

  8.  Eine auf Art. 296 AEUV gestützte Rüge eines Begründungsmangels kann im Rahmen einer nach Art. 272 AEUV erhobenen Klage keinen Erfolg haben.

    (vgl. Rn. 104)

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Rechtssache C‑506/13 P

Lito Maieftiko Gynaikologiko kai Cheirourgiko Kentro AE

gegen

Europäische Kommission

„Rechtsmittel — Vertrag über einen finanziellen Gemeinschaftsausschuss für ein Projekt im Bereich der medizinischen Zusammenarbeit — Entscheidung der Kommission, die Rückforderung eines Teils der überwiesenen Vorschüsse zu betreiben — Nichtigkeitsklage — Unzulässigkeit“

Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Erste Kammer) vom 9. September 2015

  1. Nichtigkeitsklage – Klage, die in Wirklichkeit einen Rechtsstreit vertraglicher Natur betrifft – Nichtigkeit eines Belastungsanzeige der Kommission – Unzuständigkeit des Unionsrichters – Unzulässigkeit

    (Art. 263 AEUV, 272 AEUV, 274 AEUV, 288 AEUV und 299 AEUV)

  2. Grundrechte – Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz – Grenzen – Einhaltung der Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Klage

    (Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 3, EUV; Art. 263 Abs. 4 AEUV; Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 47 und 52 Abs. 7)

  3. Recht der Europäischen Union – Grundsätze – Vertrauensschutz – Voraussetzungen – Konkrete Zusicherungen der Verwaltung

  4. Rechtsmittel – Gründe – Bloße Wiederholung der vor dem Gericht vorgetragenen Gründe und Argumente – Unzulässigkeit

    (Art. 256 Abs. 1 Unterabs. 2, AEUV; Satzung des Gerichtshofs, Art. 58 Abs. 1; Verfahrensordnung des Gerichtshofs, Art. 168 Abs. 1 Buchst. d)

  5. Recht der Europäischen Union – Grundsätze – Verteidigungsrechte – Anspruch auf rechtliches Gehör vor Gericht – Pflicht zum Eingehen auf das gesamte Vorbringen der Parteien – Fehlen

  6. Rechtsmittel – Gründe – Angriffs- oder Verteidigungsmittel, das erstmals im Rechtsmittelverfahren geltend gemacht wird – Unzulässigkeit

    (Art. 256 AEUV; Satzung des Gerichtshofs, Art. 58; Verfahrensordnung des Gerichtshofs, Art. 170 Abs. 1)

  7. Gerichtliches Verfahren – Anrufung des Gerichts aufgrund einer Schiedsklausel – Gründe – Ermessensmissbrauch – Ins Leere gehender Klagegrund – Zurückweisung

    (Art. 263 AEUV und 272 AEUV)

  8. Gerichtliches Verfahren – Anrufung des Gerichts aufgrund einer Schiedsklausel – Gründe – Fehlende oder unzureichende Begründung – Ins Leere gehender Klagegrund – Zurückweisung

    (Art. 272 AEUV und 296 AEUV)

  1.  Zwar würde dem Ziel der Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV eine Auslegung zuwiderlaufen, die die Zulässigkeitsvoraussetzungen dahin einschränkte, dass die Klage nur gegen die in Art. 288 AEUV genannten Arten von Handlungen gegeben wäre; unbeschadet dessen findet diese Zuständigkeit des Unionsrichters zur Auslegung und Anwendung der Bestimmungen des Vertrags keine Anwendung, wenn die Rechtsstellung des Klägers im Rahmen vertraglicher Beziehungen festgelegt wird, für die das von den Vertragsparteien gewählte nationale Recht gilt.

    Wenn sich nämlich die Unionsgerichte für Klagen für zuständig erklärten, mit denen die Nichtigerklärung von Rechtshandlungen beantragt wird, die in einem rein vertraglichen Rahmen stehen, liefen sie nicht nur Gefahr Art. 272 AEUV überflüssig zu machen, der die Übertragung der gerichtlichen Zuständigkeit aufgrund einer Schiedsklausel ermöglicht, sondern außerdem, falls der Vertrag keine solche Klausel enthält, ihre Zuständigkeit über die Grenzen hinaus auszudehnen, die in Art. 274 AEUV gezogen worden sind, der den nationalen Gerichten die allgemeine Zuständigkeit für die Entscheidung von Streitsachen überträgt, in denen die Union Partei ist. Daraus folgt, dass bei Vorliegen eines Vertrags, der den Kläger an ein Organ bindet, eine Klage nach Art. 263 AEUV nur dann bei den Unionsgerichten anhängig gemacht werden kann, wenn die angefochtene Handlung verbindliche Rechtswirkungen erzeugen soll, die außerhalb der vertraglichen Beziehung, die die Parteien bindet, angesiedelt sind und die Ausübung hoheitlicher Befugnisse voraussetzen, die dem vertragschließenden Organ als Verwaltungsbehörde übertragen worden sind.

    Insoweit steht eine Belastungsanzeige der Kommission im Rahmen eines Gemeinschaftszuschusses im Zusammenhang mit dem Vertrag, da sie die Beitreibung einer Forderung zum Gegenstand hat, die ihren Ursprung in den Bestimmungen des zwischen diesem Organ und dem Empfänger des Gemeinschaftszuschusses geschlossenen Vertrags hat. Denn diese Belastungsanzeige ist als eine Mahnung zu verstehen, in der auf den Fälligkeitszeitpunkt sowie die Zahlungsbedingungen hingewiesen wird und die einem vollstreckbaren Titel nicht gleichgesetzt werden kann, auch wenn sie das Vollstreckungsverfahren nach Art. 299 AEUV als einen möglichen Weg nennt, der der Kommission offenstehe, falls der Schuldner nicht zum festgelegten Fälligkeitszeitpunkt erfüllen sollte. Im Übrigen ist ein Organ, speziell die Kommission, dann, wenn es sich dafür entscheidet, Zuschüsse auf vertraglichem Weg im Rahmen von Art. 272 AEUV zu vergeben, verpflichtet, innerhalb dieses Rahmens zu bleiben. Es hat somit u. a. darauf zu achten, im Rahmen der Beziehungen mit seinen Vertragspartnern die Verwendung mehrdeutiger Formulierungen zu vermeiden, die von den Vertragspartnern als Hinweis auf einseitige Entscheidungsbefugnisse, die über die vertraglichen Festlegungen hinausgehen, verstanden werden könnten.

    (vgl. Rn. 17-21, 23)

  2.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 26)

  3.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 27, 43)

  4.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 39, 62, 69-71, 91)

  5.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 48)

  6.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 80, 81)

  7.  Ein Ermessensmissbrauch liegt dann vor, wenn ein Organ von seinen Kompetenzen ausschließlich oder zumindest überwiegend zu anderen als den angegebenen Zwecken oder mit dem Ziel Gebrauch macht, ein Verfahren zu umgehen, das der Vertrag speziell vorsieht, um die konkrete Sachlage zu bewältigen. Die Frage eines Ermessensmissbrauchs ist somit einer der Anhaltspunkte, anhand deren der Unionsrichter die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Handlung im Rahmen einer Nichtigkeitsklage gemäß den Bestimmungen von Art. 263 AEUV beurteilt. Im Rahmen einer nach Art. 272 AEUV erhobenen Klage hingegen kann der Kläger dem Organ, das sein Vertragspartner ist, nur die Verletzung vertraglicher Bestimmungen oder die Verletzung des auf den Vertrag anwendbaren Rechts vorwerfen.

    (vgl. Rn. 94-96)

  8.  Eine auf Art. 296 AEUV gestützte Rüge eines Begründungsmangels kann im Rahmen einer nach Art. 272 AEUV erhobenen Klage keinen Erfolg haben.

    (vgl. Rn. 104)

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