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Document 62014CJ0108

Larentia + Minerva

Verbundene Rechtssachen C‑108/14 und C‑109/14

Beteiligungsgesellschaft Larentia + Minerva mbH & Co. KG

gegen

Finanzamt Nordenham

und

Finanzamt Hamburg-Mitte

gegen

Marenave Schiffahrts AG

(Vorabentscheidungsersuchen, eingereicht vom Bundesfinanzhof)

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Mehrwertsteuer — Sechste Richtlinie 77/388/EWG — Art. 17 — Recht auf Vorsteuerabzug — Teilweiser Abzug — Mehrwertsteuer, die von Holdinggesellschaften für die Beschaffung von Kapital entrichtet wurde, das sie in ihre Tochtergesellschaften investiert haben — An die Tochtergesellschaften erbrachte Dienstleistungen — Tochtergesellschaften in der Rechtsform einer Personengesellschaft — Art. 4 — Bildung einer Gruppe von Personen, die als ein Steuerpflichtiger behandelt werden können — Voraussetzungen — Erforderlichkeit eines Unterordnungsverhältnisses — Unmittelbare Wirkung“

Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 16. Juli 2015

  1. Harmonisierung des Steuerrechts – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Wirtschaftliche Tätigkeiten im Sinne von Art. 4 der Sechsten Richtlinie – Eingriff einer Holdinggesellschaft in die Verwaltung ihrer Tochtergesellschaften – Einbeziehung unter der Voraussetzung, dass Transaktionen durchgeführt werden, die gemäß Art. 2 der Richtlinie der Mehrwertsteuer unterliegen

    (Richtlinie 77/388 des Rates, Art. 2 und 4 Abs. 2)

  2. Harmonisierung des Steuerrechts – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Vorsteuerabzug – Steuerpflichtiger, der zugleich wirtschaftlichen Tätigkeiten und nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten nachgeht – Steuer, die von einer Holdinggesellschaft für die Beschaffung des Kapitals geschuldet oder entrichtet wird, das sie in ihre Tochtergesellschaften investiert hat – Pro-rata-Abzug – Ermessen der Mitgliedstaaten – Grenzen

    (Richtlinie 77/388 des Rates, Art. 17 Abs. 2 und 5)

  3. Harmonisierung des Steuerrechts – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Steuerpflichtige – Begriff – Möglichkeit der Mitgliedstaaten, eng miteinander verbundene Personen zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln – Nationale Regelung, die die Möglichkeit, eine Gruppe von Personen zu bilden, die als ein Steuerpflichtiger behandelt werden können, allein den Einheiten vorbehält, die juristische Personen sind und mit dem Organträger dieser Gruppe durch ein Unterordnungsverhältnis verbunden sind – Zulässigkeit – Grenzen – Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung

    (Richtlinie 77/388 des Rates, Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2)

  4. Harmonisierung des Steuerrechts – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Steuerpflichtige – Begriff – Art. 4 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie – Unmittelbare Wirkung – Fehlen

    (Richtlinie 77/388 des Rates, Art. 4 Abs. 4)

  1.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 19-21)

  2.  Art. 17 Abs. 2 und 5 der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung ist wie folgt auszulegen:

    Kosten, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an ihren Tochtergesellschaften von einer Holdinggesellschaft getragen werden, die an deren Verwaltung teilnimmt und insoweit eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, sind als Teil der allgemeinen Aufwendungen der Holdinggesellschaft anzusehen, und die für diese Kosten bezahlte Mehrwertsteuer ist grundsätzlich vollständig abzuziehen, es sei denn, dass bestimmte nachgelagerte Umsätze gemäß der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung mehrwertsteuerfrei sind. Im letzteren Fall darf das Abzugsrecht nur nach den in Art. 17 Abs. 5 der Richtlinie vorgesehenen Modalitäten vorgenommen werden.

    Kosten, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an ihren Tochtergesellschaften von einer Holdinggesellschaft getragen werden, die nur bei einigen von ihnen an der Verwaltung teilnimmt, hinsichtlich der übrigen dagegen keine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, sind nur zum Teil als Teil der allgemeinen Aufwendungen der Holdinggesellschaft anzusehen, so dass die für diese Kosten bezahlte Mehrwertsteuer nur im Verhältnis zu den der wirtschaftlichen Tätigkeit inhärenten Kosten nach von den Mitgliedstaaten festgelegten Aufteilungskriterien abgezogen werden kann, die bei der Ausübung dieser Befugnis Zweck und Systematik der Sechsten Richtlinie berücksichtigen und insoweit eine Berechnungsweise vorsehen müssen, die objektiv widerspiegelt, welcher Teil der Eingangsaufwendungen der wirtschaftlichen und der nichtwirtschaftlichen Tätigkeit tatsächlich zuzurechnen ist, was zu prüfen Sache der nationalen Gerichte ist.

    (vgl. Rn. 33, Tenor 1)

  3.  Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die in dieser Bestimmung vorgesehene Möglichkeit, eine Gruppe von Personen zu bilden, die als ein Mehrwertsteuerpflichtiger behandelt werden können, allein den Einheiten vorbehält, die juristische Personen sind und mit dem Organträger dieser Gruppe durch ein Unterordnungsverhältnis verbunden sind, es sei denn, dass diese beiden Anforderungen Maßnahmen darstellen, die für die Erreichung der Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder ‑umgehung erforderlich und geeignet sind, was das nationale Gericht zu prüfen hat.

    (vgl. Rn. 46, Tenor 2)

  4.  Bei Art. 4 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung kann nicht davon ausgegangen werden, dass er unmittelbare Wirkung hat, so dass Steuerpflichtige dessen Inanspruchnahme gegenüber ihrem Mitgliedstaat geltend machen könnten, falls dessen Rechtsvorschriften nicht mit dieser Bestimmung vereinbar wären und nicht in mit ihr zu vereinbarender Weise ausgelegt werden könnten. Dieser Artikel hat nämlich insoweit einen bedingten Charakter, als er die Anwendung nationaler Rechtsvorschriften voraussetzt, die seinen konkreten Umfang bestimmen.

    (vgl. Rn. 50, 52, Tenor 3)

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