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Document 62014CJ0042

Wojskowa Agencja Mieszkaniowa w Warszawie

Rechtssache C‑42/14

Minister Finansów

gegen

Wojskowa Agencja Mieszkaniowa w Warszawie

(Vorabentscheidungsersuchen des Naczelny Sąd Administracyjny)

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Steuerrecht — Gemeinsames Mehrwertsteuersystem — Vermietung einer Immobilie — Lieferung von Elektrizität, Wärme und Wasser sowie Abfallentsorgung — Verträge zwischen dem Vermieter und den Lieferanten dieser Gegenstände und Dienstleistungen — Dem Mieter zur Verfügung gestellte Leistungen, die als vom Vermieter erbracht gelten — Mietnebenkosten — Bestimmung der Besteuerungsgrundlage — Möglichkeit, die Mietnebenkosten in die Besteuerungsgrundlage der Vermietungsdienstleistungen einzubeziehen — Aus einer Einzelleistung oder aus mehreren unabhängigen Leistungen bestehender Umsatz“

Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Dritte Kammer) vom 16. April 2015

  1. Harmonisierung des Steuerrechts – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Lieferung von Gegenständen – Dienstleistungen – Im Rahmen der Vermietung einer Immobilie abgeschlossener Vertrag über Lieferung von Elektrizität, Wärme und Wasser sowie Abfallentsorgung – Von Dritten zugunsten der Mieter erbrachte Leistungen – Vom Vermieter erbrachte Leistungen

    (Richtlinie 2006/112 des Rates, Art. 14 Abs. 1, Art. 15 Abs. 1 und Art. 24 Abs. 1)

  2. Harmonisierung des Steuerrechts – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Dienstleistungen – Zusammengesetzte Umsätze – Umsatz, der als einheitliche Leistung anzusehen ist – Kriterien für die Feststellung

    (Richtlinie 2006/112 des Rates)

  3. Harmonisierung des Steuerrechts – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Dienstleistungen – Zusammengesetzte Umsätze – Vermietung von Immobilien – An die Vermietung von Immobilien gebundene Dienstleistungen – Aus verschiedenen Leistungen zusammengesetzter einheitlicher Umsatz – Voraussetzungen – Beurteilung durch das nationale Gericht

    (Richtlinie 2006/112 des Rates)

  1.  Art. 14 Abs. 1, Art. 15 Abs. 1 und Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2009/162 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass die im Rahmen der Vermietung einer Immobilie von Dritten erbrachten Lieferungen von Elektrizität, Wärme und Wasser sowie die Abfallentsorgung zugunsten der Mieter, die diese Gegenstände und Dienstleistungen unmittelbar nutzen, als vom Vermieter erbracht anzusehen sind, wenn dieser die Verträge für die Lieferung dieser Leistungen abgeschlossen hat und lediglich deren Kosten an die Mieter weitergibt.

    (vgl. Rn. 28, Tenor 1)

  2.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 30, 31)

  3.  Die Richtlinie 2006/112 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2009/162 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die Vermietung einer Immobilie und die Lieferung von Wasser, Elektrizität und Wärme sowie die Abfallentsorgung, die diese Vermietung begleiten, grundsätzlich als mehrere unterschiedliche und unabhängige Leistungen anzusehen sind, die unter Mehrwertsteuergesichtspunkten getrennt zu beurteilen sind, es sei denn, dass gewisse Bestandteile des Umsatzes, einschließlich derer, die die wirtschaftliche Grundlage des Vertragsabschlusses bilden, so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre.

    Es obliegt dem nationalen Gericht, die notwendigen Bewertungen unter Berücksichtigung der Gesamtumstände, unter denen die Vermietung und die sie begleitenden Leistungen abgewickelt werden, und insbesondere des eigentlichen Vertragsinhalts vorzunehmen.

    Zur Klärung der Frage, ob die erbrachten Leistungen mehrere voneinander unabhängige Leistungen oder eine einheitliche Leistung darstellen, sind die charakteristischen Merkmale des betreffenden Umsatzes zu ermitteln.

    Um die charakteristischen Merkmale des betroffenen Umsatzes festzustellen, können die Bestandteile berücksichtigt werden, die die Interessen der Vertragsparteien widerspiegeln, wie z. B. die Preisbildungs- und Rechnungsstellungsmodalitäten. Zu prüfen ist insbesondere, ob der Mieter und der Vermieter nach dem Vertrag vor allem eine mietweise Überlassung einer Immobilie erhalten bzw. anbieten wollen und der eine nur subsidiär andere Leistungen von dem anderen erhalten bzw. für ihn erbringen möchte, selbst wenn diese zur Nutzung des Gegenstands notwendig sind.

    Demnach sind die folgenden Umstände zu berücksichtigen, die es ermöglichen, zwei Fallgruppen zu unterscheiden.

    Erstens, wenn der Mieter über die Möglichkeit verfügt, die Lieferanten und/oder die Nutzungsmodalitäten der in Rede stehenden Gegenstände oder Dienstleistungen auszuwählen, können die Leistungen, die sich auf diese Gegenstände oder Dienstleistungen beziehen, grundsätzlich als von der Vermietung getrennt angesehen werden. Insbesondere wenn der Mieter über seinen Verbrauch von Wasser, Elektrizität oder Wärme, die durch die Anbringung von individuellen Zählern kontrolliert und in Abhängigkeit dieses Verbrauchs abgerechnet werden können, entscheiden kann, können die Leistungen, die sich auf diese Gegenstände oder Dienstleistungen beziehen, grundsätzlich als von der Vermietung getrennt angesehen werden. Bei Dienstleistungen wie der Reinigung der Gemeinschaftsräume eines im Miteigentum stehenden Gebäudes sind diese als von der Vermietung getrennt anzusehen, wenn sie von jedem Mieter einzeln oder von den Mietern gemeinsam organisiert werden können und wenn in jedem Fall die an den Mieter versandten Rechnungen die Lieferung dieser Gegenstände und Dienstleistungen getrennt von der Miete ausweisen.

    In diesem Fall ändert der bloße Umstand, dass die Nichtzahlung der Nebenkosten dem Vermieter die Kündigung des Mietvertrags ermöglicht, nichts daran, dass die Leistungen, auf die sich diese Nebenkosten beziehen, von der Vermietung getrennte Leistungen darstellen.

    Im Übrigen ist der Umstand an sich, dass der Mieter über die Möglichkeit verfügt, diese Leistungen bei einem Lieferanten seiner Wahl zu erhalten, ebenfalls nicht entscheidend, da die Möglichkeit, dass Teile einer einheitlichen Leistung unter anderen Umständen getrennt erbracht werden, zum Konzept des zusammengesetzten einheitlichen Umsatzes gehört.

    Zweitens kann, wenn ein zur Miete angebotenes Gebäude in wirtschaftlicher Hinsicht offensichtlich mit den begleitenden Leistungen objektiv eine Gesamtheit bildet, davon ausgegangen werden, dass Letztere mit der Vermietung eine einheitliche Leistung bilden. Das kann u. a. bei der Vermietung schlüsselfertiger, mit der Lieferung von Versorgungsleistungen und bestimmten anderen Leistungen einsatzbereiter Büroräume der Fall sein, und bei der Vermietung von Immobilien für kurze Zeiträume, insbesondere für die Ferienzeit oder aus beruflichen Gründen, die mit diesen Leistungen angeboten wird, ohne dass diese davon getrennt werden können.

    Im Übrigen sind die in Rede stehenden Leistungen, wenn der Vermieter selbst nicht über die Möglichkeit verfügt, die Lieferanten und Modalitäten der Verwendung der die Vermietung begleitenden Gegenstände oder Dienstleistungen frei und unabhängig, insbesondere von anderen Vermietern zu wählen, grundsätzlich von der Vermietung nicht trennbar und können ebenfalls als eine Gesamtheit und damit eine einheitliche Leistung mit der Vermietung bildend angesehen werden. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Vermieter als Teileigentümer eines im Mitbesitz stehenden Gebäudes gehalten ist, Lieferanten in Anspruch zu nehmen, die von allen Mitbesitzern gemeinsam bestimmt wurden, und einen Anteil der Gemeinkosten zu bezahlen, die sich auf solche Leistungen beziehen und die er in der Folge an den Mieter weitergibt.

    In diesem zweiten Fall würde eine getrennte Beurteilung der Erbringung der Mietleistungen in Bezug auf ihre Mehrwertsteuerpflichtigkeit eine künstliche Aufspaltung einer einheitlichen wirtschaftlichen Leistung darstellen.

    (vgl. Rn 32, 37-44, 47, Tenor 2)

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Schlüsselwörter
Leitsätze

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1. Harmonisierung des Steuerrechts – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Lieferung von Gegenständen – Dienstleistungen – Im Rahmen der Vermietung einer Immobilie abgeschlossener Vertrag über Lieferung von Elektrizität, Wärme und Wasser sowie Abfallentsorgung – Von Dritten zugunsten der Mieter erbrachte Leistungen – Vom Vermieter erbrachte Leistungen

(Richtlinie 2006/112 des Rates, Art. 14 Abs. 1, Art. 15 Abs. 1 und Art. 24 Abs. 1)

2. Harmonisierung des Steuerrechts – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Dienstleistungen – Zusammengesetzte Umsätze – Umsatz, der als einheitliche Leistung anzusehen ist – Kriterien für die Feststellung

(Richtlinie 2006/112 des Rates)

3. Harmonisierung des Steuerrechts – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Dienstleistungen – Zusammengesetzte Umsätze – Vermietung von Immobilien – An die Vermietung von Immobilien gebundene Dienstleistungen – Aus verschiedenen Leistungen zusammengesetzter einheitlicher Umsatz – Voraussetzungen – Beurteilung durch das nationale Gericht

(Richtlinie 2006/112 des Rates)

Leitsätze

1. Art. 14 Abs. 1, Art. 15 Abs. 1 und Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2009/162 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass die im Rahmen der Vermietung einer Immobilie von Dritten erbrachten Lieferungen von Elektrizität, Wärme und Wasser sowie die Abfallentsorgung zugunsten der Mieter, die diese Gegenstände und Dienstleistungen unmittelbar nutzen, als vom Vermieter erbracht anzusehen sind, wenn dieser die Verträge für die Lieferung dieser Leistungen abgeschlossen hat und lediglich deren Kosten an die Mieter weitergibt.

(vgl. Rn. 28, Tenor 1)

2. Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 30, 31)

3. Die Richtlinie 2006/112 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2009/162 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die Vermietung einer Immobilie und die Lieferung von Wasser, Elektrizität und Wärme sowie die Abfallentsorgung, die diese Vermietung begleiten, grundsätzlich als mehrere unterschiedliche und unabhängige Leistungen anzusehen sind, die unter Mehrwertsteuergesichtspunkten getrennt zu beurteilen sind, es sei denn, dass gewisse Bestandteile des Umsatzes, einschließlich derer, die die wirtschaftliche Grundlage des Vertragsabschlusses bilden, so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre.

Es obliegt dem nationalen Gericht, die notwendigen Bewertungen unter Berücksichtigung der Gesamtumstände, unter denen die Vermietung und die sie begleitenden Leistungen abgewickelt werden, und insbesondere des eigentlichen Vertragsinhalts vorzunehmen.

Zur Klärung der Frage, ob die erbrachten Leistungen mehrere voneinander unabhängige Leistungen oder eine einheitliche Leistung darstellen, sind die charakteristischen Merkmale des betreffenden Umsatzes zu ermitteln.

Um die charakteristischen Merkmale des betroffenen Umsatzes festzustellen, können die Bestandteile berücksichtigt werden, die die Interessen der Vertragsparteien widerspiegeln, wie z. B. die Preisbildungs- und Rechnungsstellungsmodalitäten. Zu prüfen ist insbesondere, ob der Mieter und der Vermieter nach dem Vertrag vor allem eine mietweise Überlassung einer Immobilie erhalten bzw. anbieten wollen und der eine nur subsidiär andere Leistungen von dem anderen erhalten bzw. für ihn erbringen möchte, selbst wenn diese zur Nutzung des Gegenstands notwendig sind.

Demnach sind die folgenden Umstände zu berücksichtigen, die es ermöglichen, zwei Fallgruppen zu unterscheiden.

Erstens, wenn der Mieter über die Möglichkeit verfügt, die Lieferanten und/oder die Nutzungsmodalitäten der in Rede stehenden Gegenstände oder Dienstleistungen auszuwählen, können die Leistungen, die sich auf diese Gegenstände oder Dienstleistungen beziehen, grundsätzlich als von der Vermietung getrennt angesehen werden. Insbesondere wenn der Mieter über seinen Verbrauch von Wasser, Elektrizität oder Wärme, die durch die Anbringung von individuellen Zählern kontrolliert und in Abhängigkeit dieses Verbrauchs abgerechnet werden können, entscheiden kann, können die Leistungen, die sich auf diese Gegenstände oder Dienstleistungen beziehen, grundsätzlich als von der Vermietung getrennt angesehen werden. Bei Dienstleistungen wie der Reinigung der Gemeinschaftsräume eines im Miteigentum stehenden Gebäudes sind diese als von der Vermietung getrennt anzusehen, wenn sie von jedem Mieter einzeln oder von den Mietern gemeinsam organisiert werden können und wenn in jedem Fall die an den Mieter versandten Rechnungen die Lieferung dieser Gegenstände und Dienstleistungen getrennt von der Miete ausweisen.

In diesem Fall ändert der bloße Umstand, dass die Nichtzahlung der Nebenkosten dem Vermieter die Kündigung des Mietvertrags ermöglicht, nichts daran, dass die Leistungen, auf die sich diese Nebenkosten beziehen, von der Vermietung getrennte Leistungen darstellen.

Im Übrigen ist der Umstand an sich, dass der Mieter über die Möglichkeit verfügt, diese Leistungen bei einem Lieferanten seiner Wahl zu erhalten, ebenfalls nicht entscheidend, da die Möglichkeit, dass Teile einer einheitlichen Leistung unter anderen Umständen getrennt erbracht werden, zum Konzept des zusammengesetzten einheitlichen Umsatzes gehört.

Zweitens kann, wenn ein zur Miete angebotenes Gebäude in wirtschaftlicher Hinsicht offensichtlich mit den begleitenden Leistungen objektiv eine Gesamtheit bildet, davon ausgegangen werden, dass Letztere mit der Vermietung eine einheitliche Leistung bilden. Das kann u. a. bei der Vermietung schlüsselfertiger, mit der Lieferung von Versorgungsleistungen und bestimmten anderen Leistungen einsatzbereiter Büroräume der Fall sein, und bei der Vermietung von Immobilien für kurze Zeiträume, insbesondere für die Ferienzeit oder aus beruflichen Gründen, die mit diesen Leistungen angeboten wird, ohne dass diese davon getrennt werden können.

Im Übrigen sind die in Rede stehenden Leistungen, wenn der Vermieter selbst nicht über die Möglichkeit verfügt, die Lieferanten und Modalitäten der Verwendung der die Vermietung begleitenden Gegenstände oder Dienstleistungen frei und unabhängig, insbesondere von anderen Vermietern zu wählen, grundsätzlich von der Vermietung nicht trennbar und können ebenfalls als eine Gesamtheit und damit eine einheitliche Leistung mit der Vermietung bildend angesehen werden. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Vermieter als Teileigentümer eines im Mitbesitz stehenden Gebäudes gehalten ist, Lieferanten in Anspruch zu nehmen, die von allen Mitbesitzern gemeinsam bestimmt wurden, und einen Anteil der Gemeinkosten zu bezahlen, die sich auf solche Leistungen beziehen und die er in der Folge an den Mieter weitergibt.

In diesem zweiten Fall würde eine getrennte Beurteilung der Erbringung der Mietleistungen in Bezug auf ihre Mehrwertsteuerpflichtigkeit eine künstliche Aufspaltung einer einheitlichen wirtschaftlichen Leistung darstellen.

(vgl. Rn 32, 37-44, 47, Tenor 2)

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