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Document 62012CJ0466

Leitsätze des Urteils

Rechtssache C‑466/12

Nils Svensson u. a.

gegen

Retriever Sverige AB

(Vorabentscheidungsersuchen des Svea hovrätt)

„Vorabentscheidungsersuchen — Rechtsangleichung — Urheberrecht und verwandte Schutzrechte — Richtlinie 2001/29/EG — Informationsgesellschaft — Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte — Art. 3 Abs. 1 — Öffentliche Wiedergabe — Begriff — Internetlinks (‚anklickbare Links‘), die geschützte Werke zugänglich machen“

Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Vierte Kammer) vom 13. Februar 2014

  1. Rechtsangleichung – Urheberrecht und verwandte Schutzrechte – Richtlinie 2001/29 – Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft – Öffentliche Wiedergabe – Begriff – Öffentliche Zugänglichmachung anklickbarer Links auf einer Internetseite zu Werken, die auf einer anderen Internetseite frei zugänglich sind – Ausschluss

    (Richtlinie 2001/29 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 3 Abs. 1)

  2. Rechtsangleichung – Urheberrecht und verwandte Schutzrechte – Richtlinie 2001/29 – Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft – Öffentliche Wiedergabe – Begriff – Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, einen weiter gehenden Schutz der Inhaber eines Urheberrechts vorzusehen, indem sie in die öffentliche Wiedergabe Handlungen einbeziehen, die über Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 hinausgehen – Ausschluss

    (Richtlinie 2001/29 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 3 Abs. 1)

  3. Völkerrechtliche Verträge – Verträge der Mitgliedstaaten – Vor dem Beitritt eines Mitgliedstaats zur Union geschlossene Verträge – Vertrag, nach dem der Mitgliedstaat eine unionsrechtswidrige Maßnahme treffen kann – Pflicht des Mitgliedstaats, vom Erlass einer solchen Maßnahme abzusehen

    (Art. 351 AEUV)

  1.  Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ist dahin auszulegen, dass keine Handlung der öffentlichen Wiedergabe im Sinne dieser Bestimmung vorliegt, wenn auf einer Internetseite anklickbare Links zu Werken bereitgestellt werden, die auf einer anderen Internetseite frei zugänglich sind.

    Insoweit hat der Begriff der öffentlichen Wiedergabe zwei kumulative Tatbestandsmerkmale, nämlich eine „Handlung der Wiedergabe“ eines Werkes und seine „öffentliche“ Wiedergabe.

    Dass auf einer Internetseite anklickbare Links zu geschützten Werken bereitgestellt werden, die auf einer anderen Seite ohne Zugangsbeschränkung veröffentlicht sind, bietet den Nutzern der erstgenannten Seite direkten Zugang zu diesen Werken und ist als „Zugänglichmachung“ und deshalb als „Handlung der Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 einzustufen. Eine solche Handlung der Wiedergabe betrifft sämtliche potenziellen Nutzer der Internetseite, d. h. eine unbestimmte und ziemlich große Zahl von Adressaten.

    Jedoch kann eine solche Wiedergabe, die dieselben Werke umfasste wie die ursprüngliche Wiedergabe und wie diese im Internet, also nach demselben technischen Verfahren, erfolgte, nur dann unter den Begriff „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 fallen, wenn sie sich an ein neues Publikum richtet, d. h. an ein Publikum, das die Inhaber des Urheberrechts nicht hatten erfassen wollen, als sie die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubten. Der Umstand, dass die betreffenden Werke über einen anklickbaren Link zugänglich gemacht werden, führt nicht zu einer Wiedergabe der fraglichen Werke für ein neues Publikum.

    Da die betreffenden Werke auf der Seite, auf der sie ursprünglich wiedergegeben wurden, sämtlichen Nutzern einer anderen Seite, für die eine Wiedergabe dieser Werke über einen anklickbaren Link erfolgte, ohne Zutun des Betreibers dieser anderen Seite unmittelbar zugänglich waren, sind die Nutzer dieser von ihm betriebenen Seite demnach als potenzielle Adressaten der ursprünglichen Wiedergabe und daher als Mitglieder der Öffentlichkeit anzusehen, die die Inhaber des Urheberrechts hatten erfassen wollen, als sie die ursprüngliche Wiedergabe erlaubten.

    Mangels neuen Publikums ist deshalb für eine solche öffentliche Wiedergabe keine Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber erforderlich.

    (vgl. Rn. 16, 18, 20, 22, 24, 25, 27, 28, 32, Tenor 1)

  2.  Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ist dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat verbietet, einen weiter gehenden Schutz der Inhaber eines Urheberrechts vorzusehen, indem er zulässt, dass die öffentliche Wiedergabe Handlungen umfasst, die über diese Bestimmung hinausgehen.

    Aus den Erwägungsgründen 1, 6 und 7 der Richtlinie 2001/29 ergibt sich nämlich insbesondere, dass mit ihr vor allem die rechtlichen Unterschiede und Unsicherheiten rund um den Urheberrechtsschutz beseitigt werden sollen. Dürfte ein Mitgliedstaat einen weiter gehenden Schutz der Inhaber eines Urheberrechts vorsehen, indem er zulässt, dass die öffentliche Wiedergabe auch andere als die in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 vorgesehenen Handlungen umfasst, entstünden dadurch rechtliche Unterschiede und somit für Dritte Rechtsunsicherheit. Deshalb würde das mit der Richtlinie 2001/29 verfolgte Ziel zwangsläufig beeinträchtigt, wenn verschiedene Mitgliedstaaten die öffentliche Wiedergabe so verstehen dürften, dass sie Handlungen umfasst, die über Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie hinausgehen.

    Wäre den Mitgliedstaaten außerdem die Befugnis zuzuerkennen, zuzulassen, dass die öffentliche Wiedergabe Handlungen umfasst, die über Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie hinausgehen, würde dadurch zwangsläufig das Funktionieren des Binnenmarkts beeinträchtigt.

    (vgl. Rn. 34-36, 41, Tenor 2)

  3.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 39)

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Rechtssache C‑466/12

Nils Svensson u. a.

gegen

Retriever Sverige AB

(Vorabentscheidungsersuchen des Svea hovrätt)

„Vorabentscheidungsersuchen — Rechtsangleichung — Urheberrecht und verwandte Schutzrechte — Richtlinie 2001/29/EG — Informationsgesellschaft — Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte — Art. 3 Abs. 1 — Öffentliche Wiedergabe — Begriff — Internetlinks (‚anklickbare Links‘), die geschützte Werke zugänglich machen“

Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Vierte Kammer) vom 13. Februar 2014

  1. Rechtsangleichung — Urheberrecht und verwandte Schutzrechte — Richtlinie 2001/29 — Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft — Öffentliche Wiedergabe — Begriff — Öffentliche Zugänglichmachung anklickbarer Links auf einer Internetseite zu Werken, die auf einer anderen Internetseite frei zugänglich sind — Ausschluss

    (Richtlinie 2001/29 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 3 Abs. 1)

  2. Rechtsangleichung — Urheberrecht und verwandte Schutzrechte — Richtlinie 2001/29 — Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft — Öffentliche Wiedergabe — Begriff — Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, einen weiter gehenden Schutz der Inhaber eines Urheberrechts vorzusehen, indem sie in die öffentliche Wiedergabe Handlungen einbeziehen, die über Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 hinausgehen — Ausschluss

    (Richtlinie 2001/29 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 3 Abs. 1)

  3. Völkerrechtliche Verträge — Verträge der Mitgliedstaaten — Vor dem Beitritt eines Mitgliedstaats zur Union geschlossene Verträge — Vertrag, nach dem der Mitgliedstaat eine unionsrechtswidrige Maßnahme treffen kann — Pflicht des Mitgliedstaats, vom Erlass einer solchen Maßnahme abzusehen

    (Art. 351 AEUV)

  1.  Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ist dahin auszulegen, dass keine Handlung der öffentlichen Wiedergabe im Sinne dieser Bestimmung vorliegt, wenn auf einer Internetseite anklickbare Links zu Werken bereitgestellt werden, die auf einer anderen Internetseite frei zugänglich sind.

    Insoweit hat der Begriff der öffentlichen Wiedergabe zwei kumulative Tatbestandsmerkmale, nämlich eine „Handlung der Wiedergabe“ eines Werkes und seine „öffentliche“ Wiedergabe.

    Dass auf einer Internetseite anklickbare Links zu geschützten Werken bereitgestellt werden, die auf einer anderen Seite ohne Zugangsbeschränkung veröffentlicht sind, bietet den Nutzern der erstgenannten Seite direkten Zugang zu diesen Werken und ist als „Zugänglichmachung“ und deshalb als „Handlung der Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 einzustufen. Eine solche Handlung der Wiedergabe betrifft sämtliche potenziellen Nutzer der Internetseite, d. h. eine unbestimmte und ziemlich große Zahl von Adressaten.

    Jedoch kann eine solche Wiedergabe, die dieselben Werke umfasste wie die ursprüngliche Wiedergabe und wie diese im Internet, also nach demselben technischen Verfahren, erfolgte, nur dann unter den Begriff „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 fallen, wenn sie sich an ein neues Publikum richtet, d. h. an ein Publikum, das die Inhaber des Urheberrechts nicht hatten erfassen wollen, als sie die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubten. Der Umstand, dass die betreffenden Werke über einen anklickbaren Link zugänglich gemacht werden, führt nicht zu einer Wiedergabe der fraglichen Werke für ein neues Publikum.

    Da die betreffenden Werke auf der Seite, auf der sie ursprünglich wiedergegeben wurden, sämtlichen Nutzern einer anderen Seite, für die eine Wiedergabe dieser Werke über einen anklickbaren Link erfolgte, ohne Zutun des Betreibers dieser anderen Seite unmittelbar zugänglich waren, sind die Nutzer dieser von ihm betriebenen Seite demnach als potenzielle Adressaten der ursprünglichen Wiedergabe und daher als Mitglieder der Öffentlichkeit anzusehen, die die Inhaber des Urheberrechts hatten erfassen wollen, als sie die ursprüngliche Wiedergabe erlaubten.

    Mangels neuen Publikums ist deshalb für eine solche öffentliche Wiedergabe keine Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber erforderlich.

    (vgl. Rn. 16, 18, 20, 22, 24, 25, 27, 28, 32, Tenor 1)

  2.  Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ist dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat verbietet, einen weiter gehenden Schutz der Inhaber eines Urheberrechts vorzusehen, indem er zulässt, dass die öffentliche Wiedergabe Handlungen umfasst, die über diese Bestimmung hinausgehen.

    Aus den Erwägungsgründen 1, 6 und 7 der Richtlinie 2001/29 ergibt sich nämlich insbesondere, dass mit ihr vor allem die rechtlichen Unterschiede und Unsicherheiten rund um den Urheberrechtsschutz beseitigt werden sollen. Dürfte ein Mitgliedstaat einen weiter gehenden Schutz der Inhaber eines Urheberrechts vorsehen, indem er zulässt, dass die öffentliche Wiedergabe auch andere als die in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 vorgesehenen Handlungen umfasst, entstünden dadurch rechtliche Unterschiede und somit für Dritte Rechtsunsicherheit. Deshalb würde das mit der Richtlinie 2001/29 verfolgte Ziel zwangsläufig beeinträchtigt, wenn verschiedene Mitgliedstaaten die öffentliche Wiedergabe so verstehen dürften, dass sie Handlungen umfasst, die über Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie hinausgehen.

    Wäre den Mitgliedstaaten außerdem die Befugnis zuzuerkennen, zuzulassen, dass die öffentliche Wiedergabe Handlungen umfasst, die über Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie hinausgehen, würde dadurch zwangsläufig das Funktionieren des Binnenmarkts beeinträchtigt.

    (vgl. Rn. 34-36, 41, Tenor 2)

  3.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 39)

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