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Document 62013CJ0212

    Ryneš

    Rechtssache C‑212/13

    František Ryneš

    gegen

    Úřad pro ochranu osobních údajů

    (Vorabentscheidungsersuchen des Nejvyšší správní soud)

    „Vorlage zur Vorabentscheidung — Richtlinie 95/46/EG — Schutz natürlicher Personen — Verarbeitung personenbezogener Daten — Begriff ‚Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten‘“

    Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Vierte Kammer) vom 11. Dezember 2014

    1. Rechtsangleichung – Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten – Richtlinie 95/46 – Geltungsbereich – Personenbezogene Daten – Begriff – Von einer Kamera aufgezeichnetes Bild einer Person, das die Identifikation der betreffenden Person ermöglicht – Einbeziehung

      (Richtlinie 95/46 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 2 Buchst. a und Art. 3 Abs. 1)

    2. Rechtsangleichung – Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten – Richtlinie 95/46 – Geltungsbereich – Verarbeitung personenbezogener Daten – Begriff – Überwachung mittels einer Videoaufzeichnung von Personen auf einer kontinuierlichen Speichervorrichtung wie einer Festplatte – Einbeziehung

      (Richtlinie 95/46 des Europäischen Parlaments und des Rates, Erwägungsgründe 15 und 16 sowie Art. 2 Buchst. b und Art. 3 Abs. 1)

    3. Rechtsangleichung – Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten – Richtlinie 95/46 – Geltungsbereich – Ausnahmen – Enge Auslegung im Licht der Grundrechte – Datenverarbeitung, die zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten vorgenommen wird – Begriff – Betrieb eines von einer natürlichen Person an ihrem Einfamilienhaus zum Zweck des Schutzes des Eigentums, der Gesundheit und des Lebens der Besitzer des Hauses angebrachten Kamerasystems, das Videos von Personen auf einer kontinuierlichen Speichervorrichtung wie einer Festplatte aufzeichnet und dabei auch den öffentlichen Raum überwacht – Ausschluss

      (Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 7; Richtlinie 95/46 des Europäischen Parlaments und des Rates, zehnter Erwägungsgrund sowie Art. 1 und 3 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich)

    1.  Der in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 95/46 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr verwendete Begriff der personenbezogenen Daten bezieht sich nach der Definition in Art. 2 Buchst. a dieser Richtlinie auf „alle Informationen über eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person“. Als bestimmbar wird eine Person angesehen, „die direkt oder indirekt identifiziert werden kann, insbesondere durch Zuordnung … zu einem oder mehreren spezifischen Elementen, die Ausdruck ihrer physischen … Identität sind“. Das von einer Kamera aufgezeichnete Bild einer Person fällt daher unter den Begriff der personenbezogenen Daten im Sinne dieser Bestimmung, sofern es die Identifikation der betroffenen Person ermöglicht.

      (vgl. Rn. 21, 22)

    2.  Eine Überwachung mittels einer Videoaufzeichnung von Personen auf einer kontinuierlichen Speichervorrichtung, der Festplatte, stellt eine automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 95/46 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr dar. Der Begriff der Verarbeitung personenbezogener Daten wird nämlich in Art. 2 Buchst. b dieser Richtlinie definiert als „[jeder] … Vorgang oder jede Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Speichern, … die Aufbewahrung“. Wie sich u. a. aus den Erwägungsgründen 15 und 16 der Richtlinie ergibt, fällt die Videoüberwachung grundsätzlich in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie, sofern es sich dabei um eine automatisierte Verarbeitung handelt.

      (vgl. Rn. 23-25)

    3.  Art. 3 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 95/46 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr ist dahin auszulegen, dass der Betrieb eines von einer natürlichen Person an ihrem Einfamilienhaus zum Zweck des Schutzes des Eigentums, der Gesundheit und des Lebens der Besitzer des Hauses angebrachten Kamerasystems, das Videos von Personen auf einer kontinuierlichen Speichervorrichtung wie einer Festplatte aufzeichnet und dabei auch den öffentlichen Raum überwacht, keine Datenverarbeitung darstellt, die zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten vorgenommen wird.

      Wie sich nämlich aus Art. 1 und dem zehnten Erwägungsgrund der Richtlinie 95/46 ergibt, zielt diese darauf ab, ein hohes Niveau des Schutzes der Grundfreiheiten und Grundrechte natürlicher Personen, insbesondere ihrer Privatsphäre, bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zu gewährleisten. Der Schutz des in Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantierten Grundrechts auf Privatleben verlangt, dass sich die Ausnahmen und Einschränkungen in Bezug auf den Schutz der personenbezogenen Daten auf das absolut Notwendige beschränken müssen. Da die Bestimmungen der Richtlinie 95/46, soweit sie Verarbeitungen personenbezogener Daten betreffen, die zu Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten und insbesondere des Rechts auf Achtung des Privatlebens führen können, im Licht der Grundrechte auszulegen sind, die in der Charta verankert sind, ist die in Art. 3 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich dieser Richtlinie vorgesehene Ausnahme eng auszulegen.

      Eine solche enge Auslegung findet auch im Wortlaut dieser Bestimmung selbst eine Stütze, der vom Anwendungsbereich der Richtlinie 95/46 die Datenverarbeitung ausnimmt, die zur Ausübung von Tätigkeiten vorgenommen wird, bei denen es nicht ausreicht, dass sie persönlicher oder familiärer Art sind, sondern sie müssen „ausschließlich“ persönlicher oder familiärer Art sein. Eine Verarbeitung personenbezogener Daten fällt daher nur dann unter die Ausnahme in Art. 3 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 95/46, wenn sie in der ausschließlich persönlichen oder familiären Sphäre desjenigen vorgenommen wird, der die Daten verarbeitet. Soweit sich eine Videoüberwachung auch nur teilweise auf den öffentlichen Raum erstreckt und dadurch auf einen Bereich außerhalb der privaten Sphäre desjenigen gerichtet ist, der die Daten auf diese Weise verarbeitet, kann sie nicht als eine ausschließlich „persönliche oder familiäre“ Tätigkeit im Sinne von Art. 3 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 95/46 angesehen werden.

      (vgl. Rn. 27-31, 33, 35 und Tenor)

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    Rechtssache C‑212/13

    František Ryneš

    gegen

    Úřad pro ochranu osobních údajů

    (Vorabentscheidungsersuchen des Nejvyšší správní soud)

    „Vorlage zur Vorabentscheidung — Richtlinie 95/46/EG — Schutz natürlicher Personen — Verarbeitung personenbezogener Daten — Begriff ‚Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten‘“

    Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Vierte Kammer) vom 11. Dezember 2014

    1. Rechtsangleichung — Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten — Richtlinie 95/46 — Geltungsbereich — Personenbezogene Daten — Begriff — Von einer Kamera aufgezeichnetes Bild einer Person, das die Identifikation der betreffenden Person ermöglicht — Einbeziehung

      (Richtlinie 95/46 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 2 Buchst. a und Art. 3 Abs. 1)

    2. Rechtsangleichung — Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten — Richtlinie 95/46 — Geltungsbereich — Verarbeitung personenbezogener Daten — Begriff — Überwachung mittels einer Videoaufzeichnung von Personen auf einer kontinuierlichen Speichervorrichtung wie einer Festplatte — Einbeziehung

      (Richtlinie 95/46 des Europäischen Parlaments und des Rates, Erwägungsgründe 15 und 16 sowie Art. 2 Buchst. b und Art. 3 Abs. 1)

    3. Rechtsangleichung — Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten — Richtlinie 95/46 — Geltungsbereich — Ausnahmen — Enge Auslegung im Licht der Grundrechte — Datenverarbeitung, die zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten vorgenommen wird — Begriff — Betrieb eines von einer natürlichen Person an ihrem Einfamilienhaus zum Zweck des Schutzes des Eigentums, der Gesundheit und des Lebens der Besitzer des Hauses angebrachten Kamerasystems, das Videos von Personen auf einer kontinuierlichen Speichervorrichtung wie einer Festplatte aufzeichnet und dabei auch den öffentlichen Raum überwacht — Ausschluss

      (Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 7; Richtlinie 95/46 des Europäischen Parlaments und des Rates, zehnter Erwägungsgrund sowie Art. 1 und 3 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich)

    1.  Der in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 95/46 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr verwendete Begriff der personenbezogenen Daten bezieht sich nach der Definition in Art. 2 Buchst. a dieser Richtlinie auf „alle Informationen über eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person“. Als bestimmbar wird eine Person angesehen, „die direkt oder indirekt identifiziert werden kann, insbesondere durch Zuordnung … zu einem oder mehreren spezifischen Elementen, die Ausdruck ihrer physischen … Identität sind“. Das von einer Kamera aufgezeichnete Bild einer Person fällt daher unter den Begriff der personenbezogenen Daten im Sinne dieser Bestimmung, sofern es die Identifikation der betroffenen Person ermöglicht.

      (vgl. Rn. 21, 22)

    2.  Eine Überwachung mittels einer Videoaufzeichnung von Personen auf einer kontinuierlichen Speichervorrichtung, der Festplatte, stellt eine automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 95/46 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr dar. Der Begriff der Verarbeitung personenbezogener Daten wird nämlich in Art. 2 Buchst. b dieser Richtlinie definiert als „[jeder] … Vorgang oder jede Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Speichern, … die Aufbewahrung“. Wie sich u. a. aus den Erwägungsgründen 15 und 16 der Richtlinie ergibt, fällt die Videoüberwachung grundsätzlich in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie, sofern es sich dabei um eine automatisierte Verarbeitung handelt.

      (vgl. Rn. 23-25)

    3.  Art. 3 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 95/46 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr ist dahin auszulegen, dass der Betrieb eines von einer natürlichen Person an ihrem Einfamilienhaus zum Zweck des Schutzes des Eigentums, der Gesundheit und des Lebens der Besitzer des Hauses angebrachten Kamerasystems, das Videos von Personen auf einer kontinuierlichen Speichervorrichtung wie einer Festplatte aufzeichnet und dabei auch den öffentlichen Raum überwacht, keine Datenverarbeitung darstellt, die zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten vorgenommen wird.

      Wie sich nämlich aus Art. 1 und dem zehnten Erwägungsgrund der Richtlinie 95/46 ergibt, zielt diese darauf ab, ein hohes Niveau des Schutzes der Grundfreiheiten und Grundrechte natürlicher Personen, insbesondere ihrer Privatsphäre, bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zu gewährleisten. Der Schutz des in Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantierten Grundrechts auf Privatleben verlangt, dass sich die Ausnahmen und Einschränkungen in Bezug auf den Schutz der personenbezogenen Daten auf das absolut Notwendige beschränken müssen. Da die Bestimmungen der Richtlinie 95/46, soweit sie Verarbeitungen personenbezogener Daten betreffen, die zu Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten und insbesondere des Rechts auf Achtung des Privatlebens führen können, im Licht der Grundrechte auszulegen sind, die in der Charta verankert sind, ist die in Art. 3 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich dieser Richtlinie vorgesehene Ausnahme eng auszulegen.

      Eine solche enge Auslegung findet auch im Wortlaut dieser Bestimmung selbst eine Stütze, der vom Anwendungsbereich der Richtlinie 95/46 die Datenverarbeitung ausnimmt, die zur Ausübung von Tätigkeiten vorgenommen wird, bei denen es nicht ausreicht, dass sie persönlicher oder familiärer Art sind, sondern sie müssen „ausschließlich“ persönlicher oder familiärer Art sein. Eine Verarbeitung personenbezogener Daten fällt daher nur dann unter die Ausnahme in Art. 3 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 95/46, wenn sie in der ausschließlich persönlichen oder familiären Sphäre desjenigen vorgenommen wird, der die Daten verarbeitet. Soweit sich eine Videoüberwachung auch nur teilweise auf den öffentlichen Raum erstreckt und dadurch auf einen Bereich außerhalb der privaten Sphäre desjenigen gerichtet ist, der die Daten auf diese Weise verarbeitet, kann sie nicht als eine ausschließlich „persönliche oder familiäre“ Tätigkeit im Sinne von Art. 3 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 95/46 angesehen werden.

      (vgl. Rn. 27-31, 33, 35 und Tenor)

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