EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 62010CO0073

Leitsätze des Beschlusses

Schlüsselwörter
Leitsätze

Schlüsselwörter

1. Verfahren – Klagefristen – Ausschluss – Höhere Gewalt

(Satzung des Gerichtshofs, Art. 45)

2. Verfahren – Klagefristen – Ausschluss – Entschuldbarer Irrtum – Begriff – Tragweite

(Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 101 § 1 Buchst. a und b)

3. Verfahren – Klagefristen – Ausschluss – Zulässigkeit im Hinblick auf den Anspruch eines jeden auf einen fairen Prozess

(Art. 230 EG)

Leitsätze

1. Von den Unionsvorschriften über die Verfahrensfristen kann nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen – bei Vorliegen eines Zufalls oder eines Falls höherer Gewalt im Sinne von Art. 45 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs – abgewichen werden, da die strikte Anwendung dieser Vorschriften dem Erfordernis der Rechtssicherheit und der Notwendigkeit entspricht, jede Diskriminierung oder willkürliche Behandlung bei der Rechtspflege zu verhindern.

(vgl. Randnr. 41)

2. Im Rahmen der Rechtsvorschriften der Union über die Klagefristen bezieht sich der Begriff des entschuldbaren Irrtums, der ein Abweichen von diesen Fristen erlaubt, nur auf Ausnahmefälle, insbesondere auf solche, in denen das betroffene Organ ein Verhalten an den Tag gelegt hat, das für sich genommen oder aber in ausschlaggebendem Maß geeignet gewesen ist, bei einem gutgläubigen Rechtsbürger, der alle Sorgfalt aufwendet, die von einem Wirtschaftsteilnehmer mit normalem Kenntnisstand verlangt werden kann, eine verständliche Verwirrung hervorzurufen. Dies ist nicht der Fall in einer Rechtssache, die eine Entscheidung der Kommission zur Verhängung einer Geldbuße nach Art. 81 EG betrifft und in der ein Fehler bei der Berechnung der Klagefristen begangen worden ist, da der Wortlaut von Art. 101 § 1 Buchst. a und b der Verfahrensordnung des Gerichts klar ist und keine besondere Auslegungsschwierigkeit aufweist. Daher kann der Umstand, dass die Überschreitung der Klagefrist ausschließlich auf einen Fehler des Beraters des Klägers zurückzuführen ist, nicht als entschuldbarer Irrtum angesehen werden, der es erlaubte, von den Regeln über die Klagefristen abzuweichen.

(vgl. Randnrn. 42, 45, 57)

3. Der in Art. 6 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte aufgestellte und in der Unionsrechtsordnung anerkannte Grundsatz, dass jedermann Anspruch auf einen fairen Prozess hat, steht der Festlegung einer Frist für die Erhebung einer Klage nicht entgegen.

Das Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz wird durch die strikte Anwendung der Rechtsvorschriften der Union über die Verfahrensfristen, die dem Erfordernis der Rechtssicherheit und der Notwendigkeit entspricht, jede Diskriminierung oder willkürliche Behandlung bei der Rechtspflege zu verhindern, nicht beeinträchtigt. Obwohl nämlich die in Rede stehende Frist von zwei Monaten gewiss eine Beschränkung des Rechts auf Zugang zu einem Gericht darstellt, wird der Wesensgehalt dieses Rechts offensichtlich nicht angetastet, insbesondere weil die Regeln zur Berechnung dieser Frist klar sind und keine besondere Auslegungsschwierigkeit aufweisen.

Ein Abweichen von diesen Vorschriften kann nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass es um Grundrechte gehe. Die Vorschriften über die Klagefristen sind nämlich zwingendes Recht und vom Gericht so anzuwenden, dass die Rechtssicherheit und die Gleichheit der Rechtsbürger vor dem Gesetz gewährleistet sind.

(vgl. Randnrn. 48-50, 56)

Top