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Document 62006CJ0435

Leitsätze des Urteils

Schlüsselwörter
Leitsätze

Schlüsselwörter

1. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung – Verordnung Nr. 2201/2003

(Verordnung Nr. 2201/2003 des Rates, Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Nr. 7)

2. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung – Verordnung Nr. 2201/2003

(Beitrittsakte von 1994, 28. Gemeinsame Erklärung; Verordnung Nr. 2201/2003 des Rates)

Leitsätze

1. Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2201/2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung Nr. 1347/2000 in der durch die Verordnung Nr. 2116/2004 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass eine einheitliche Entscheidung, die die sofortige Inobhutnahme und die Unterbringung eines Kindes außerhalb der eigenen Familie in einer Pflegefamilie anordnet, unter den Begriff der Zivilsachen im Sinne dieser Bestimmung fällt, wenn die Entscheidung im Rahmen des dem öffentlichen Recht unterliegenden Kindesschutzes ergangen ist.

Der Begriff „Zivilsachen“ im Sinne der genannten Vorschrift ist nämlich autonom auszulegen. Nur eine einheitliche Anwendung der Verordnung Nr. 2201/2003 in den Mitgliedstaaten, die voraussetzt, dass der Anwendungsbereich dieser Verordnung durch das Gemeinschaftsrecht und nicht durch die nationalen Rechte bestimmt wird, kann die Verwirklichung der mit der Verordnung verfolgten Ziele sicherstellen, zu denen die Gleichbehandlung aller betroffenen Kinder zählt. Nach dem fünften Erwägungsgrund der genannten Verordnung ist dieses Ziel nur sichergestellt, wenn alle Entscheidungen über die elterliche Verantwortung in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen. Diese Verantwortung wird in Art. 2 Nr. 7 der genannten Verordnung weit in dem Sinne definiert, dass sie die gesamten Rechte und Pflichten umfasst, die einer natürlichen oder juristischen Person durch Entscheidung oder kraft Gesetzes oder durch eine rechtlich verbindliche Vereinbarung betreffend die Person oder das Vermögen eines Kindes übertragen werden. Dabei ist unbeachtlich, ob die elterliche Verantwortung durch eine staatliche Schutzmaßnahme berührt wird oder durch eine Entscheidung, die auf Initiative eines bzw. der Sorgerechtsinhaber ergangen ist.

(vgl. Randnrn. 46-50, 53, Tenor 1)

2. Die Verordnung Nr. 2201/2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung Nr. 1347/2000 in der durch die Verordnung Nr. 2116/2004 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass eine harmonisierte nationale Regelung über die Anerkennung und Vollstreckung von Verwaltungsentscheidungen über die Inobhutnahme und Unterbringung von Personen, die im Rahmen der nordischen Zusammenarbeit ergangen ist, auf eine Entscheidung über die Inobhutnahme eines Kindes, die in den Anwendungsbereich der genanten Verordnung fällt, nicht angewandt werden kann.

Die Zusammenarbeit zwischen den nordischen Staaten auf dem Gebiet der Anerkennung und Vollstreckung von Verwaltungsentscheidungen über die Inobhutnahme und über die Unterbringung von Personen ist nämlich bei den in der Verordnung Nr. 2201/2003 abschließend aufgezählten Ausnahmen nicht aufgeführt.

Diese Auslegung wird auch durch die 28. Gemeinsame Erklärung zur nordischen Zusammenarbeit nicht in Frage gestellt, die der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge beigefügt ist. Nach dieser Erklärung haben sich nämlich die an der nordischen Zusammenarbeit beteiligten Mitgliedstaaten der Union dazu verpflichtet, diese Zusammenarbeit in Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht weiterzuführen. Daraus folgt, dass bei dieser Zusammenarbeit die Grundsätze der Gemeinschaftsrechtsordnung zu beachten sind. Das nationale Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit die Normen des Gemeinschaftsrechts anzuwenden hat, ist verpflichtet, die volle Wirksamkeit dieser Normen sicherzustellen, indem es nötigenfalls aus eigener Entscheidungsbefugnis jede entgegenstehende Bestimmung der nationalen Rechtsordnung unangewandt lässt.

(vgl. Randnrn. 57, 61, 63-66, Tenor 2)

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