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Document 62002CJ0453
Leitsätze des Urteils
Leitsätze des Urteils
1. Steuerrecht – Rechtsangleichung – Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Befreiungen nach der Sechsten Richtlinie – Befreiung für Glücksspiele – Nationale Rechtsvorschriften, wonach die Steuerbefreiung für die Veranstaltung dieser Spiele durch Wirtschaftsteilnehmer, die nicht Betreiber zugelassener öffentlicher Spielbanken sind, ausgeschlossen ist – Unzulässigkeit – Möglichkeit für den Einzelnen, sich vor dem nationalen Gericht auf die einschlägige Bestimmung zu berufen
(Richtlinie 77/388 des Rates, Artikel 13 Teil B Buchstabe f)
2. Vorabentscheidungsverfahren – Auslegung – Zeitliche Wirkung von Auslegungsurteilen – Rückwirkung – Begrenzung durch den Gerichtshof – Bedeutung der finanziellen Konsequenzen des Urteils für den betreffenden Mitgliedstaat – Kein entscheidendes Kriterium
(Artikel 234 EG)
1. Artikel 13 Teil B Buchstabe f der Sechsten Richtlinie 77/388, aus dem hervorgeht, dass die Veranstaltung oder der Betrieb von Glücksspielen und Glücksspielgeräten grundsätzlich von der Mehrwertsteuer zu befreien ist, wobei die Mitgliedstaaten aber dafür zuständig bleiben, die Bedingungen und Grenzen dieser Befreiung festzulegen, ist dahin auszulegen, dass er nationalen Rechtsvorschriften entgegensteht, wonach die Veranstaltung oder der Betrieb von Glücksspielen und Glücksspielgeräten aller Art in zugelassenen öffentlichen Spielbanken steuerfrei ist, während diese Steuerbefreiung für die Ausübung der gleichen Tätigkeit durch Wirtschaftsteilnehmer, die nicht Betreiber solcher Spielbanken sind, nicht gilt.
Bei der Ausübung der ihnen durch die in Rede stehende Bestimmung zuerkannten Befugnisse haben die Mitgliedstaaten nämlich den Grundsatz der steuerlichen Neutralität zu beachten und dürfen diese Steuerbefreiung nicht von der Identität des Veranstalters oder Betreibers dieser Spiele oder Geräte abhängig machen.
Im Übrigen hat die genannte Bestimmung unmittelbare Wirkung in dem Sinne, dass sich ein Veranstalter oder Betreiber von Glücksspielen oder Glücksspielgeräten vor den nationalen Gerichten auf sie berufen kann, um die Anwendung mit dieser Bestimmung unvereinbarer innerstaatlicher Rechtsvorschriften zu verhindern. Wenn die Bedingungen oder Beschränkungen, von denen ein Mitgliedstaat die Steuerbefreiung für Glücksspiele mit Geldeinsatz abhängig macht, gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität verstoßen, kann sich dieser Mitgliedstaat folglich nicht auf diese Bedingungen oder Beschränkungen stützen, um dem Veranstalter solcher Glücksspiele die Steuerbefreiung, auf die dieser nach der Sechsten Richtlinie einen Rechtsanspruch hat, zu verweigern.
(vgl. Randnrn. 23-24, 29-30, 37-38 und Tenor 1-2)
2. Der Gerichtshof kann sich nur ausnahmsweise nach dem der Gemeinschaftsrechtsordnung innewohnenden allgemeinen Grundsatz der Rechtssicherheit veranlasst sehen, mit Wirkung für die Betroffenen die Möglichkeit zu beschränken, sich auf die Auslegung einer Bestimmung durch den Gerichtshof zu berufen, um in gutem Glauben begründete Rechtsverhältnisse in Frage zu stellen. Insoweit rechtfertigen die finanziellen Konsequenzen, die sich aus einer Vorabentscheidung für einen Mitgliedstaat ergeben können, für sich allein nicht die zeitliche Begrenzung der Wirkungen des betreffenden Urteils.
(vgl. Randnrn. 42, 44)