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Document 62002CJ0039
Leitsätze des Urteils
Leitsätze des Urteils
1. Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen – Rechtshängigkeit – Klagen, die dieselbe Grundlage und denselben Gegenstand haben – Begriff – Antrag eines Schiffseigentümers auf Errichtung eines Haftungsbeschränkungsfonds und Schadensersatzklage des möglichen Opfers gegen den Eigentümer – Ausschluss
(Brüsseler Übereinkommen vom 27. September 1968, Artikel 21)
2. Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen – Anerkennung und Vollstreckung – Begriff „Entscheidung“ – Beschluss über die Errichtung eines Haftungsbeschränkungsfonds im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Seeschiffs – Einbeziehung
(Brüsseler Übereinkommen vom 27. September 1968, Artikel 25)
3. Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen – Anerkennung und Vollstreckung – Versagungsgründe – Fehlen einer ordnungsgemäßen und rechtzeitigen Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks an den Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat – Beschluss über die Errichtung eines Haftungsbeschränkungsfonds im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Seeschiffs – Erforderlichkeit der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks selbst bei Anhängigkeit eines Rechtsmittels, mit dem die Zuständigkeit des Gerichts des Urteilsstaats bestritten wird – Beschluss, der ein Schriftstück darstellt, das einem verfahrenseinleitenden Schriftstück gleichwertig ist – Anerkennung – Voraussetzung – Prüfung durch das Gericht des Vollstreckungsstaats
(Brüsseler Übereinkommen vom 27. September 1968, Artikel 27 Nummer 2)
1. Ein Antrag auf Errichtung eines Haftungsbeschränkungsfonds, wie er im Internationalen Übereinkommen über die Beschränkung der Haftung der Eigentümer von Seeschiffen vom 10. Oktober 1957 vorgesehen ist, den ein Schiffseigentümer bei einem Gericht eines Vertragsstaats stellt, wobei er darin den möglichen Geschädigten benennt, und eine von diesem Geschädigten beim Gericht eines anderen Vertragsstaats erhobene Schadensersatzklage gegen den Schiffseigentümer haben weder denselben Gegenstand noch dieselbe Grundlage und begründen daher keine Rechtshängigkeitssituation im Sinne von Artikel 21 des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil‑ und Handelssachen in der durch das Übereinkommen vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland geänderten Fassung.
(vgl. Randnrn. 35, 37, 42 und Tenor 1)
2. Der Beschluss eines Gerichts eines Vertragsstaats zur Errichtung eines Haftungsbeschränkungsfonds, wie er im Internationalen Übereinkommen über die Beschränkung der Haftung der Eigentümer von Seeschiffen vom 10. Oktober 1957 vorgesehen ist, ist eine gerichtliche Entscheidung im Sinne von Artikel 25 des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil‑ und Handelssachen in der durch das Übereinkommen vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland geänderten Fassung.
Denn zum einen umfasst nach dem Wortlaut dieser Bestimmung der Begriff „Entscheidung“ jede von einem Gericht eines Vertragsstaats erlassene Entscheidung ohne Rücksicht auf ihre Bezeichnung. Zum andern betrifft die Bestimmung nicht nur Entscheidungen, die eine Instanz beenden, sondern auch einstweilige Anordnungen der Gerichte einschließlich Sicherungsmaßnahmen. Dass die betreffende Entscheidung nach einem nicht kontradiktorischen Verfahren getroffen wird, ist insoweit ohne Bedeutung, da die Entscheidung auch dann, wenn sie am Ende eines nicht kontradiktorischen ersten Abschnitts des Verfahrens ergeht, durchaus Gegenstand einer kontradiktorischen Erörterung sein kann, bevor sich die Frage ihrer Anerkennung oder Vollstreckung gemäß dem Übereinkommen stellt.
(vgl. Randnrn. 44, 46, 50, 52 und Tenor 2)
3. Damit der Beschluss eines nationalen Gerichts eines Vertragsstaats, einen Haftungsbeschränkungsfonds, wie er im Internationalen Übereinkommen über die Beschränkung der Haftung der Eigentümer von Seeschiffen vom 10. Oktober 1957 vorgesehen ist, zu errichten, nach dem Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil‑ und Handelssachen in der durch das Übereinkommen vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland geänderten Fassung anerkannt werden kann, muss das verfahrenseinleitende, auf die Errichtung eines solchen Fonds abzielende Schriftstück dem Gläubiger ordnungsgemäß und rechtzeitig zugestellt worden sein; das gilt auch dann, wenn der Gläubiger gegen diese Entscheidung Rechtsmittel mit der Begründung eingelegt hat, dass das Gericht, das die Entscheidung erlassen habe, unzuständig sei.
Da es sich jedoch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des anwendbaren nationalen Rechts bei dem betreffenden Beschluss um ein Schriftstück handelt, das einem verfahrenseinleitenden Schriftstück gleichwertig ist, kann ihm trotz fehlender vorheriger Zustellung an den Gläubiger die Anerkennung in einem anderen Vertragsstaat nicht nach Artikel 27 Nummer 2 des Brüsseler Übereinkommens verweigert werden, sofern er selbst dem Beklagten ordnungsgemäß und rechtzeitig zugestellt worden ist.
Das Gericht des betroffenen Vollstreckungsstaats hat zu prüfen, ob eine Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks, die mit Einschreiben im Rahmen eines Verfahrens zur Errichtung eines Haftungsbeschränkungsfonds erfolgt ist und die nach dem vom Gericht des Urteilsstaats anzuwendenden Recht und dem Haager Übereinkommen vom 15. November 1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland für Zivil- und Handelssachen ordnungsgemäß ist, ordnungsgemäß und so rechtzeitig vorgenommen worden ist, dass der Beklagte seine Verteidigung wirksam vorbereiten konnte.
(vgl. Randnrn. 58-62 und Tenor 3)