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Document 61995CJ0018
Leitsätze des Urteils
Leitsätze des Urteils
1 Freizügigkeit - Arbeitnehmer - Gemeinschaftsvorschriften - Voraussetzungen für die Anwendung - Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit
(EG-Vertrag, Artikel 48; Verordnung Nr. 1612/68 des Rates, Artikel 7)
2 Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer und -selbständigen - Befugnis der Mitgliedstaaten zur Ausgestaltung ihrer Systeme der sozialen Sicherheit - Grenzen - Beachtung des Gemeinschaftsrechts - Bestimmungen des Vertrages über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer
3 Freizügigkeit - Arbeitnehmer - Gleichbehandlung - Höhere Sozialversicherungsbeiträge für einen Arbeitnehmer, der im Laufe des Jahres seinen Wohnort von einem Mitgliedstaat in einen anderen verlegt hat - Unzulässigkeit - Kein Rechtfertigungsgrund
(EG-Vertrag, Artikel 48)
4 Freizügigkeit - Arbeitnehmer - Gleichbehandlung - Arbeitnehmer, der seinen Wohnort von einem Mitgliedstaat in einen anderen verlegt hat - Sozialversicherungsbeiträge - Berechnung
5 Freizügigkeit - Arbeitnehmer - Gleichbehandlung - Nationale Regelung, die höhere Sozialversicherungsbeiträge für einen Arbeitnehmer vorsieht, der im Laufe des Jahres seinen Wohnort von einem Mitgliedstaat in einen anderen verlegt hat - Unvereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht - Wirkungen
(EG-Vertrag, Artikel 48)
1 Ein Arbeitnehmer kann sich gegenüber dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehöriger er ist, auf Artikel 48 des Vertrages und Artikel 7 der Verordnung Nr. 1612/68 berufen, wenn er in einem anderen Mitgliedstaat gewohnt hat und dort einer abhängigen Beschäftigung nachgegangen ist.
Jeder Gemeinschaftsbürger, der von seinem Recht auf Freizügigkeit der Arbeitnehmer Gebrauch gemacht und in einem anderen Mitgliedstaat eine Berufstätigkeit ausgeübt hat, fällt nämlich unabhängig von seinem Wohnort und seiner Staatsangehörigkeit unter die genannten Vorschriften.
2 Eine nationale Regelung, die die Finanzierung der sozialen Sicherheit betrifft, kann die Anwendung der Bestimmungen des Vertrages und insbesondere derjenigen, die die Freizügigkeit der Arbeitnehmer betreffen, nicht ausschließen.
Mangels einer Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene bestimmt nämlich das Recht eines jeden Mitgliedstaats, unter welchen Voraussetzungen das Recht auf Anschluß an ein System der sozialen Sicherheit oder die Verpflichtung hierzu besteht, doch müssen die Mitgliedstaaten bei der Ausübung dieser Befugnis das Gemeinschaftsrecht beachten.
3 Artikel 48 des Vertrages verbietet es einem Mitgliedstaat, bei einem Arbeitnehmer, der im Laufe des Jahres seinen Wohnort von einem Mitgliedstaat in einen anderen verlegt hat, um dort einer abhängigen Beschäftigung nachzugehen, höhere Sozialversicherungsbeiträge zu erheben, als sie unter gleichen Umständen von einem Arbeitnehmer geschuldet würden, der seinen Wohnort das ganze Jahr über in dem betreffenden Mitgliedstaat beibehalten hat, wobei der erstgenannte Arbeitnehmer im übrigen keine zusätzlichen Sozialleistungen erhält. Denn ein derartiges System der Erhebung von Sozialbeiträgen könnte einen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats davon abhalten, den Mitgliedstaat, in dem er wohnt, zu verlassen, um im Sinne des Vertrages einer abhängigen Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat nachzugehen.
Ein solches Hemmnis läßt sich weder dadurch rechtfertigen, daß es sich aus einer auf Vereinfachung und Koordinierung der Erhebung der Einkommensteuer und der Sozialversicherungsbeiträge gerichteten Regelung ergibt, noch durch anderen Erhebungsmodalitäten entgegenstehende technische Schwierigkeiten, noch dadurch, daß in bestimmten Fällen andere mit der Einkommensteuer zusammenhängende Vorteile den Nachteil bei den Sozialbeiträgen ausgleichen oder sogar überkompensieren können.
4 Bei der Beurteilung der Frage, ob die Belastung mit Sozialversicherungsbeiträgen, die ein Arbeitnehmer zu tragen hat, der seinen Wohnort von einem Mitgliedstaat in einen anderen verlegt hat, um dort einer abhängigen Beschäftigung nachzugehen, höher als diejenige ist, die ein Arbeitnehmer zu tragen hat, der seinen Wohnort im selben Mitgliedstaat beibehalten hat, sind alle nach den nationalen Rechtsvorschriften für die Bestimmung der Höhe der Beiträge maßgebenden Einkünfte, gegebenenfalls einschließlich der Erträge aus Immobilien, zu berücksichtigen.
5 Arbeitnehmer, die ihren Wohnort von einem Mitgliedstaat in einen anderen verlegen, um dort einer abhängigen Beschäftigung nachzugehen, haben, falls eine nationale Rechtsvorschrift, die einem Arbeitnehmer, der im Laufe des Jahres seinen Wohnort von einem Mitgliedstaat in einen anderen verlegt hat, um dort einer abhängigen Beschäftigung nachzugehen, höhere Sozialversicherungsbeiträge auferlegt, als sie unter gleichen Umständen von einem Arbeitnehmer geschuldet würden, der seinen Wohnort das ganze Jahr über in dem betreffenden Mitgliedstaat beibehalten hat, mit Artikel 48 EG-Vertrag unvereinbar sein sollte, Anspruch auf Festsetzung ihrer Sozialversicherungsbeiträge in gleicher Höhe wie diejenigen Beiträge, die von Arbeitnehmern geschuldet würden, die ihren Wohnort im selben Mitgliedstaat beibehalten haben.