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Document 62023CJ0039
Urteil des Gerichtshofs (Erste Kammer) vom 29. Juli 2024.
Keva u. a. gegen Skatteverket.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 63 AEUV – Freier Kapitalverkehr – Besteuerung von Dividenden, die öffentlich-rechtliche Pensionsfonds erhalten – Unterschiedliche Behandlung von gebietsansässigen und gebietsfremden öffentlich-rechtlichen Pensionsfonds – Steuerbefreiung nur der gebietsansässigen öffentlich-rechtlichen Pensionsfonds – Vergleichbarkeit der Situationen – Rechtfertigung – Erfordernis, das mit der Sozialpolitik verfolgte Ziel zu erreichen – Erfordernis, eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren.
Rechtssache C-39/23.
Urteil des Gerichtshofs (Erste Kammer) vom 29. Juli 2024.
Keva u. a. gegen Skatteverket.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 63 AEUV – Freier Kapitalverkehr – Besteuerung von Dividenden, die öffentlich-rechtliche Pensionsfonds erhalten – Unterschiedliche Behandlung von gebietsansässigen und gebietsfremden öffentlich-rechtlichen Pensionsfonds – Steuerbefreiung nur der gebietsansässigen öffentlich-rechtlichen Pensionsfonds – Vergleichbarkeit der Situationen – Rechtfertigung – Erfordernis, das mit der Sozialpolitik verfolgte Ziel zu erreichen – Erfordernis, eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren.
Rechtssache C-39/23.
Court reports – general – 'Information on unpublished decisions' section
ECLI identifier: ECLI:EU:C:2024:648
Rechtssache C‑39/23
Keva u. a.
gegen
Skatteverket
(Vorabentscheidungsersuchen des Högsta förvaltningsdomstol)
Urteil des Gerichtshofs (Erste Kammer) vom 29. Juli 2024
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 63 AEUV – Freier Kapitalverkehr – Besteuerung von Dividenden, die öffentlich-rechtliche Pensionsfonds erhalten – Unterschiedliche Behandlung von gebietsansässigen und gebietsfremden öffentlich-rechtlichen Pensionsfonds – Steuerbefreiung nur der gebietsansässigen öffentlich-rechtlichen Pensionsfonds – Vergleichbarkeit der Situationen – Rechtfertigung – Erfordernis, das mit der Sozialpolitik verfolgte Ziel zu erreichen – Erfordernis, eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren“
Freier Kapital- und Zahlungsverkehr – Beschränkungen – Steuerrecht – Besteuerung von Dividenden – Dividenden, die öffentlich-rechtliche Pensionsfonds erhalten – Unterschiedliche Behandlung von gebietsansässigen und gebietsfremden öffentlich-rechtlichen Pensionsfonds – Steuerbefreiung nur der gebietsansässigen öffentlich-rechtlichen Pensionsfonds – Unzulässigkeit – Rechtfertigung – Fehlen
(Art. 63 AEUV)
(vgl. Rn. 43, 46, 47, 49-51, 55-58, 60-65, 68, 71, 72, 74, 75 und Tenor)
Zusammenfassung
Im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens bestätigt der Gerichtshof die Beeinträchtigung des freien Kapitalverkehrs durch ein nationales System, das bei der steuerlichen Behandlung der von gebietsansässigen Gesellschaften ausgeschütteten Dividenden zwischen Empfängern unterscheidet. Diese Unterscheidung richtet sich ausschließlich nach dem Sitz dieser Empfänger.
Im vorliegenden Fall hatten die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens, drei öffentlich-rechtliche finnische Rentenkassen unterschiedlicher Rechtsformen, in Schweden Steuern auf die Dividenden gezahlt, die sie von schwedischen Gesellschaften erhielten. Da diese Dividenden in Finnland nicht besteuert wurden, konnte die in Schweden entrichtete Dividendensteuer nicht wie im Steuerübereinkommen zwischen den nordischen Ländern ( 1 ) vorgesehen angerechnet werden. In Schweden sind die öffentlich-rechtlichen Pensionsfonds hingegen Teil des Staates und von der Steuer befreit.
Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens waren der Auffassung, dass die Erhebung der Dividendensteuer in Schweden gegen den freien Kapitalverkehr im Sinne von Art. 63 AEUV verstoße, da sie mit den öffentlich-rechtlichen Pensionsfonds in Schweden vergleichbar seien; sie beantragten daher bei der schwedischen Finanzverwaltung die Erstattung der in Schweden entrichteten Dividendensteuer.
Nach der Ablehnung ihrer Anträge ging der anschließende Rechtsstreit bis vor das vorlegende Gericht, den Högsta förvaltningsdomstol (Oberstes Verwaltungsgericht, Schweden).
Dieser möchte wissen, ob ein solches System der Besteuerung von Dividendenausschüttungen gebietsansässiger Gesellschaften an gebietsfremde öffentlich-rechtliche Rentenkassen bei gleichzeitiger Steuerbefreiung der Dividendenausschüttungen an gebietsansässige öffentlich-rechtliche Pensionsfonds mit dem freien Kapitalverkehr im Sinne von Art. 63 AEUV vereinbar ist.
Nach Auffassung des Gerichtshofs verstößt ein solches System gegen Art. 63 AEUV.
Würdigung durch den Gerichtshof
Als Erstes führt der Gerichtshof aus, dass das in Rede stehende System eine nach Art. 63 AEUV grundsätzlich verbotene Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellt. Es schafft nämlich eine steuerliche Ungleichbehandlung, die zu einer ungünstigeren Behandlung der an die gebietsfremden öffentlich-rechtlichen Rentenkassen ausgeschütteten Dividenden führt und geeignet ist, diese Einrichtungen von Investitionen in Gesellschaften mit Sitz in Schweden abzuhalten.
Insoweit ist es in Bezug auf die Einhaltung der ihm nach dem Vertrag obliegenden Verpflichtungen irrelevant, wenn sich ein Staat auf die Nrn. 10 und 12 des Kommentars zu Art. 24 des Musterübereinkommens der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ( 2 ) beruft, wonach ein Staat nicht verpflichtet ist, den öffentlichen Einrichtungen eines anderen Staates dieselben Vorteile zu gewähren, die er seinen eigenen öffentlichen Einrichtungen einräumt.
Die Mitgliedstaaten müssen zudem bei der Ausübung ihrer Zuständigkeit für die Ausgestaltung ihrer Systeme der sozialen Sicherheit das Unionsrecht und insbesondere die Bestimmungen des AEU-Vertrags zu den Grundfreiheiten beachten.
Als Zweites stellt der Gerichtshof fest, dass die Ungleichbehandlung von gebietsfremden öffentlich-rechtlichen Rentenkassen und gebietsansässigen öffentlich-rechtlichen Pensionsfonds objektiv vergleichbare Situationen betrifft.
Erstens befindet sich ein öffentlich-rechtlicher Pensionsfonds allein dadurch, dass er Teil des schwedischen Staates ist, in Bezug auf das Ziel der in Rede stehenden Steuerbefreiung, einen Kreislauf öffentlicher Mittel des schwedischen Staates zu vermeiden, nicht zwangsläufig in einer anderen Situation als eine gebietsfremde öffentlich-rechtliche Rentenkasse. Dieses Ziel könnte nämlich auch dann erreicht werden, wenn in Schweden die gebietsfremden öffentlich-rechtlichen Rentenkassen genauso von der Besteuerung der Dividendenausschüttungen gebietsansässiger Gesellschaften befreit würden wie die gebietsansässigen öffentlich-rechtlichen Pensionsfonds.
Außerdem kann die Tatsache, dass bei den gebietsfremden öffentlich-rechtlichen Rentenkassen der Zweck – anders als bei den gebietsansässigen öffentlich-rechtlichen Pensionsfonds – nicht darin besteht, die finanzielle Stabilität und den Fortbestand des schwedischen Systems der sozialen Sicherheit zu fördern, nicht als Argument dafür herangezogen werden, dass der grenzüberschreitende Vergleich von Pensionsfonds unmöglich wäre, da jeder Fonds definitionsgemäß dazu dient, die Stabilität und den Fortbestand eines bestimmten nationalen Rentensystems sicherzustellen.
Zweitens ist im vorliegenden Fall der Ort, an dem die Fonds ihren Sitz haben, das einzige Kriterium, das bei der Beurteilung, ob die unterschiedliche Behandlung der gebietsansässigen öffentlich-rechtlichen Pensionsfonds und der gebietsfremden öffentlich-rechtlichen Rentenkassen einem objektiven Unterschied der Situationen entspricht, zu berücksichtigen ist. Die Unterschiede zwischen den beiden Arten von Einrichtungen in Bezug auf ihre Rechtsform oder die Natur ihrer Aufgaben beim Einzug der Rentenbeiträge oder der Auszahlung der Renten scheinen nicht unmittelbar mit der steuerlichen Behandlung der Dividendenausschüttungen schwedischer Gesellschaften zusammenzuhängen.
Als Drittes schließlich entscheidet der Gerichtshof, dass weder das Erfordernis, das mit der schwedischen Sozialpolitik verfolgte Ziel zu erreichen, noch die Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten im vorliegenden Fall einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen können, der das in Rede stehende schwedische System im Hinblick auf den freien Kapitalverkehr rechtfertigen könnte.
( 1 ) Am 23. September 1996 in Helsinki unterzeichnetes Übereinkommen zwischen den nordischen Ländern zur Vermeidung von Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und der Vermögensteuer.
( 2 ) Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, das vom Steuerausschuss der OECD ausgearbeitet wurde und einer Empfehlung der OECD vom 30. Juli 1963 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung als Anhang beigefügt ist.