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Document 62021CJ0284
Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 31. Januar 2023.
Europäische Kommission gegen Anthony Braesch u. a.
Rechtsmittel – Staatliche Beihilfen – Art. 107 und 108 AEUV – Umstrukturierungsbeihilfe – Bankensektor – Vorprüfungsphase – Beschluss, mit dem die Beihilfe für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wird – Umstrukturierungsplan – Verpflichtungszusagen des betreffenden Mitgliedstaats – Lastenverteilungsmaßnahmen – Umwandlung nachrangiger Forderungen in Eigenkapital – Inhaber von Schuldverschreibungen – Nichtigkeitsklage – Zulässigkeit – Art. 263 Abs. 4 AEUV – Klagebefugnis – Unmittelbar und individuell betroffene natürliche oder juristische Person – Verletzung der Verfahrensrechte der Beteiligten – Nichteröffnung des förmlichen Prüfverfahrens – Art. 108 Abs. 2 AEUV – Begriff ‚Beteiligte‘ – Verordnung (EU) 2015/1589 – Art. 1 Buchst. h – Begriff ‚Beteiligte‘ – Von der Europäischen Kommission berücksichtigte nationale Maßnahmen – Unzulässigkeit der Klage.
Rechtssache C-284/21 P.
Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 31. Januar 2023.
Europäische Kommission gegen Anthony Braesch u. a.
Rechtsmittel – Staatliche Beihilfen – Art. 107 und 108 AEUV – Umstrukturierungsbeihilfe – Bankensektor – Vorprüfungsphase – Beschluss, mit dem die Beihilfe für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wird – Umstrukturierungsplan – Verpflichtungszusagen des betreffenden Mitgliedstaats – Lastenverteilungsmaßnahmen – Umwandlung nachrangiger Forderungen in Eigenkapital – Inhaber von Schuldverschreibungen – Nichtigkeitsklage – Zulässigkeit – Art. 263 Abs. 4 AEUV – Klagebefugnis – Unmittelbar und individuell betroffene natürliche oder juristische Person – Verletzung der Verfahrensrechte der Beteiligten – Nichteröffnung des förmlichen Prüfverfahrens – Art. 108 Abs. 2 AEUV – Begriff ‚Beteiligte‘ – Verordnung (EU) 2015/1589 – Art. 1 Buchst. h – Begriff ‚Beteiligte‘ – Von der Europäischen Kommission berücksichtigte nationale Maßnahmen – Unzulässigkeit der Klage.
Rechtssache C-284/21 P.
ECLI identifier: ECLI:EU:C:2023:58
Rechtssache C‑284/21 P
Europäische Kommission
gegen
Anthony Braesch u. a.
Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 31. Januar 2023
„Rechtsmittel – Staatliche Beihilfen – Art. 107 und 108 AEUV – Umstrukturierungsbeihilfe – Bankensektor – Vorprüfungsphase – Beschluss, mit dem die Beihilfe für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wird – Umstrukturierungsplan – Verpflichtungszusagen des betreffenden Mitgliedstaats – Lastenverteilungsmaßnahmen – Umwandlung nachrangiger Forderungen in Eigenkapital – Inhaber von Schuldverschreibungen – Nichtigkeitsklage – Zulässigkeit – Art. 263 Abs. 4 AEUV – Klagebefugnis – Unmittelbar und individuell betroffene natürliche oder juristische Person – Verletzung der Verfahrensrechte der Beteiligten – Nichteröffnung des förmlichen Prüfverfahrens – Art. 108 Abs. 2 AEUV – Begriff ‚Beteiligte‘ – Verordnung (EU) 2015/1589 – Art. 1 Buchst. h – Begriff ‚Beteiligte‘ – Von der Europäischen Kommission berücksichtigte nationale Maßnahmen – Unzulässigkeit der Klage“
Nichtigkeitsklage – Natürliche oder juristische Personen – Handlungen, die sie unmittelbar und individuell betreffen – Beschluss der Kommission, mit dem ohne Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens die Vereinbarkeit einer staatlichen Beihilfe mit dem Binnenmarkt festgestellt wird – Klage von Beteiligten im Sinne von Art. 108 Abs. 2 AEUV – Zulässigkeit – Voraussetzungen
(Art. 108 Abs. 2 und Art. 263 Abs. 4 AEUV; Verordnung 2015/1589 des Rates, Art. 1 Buchst. h)
(vgl. Rn. 50-54)
Staatliche Beihilfen – Prüfung durch die Kommission – Verwaltungsverfahren – Beteiligter im Sinne von Art. 108 Abs. 2 AEUV – Begriff – Mit dem Empfänger der Beihilfe nicht in einem unmittelbaren Wettbewerbsverhältnis stehendes Unternehmen – Von diesem Unternehmen zu erbringender Nachweis, dass sich die Beihilfe konkret auf seine Lage auswirkt
(Art. 108 Abs. 2 AEUV; Verordnung 2015/1589 des Rates, Art. 1 Buchst. h)
(vgl. Rn. 58-60)
Staatliche Beihilfen – Prüfung durch die Kommission – Verwaltungsverfahren – Beteiligter im Sinne von Art. 108 Abs. 2 AEUV – Begriff – Kläger, der einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden infolge von Verpflichtungszusagen geltend macht, die von der nationalen Stelle, die die Beihilfemaßnahmen angemeldet hat, angeboten wurden – Nicht von der Kommission vorgegebene und keinen integrierenden Bestandteil der Beihilfemaßnahmen bildende Verpflichtungszusagen – Kein aus dem Kommissionsbeschluss, mit dem die Vereinbarkeit der Beihilfemaßnahmen mit dem Binnenmarkt festgestellt wurde, resultierender wirtschaftlicher Schaden – Kläger, der nicht unter den Beteiligtenbegriff fällt – Möglichkeit für diesen Kläger, ein nationales Gericht anzurufen, um Einwände gegen die Vereinbarkeit der in Rede stehenden Verpflichtungszusagen mit dem Unionsrecht zu erheben
(Art. 108 Abs. 2 und 3 AEUV; Verordnung 2015/1589 des Rates, Art. 1 Buchst. h)
(vgl. Rn. 68-81, 103-110)
Staatliche Beihilfen – Von der Kommission genehmigte Beihilfen – Missbräuchliche Verwendung durch den Empfänger – Begriff
(Art. 108 AEUV; Verordnung 2015/1589 des Rates, Art. 1 Buchst. g und Art. 20)
(vgl. Rn. 84, 85)
Staatliche Beihilfen – Prüfung durch die Kommission – Im Rahmen der Ausübung des Ermessens der Kommission erlassene Leitlinien – Rechtsnatur – Verhaltensnormen mit Hinweischarakter, mit denen die Kommission ihr Ermessen selbst beschränkt – Bankenmitteilung – Bindungswirkung gegenüber den Mitgliedstaaten – Fehlen
(Art. 107 Abs. 3 Buchst. b und Art. 108 Abs. 3 AEUV; Mitteilung 2013/C 216/01 der Kommission)
(vgl. Rn. 90-95)
Staatliche Beihilfen – Prüfung durch die Kommission – Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Binnenmarkt – Ermessen – Wahrung der Kohärenz zwischen den Vorschriften über staatliche Beihilfen und anderen Bestimmungen des Unionsrechts – Bankensektor – Beihilfe, bei der die Bedingungen der Richtlinie 2014/59 beachtet werden müssen – Verpflichtung, die auf die untrennbar mit dem Beihilfezweck verbundenen Beihilfemodalitäten beschränkt ist – Prüfung der Rekaptialisierungsbedingungen in Bezug auf ein Kreditinstitut
(Art. 106, 107 und 108 AEUV; Richtlinie 2014/59 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 32)
(vgl. Rn. 96-103)
Zusammenfassung
Im Jahr 2008 nahm die italienische Bank Banca Monte dei Paschi di Siena (im Folgenden: BMPS) eine Kapitalerhöhung in Höhe von 950 Mio. Euro vor, die zur Gänze von der J. P. Morgan Securities Ltd (im Folgenden: JPM) auf der Grundlage von zwischen ihnen geschlossenen Verträgen (im Folgenden: FRESH-Verträge) gezeichnet wurde. JPM erhielt die zur Finanzierung dieses Vorgangs erforderlichen Mittel von der Mitsubishi UFJ Investor Services & Banking (Luxembourg) SA (im Folgenden: MUFJ), die zu diesem Zweck Anleihen, die als FRESH-Anleihen bezeichnet wurden, in Höhe von 1 Mrd. Euro ausgab. Die Inhaber dieser Anleihen erhalten ihrerseits Erträge über Kupons, die ihnen von MUFJ übertragen werden.
Ende 2016 stellte die BMPS einen Antrag auf Gewährung einer außerordentlichen öffentlichen Finanzierungshilfe in Form einer vorsorglichen Rekapitalisierung nach italienischem Recht. Auf diesen Antrag hin meldeten die italienischen Behörden bei der Europäischen Kommission eine Beihilfe zur Rekapitalisierung der BMPS in Höhe von 5,4 Mrd. Euro an. Diese Beihilfe sollte zu einer individuellen Liquiditätshilfe in Höhe von 15 Mrd. Euro zugunsten der BMPS hinzukommen, die die Kommission mit Beschluss vom 29. Dezember 2016 vorläufig genehmigt hatte.
Mit Beschluss vom 4. Juli 2017 ( 1 ) genehmigte die Kommission nach Abschluss der Vorprüfungsphase sowohl die Liquiditätshilfe in Höhe von 15 Mrd. Euro zugunsten der BMPS als auch die Beihilfe zur vorsorglichen Rekapitalisierung der BMPS in Höhe von 5,4 Mrd. Euro (im Folgenden: streitiger Beschluss). Diese Beihilfemaßnahmen, mit denen ein Umstrukturierungsplan für die BMPS sowie von den italienischen Behörden angebotene Verpflichtungszusagen einhergingen, wurden aus Gründen der Finanzstabilität als mit dem Binnenmarkt vereinbare staatliche Beihilfen angesehen ( 2 ).
Der Umstrukturierungsplan für die BMPS sah u. a. die Möglichkeit vor, die zwischen ihr und JPM geschlossenen FRESH-Verträge aufzuheben. Nach der Aufhebung dieser Verträge erhoben mehrere Inhaber von FRESH-Anleihen beim Gericht Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses. Für ihre Klage machten sie u. a. geltend, dass sie durch die Aufhebung der FRESH-Verträge einen substanziellen wirtschaftlichen Schaden erlitten hätten und dass diese Aufhebung eine Folge des Umstrukturierungsplans sei, der den von der Italienischen Republik angemeldeten Beihilfemaßnahmen beigefügt gewesen sei.
Die Kommission erhob vor dem Gericht eine Einrede der Unzulässigkeit mit der Begründung, dass die Kläger weder ein Rechtsschutzinteresse noch eine Klagebefugnis im Sinne von Art. 263 AEUV hätten. Nachdem diese Einrede der Unzulässigkeit vom Gericht zurückgewiesen wurde ( 3 ), hat die Kommission beim Gerichtshof ein allein auf die Frage der Klagebefugnis beschränktes Rechtsmittel eingelegt. Die Große Kammer des Gerichtshofs gibt diesem Rechtsmittel statt und präzisiert dabei die Konturen des Beteiligtenbegriffs im Sinne von Art. 108 Abs. 2 AEUV, aus dem die Klagebefugnis als unmittelbar und individuell betroffene Person im Sinne von Art. 263 AEUV fließt.
Würdigung durch den Gerichtshof
Mit ihrem einzigen Rechtsmittelgrund rügt die Kommission im Wesentlichen einen Rechtsfehler des Gerichts, der darin bestehe, dass es entschieden habe, dass die Kläger als „Beteiligte“ im Sinne von Art. 108 Abs. 2 AEUV bzw. Art. 1 Buchst. h der Verordnung 2015/1589 ( 4 ) befugt seien, zur Wahrung der ihnen nach Art. 108 Abs. 2 AEUV zustehenden Verfahrensrechte gemäß Art. 263 Abs. 4 AEUV ( 5 ) Nichtigkeitsklage gegen den streitigen Beschluss zu erheben.
Hierzu erinnert der Gerichtshof daran, dass nach seiner Rechtsprechung eine Klage eines „Beteiligten“ im Sinne von Art. 108 Abs. 2 AEUV auf Nichtigerklärung eines am Ende der Vorprüfungsphase ergangenen Beschlusses der Kommission, keine Einwände gegen eine angemeldete staatliche Beihilfe zu erheben, zulässig ist, sofern der Beteiligte die Verfahrensrechte wahren möchte, die ihm nach dieser Bestimmung zustehen. Da der streitige Beschluss am Ende der Vorprüfungsphase erlassen wurde, ohne dass das förmliche Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV eröffnet worden wäre, und die Kläger die von ihnen aus dieser Bestimmung abgeleiteten Verfahrensrechte wahren möchten, hat das Gericht zu Recht ihre Eigenschaft als „Beteiligte“ geprüft, um festzustellen, ob ihre Klage nach Art. 263 Abs. 4 AEUV zulässig ist.
Dagegen hat das Gericht einen Rechtsfehler begangen, als es die Beteiligteneigenschaft der Kläger im Rahmen des von der Kommission nach Art. 108 AEUV geführten Verfahrens zur Kontrolle der angemeldeten Beihilfen bejaht hat.
Der in der Verordnung 2015/1589 definierte Beteiligtenbegriff, der demjenigen des Art. 108 Abs. 2 AEUV entspricht, erfasst Personen, Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen, deren Interessen aufgrund der Gewährung einer Beihilfe beeinträchtigt sein können. Da dieser Begriff in der Rechtsprechung weit ausgelegt wird, kann er alle Personen umfassen, die dartun können, dass sich die Gewährung einer staatlichen Beihilfe auf ihre Situation konkret auswirken kann.
Das Gericht befand insoweit, dass die den angemeldeten Beihilfemaßnahmen beigefügten Verpflichtungszusagen der italienischen Behörden betreffend den Umstrukturierungsplan für die BMPS, die nach Aussage der Kläger einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden für die Inhaber der FRESH-Anleihen zur Folge gehabt hätten, Teil der angemeldeten Beihilfemaßnahmen seien, da die Kommission diese Maßnahmen mit dem streitigen Beschluss für verbindlich erklärt habe, so dass sich dieser Beschluss sowohl auf die angemeldeten Beihilfemaßnahmen als auch auf die Verpflichtungszusagen der italienischen Behörden beziehe. Das Gericht hat daraus geschlossen, dass sich die Gewährung der angemeldeten Beihilfen und daher der Erlass des streitigen Beschlusses auf die Situation der Kläger konkret ausgewirkt hätten, so dass diese als „Beteiligte“ im Sinne von Art. 1 Buchst. h der Verordnung 2015/1589 einzustufen seien.
Damit hat das Gericht aber die Vorschriften des Unionsrechts, die die Tragweite des streitigen Beschlusses regeln, verkannt.
Der Gerichtshof stellt hierzu klar, dass, wenn in eine angemeldete Beihilfemaßnahme auf Vorschlag des betreffenden Mitgliedstaats von ihm übernommene Verpflichtungen aufgenommen wurden, daraus noch nicht folgt, dass bei den entsprechenden Verpflichtungszusagen anzunehmen ist, dass sie als solche von der Kommission auferlegt wurden, und dass ihre etwaigen nachteiligen Auswirkungen auf Dritte daher dem von der Kommission erlassenen Beschluss zuzuschreiben sind.
Die Kommission kann nämlich mit einem am Ende der Vorprüfungsphase ergehenden Beschluss dem betreffenden Mitgliedstaat nichts auferlegen oder verbieten, sondern ist nur berechtigt, das Beihilfevorhaben, wie es von diesem Mitgliedstaat angemeldet wurde, durch einen Beschluss, keine Einwände zu erheben, zu genehmigen, indem sie die betreffende Beihilfe für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt.
Folglich erteilte die Kommission mit dem streitigen Beschluss lediglich der Italienischen Republik die Genehmigung zur Durchführung der angemeldeten staatlichen Beihilfen und nahm dabei von dem tatsächlichen Rahmen Kenntnis, den dieser Mitgliedstaat zuvor in dem Umstrukturierungsplan für die BMPS und in den Verpflichtungszusagen festgelegt hatte, die von ihm mitgeteilt wurden, um jegliche Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit dieser Beihilfen mit dem Binnenmarkt nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV auszuräumen. Daher kann nicht angenommen werden, dass die von der Italienischen Republik im Rahmen des Vorprüfungsverfahrens angebotenen Verpflichtungszusagen durch den streitigen Beschluss selbst angeordnet wurden, da sich die entsprechenden Verpflichtungen allein aus Handlungen dieses Mitgliedstaats ergeben.
Deshalb kann die Aufhebung der FRESH-Verträge anlässlich der Durchführung des mit den angemeldeten Beihilfen einhergehenden Umstrukturierungsplans nicht als zwingende Wirkung des streitigen Beschlusses angesehen werden, da sie keine Folge der Durchführung dieser Beihilfen als solchen ist. Sie ist vielmehr Folge der zwar in einem Sachzusammenhang stehenden, aber rechtlich gesonderten Maßnahmen des Mitgliedstaats, der diese Beihilfen bei der Kommission angemeldet hat. Insoweit ist unerheblich, dass diese Maßnahmen von dem Mitgliedstaat namentlich mit dem Ziel eines die Beihilfen genehmigenden Kommissionsbeschlusses getroffen worden sein mögen und dass sie Gegenstand von Verpflichtungszusagen sein mögen, die in dem entsprechenden Kommissionsbeschluss berücksichtigt wurden.
Entgegen dem, was das Gericht geurteilt hat, wurden somit die Verpflichtungszusagen, auf die der streitige Beschluss Bezug nimmt, nicht von der Kommission in diesem Beschluss vorgegeben oder für verbindlich erklärt, sondern stellen rein innerstaatliche Maßnahmen dar, die von der Italienischen Republik nach Art. 108 Abs. 3 AEUV in eigener Verantwortung angemeldet wurden und von der Kommission als tatsächliches Kriterium bei der Beurteilung berücksichtigt wurden, ob die in Rede stehenden Beihilfen nach Abschluss der Vorprüfungsphase bedenkenlos für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden konnten.
Zum Vorbringen der Kläger, das sie auf die Pflicht der Kommission zur Prüfung der Konformität der von der Italienischen Republik angemeldeten Beihilfemaßnahmen mit dem Unionsrecht insgesamt stützen, weist der Gerichtshof außerdem darauf hin, dass nach gefestigter Rechtsprechung das in Art. 108 AEUV vorgesehene Verfahren niemals zu einem Ergebnis führen darf, das zu den besonderen Bestimmungen des Vertrags im Widerspruch stünde. Mithin kann eine Beihilfe, die als solche oder wegen bestimmter Modalitäten gegen Bestimmungen oder allgemeine Grundsätze des Unionsrechts verstößt, nicht für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden. So überprüfte die Kommission im Einklang mit dieser Rechtsprechung in dem streitigen Beschluss die Konformität der angemeldeten Beihilfen mit der Richtlinie 2014/59 ( 6 ). In diesem Rahmen überprüfte sie u. a., dass die Lastenverteilungsmaßnahmen, die in dem von der Italienischen Republik vorgeschlagenen Umstrukturierungsplan vorgesehen waren und auf welche die Aufhebung der FRESH-Verträge zurückging, angemessen waren, um den Betrag der gewährten Beihilfe auf das für die Erreichung des Ziels der Rekapitalisierung der BMPS erforderliche Minimum zu beschränken.
Dagegen hatte die Kommission nicht zu prüfen, ob diese Lastenverteilungsmaßnahmen an sich die Rechte verletzten, die die Kläger aus dem Unionsrecht oder dem nationalen Recht für sich herleiten. Eine solche Verletzung würde sich nämlich, wenn man sie unterstellt, nicht aus der Beihilfe als solcher, ihrem Zweck oder ihren unabtrennbaren Modalitäten ergeben, sondern aus den Maßnahmen, die die Italienische Republik mit dem Ziel eines die Beihilfe nach Abschluss der Vorprüfungsphase genehmigenden Kommissionsbeschlusses getroffen hat.
Unter diesen Bedingungen verleiht der Umstand, dass sich die Lastenverteilungsmaßnahmen in den Rahmen eines Umstrukturierungsplans einfügen, für den es der Zahlung staatlicher Beihilfen bedarf, die von der Italienischen Republik bei der Kommission zur Genehmigung nach Abschluss der Vorprüfungsphase angemeldet wurden, den Klägern, die sich aufgrund dieser Maßnahmen für beeinträchtigt halten, in dem von der Kommission nach Art. 108 AEUV geführten Verfahren nicht die Beteiligteneigenschaft im Sinne von Art. 1 Buchst. h der Verordnung 2015/1589. Wenn die Kläger der Auffassung sind, dass die Italienische Republik durch den Erlass der im Umstrukturierungsplan für die BMPS vorgesehenen Lastenverteilungsmaßnahmen gegen das Unionsrecht verstoßen habe, müssen sie die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahmen vor den insoweit allein zuständigen nationalen Gerichten anfechten, wobei diese Gerichte die Möglichkeit oder, wenn sie im letzten Rechtszug entscheiden, gar die Verpflichtung haben, den Gerichtshof erforderlichenfalls um Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV zu ersuchen, um ihn zur Auslegung oder zur Gültigkeit der einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts zu befragen. Genau so verhält es sich hier aber, da die Kläger nicht geltend machen, aufgrund der in Rede stehenden Beihilfen beeinträchtigt zu sein, sondern lediglich eine Beeinträchtigung durch die Auswirkungen der in dem Umstrukturierungsplan vorgesehenen Lastenverteilungsmaßnahmen, auf die der streitige Beschluss Bezug nimmt, geltend machen.
Im Licht dieser Klarstellungen gibt der Gerichtshof dem einzigen Rechtsmittelgrund der Kommission statt und hebt das Urteil des Gerichts auf. Da der Rechtsstreit zur Entscheidung reif ist, gibt der Gerichtshof außerdem der von der Kommission im ersten Rechtszug erhobenen Einrede der Unzulässigkeit statt und weist daher die Klage der Kläger als unzulässig ab.
( 1 ) Beschluss C(2017) 4690 final der Kommission vom 4. Juli 2017 über die staatliche Beihilfe SA.47677 (2017/N) – Italien – Neue Beihilfe und geänderter Plan zur Umstrukturierung der Banca Monte dei Paschi di Siena.
( 2 ) Nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV betreffend Beihilfen zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats.
( 3 ) Urteil vom 24. Februar 2021, Braesch u. a./Kommission (T‑161/18, EU:T:2021:102).
( 4 ) Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (ABl. 2015, L 248, S. 9).
( 5 ) Art. 263 Abs. 4 AEUV sieht zwei Varianten vor, in denen einer natürlichen oder juristischen Person die Klagebefugnis für eine Nichtigkeitsklage gegen eine nicht an sie gerichtete Unionshandlung zuerkannt wird. Zum einen kann eine derartige Klage erhoben werden, wenn diese Handlung die Person unmittelbar und individuell betrifft. Zum anderen kann eine solche Person gegen einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, klagen, sofern dieser Rechtsakt sie unmittelbar betrifft.
( 6 ) Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2014, L 173, S. 190).