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Document 62020TJ0529
Urteil des Gerichts (Siebte erweiterte Kammer) vom 7. September 2022.
LR gegen Europäische Investitionsbank.
Öffentlicher Dienst – Personal der EIB – Dienstbezüge – Wiedereinrichtungsbeihilfe – Wohnsitznahme des Bediensteten im eigenen Haushalt nach Ausscheiden aus dem Dienst – Art. 13 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich der Verwaltungsvorschriften für das Personal der EIB – Begriff ‚Haushalt‘ – Wörtliche Auslegung unter Zugrundelegung einer überwiegend genutzten Sprachfassung – Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung – Streitsache vermögensrechtlicher Art – Zulässigkeit.
Rechtssache T-529/20.
Urteil des Gerichts (Siebte erweiterte Kammer) vom 7. September 2022.
LR gegen Europäische Investitionsbank.
Öffentlicher Dienst – Personal der EIB – Dienstbezüge – Wiedereinrichtungsbeihilfe – Wohnsitznahme des Bediensteten im eigenen Haushalt nach Ausscheiden aus dem Dienst – Art. 13 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich der Verwaltungsvorschriften für das Personal der EIB – Begriff ‚Haushalt‘ – Wörtliche Auslegung unter Zugrundelegung einer überwiegend genutzten Sprachfassung – Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung – Streitsache vermögensrechtlicher Art – Zulässigkeit.
Rechtssache T-529/20.
Court reports – general
ECLI identifier: ECLI:EU:T:2022:523
Rechtssache T‑529/20
LR
gegen
Europäische Investitionsbank (EIB)
Urteil des Gerichts (Siebte erweiterte Kammer) vom 7. September 2022
„Öffentlicher Dienst – Personal der EIB – Dienstbezüge – Wiedereinrichtungsbeihilfe – Wohnsitznahme des Bediensteten im eigenen Haushalt nach Ausscheiden aus dem Dienst – Art. 13 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich der Verwaltungsvorschriften für das Personal der EIB – Begriff ‚Haushalt‘ – Wörtliche Auslegung unter Zugrundelegung einer überwiegend genutzten Sprachfassung – Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung – Streitsache vermögensrechtlicher Art – Zulässigkeit“
Recht der Europäischen Union – Auslegung – Mehrsprachige Rechtstexte der Europäischen Investitionsbank – Einheitliche Auslegung – Berücksichtigung der verschiedenen sprachlichen Fassungen – Vom Urheber des Rechtsakts beim Erlass beabsichtigter Vorrang der sprachlichen Originalfassung
(vgl. Rn. 27-29)
Beamte – Bedienstete der Europäischen Investitionsbank – Dienstbezüge – Wiedereinrichtungsbeihilfe – Zweck – Voraussetzungen für die Gewährung – Wohnsitzwechsel eines Bediensteten nach Ausscheiden aus dem Dienst, sofern die Wohnungnahme nicht im eigenen Haushalt erfolgt – Tragweite – Verlegung des Wohnsitzes an den Wohnort von Familienangehörigen – Ausschluss von der Beihilfe – Verlegung des Wohnsitzes in eine dem Bediensteten gehörende Wohnung – Zugang zur Beihilfe
(Personalordnung der Europäischen Investitionsbank, Art. 16)
(vgl. Rn. 31, 35, 37-41, 45, 46, 50-62)
Europäische Investitionsbank – Autonomie – Personal der Bank – Einführung eines arbeitsvertraglichen Systems – Folgen – Ausschluss der analogen Anwendung des Beamtenstatuts – Voraussetzung – Eingriff in die funktionelle Autonomie der Bank
(Art. 308 und 336 AEUV)
(vgl. Rn. 42, 43, 47, 48)
Beamtenklage – Bedienstete der Europäischen Investitionsbank – Entsprechende Anwendung von Art. 91 Abs. 1 des Statuts – Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung – Streitsachen vermögensrechtlicher Art – Begriff – Klage auf rückwirkende Zahlung der Wiedereinrichtungsbeihilfe – Einbeziehung
(Beamtenstatut, Art. 91 Abs. 1)
(vgl. Rn. 72-76)
Zusammenfassung
LR, ehemaliger Bediensteter der Europäischen Investitionsbank (EIB), beantragte bei der EIB die Zahlung einer Wiedereinrichtungsbeihilfe mit der Begründung, dass er nach seiner Versetzung in den Ruhestand aus seinem Dienstort weggezogen sei.
Die EIB lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, dass LR Eigentümer des Hauses sei, in dem er Wohnung genommen habe, und er daher nicht die Voraussetzungen für die Gewährung der Wiedereinrichtungsbeihilfe nach dem Ausscheiden aus dem Dienst gemäß Art. 13 der Verwaltungsvorschriften für das Personal der EIB (im Folgenden: Verwaltungsvorschriften) erfülle. Nachdem der Antrag von LR auf Überprüfung dieser Ablehnung ebenfalls zurückgewiesen worden war, erhob dieser beim Gericht Klage auf Aufhebung der die Wiedereinrichtungsbeihilfe ablehnenden Entscheidung und auf Verurteilung der EIB zur Zahlung dieser Beihilfe.
Der Klage wird vom Gericht stattgegeben, das, in der Besetzung als erweiterte Kammer, die Voraussetzungen klarstellt, unter denen die Wiedereinrichtungsbeihilfe nach dem Ausscheiden aus dem Dienst gemäß Art. 13 der Verwaltungsvorschriften gewährt wird. In diesem Rahmen macht das Gericht außerdem nähere Angaben zur Auslegung dieser von der EIB erlassenen allgemeinen Norm im Fall voneinander abweichender Sprachfassungen.
Würdigung durch das Gericht
Das Gericht stellt zunächst fest, dass Art. 13 der Verwaltungsvorschriften zwar die Zahlung einer pauschalen Wiedereinrichtungsbeihilfe an einen Bediensteten der EIB vorsieht, der nach dem Ausscheiden aus dem Dienst seinen Wohnsitz geändert hat, um in einer Entfernung von mindestens 50 Kilometern vom letzten Dienstort Wohnung zu nehmen, die Gewährung dieser Beihilfe jedoch davon abhängt, dass der betreffende Bedienstete nicht in seinem eigenen Haushalt Wohnung genommen hat.
Zur grammatikalischen Auslegung dieser Bestimmung stellt das Gericht fest, dass es in den Verwaltungsvorschriften an einer Definition der Begriffe „Wohnsitz“ und „Haushalt“ fehlt und dass der in der französischen Fassung von Art. 13 der Verwaltungsvorschriften verwendete Ausdruck „propre foyer“ sowie der in der englischen Fassung verwendete Ausdruck „own home“ unterschiedlich ausgelegt werden können.
Nach einem Hinweis auf die ständige Rechtsprechung, wonach die fragliche Vorschrift, wenn die verschiedenen Sprachfassungen eines Textes des Unionsrechts voneinander abweichen, grundsätzlich nach der allgemeinen Systematik und dem Zweck der Regelung ausgelegt werden muss, zu der sie gehört ( 1 ), weicht das Gericht von dieser Rechtsprechung unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles ab, da Art. 13 der Verwaltungsvorschriften aus einem in französischer Sprache verfassten und angenommenen Vorschlag hervorgegangen ist und sich die EIB entschieden hat, im letzten Absatz der Einleitung zu den Verwaltungsvorschriften ausdrücklich anzugeben, dass die englische Fassung dieser Vorschriften „eine Übersetzung der französischen Originalfassung“ sei.
Daher entscheidet sich das Gericht, um die Absicht des Urhebers der streitigen Vorschrift bei deren Erlass objektiv zu bestimmen, den Wortlaut von Art. 13 der Verwaltungsvorschriften entsprechend seinem üblichen Sinn in der vorrangigen Sprachfassung, im vorliegenden Fall der französischen, auszulegen.
Insoweit stellt das Gericht klar, dass in der französischen Sprache der Begriff „foyer“ den Ort bezeichnet, an dem Feuer gemacht wird, und im weiteren Sinne den Ort, an dem die Familie einer Person wohnt, während der Begriff „résidence“ den Ort oder die Wohnstätte bezeichnet, wo eine Person sich niedergelassen hat. Aus dem Wortlaut von Art. 13 der Verwaltungsvorschriften folgt daher, dass die Zahlung der pauschalen Wiedereinrichtungsbeihilfe ausgeschlossen ist, wenn der neue Wohnort des ehemaligen Bediensteten mit der Wohnstätte seiner Familie zusammenfällt. Da die Wohnung einer Person weder notwendigerweise noch systematisch dem Wohnort der Familienangehörigen dieser Person entspricht, ergibt sich aus einer wörtlichen Auslegung dieser Bestimmung, dass die Wiedereinrichtungsbeihilfe nur dann nicht gezahlt werden kann, wenn der betreffende Bedienstete seinen gewöhnlichen Aufenthalt an den Wohnort seiner Familienangehörigen verlegt, nicht aber, wenn sich die Wohnstätte, in der der Bedienstete Wohnung nimmt, in seinem Eigentum befindet.
Diese wörtliche Auslegung von Art. 13 der Verwaltungsvorschriften wird durch seine systematische Auslegung bestätigt. In den anderen Artikeln der Verwaltungsvorschriften wird nämlich der Begriff „Haushalt“ verwendet, um den Ort zu bezeichnen, an dem die Familienangehörigen des Bediensteten ständig wohnen, nicht aber die Wohnstätte, dessen Eigentümer der Bedienstete ist.
Im Übrigen enthält Art. 5 Abs. 4 des Anhangs VII des Statuts der Beamten der Europäischen Union (im Folgenden: Statut) eine Klausel über den Ausschluss vom Anspruch auf Einrichtungsbeihilfe, die nach der Rechtsprechung ( 2 ) anwendbar ist, wenn der Beamte am Wohnort seiner Familie dienstlich verwendet wird und bei ihr Wohnung nimmt. Das Gericht bestätigt, dass die EIB bei der Festlegung der für ihre Bediensteten geltenden Regelung über funktionelle Autonomie verfügt, ist jedoch der Auffassung, dass die EIB nicht dargetan hat, inwiefern ihre funktionelle Autonomie durch eine entsprechende Anwendung dieser Rechtsprechung auf die Klausel zum Ausschluss des Anspruchs auf Wiedereinrichtungsbeihilfe in Art. 13 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich der Verwaltungsvorschriften verletzt wäre.
Schließlich bestätigt die teleologische Auslegung von Art. 13 der Verwaltungsvorschriften die wörtliche und systematische Auslegung dieses Artikels.
Zweck der Wiedereinrichtungsbeihilfe ist es, die Belastungen ganz oder teilweise zu decken, die die auf unbestimmte, aber nicht kurze Zeit vorgesehene Eingliederung des ehemaligen Beamten oder Bediensteten in eine neue Umgebung mit sich bringt, weil sich sein Hauptwohnsitz nach seinem endgültigen Ausscheiden aus dem Dienst geändert hat.
Der Bedienstete, der anlässlich des Ausscheidens aus dem Dienst in einer Wohnstätte Wohnung nimmt, deren Eigentümer oder Miteigentümer er ist, kann zwar bestimmte mit seiner Wohnungnahme verbundene Aufwendungen senken. Hieraus folgt jedoch keine allgemeine Vermutung, dass die Eingliederung des betreffenden Bediensteten in eine andere Umgebung als der des letzten Ortes seiner dienstlichen Verwendung für ihn keinerlei Aufwendungen verursachen würde.
Nach alledem entscheidet das Gericht, dass die EIB, indem sie LR die Wiedereinrichtungsbeihilfe mit der Begründung verweigert hat, dass er Eigentümer der Wohnstätte sei, in der er Wohnung genommen habe, gegen Art. 13 der Verwaltungsvorschriften verstoßen hat. Folglich hebt das Gericht diese Entscheidung der EIB auf.
Das Gericht wendet ferner Art. 91 Abs. 1 des Statuts entsprechend an, der in Streitsachen vermögensrechtlicher Art, die von Bediensteten gegen ein Organ erhoben werden, dem Unionsrichter die Befugnis zu unbeschränkter Ermessensnachprüfung verleiht ( 3 ), und verurteilt die EIB, indem es den dahin gehenden Anträgen von LR stattgibt, zur Zahlung der Wiedereinrichtungsbeihilfe zuzüglich Verzugszinsen.
( 1 ) Urteil vom 21. Dezember 2021, Trapeza Peiraios (C‑243/20, EU:C:2021:1045, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).
( 2 ) Urteil vom 18. November 2015, FH/Parlament (F‑26/15, EU:F:2015:137, Rn. 35).
( 3 ) Urteil vom 2. Oktober 2001, EIB/Hautem (C‑449/99 P, EU:C:2001:502, Rn. 95).