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Document 62017TJ0747

    Urteil des Gerichts (Sechste Kammer) vom 30. April 2019.
    Union des Ports de France - UPF gegen Europäische Kommission.
    Staatliche Beihilfen – Von Frankreich zugunsten seiner Häfen durchgeführte Regelung über die Befreiung von der Körperschaftsteuer – Beschluss, mit dem die Beihilferegelung für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt wird – Bestehende Beihilfen – Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit – Begründungspflicht – Wettbewerbsverzerrungen und Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten – Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung.
    Rechtssache T-747/17.

    ECLI identifier: ECLI:EU:T:2019:271

    Rechtssache T‑747/17

    Union des Ports de France – UPF

    gegen

    Europäische Kommission

    Urteil des Gerichts (Sechste Kammer) vom 30. April 2019

    „Staatliche Beihilfen – Von Frankreich zugunsten seiner Häfen durchgeführte Regelung über die Befreiung von der Körperschaftsteuer – Beschluss, mit dem die Beihilferegelung für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt wird – Bestehende Beihilfen – Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit – Begründungspflicht – Wettbewerbsverzerrungen und Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten – Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung“

    1. Nichtigkeitsklage – Natürliche oder juristische Personen – Handlungen, die sie unmittelbar und individuell betreffen – Beschluss der Kommission, mit dem die Unvereinbarkeit einer Beihilferegelung mit dem Binnenmarkt festgestellt und ihre Abschaffung angeordnet wird – Klage einer berufsständischen Vereinigung, die die Interessen ihrer Mitglieder verteidigt und vertritt – Zulässigkeit – Voraussetzungen –Parallel dazu eingereichte Klagen von Mitgliedern – Unzulässigkeit der Klage der Vereinigung

      (Art. 263 Abs. 4 AEUV)

      (vgl. Rn. 20-26)

    2. Nichtigkeitsklage – Natürliche oder juristische Personen – Handlungen, die sie unmittelbar und individuell betreffen – Beschluss der Kommission, mit dem die Unvereinbarkeit einer Beihilferegelung mit dem Binnenmarkt festgestellt und ihre Abschaffung angeordnet wird – Klage einer berufsständischen Vereinigung, die die Interessen von Mitgliedsunternehmen verteidigt und vertritt, deren Identität zum Zeitpunkt des Erlasses des Beschlusses feststellbar war und die zu einem beschränkten Kreis von Wirtschaftsteilnehmern gehören – Zulässigkeit

      (Art. 263 Abs. 4 AEUV)

      (vgl. Rn. 27, 33-43)

    3. Staatliche Beihilfen – Begriff – Steuerbefreiung der Einkünfte aus der wirtschaftlichen Tätigkeit der im Hafensektor tätigen Wirtschaftsteilnehmer – Einbeziehung

      (Art. 107 Abs. 1 AEUV)

      (vgl. Rn. 48-57)

    4. Wettbewerb – Regeln der Union – Adressaten – Unternehmen – Begriff – Im Hafensektor tätige Wirtschaftsteilnehmer mit hoheitlichen Befugnissen – Ausübung wirtschaftlicher Tätigkeiten, die von der Ausübung hoheitlicher Befugnisse losgelöst werden können – Einbeziehung

      (Art. 107 Abs. 1 AEUV)

      (vgl. Rn. 61-70, 80-87)

    5. Staatliche Beihilfen – Prüfung durch die Kommission – Beschluss über die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens nach Art. 108 Abs. 2 AEUV – Entwicklung des Standpunkts der Kommission am Ende des Verfahrens – Abweichung des Einleitungsbeschlusses vom abschließenden Beschluss – Zulässigkeit – Voraussetzungen – Keine Änderung des im Einleitungsbeschluss festgestellten Sachverhalts oder dessen rechtlicher Würdigung

      (Art. 108 Abs. 2 AEUV)

      (vgl. Rn. 75-79)

    6. Staatliche Beihilfen – Bestehende und neue Beihilfen – Prüfung durch die Kommission – Vorprüfungsphase und kontradiktorische Prüfungsphase – Bestehende Beihilferegelung – Ablehnung der von der Kommission in der Vorprüfungsphase vorgeschlagenen zweckdienlichen Maßnahmen durch den Mitgliedstaat – Beschluss der Kommission über die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens – Umkehr der Beweislast hinsichtlich der Vereinbarkeit der Regelung mit dem Binnenmarkt – Fehlen

      (Art. 108 AEUV; Verordnung 2015/1589 des Rates, Art. 21, 22 und 23)

      (vgl. Rn. 122-128)

    7. Staatliche Beihilfen – Verbot – Ausnahmen – Beihilfen, für die die in Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV vorgesehene Ausnahme eingreifen kann – Beihilfen, die den Erfordernissen der Koordinierung des Verkehrs entsprechen, im Sinne von Art. 93 AEUV – Betriebsbeihilfe – Ausschluss – Ausnahmen

      (Art. 93 und 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV; Mitteilung 2004/C 13/03 der Kommission)

      (vgl. Rn. 131-137)

    8. Staatliche Beihilfen – Prüfung durch die Kommission – Bestehende Beihilferegelungen – Ermessen der Kommission – Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung – Sorgfalts- und Unparteilichkeitspflicht – Umfang – Verpflichtung, Beihilfeverfahren hinsichtlich in anderen Mitgliedstaaten geltender ähnlicher Regelungen einzuleiten – Fehlen

      (Art. 108 Abs. 2 AEUV; Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 41)

      (vgl. Rn. 157-165)

    Zusammenfassung

    Im Urteil UPF/Kommission (T‑747/17) vom 30. April 2019 hat das Gericht die Klage der Union des ports de France (UPF) auf Nichtigerklärung des Beschlusses der Europäischen Kommission vom 27. Juli 2017 ( 1 ) abgewiesen. Mit diesem Beschluss war die von Frankreich durchgeführte Regelung über die Befreiung der französischen Häfen von der Körperschaftsteuer gemäß den Bestimmungen des Vertrags über bestehende Beihilfen ( 2 ) für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt und ihre Abschaffung für die Zukunft angeordnet worden.

    Der angefochtene Beschluss wurde nach einer Untersuchung erlassen, die im Jahr 2013 in sämtlichen Mitgliedstaaten durchgeführt worden war, um sich einen Gesamtüberblick über die Arbeitsweise und die Besteuerung der Häfen der Mitgliedstaaten zu verschaffen. Im angefochtenen Beschluss wurde festgestellt, dass die Befreiung der im Hafensektor tätigen Wirtschaftsteilnehmer von der Körperschaftsteuer eine bestehende Beihilferegelung darstelle, die mit dem Binnenmarkt unvereinbar sei. Infolgedessen wurde angeordnet, diese Maßnahme abzuschaffen und auf die Einkünfte aus der wirtschaftlichen Tätigkeit der Beihilfeempfänger ab dem Beginn des auf den Erlass des angefochtenen Beschlusses folgenden Steuerjahrs Körperschaftsteuer zu erheben.

    Das Gericht urteilt zunächst, dass der angefochtene Beschluss zwar ohne den Erlass von Durchführungsmaßnahmen seitens der französischen Behörden keine Rechtswirkungen gegenüber den Beihilfeempfängern erzeugen kann, UPF als berufsständische Vereinigung, die die Interessen ihrer Mitglieder verteidigt und vertritt, jedoch befugt ist, den angefochtenen Beschluss anzufechten, sofern diese Mitglieder nicht selbst Klage erhoben haben. Bei allen Mitgliedern von UPF handelt es sich um französische Häfen oder große Seehäfen oder um solche Häfen betreibende Handelskammern, die die Regelung über die Befreiung von der Körperschaftsteuer rechtmäßig in Anspruch nahmen. Da es sich bei diesen Mitgliedern außerdem um durch Dekret errichtete juristische Personen des öffentlichen Rechts handelt, deren Gründung somit nicht auf einer privaten Initiative beruht, gehören sie zu einem geschlossenen Kreis von Wirtschaftsteilnehmern, deren Identität zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses feststellbar war und die sich auf die Eigenschaft eines tatsächlich Begünstigten der bestehenden Beihilferegelung berufen können.

    Das Gericht stellt indessen fest, dass der angefochtene Beschluss frei von Rechtsfehlern ist, und weist sämtliche von UPF erhobene Rügen zurück, insbesondere diejenigen, mit denen Fehler geltend gemacht werden, die die Kommission bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Natur der Tätigkeit der französischen Häfen und deren Einstufung als Unternehmen begangen haben soll. Aus dem angefochtenen Beschluss geht eindeutig hervor, dass er nur die Einkünfte aus der Wirtschaftstätigkeit der begünstigten Struktureinheiten betrifft und dass diese nur hinsichtlich dieser Tätigkeit als Unternehmen angesehen wurden. Auch trifft die Beurteilung zu, dass die von den französischen Häfen übernommenen Tätigkeiten abgesehen von denjenigen, die in Ausübung von Aufgaben der öffentlichen Gewalt durchgeführt werden, wie beispielsweise die Kontrolle und die Sicherheit des Seeverkehrs oder die Überwachung zur Bekämpfung der Umweltverschmutzung, wirtschaftlicher Natur sind. Die bloße Tatsache, dass eine Einrichtung für einen Teil ihrer Tätigkeit über hoheitliche Befugnisse verfügt, steht nämlich ihrer Einstufung als Unternehmen für den Rest ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit nicht entgegen. Kann die Wirtschaftstätigkeit einer Einheit von der Ausübung ihrer hoheitlichen Befugnisse losgelöst werden, muss diese Einheit in Bezug auf diesen Teil ihrer Tätigkeiten als Unternehmen eingestuft werden.

    Das Gericht urteilt ferner, dass die Kommission die Voraussetzungen der Wettbewerbsverzerrung und der Beeinträchtigung des Handels rechtsfehlerfrei geprüft hat. Insbesondere müsste, selbst wenn sich aus der individuellen Situation bestimmter Insel- oder Überseehäfen ergeben sollte, dass diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, diese Prüfung bei einer bestehenden Beihilferegelung von dem Mitgliedstaat im Stadium der Rückforderung der Beihilfen oder in einem späteren Stadium unter Wahrung des Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit zwischen der Kommission und dem betreffenden Mitgliedstaat vorgenommen werden.

    Zudem ist das Gericht der Auffassung, dass die Kommission bei der Durchführung des Verfahrens zur Prüfung bestehender Beihilfen keinen Rechtsfehler begangen hat, als sie von den französischen Behörden den Nachweis verlangte, dass die Steuerbefreiung mit dem Binnenmarkt vereinbar ist. Hierzu weist es darauf hin, dass es keinen Grund gibt, im Stadium des förmlichen Prüfverfahrens verfahrensrechtlich zwischen neuen und bestehenden Beihilfen zu unterscheiden, und dass keine Rede von einer Umkehr der Beweislast bei der Prüfung der Vereinbarkeit einer bestehenden Beihilferegelung mit dem Binnenmarkt sein kann.

    Schließlich hat die Kommission nicht gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen, als sie lediglich gegen drei Mitgliedstaaten Verfahren eingeleitet hat und gegenüber den von ihrer Untersuchung im Jahr 2013 erfassten Mitgliedstaaten, die zugegeben hatten, für ihre Häfen von den allgemeinen Rechtsvorschriften abweichende Steuerregelungen vorgesehen zu haben, untätig geblieben ist. Insbesondere kann die Pflicht zur Unparteilichkeit nicht bedeuten, dass die Kommission im Rahmen von Beihilfeverfahren gleichzeitig Untersuchungen durchführen oder rechtsverbindliche Entscheidungen erlassen müsste. Verletzt ein Mitgliedstaat eine ihm nach dem Vertrag obliegende Verpflichtung, kann dies außerdem nicht damit gerechtfertigt werden, dass andere Mitgliedstaaten dieser Verpflichtung ebenfalls nicht nachkommen.


    ( 1 ) Beschluss (EU) 2017/2116 der Kommission vom 27. Juli 2017 über die Beihilfe SA.38398 (2016/C, ex 2015/E), die Frankreich durchgeführt hat – Besteuerung von Häfen in Frankreich (ABl. 2017, L 332, S. 24, im Folgenden: angefochtener Beschluss).

    ( 2 ) Art. 107 Abs. 1 AEUV.

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