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Document 62017TJ0380

    Urteil des Gerichts (Achte Kammer) vom 5. Oktober 2020 (Auszüge).
    HeidelbergCement AG und Schwenk Zement KG gegen Europäische Kommission.
    Wettbewerb – Zusammenschlüsse – Grauzementmarkt in Kroatien – Beschluss, mit dem der Zusammenschluss für mit dem Binnenmarkt und dem EWR‑Abkommen unvereinbar erklärt wird – Beteiligte Unternehmen – Relevanter Markt – Wesentlicher Teil des Binnenmarkts – Beurteilung der Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Wettbewerb – Verpflichtungszusagen – Verteidigungsrechte – Teilweise Verweisung an die nationalen Behörden.
    Rechtssache T-380/17.

    Court reports – general

    ECLI identifier: ECLI:EU:T:2020:471

    Rechtssache T‑380/17

    HeidelbergCement AG

    und

    Schwenk Zement KG

    gegen

    Europäische Kommission

    Urteil des Gerichts (Achte Kammer) vom 5. Oktober 2020

    „Wettbewerb – Zusammenschlüsse – Grauzementmarkt in Kroatien – Beschluss, mit dem der Zusammenschluss für mit dem Binnenmarkt und dem EWR‑Abkommen unvereinbar erklärt wird – Beteiligte Unternehmen – Relevanter Markt – Wesentlicher Teil des Binnenmarkts – Beurteilung der Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Wettbewerb – Verpflichtungszusagen – Verteidigungsrechte – Teilweise Verweisung an die nationalen Behörden“

    1. Unternehmenszusammenschlüsse – Zusammenschluss von gemeinschaftsweiter Bedeutung – Beurteilungskriterien – Umsatz der beteiligten Unternehmen – Beteiligtes Unternehmen – Begriff – Erwerb der Kontrolle über ein Unternehmen durch ein Gemeinschaftsunternehmen – Behandlung der Muttergesellschaften als beteiligte Unternehmen – Voraussetzungen – Muttergesellschaften, die die eigentlichen Akteure des Zusammenschlusses sind – Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit – Fehlen

      (Verordnung Nr. 139/2004 des Rates, Art. 1 Abs. 2; Mitteilung 2008/C 95/01 der Kommission, Nrn. 145 bis 147)

      (vgl. Rn. 98, 99, 105-126, 130-136, 149-151)

    2. Recht der Europäischen Union – Grundsätze – Rechtssicherheit – Unionsregelung – Gebot der Klarheit und Vorhersehbarkeit – Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, die von der Verwaltung ausgelegt und angewandt werden müssen – Zulässigkeit

      (Verordnung Nr. 139/2004 des Rates, Art. 1 Abs. 2; Mitteilung 2008/C 95/01 der Kommission, Nrn. 145 bis 147)

      (vgl. Rn. 130-136)

    3. Unternehmenszusammenschlüsse – Zusammenschluss von gemeinschaftsweiter Bedeutung – Beurteilungskriterien – Umsatz der beteiligten Unternehmen – Beteiligtes Unternehmen – Begriff – Erwerb der Kontrolle über ein Unternehmen durch ein Gemeinschaftsunternehmen – Behandlung der Muttergesellschaften als beteiligte Unternehmen – Voraussetzungen – Muttergesellschaften, die die eigentlichen Akteure des Zusammenschlusses sind – Beweise – Ermessen der Kommission – Grenzen – Berücksichtigung der Konsolidierten Mitteilung der Kommission zu Zuständigkeitsfragen

      (Verordnung Nr. 139/2004 des Rates, Art. 1 Abs. 2; Mitteilung 2008/C 95/01 der Kommission, Nrn. 145 bis 147)

      (vgl. Rn. 153-160, 167-174, 180, 198, 202-206, 234, 253, 255-258, 260-270, 279-281)

    4. Unternehmenszusammenschlüsse – Prüfung durch die Kommission – Definition des relevanten Marktes – Räumliche Abgrenzung

      (Verordnung Nr. 139/2004 des Rates; Bekanntmachung 97/C 372/03 der Kommission)

      (vgl. Rn. 293-343)

    5. Unternehmenszusammenschlüsse – Beurteilung der Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt – Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung, die den wirksamen Wettbewerb im Binnenmarkt erheblich behindert – Behinderung des Wettbewerbs in einem wesentlichen Teil des Binnenmarkts – Kriterien

      (Verordnung Nr. 139/2004 des Rates, Art. 2 Abs. 3)

      (vgl. Rn. 347-358)

    6. Unternehmenszusammenschlüsse – Beurteilung der Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt – Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung, die den wirksamen Wettbewerb im Binnenmarkt erheblich behindert – Beurteilung der wettbewerbswidrigen Auswirkungen des Zusammenschlusses – Kriterien

      (Verordnung Nr. 139/2004 des Rates, Art. 2 Abs. 3)

      (vgl. Rn. 366, 405, 431, 450, 499, 524, 528, 568, 569)

    7. Unternehmenszusammenschlüsse – Prüfung durch die Kommission – Verpflichtungszusagen der beteiligten Unternehmen, die geeignet sind, die Vereinbarkeit des angemeldeten Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt herzustellen – Verpflichtungszusagen, die den Zugang zu Infrastrukturen und Netzen gewähren

      (Verordnung Nr. 139/2004 des Rates; Mitteilung 2008/C 267/01 der Kommission, Rn. 63)

      (vgl. Rn. 580-586)

    8. Unternehmenszusammenschlüsse – Verwaltungsverfahren – Wahrung der Verteidigungsrechte – Anhörungsrecht der Unternehmen – Umfang

      (Verordnung Nr. 139/2004 des Rates)

      (vgl. Rn. 633-635, 665-668, 693)

    9. Unternehmenszusammenschlüsse – Verwaltungsverfahren – Mitteilung der Beschwerdepunkte – Dokumente, die zum Zeitpunkt des Erlasses der Mitteilung der Beschwerdepunkte verfügbar, aber nicht in ihr enthalten sind – Zulässigkeit als Beweismittel – Voraussetzungen

      (Verordnung Nr. 139/2004 des Rates, Art. 18 Abs. 1)

      (vgl. Rn. 636)

    10. Unternehmenszusammenschlüsse – Verwaltungsverfahren – Wahrung der Verteidigungsrechte – Akteneinsicht – Sprachenregelung – Protokolle über Telefongespräche der Kommission mit Kunden und Wettbewerbern der beteiligten Unternehmen – Zugang zu den Protokollen in ihrer Originalsprache – Zulässigkeit

      (Verordnung Nr. 139/2004 des Rates)

      (vgl. Rn. 650-664)

    11. Unternehmenszusammenschlüsse – Prüfung durch die Kommission – Entscheidung über die Verweisung der Prüfung eines Zusammenschlusses an die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats – Teilweise Verweisung, die auf die Beurteilung der Auswirkungen des Zusammenschlusses auf die relevanten Märkte in einem Mitgliedstaat beschränkt ist – Folgen

      (Verordnung Nr. 139/2004 des Rates, Art. 4 Abs. 4)

      (vgl. Rn. 684-689)

    Zusammenfassung

    Am 5. September 2016 meldeten die HeidelbergCement AG und die Schwenk Zement KG (im Folgenden zusammen: Klägerinnen) bei der Europäischen Kommission einen Zusammenschluss an, der darin bestand, über ihr Gemeinschaftsunternehmen Duna-Dráva Cement Kft. (im Folgenden: DDC) die Kontrolle über die Gesellschaften Cemex Hungária Építőanyagok Kft. und Cemex Hrvatska d.d. (im Folgenden zusammen: Zielunternehmen) zu übernehmen. Alle diese Unternehmen sind auf dem Gebiet der Baumaterialien tätig.

    Nachdem die Kommission das Verfahren zur eingehenden Prüfung eingeleitet hatte, erklärte sie den Zusammenschluss für mit dem Binnenmarkt unvereinbar ( 1 ). In ihrem Beschluss stellte die Kommission insbesondere Überlegungen zur gemeinschaftsweiten Bedeutung des Zusammenschlusses, zum relevanten Markt, zu den Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Wettbewerb und zu den Verpflichtungszusagen der Parteien des Zusammenschlusses an. Um konkret die gemeinschaftsweite Bedeutung des Zusammenschlusses zu bestätigen, berücksichtigte die Kommission die Umsätze der Klägerinnen, die sich auf über 250 Mio. Euro in der Europäischen Union belaufen, da die Klägerinnen die eigentlichen Akteure des Zusammenschlusses seien.

    Zur Stützung ihrer gegen diesen Beschluss erhobenen Nichtigkeitsklage stellten die Klägerinnen insbesondere die Beurteilung der gemeinschaftsweiten Bedeutung des angemeldeten Zusammenschlusses in Abrede. In diesem Zusammenhang müssen nach Art. 1 Abs. 2 der EG‑Fusionskontrollverordnung ( 2 ) mindestens zwei beteiligte Unternehmen einen unionsweiten Umsatz von jeweils 250 Mio. Euro erreichen. Indem die Kommission auf die Umsätze der Klägerinnen Bezug genommen habe, um die gemeinschaftsweite Bedeutung des durch ihr Gemeinschaftsunternehmen DDC durchgeführten Zusammenschlusses zu bestätigen, habe sie die Tragweite dieser Bestimmung verkannt.

    Diese Klage wird vom Gericht abgewiesen, das in diesem Rahmen nähere Ausführungen zum Begriff des betroffenen Unternehmens macht, dessen Umsatz zum Zwecke der Bestimmung der gemeinschaftsweiten Bedeutung eines Zusammenschlusses berücksichtigt werden kann.

    Würdigung durch das Gericht

    Das Gericht stellt fest, dass, obwohl die EG‑Fusionskontrollverordnung den Begriff des beteiligten Unternehmens im Sinne ihres Art. 1 Abs. 2 nicht definiert, seine Auslegung Gegenstand der Nrn. 145 bis 147 der konsolidierten Mitteilung der Kommission zu Zuständigkeitsfragen ( 3 ) ist. Anders als die Klägerinnen vorbringen, stehen jedoch weder diese Nummern noch der Grundsatz der Rechtssicherheit oder die EG‑Fusionskontrollverordnung dem entgegen, dass die Kommission zum Zwecke der Beurteilung der gemeinschaftsweiten Bedeutung eines durch ein Gemeinschaftsunternehmen durchgeführten Zusammenschlusses die Muttergesellschaften als beteiligte Unternehmen einstuft, wenn sie die eigentlichen Akteure des Zusammenschlusses sind.

    Insoweit führt das Gericht erstens aus, dass es zur Gewährleistung der Wirksamkeit der Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen erforderlich ist, der wirtschaftlichen Realität der eigentlichen Akteure bei dem Zusammenschluss je nach den rechtlichen und tatsächlichen Umständen des jeweiligen Einzelfalls Rechnung zu tragen. Die Ermittlung der beteiligten Unternehmen hängt somit zwangsläufig damit zusammen, wie das Übernahmeverfahren in jedem Einzelfall eingeleitet, organisiert und finanziert wurde.

    Außerdem stellt das Gericht hinsichtlich der Auslegung von Nr. 147 der konsolidierten Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen klar, dass diese Nummer zwei Fälle erfasst, in denen Muttergesellschaften zum Zwecke der Beurteilung der gemeinschaftsweiten Bedeutung eines durch ihr Gemeinschaftsunternehmen durchgeführten Zusammenschlusses als beteiligte Unternehmen eingestuft werden können. Im ersten Fall wird das Gemeinschaftsunternehmen als reines Instrument verwendet. Im zweiten Fall sind die Muttergesellschaften die eigentlichen Akteure bei dem Vorhaben. Im vorliegenden Fall war die Kommission der Ansicht, dass der Zusammenschluss zur zweiten Fallkonstellation gehöre.

    Zweitens befindet das Gericht, dass weder die konsolidierte Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen selbst noch ihre Durchführung durch die Kommission im vorliegenden Fall zu einer gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßenden Mehrdeutigkeit geführt hat. Nach Ansicht des Gerichts senden die Nrn. 145 bis 147 der konsolidierten Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen keine widersprüchlichen Signale hinsichtlich der Vorgehensweise, deren sich die Kommission bedient, um die an einem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen zu ermitteln. Zudem können die Parteien eines Zusammenschlusses als sorgfältige Wirtschaftsteilnehmer erforderlichenfalls auch fachkundigen Rat einholen oder mit den Dienststellen der Kommission Kontakt aufnehmen, um eine informelle Beratung in Bezug auf die an dem Vorhaben beteiligten Unternehmen zu erhalten.

    Drittens stellt das Gericht klar, dass es für die Beurteilung der gemeinschaftsweiten Bedeutung eines Zusammenschlusses nicht erforderlich ist, dass sich die beteiligten Unternehmen, deren Umsatz die vorgesehenen Schwellenwerte übersteigt, auf der einen und auf der anderen Seite des Zusammenschlusses befinden. Art. 1 Abs. 2 der EG‑Fusionskontrollverordnung verlangt nämlich, dass mindestens zwei beteiligte Unternehmen einen unionsweiten Umsatz von jeweils 250 Mio. Euro erreichen, und nicht, dass es sich um den Erwerber und das Zielunternehmen handeln muss.


    ( 1 ) Beschluss C(2017) 1650 final vom 5. April 2017 (Sache M.7878 – HeidelbergCement/Schwenk/Cemex Hungary/Cemex Croatia).

    ( 2 ) Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. 2004, L 24, S. 1) (im Folgenden: EG‑Fusionskontrollverordnung).

    ( 3 ) Konsolidierte Mitteilung der Kommission zu Zuständigkeitsfragen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. 2008, C 95, S. 1, Berichtigung ABl. 2009, C 43, S. 10) (im Folgenden: konsolidierte Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen).

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