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Document 62017TJ0341

Urteil des Gerichts (Vierte erweiterte Kammer) vom 30. März 2022 (Auszüge).
British Airways plc gegen Europäische Kommission.
Wettbewerb – Kartelle – Luftfrachtmarkt – Beschluss, mit dem eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV, Art. 53 des EWR-Abkommens und Art. 8 des Abkommens zwischen der Gemeinschaft und der Schweiz über den Luftverkehr festgestellt wird – Abstimmung von Preisbestandteilen für Luftfrachtdienste (Treibstoffaufschlag, Sicherheitsaufschlag, Zahlung einer Provision auf die Aufschläge) – Austausch von Informationen – Räumliche Zuständigkeit der Kommission – Begründungspflicht – Art. 266 AEUV – Staatlicher Zwang – Einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung – Höhe der Geldbuße – Umsatz – Dauer der Beteiligung an der Zuwiderhandlung – Mildernde Umstände – Ermutigung zu wettbewerbswidrigem Verhalten durch Behörden – Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung.
Rechtssache T-341/17.

ECLI identifier: ECLI:EU:T:2022:182

Rechtssache T341/17

(auszugsweise Veröffentlichung)

British Airways plc

gegen

Europäische Kommission

 Urteil des Gerichts (Vierte erweiterte Kammer) vom 30. März 2022

„Wettbewerb – Kartelle – Luftfrachtmarkt – Beschluss, mit dem eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV, Art. 53 des EWR-Abkommens und Art. 8 des Abkommens zwischen der Gemeinschaft und der Schweiz über den Luftverkehr festgestellt wird – Abstimmung von Preisbestandteilen für Luftfrachtdienste (Treibstoffaufschlag, Sicherheitsaufschlag, Zahlung einer Provision auf die Aufschläge) – Austausch von Informationen – Räumliche Zuständigkeit der Kommission – Begründungspflicht – Art. 266 AEUV – Staatlicher Zwang – Einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung – Höhe der Geldbuße – Umsatz – Dauer der Beteiligung an der Zuwiderhandlung – Mildernde Umstände – Ermutigung zu wettbewerbswidrigem Verhalten durch Behörden – Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung“

1.      Wettbewerb – Verkehr – Wettbewerbsregeln – Luftverkehr – Verordnung Nr. 411/2004 – Anwendungsbereich – Strecken zwischen der Union und Drittländern und Strecken zwischen dem EWR (ohne die Union) und Drittländern – Luftfrachtdienste auf ankommenden Strecken – Einbeziehung

(Art. 101 und 102 AEUV; EWR-Abkommen, Art. 53 und 54 sowie Anhang XIII und Protokoll 21 in der durch den Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses Nr. 40/2005 geänderten Fassung; Verordnungen des Rates Nr. 1/2003, Art. 32 Buchst. c, und Nr. 411/2004, Art. 1 und 3)

(Rn. 91-95)

2.      Wettbewerb – Regeln der Union – Räumlicher Geltungsbereich – Zuständigkeit der Kommission – Zulässigkeit im Hinblick auf das Völkerrecht – Durchführung oder qualifizierte Auswirkungen der missbräuchlichen Verhaltensweisen im EWR – Alternative Möglichkeiten – Kriterium der unmittelbaren, wesentlichen und vorhersehbaren Wirkung – Bedeutung im Fall von Verhaltensweisen, die die Beschränkung des Wettbewerbs bezwecken

(Art. 101 AEUV; EWR-Abkommen, Art. 53)

(vgl. Rn. 97-99, 111, 113-122, 127-129, 134-142, 145-147, 156-161)

3.      Nichtigkeitsklage – Gründe – Unzuständigkeit des Organs, das Urheber der angefochtenen Handlung ist – Prüfung durch den Unionsrichter von Amts wegen – Voraussetzung – Beachtung des Grundsatzes des kontradiktorischen Verfahrens

(Art. 263 AEUV)

(vgl. Rn. 176, 177)

4.      Nichtigkeitsklage – Nichtigkeitsurteil – Wirkungen – Verpflichtung, Durchführungsmaßnahmen zu erlassen – Umfang – Beschluss der Kommission, mit dem eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Nichtigerklärung von Amts wegen innerhalb der Grenzen der Anträge der Klägerin aufgrund eines Begründungsmangels – Erlass eines neuen Beschlusses unter Berücksichtigung der festgestellten Zuwiderhandlungen, die durch den Tenor des Nichtigkeitsurteils nicht in Frage gestellt wurden, und unter Berücksichtigung neuer Feststellungen – Zulässigkeit – Begründungspflicht – Umfang

(Art. 101, 263, 264, 266 und 296 AEUV)

(vgl. Rn. 204-209, 222, 232-236, 239-246, 254)

5.      Nichtigkeitsklage – Nichtigkeitsurteil – Umfang – Nichtigerklärung eines Beschlusses der Kommission, mit dem ein Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln festgestellt wird – Tragweite, die durch die Grenzen umschrieben wird, die dem Rechtsstreit durch die Anträge der Klägerin gesetzt waren – Folge – Grenzen des Umfangs der Verpflichtung, Durchführungsmaßnahmen zu erlassen – Ausschluss von Feststellungen, die nicht vom Streitgegenstand umfasst sind

(Art. 101, 263, 264 und 266 AEUV)

(vgl. Rn. 215-222)

6.      Wettbewerb – Regeln der Union – Sachlicher Anwendungsbereich – Durch staatliche Maßnahmen aufgezwungenes Verhalten – Ausschluss – Umfang – Durch ein Drittland ausgeübter staatlicher Zwang – Keine Auswirkung – Zulässigkeit im Hinblick auf das Völkerrecht

(Art. 101 und 102 AEUV)

(vgl. Rn. 263, 265-269)

7.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Mildernde Umstände – Wettbewerbswidriges Verhalten, das von den Behörden genehmigt oder gefördert wird – Festlegung der Höhe der aus diesem Grund erfolgten allgemeinen Ermäßigung – Begründungspflicht – Umfang – Verpflichtung der Kommission, sich an ihre frühere Entscheidungspraxis zu halten – Fehlen

(Art. 101 AEUV; EWR-Abkommen, Art. 53; Luftverkehrsabkommen EG-Schweiz, Art. 8; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2 und 3; Mitteilung 2006/C 210/02 der Kommission, Ziff. 29)

(vgl. Rn. 326-330)

8.      Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Beschluss der Kommission, mit dem eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Beweislast der Kommission für die Zuwiderhandlung und ihre Dauer – Art des Nachweises – Indizienbündel – Beurteilung der Maßgeblichkeit und der Beweiskraft der verschiedenen Indizien – Auswirkungen auf die Gesamtbeurteilung des Indizienbündels

(Art. 101 AEUV; EWR-Abkommen, Art. 53)

(vgl. Rn. 334, 335, 360, 366, 381, 386)

9.      Nichtigkeitsklage – Nichtigkeitsurteil – Umfang – Teilweise Nichtigerklärung eines Unionsrechtsakts – Teilweise Nichtigerklärung eines Beschlusses der Kommission, mit dem verschiedene wettbewerbswidrige Verhaltensweisen als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung eingestuft werden und eine Geldbuße verhängt wird – Gesichtspunkte, die nicht ausreichen, um die Verantwortlichkeit des klagenden Unternehmens für einen Teil der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung darzutun – Keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Feststellung der Beteiligung dieses Unternehmens an der Gesamtzuwiderhandlung

(Art. 101 und 264 Abs. 1 AEUV; EWR-Abkommen, Art. 53; Luftverkehrsabkommen EG-Schweiz, Art. 8)

(vgl. Rn. 387, 467, 468)

10.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Festlegung des Grundbetrags – Ermittlung des Umsatzes – Umsätze, die mit der Zuwiderhandlung in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang stehen – Kartell im Sektor der Luftfrachtdienste – Kartell, das mehrere Bestandteile der Preise für Frachtdienstleistungen umfasst – Berücksichtigung des Gesamtumsatzes aus Frachtdienstleistungen – Zulässigkeit

(Art. 101 AEUV; EWR-Abkommen, Art. 53; Luftverkehrsabkommen EG-Schweiz, Art. 8; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 2006/C 210/02 der Kommission, Ziff. 13)

(vgl. Rn. 393-401)

11.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kronzeugenregelung – Herabsetzung der Geldbuße als Gegenleistung für die Kooperation des beschuldigten Unternehmens – Voraussetzungen – Erheblicher Mehrwert der vom betreffenden Unternehmen vorgelegten Beweise – Ermessen der Kommission – Kriterien – Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes – Vergleichbarkeit der Situationen

(Art. 101 Abs. 1 AEUV; EWR-Abkommen, Art. 53; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2 und 3; Mitteilung 2006/C 298/11 der Kommission, Ziff. 20 bis 24)

(vgl. Rn. 413-419, 423-438)

12.    Kartelle – Teilnahme eines Unternehmens an wettbewerbswidrigen Initiativen – Stillschweigende Billigung ohne offene Distanzierung oder Anzeige bei den zuständigen Behörden, die für die Feststellung der Verantwortlichkeit des Unternehmens ausreicht

(Art. 101 Abs. 1 AEUV; EWR-Abkommen, Art. 53)

(vgl. Rn. 447-450)

13.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Gerichtliche Nachprüfung – Befugnis des Unionsrichters zu unbeschränkter Nachprüfung – Umfang – Grenze – Beachtung des Diskriminierungsverbots – Berücksichtigung der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen

(Art. 261 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 31; Mitteilung 2006/C 210/02 der Kommission)

(vgl. Rn. 479-485)

Zusammenfassung

Die Klägerin, die British Airways plc, ist eine auf dem Markt für Luftfrachtdienste tätige Fluggesellschaft.

Sie gehört zu den 19 Adressaten des Beschlusses C(2017) 1742 final der Kommission vom 17. März 2017 in einem Verfahren nach Artikel 101 AEUV, Artikel 53 des EWR‑Abkommens und Artikel 8 des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über den Luftverkehr (Sache AT.39258 – Luftfracht) (im Folgenden: angefochtener Beschluss). Mit diesem Beschluss stellte die Europäische Kommission das Vorliegen einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung gegen die genannten Bestimmungen fest, in deren Rahmen die in Rede stehenden Unternehmen in der Zeit von 1999 bis 2006 ihr Verhalten bei der Preisbildung für die Erbringung von Frachtdienstleistungen weltweit abgestimmt hätten. Wegen der Beteiligung der Klägerin an dieser Zuwiderhandlung verhängte die Kommission eine Geldbuße von 104 040 000 Euro gegen sie.

Am 7. Dezember 2005 beantragten Lufthansa und zwei ihrer Tochtergesellschaften bei der Kommission die Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit der Kommission von 2002(1). In diesem Antrag wurde von wettbewerbswidrigen Kontakten zwischen mehreren auf dem Luftfrachtmarkt aktiven Unternehmen (im Folgenden: Fluggesellschaften) berichtet, die sich auf mehrere Bestandteile des Preises für im Rahmen dieses Marktes erbrachte Dienstleistungen bezogen, nämlich die Einführung eines Treibstoffaufschlags und eines Sicherheitsaufschlags, sowie im Wesentlichen die Weigerung, Spediteuren einen Nachlass auf diese Aufschläge zu gewähren. Auf der Grundlage der Informationen, die sie zusammengestellt hatte, sowie basierend auf ihren Erhebungen übermittelte die Kommission am 19. Dezember 2007 eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an 27 Fluggesellschaften. Am 9. November 2010 nahm sie in weiterer Folge einen ersten Beschluss(2) in Bezug auf 21 Fluggesellschaften an, darunter die Klägerin. Dieser wurde jedoch vom Gericht mit Urteilen vom 16. Dezember 2015(3) innerhalb der Grenzen der jeweiligen Nichtigkeitsanträge für nichtig erklärt, da die Begründung des Beschlusses Widersprüche enthielt.

Da die Klägerin im Wesentlichen der Auffassung war, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es sich auf das Verbot gestützt habe, ultra petita zu entscheiden, um den Umfang der von ihm ausgesprochenen Nichtigerklärung zu begrenzen, nachdem es von Amts wegen einen Begründungsmangel des gesamten ursprünglichen Beschlusses festgestellt habe, erhob sie ein Rechtsmittel gegen das Urteil, das gegen sie ergangen war. Der Gerichtshof (Große Kammer) wies dieses Rechtsmittel mit Urteil vom 14. November 2017(4) als insgesamt unbegründet zurück.

Auf die von der Klägerin erhobene Klage gegen den angefochtenen Beschluss, soweit sie von diesem betroffen ist, hat das Gericht den Anträgen auf Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses und den Anträgen auf Herabsetzung der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße teilweise stattgegeben. Insbesondere hat es den angefochtenen Beschluss für nichtig erklärt, soweit es um die Feststellung der Beteiligung der Klägerin an dem Teil der Zuwiderhandlung geht, der die Verweigerung von Zahlungen betrifft. Das Gericht hat die entsprechende Feststellung als unzureichend begründet erachtet und folglich die Geldbuße aufgrund der begrenzten Beteiligung der Klägerin an der Zuwiderhandlung herabgesetzt. Zu den Anforderungen, die sich aus der Verpflichtung ergeben, nach der Nichtigerklärung eines Beschlusses, mit dem eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Union festgestellt wird, die erforderlichen Durchführungsmaßnahmen zu erlassen, hat das Gericht hingegen entschieden, dass die Kommission – ohne eine Beanstandung durch die Klägerin befürchten zu müssen – eine Geldbuße gegen die Klägerin verhängen und sich dafür auch auf die im verfügenden Teil des ursprünglichen Beschlusses festgestellten Zuwiderhandlungen stützen konnte, soweit diese nicht in Frage gestellt und mithin bestandskräftig geworden waren.

Würdigung durch das Gericht

Als Erstes ist das Gericht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Kommission die Grenzen ihrer eigenen räumlichen Zuständigkeit nicht überschritten hat, als sie das Vorliegen einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 des EWR-Abkommens festgestellt hat, die Flüge auf sogenannten „eingehenden“ Strecken innerhalb des im angefochtenen Beschluss genannten Zeitraums erfasst. Unter eingehenden Strecken sind Verbindungen zu verstehen, die von Flughäfen in Drittländern starten und in Mitgliedstaaten der Union oder in anderen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums ankommen, die keine Mitglieder der Union sind.

Als Zweites hat das Gericht den von Amts wegen geprüften Gesichtspunkt zurückgewiesen, dass die Kommission nicht über die Befugnis verfüge, einen Verstoß gegen Art. 53 des EWR-Abkommens auf den Strecken zwischen der Schweiz einerseits und Norwegen und Island andererseits festzustellen und zu ahnden. Dieser Klagegrund ist nämlich unbegründet, da aus dem verfügenden Teil des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, dass die Kommission auf diesen Strecken keinen Verstoß gegen die genannte Bestimmung festgestellt hat.

Als Drittes hat das Gericht die Rügen der Klägerin geprüft, mit denen sie die Modalitäten der Durchführung des sie betreffenden Nichtigkeitsurteils beanstandet. Insoweit wird insbesondere darauf hingewiesen, dass die Tragweite eines Nichtigkeitsurteils anhand der Grenzen zu beurteilen ist, die dem Rechtsstreit durch die Anträge der Klägerin gesetzt werden. Unter diesen Umständen ist das Gericht der Auffassung, dass sich die Kommission – ohne sich zu widersprechen oder ihre Pflicht zum Erlass der erforderlichen Durchführungsmaßnahmen zu verletzen – gegenüber der Klägerin auf festgestellte Zuwiderhandlungen stützen konnte, ohne erneut auf diese eingehen zu müssen. Die Klägerin hatte diese nämlich nicht in Frage gestellt, weshalb sie ihr gegenüber von der Kommission als bestandskräftig angesehen werden konnten, auch wenn die Mittäter der in Rede stehenden Zuwiderhandlungen nicht identisch sind. Die Klägerin beanstandet daher vergeblich den Ansatz der Kommission, der zur Verhängung einer Geldbuße gegen sie geführt hat, die sich nicht ausschließlich auf die im angefochtenen Beschluss festgestellte Zuwiderhandlung bezieht. Das Gericht hat insoweit auch darauf hingewiesen, dass das von der Klägerin erhobene Rechtsmittel zur sie betreffenden Begrenzung der Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses entgegen ihrem Vorbringen den Ansatz der Kommission in keiner Weise in Frage stellt, da dieses Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat und jedenfalls nicht geeignet war, den Umfang der Anträge zu erweitern, die die Grenzen des Rechtsstreits bilden.

Als Viertes hat sich das Gericht mit den Rügen befasst, mit denen im Wesentlichen die Schlussfolgerungen beanstandet werden, die auf der Prüfung der Rechtsvorschriften verschiedener Drittländer durch die Kommission beruhen. Zudem hat es geprüft, ob die Rügen hinreichend begründet sind, und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Begründung nicht stichhaltig ist. Das Gericht ist nämlich der Auffassung, dass die für das Verteidigungsmittel des staatlichen Zwangs relevanten Grundsätze sowohl für die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten als auch für jene von Drittländern gelten und dass die Beweislast jener Partei obliegt, die sich darauf beruft. Sodann konnte die Kommission zu Recht feststellen, dass die Klägerin den Beweis schuldig geblieben sei, unter dem Zwang der entsprechenden Rechtsvorschriften gehandelt zu haben. Soweit schließlich die Prüfung dieser Rechtsvorschriften zum Ergebnis führt, dass diese einen Anreiz für das wettbewerbswidrige Verhalten der Klägerin hätten darstellen können, wodurch ihr eine allgemeine Ermäßigung aufgrund mildernder Umstände hätte zuerkannt werden können, hat die Kommission die erfolgte Anwendung einer Ermäßigung von 15 % ausführlich erläutert.

Soweit die Kommission die Beteiligung der Klägerin an einer Zuwiderhandlung festgestellt hat, die in der Verweigerung der Gewährung von Preisnachlässen bestanden habe, hat das Gericht als Fünftes hingegen entschieden, dass die Beweismittel, auf die sich die Kommission hierzu stützte, unzureichend sind, und hat daher den angefochtenen Beschluss insoweit für nichtig erklärt, als darin die Beteiligung der Klägerin an diesem Teil der Zuwiderhandlung festgestellt wird.

Als Sechstes hat das Gericht die Rügen der Klägerin bezüglich der Festsetzung der Höhe der von der Kommission gegen sie verhängten Geldbuße geprüft, insbesondere die Rügen betreffend die Berechnung der auf der Grundlage der Kronzeugenregelung gewährten Ermäßigung. In diesem Zusammenhang hat das Gericht darauf hingewiesen, dass gemäß der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 die Gewährung einer Ermäßigung der Geldbuße u. a. davon abhängt, dass Beweise vorgelegt werden, die im Vergleich zu den bereits im Besitz der Kommission befindlichen Beweisen einen erheblichen Mehrwert für die Feststellung des fraglichen Sachverhalts darstellen. Im Anschluss an eine eingehende Prüfung der von der Klägerin vorgelegten Beweise, deren Wert die Kommission der Klägerin zufolge verkannt hat, hat das Gericht hingegen festgestellt, dass die Kommission den jeweiligen Wert der Beweise richtig beurteilt hat und sie daher zu dem Ergebnis gelangen konnte, dass die Beweise keinen ausreichenden Mehrwert besitzen. Die Klägerin kann sich jedenfalls nicht erfolgreich auf den Grundsatz der Gleichbehandlung berufen, um die ungünstigere Behandlung in Frage zu stellen, die ihr nach eigenen Angaben im Vergleich zu anderen Transportunternehmen zuteilwurde, die ebenfalls Adressaten des angefochtenen Beschlusses waren, da sich diese nicht in einer vergleichbaren Situation befanden.

Als Siebtes hat das Gericht schließlich von seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung Gebrauch gemacht, um über den Antrag auf Herabsetzung der verhängten Geldbußen zu entscheiden. Ohne von der Berechnungsmethode abzuweichen, die die Kommission im angefochtenen Beschluss angewandt hat, hat es die Konsequenzen aus der teilweisen Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses gezogen, soweit darin die Beteiligung der Klägerin an dem Teil der Zuwiderhandlung festgestellt wurde, der die Verweigerung der Gewährung von Nachlässen betrifft. Folglich hat es die gegen die Klägerin verhängte Geldbuße, die die Kommission auf 104 040 000 Euro festgesetzt hatte, auf 84 456 000 Euro herabgesetzt.


1      Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 2002, C 45, S. 3).


2      Beschluss C(2010) 7694 final der Kommission vom 9. November 2010 in einem Verfahren nach Artikel 101 AEUV, Artikel 53 des EWR-Abkommens und Artikel 8 des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über den Luftverkehr (Sache COMP/39258 – Luftfracht) (im Folgenden: ursprünglicher Beschluss).


3      Urteile vom 16. Dezember 2015, Air Canada/Kommission (T‑9/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:994), Koninklijke Luchtvaart Maatschappij/Kommission (T‑28/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:995), Japan Airlines/Kommission (T‑36/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:992), Cathay Pacific Airways/Kommission (T‑38/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:985), Cargolux Airlines/Kommission (T‑39/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:991), Latam Airlines Group und Lan Cargo/Kommission (T‑40/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:986), Singapore Airlines und Singapore Airlines Cargo Pte/Kommission (T‑43/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:989), Deutsche Lufthansa u. a./Kommission (T‑46/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:987), British Airways/Kommission (T‑48/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:988), SAS Cargo Group u. a./Kommission (T‑56/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:990), Air France KLM/Kommission (T‑62/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:996), Air France/Kommission (T‑63/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:993), und Martinair Holland/Kommission (T‑67/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:984).


4      Urteil vom 14. November 2017, British Airways/Kommission (C‑122/16 P, EU:C:2017:861).

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