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Document 62017CO0441(02)

    Beschluss des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 20. November 2017.
    Europäische Kommission gegen Republik Polen.
    Vorläufiger Rechtsschutz – Antrag auf einstweilige Anordnungen – Richtlinie 92/43/EWG – Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen – Richtlinie 2009/147/EG – Erhaltung der wildlebenden Vogelarten.
    Rechtssache C-441/17 R.

    Court reports – general – 'Information on unpublished decisions' section

    Rechtssache C‑441/17 R

    Europäische Kommission

    gegen

    Republik Polen

    „Vorläufiger Rechtsschutz – Antrag auf einstweilige Anordnungen – Richtlinie 92/43/EWG – Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen – Richtlinie 2009/147/EG – Erhaltung der wildlebenden Vogelarten“

    Leitsätze – Beschluss des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 20. November 2017

    1. Vorläufiger Rechtsschutz–Einstweilige Anordnungen–Voraussetzungen für die Gewährung–Fumus boni iuris–Dringlichkeit–Schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden–Kumulativer Charakter–Abwägung sämtlicher betroffener Belange

      (Art. 279 AEUV; Verfahrensordnung des Gerichtshofs, Art. 160 Abs. 3)

    2. Vorläufiger Rechtsschutz–Einstweilige Anordnungen–Voraussetzungen für die Gewährung–Dringlichkeit–Schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden–Aktive Waldbewirtschaftung im Wald von Białowieża, ein Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung und ein besonderes Schutzgebiet für Vögel–Schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden für die Umwelt

      (Art. 279 AEUV)

    3. Vorläufiger Rechtsschutz–Einstweilige Anordnungen–Voraussetzungen für die Gewährung–Sicherheitsleistung–Voraussetzungen

      (Art. 279 AEUV)

    4. Vorläufiger Rechtsschutz–Einstweilige Anordnungen–Befugnisse des für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständigen Richters–Befugnis, akzessorische Maßnahmen zu treffen, die die Wirksamkeit der erlassenen einstweiligen Anordnungen gewährleisten sollen–Umfang–Verhängung eines Zwangsgeldes in dem Fall, dass die betroffene Partei eine erlassene Anordnung nicht befolgt

      (Art. 2 EUV; Art. 279 AEUV)

    1.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Rn. 28-30)

    2.  Was die Voraussetzung der Dringlichkeit anbelangt, so ist es der Zweck des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes, die volle Wirksamkeit der künftigen Endentscheidung zu gewährleisten, um eine Lücke im vom Gerichtshof gewährten Rechtsschutz zu verhindern. Um dieses Ziel zu erreichen, ist die Dringlichkeit danach zu beurteilen, ob eine einstweilige Anordnung erforderlich ist, um den Eintritt eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens bei der Partei, die vorläufigen Rechtsschutz beantragt, zu verhindern.

      Die Partei, die einen solchen Schaden geltend macht, muss ihn nachweisen. Auch wenn insoweit keine absolute Gewissheit des Schadenseintritts erforderlich ist, sondern eine hinreichende Wahrscheinlichkeit genügt, ist der Antragsteller gleichwohl verpflichtet, die Umstände nachzuweisen, die einen solchen Schaden erwarten lassen.

      Was den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz betrifft, den die Kommission im Rahmen des Vertragsverletzungsverfahrens gegen Polen gestellt hat, so ist die Voraussetzung der Dringlichkeit erwiesen, da die Maßnahmen der aktiven Waldbewirtschaftung im Wald von Białowieża, ein Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung und ein besonderes Schutzgebiet für Vögel, die Umwelt in schwerer und nicht wiedergutzumachender Weise schädigen könnten. Ist der durch das Schlagen und Entfernen der Bäume entstehende Schaden nämlich einmal eingetreten, lässt er sich später in dem Fall, dass die Vertragsverletzungen, die die Kommission Polen vorwirft, festgestellt werden, nicht wiedergutmachen. Des Weiteren wird die Schwere des von der Kommission geltend gemachten Schadens durch die Tatsache belegt, dass diese Maßnahmen, auch in Anbetracht ihres Umfangs und ihrer Intensität, wenn sie fortgesetzt werden, eine unumkehrbare Umwandlung einer bedeutenden Fläche eines Naturwaldes in einen bewirtschafteten Wald zur Folge haben können, was zum Verlust von Lebensräumen seltener Arten führen könnte.

      (vgl. Rn. 43-45, 59, 61)

    3.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Rn. 86, 87)

    4.  Art. 279 AEUV räumt dem Gerichtshof die Befugnis ein, alle einstweiligen Anordnungen zu erlassen, die er für erforderlich hält, um die volle Wirksamkeit der Endentscheidung sicherzustellen.

      Insoweit muss der angerufene für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter sicherstellen, dass die Anordnungen, die er zu erlassen beabsichtigt, hinreichend wirksam sind, um ihr Ziel zu erreichen. Genau zu diesem Zweck räumt Art. 279 AEUV diesem Richter einen weiten Beurteilungsspielraum ein, bei dessen Ausübung er insbesondere befugt ist, im Hinblick auf die Umstände des Einzelfalls den Gegenstand und den Umfang der beantragten einstweiligen Anordnungen zu präzisieren und, wenn er dies für zweckmäßig hält, gegebenenfalls von Amts wegen alle akzessorischen Maßnahmen zu treffen, die die Wirksamkeit der von ihm erlassenen einstweiligen Anordnungen gewährleisten sollen.

      Insbesondere muss der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter in der Lage sein, die Wirksamkeit einer nach Art. 279 AEUV an eine Partei gerichteten Anordnung sicherzustellen, indem er alle Maßnahmen trifft, die darauf abzielen, dass diese Partei den Beschluss im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes befolgt. Eine solche Maßnahme kann namentlich darin bestehen, die Verhängung eines Zwangsgeldes für den Fall vorzusehen, dass die betroffene Partei die Anordnung nicht befolgt.

      Außerdem soll der Umstand, dass ein Mitgliedstaat dazu veranlasst wird, den von dem für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständigen Richter erlassenen einstweiligen Anordnungen nachzukommen, weil die Verhängung eines Zwangsgeldes für den Fall vorgesehen wird, dass diesen Anordnungen nicht nachgekommen wird, die wirksame Anwendung des Unionsrechts sicherstellen, die dem Wert des in Art. 2 EUV verankerten Rechtsstaatsprinzips, auf dem die Union gründet, inhärent ist.

      (vgl. Rn. 97, 99, 100, 102)

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