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Document 62017CJ0180

    Urteil des Gerichtshofs (Vierte Kammer) vom 26. September 2018.
    X und Y gegen Staatssecretaris van Veiligheid en Justitie.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Gemeinsame Politik im Bereich Asyl und subsidiärer Schutz – Richtlinie 2013/32/EU – Art. 46 – Richtlinie 2008/115/EG – Art. 13 – Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Art. 18, Art. 19 Abs. 2 und Art. 47 – Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf – Grundsatz der Nichtzurückweisung – Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz abgelehnt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt wird – Nationale Regelung, die einen zweiten Rechtszug vorsieht – Auf die Klage beschränkte aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes.
    Rechtssache C-180/17.

    Court reports – general – 'Information on unpublished decisions' section

    Rechtssache C-180/17

    X und Y

    gegen

    Staatssecretaris van Veiligheid en Justitie

    (Vorabentscheidungsersuchen des Raad van State [Niederlande])

    „Vorlage zur Vorabentscheidung – Gemeinsame Politik im Bereich Asyl und subsidiärer Schutz – Richtlinie 2013/32/EU – Art. 46 – Richtlinie 2008/115/EG – Art. 13 – Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Art. 18, Art. 19 Abs. 2 und Art. 47 – Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf – Grundsatz der Nichtzurückweisung – Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz abgelehnt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt wird – Nationale Regelung, die einen zweiten Rechtszug vorsieht – Auf die Klage beschränkte aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes“

    Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Vierte Kammer) vom 26. September 2018

    1. Zur Vorabentscheidung vorgelegte Fragen – Zuständigkeit des Gerichtshofs – Fragen betreffend Rechtsakte der Union, deren Anwendbarkeit auf das Ausgangsverfahren in Frage gestellt wird – Einbeziehung – Voraussetzung – Infragestellen, das untrennbar mit den Antworten verbunden ist, die auf die Vorlagefragen zu geben sind

      (Art. 267 AEUV)

    2. Grenzkontrollen, Asyl und Einwanderung – Asylpolitik – Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes – Richtlinie 2013/32 – Anspruch auf Gewährung effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes – Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz abgelehnt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt wird – Nationale Regelung, die gegen eine solche Entscheidung ein Rechtsmittel ohne aufschiebende Wirkung vorsieht – Zulässigkeit – Grenzen – Beachtung der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität

      (Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 18, Art. 19 Abs. 2 und Art. 47; Richtlinie 2008/225 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 13; Richtlinie 2013/32 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 46)

    3. Grundrechte – Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz – Verankerung in Art. 47 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und in Art. 13 der Europäischen Menschenrechtskonvention – Gleiche Bedeutung und Tragweite – Von der Charta gewährleistetes Schutzniveau, das das durch die Menschenrechtskonvention garantierte Schutzniveau nicht verletzt

      (Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 47 Abs. 1, Art. 52 Abs. 3 und Art. 53)

    1.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Rn. 17-19)

    2.  Art. 46 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes und Art. 13 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger sind im Licht von Art. 18, Art. 19 Abs. 2 und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die zwar ein Rechtsmittel gegen ein erstinstanzliches Urteil, das eine Entscheidung bestätigt, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz abgelehnt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt wird, vorsieht, diesen Rechtsbehelf jedoch nicht mit kraft Gesetzes aufschiebender Wirkung ausstattet, obwohl der Betroffene die ernsthafte Gefahr eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Nichtzurückweisung geltend macht.

      Somit verpflichten die Bestimmungen der Richtlinien 2013/32 und 2008/115 die Mitgliedstaaten zwar, einen wirksamen Rechtsbehelf gegen abschlägige Entscheidungen über einen Antrag auf internationalen Schutz und gegen Rückkehrentscheidungen vorzusehen; keine dieser Bestimmungen sieht jedoch vor, dass die Mitgliedstaaten internationalen Schutz beantragenden Personen, deren Klage gegen die Ablehnung ihres Antrags und die Rückkehrentscheidung abgewiesen wurde, ein Rechtsmittel gewähren müssen, und erst recht nicht, dass ein solches Rechtsmittel kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung haben muss. Solche Anforderungen lassen sich auch nicht aus der Systematik und dem Zweck dieser Richtlinien ableiten.

      Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2008/115 ebenso wie die Richtlinie 2013/32, wie sich aus dem 24. Erwägungsgrund der Ersteren und dem 60. Erwägungsgrund der Letzteren ergibt, unter Beachtung der insbesondere in der Charta anerkannten Grundrechte und Grundsätze auszulegen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Juni 2018, Gnandi, C‑181/16, EU:C:2018:465, Rn. 51). Wenn ein Staat entscheidet, eine Person, die internationalen Schutz beantragt, in ein Land abzuschieben, bei dem ernsthafte Gründe befürchten lassen, dass tatsächlich die Gefahr einer Art. 18 der Charta in Verbindung mit Art. 33 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge in der durch das entsprechende Protokoll geänderten Fassung oder Art. 19 Abs. 2 der Charta widersprechenden Behandlung dieser Person besteht, verlangt das in Art. 47 der Charta vorgesehene Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass der Antragsteller über einen Rechtsbehelf mit kraft Gesetzes aufschiebender Wirkung gegen den Vollzug der Maßnahme verfügt, die seine Abschiebung ermöglicht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Juni 2018, Gnandi, C‑181/16, EU:C:2018:465, Rn. 54). Allerdings schreibt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs Art. 47 der Charta im Licht der in ihrem Art. 18 und Art. 19 Abs. 2 enthaltenen Garantien ebenso wenig wie Art. 46 der Richtlinie 2013/32 und Art. 13 der Richtlinie 2008/115 vor, dass es zwei Rechtszüge geben muss. Denn allein entscheidend ist, dass es einen Rechtsbehelf vor einem Gericht gibt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 28. Juli 2011, Samba Diouf, C‑69/10, EU:C:2011:524, Rn. 69, und vom 19. Juni 2018, Gnandi, C‑181/16, EU:C:2018:465, Rn. 57).

      Die Schaffung eines zweiten Rechtszugs gegen abschlägige Entscheidungen über einen Antrag auf internationalen Schutz und gegen Rückkehrentscheidungen sowie die Entscheidung, ihn gegebenenfalls mit kraft Gesetzes aufschiebender Wirkung auszustatten, sind – entgegen dem in Rn. 17 des vorliegenden Urteils angeführten Vorbringen der belgischen Regierung – Verfahrensmodalitäten zur Umsetzung des in Art. 46 der Richtlinie 2013/32 und Art. 13 der Richtlinie 2008/115 vorgesehenen Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf gegen solche Entscheidungen. Solche Verfahrensmodalitäten unterliegen nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten zwar ihrer jeweiligen innerstaatlichen Rechtsordnung, müssen aber, wie der Gerichtshof hervorgehoben hat, die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität wahren (vgl. entsprechend Urteil vom 17. Juli 2014, Sánchez Morcillo und Abril García, C‑169/14, EU:C:2014:2099, Rn. 31, 36 und 50 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Beschluss vom 16. Juli 2015, Sánchez Morcillo und Abril García, C‑539/14, EU:C:2015:508, Rn. 33).

      (vgl. Rn. 23, 24, 27, 28, 30, 34, 44 und Tenor)

    3.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Rn. 31)

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