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Document 62017CJ0041

    Urteil des Gerichtshofs (Fünfte Kammer) vom 19. September 2018.
    Isabel González Castro gegen Mutua Umivale u. a.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 92/85/EWG – Art. 4, 5 und 7 – Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer – Stillende Arbeitnehmerin – Nachtarbeit – Schichtarbeit, die teilweise in der Nachtzeit verrichtet wird – Risikobeurteilung des Arbeitsplatzes ‑ Vorbeugende Maßnahmen – Anfechtung durch die betroffene Arbeitnehmerin – Richtlinie 2006/54/EG – Art. 19 – Gleichbehandlung – Diskriminierung aufgrund des Geschlechts – Beweislast.
    Rechtssache C-41/17.

    Rechtssache C‑41/17

    Isabel González Castro

    gegen

    Mutua Umivale u. a.

    (Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal Superior de Justicia de Galicia)

    „Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 92/85/EWG – Art. 4, 5 und 7 – Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer – Stillende Arbeitnehmerin – Nachtarbeit – Schichtarbeit, die teilweise in der Nachtzeit verrichtet wird – Risikobeurteilung des Arbeitsplatzes – Vorbeugende Maßnahmen – Anfechtung durch die betroffene Arbeitnehmerin – Richtlinie 2006/54/EG – Art. 19 – Gleichbehandlung – Diskriminierung aufgrund des Geschlechts – Beweislast“

    Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Fünfte Kammer) vom 19. September 2018

    1. Sozialpolitik–Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer–Schwangere Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillende Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz–Richtlinie 92/85–Nachtarbeit–Umfang–Schichtarbeit, die teilweise in der Nachtzeit verrichtet wird–Einbeziehung

      (Richtlinie 2003/88 des Europäischen Parlaments und des Rates, 14. Erwägungsgrund; Richtlinie 92/85 des Rates, Art. 7)

    2. Sozialpolitik–Männliche und weibliche Arbeitnehmer–Zugang zur Beschäftigung und Arbeitsbedingungen–Gleichbehandlung–Beweislast in Fällen von Diskriminierung–Geltungsbereich–Versagung der Ausstellung eines ärztlichen Attests an eine stillende Arbeitnehmerin über das Vorliegen von ihrem Arbeitsplatz innewohnenden Risiken für das Stillen und in der Folge Verwehrung der Geldleistung wegen der Risiken während der Stillzeit–Anfechtung der Risikobeurteilung durch die Arbeitnehmerin–Keine spezifische Prüfung unter Berücksichtigung ihrer individuellen Situation, was eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts vermuten lässt–Einbeziehung–Überprüfung durch das vorlegende Gericht–Modalitäten der Anwendung der Beweisregeln

      (Richtlinie 2006/54 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 19 Abs. 1; Richtlinie 92/85 des Rates, Art. 4 Abs. 1 und Art. 7)

    1.  Art. 7 der Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz ist dahin auszulegen, dass er auf eine Situation wie die des Ausgangsverfahrens Anwendung findet, in der die betroffene Arbeitnehmerin Schichtarbeit leistet, in deren Rahmen sie ihre Arbeit nur zum Teil während der Nachtzeit verrichtet.

      Da es im Interesse der schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen oder stillenden Arbeitnehmerinnen liegt, dass im Einklang mit dem 14. Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/88 die besonderen Bestimmungen der Richtlinie 92/85 im Hinblick auf die Nachtarbeit auf sie Anwendung finden, insbesondere um den Schutz, der ihnen diesbezüglich gewährt werden muss, zu verstärken, dürfen diese besonderen Bestimmungen nicht ungünstiger ausgelegt werden als die allgemeinen Bestimmungen der Richtlinie 2003/88, die für andere Gruppen von Arbeitnehmern gelten.

      (vgl. Rn. 47, 53 und Tenor 1)

    2.  Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (Neufassung) ist dahin auszulegen, dass er auf eine Situation wie die des Ausgangsverfahrens Anwendung findet, in der eine Arbeitnehmerin, der die Ausstellung eines ärztlichen Attests über das Vorliegen eines ihrem Arbeitsplatz innewohnenden Risikos für das Stillen versagt und in der Folge die Geldleistung wegen des Risikos während der Stillzeit verwehrt wurde, die Beurteilung der Risiken ihres Arbeitsplatzes vor einem nationalen Gericht oder einer anderen zuständigen Stelle des betreffenden Mitgliedstaats anficht, wenn die Arbeitnehmerin Tatsachen vorbringt, die vermuten lassen, dass diese Beurteilung keine spezifische Prüfung unter Berücksichtigung ihrer individuellen Situation umfasst hat und dass daher eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts im Sinne der Richtlinie 2006/54 vorliegt; dies zu prüfen, ist Sache des vorlegenden Gerichts. Es obliegt dann dem Beklagten, den Beweis dafür beizubringen, dass die Beurteilung der Risiken tatsächlich eine solche konkrete Prüfung umfasst hat und dass daher keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorgelegen hat.

      Hinsichtlich der Art und Weise der Anwendung dieser Bestimmung ist darauf hinzuweisen, dass die in dieser Vorschrift vorgesehenen Beweisregelungen dann nicht zur Anwendung kommen, wenn die betroffene Arbeitnehmerin eine Umgestaltung ihrer Arbeitsbedingungen oder, wie im Ausgangsverfahren, eine finanzielle Leistung wegen des Risikos während der Zeit des Stillens verlangt, und dass daher eine Risikobeurteilung ihres Arbeitsplatzes gemäß Art. 4 Abs. 1 oder gegebenenfalls gemäß Art. 7 der Richtlinie 92/85 durchzuführen ist. Erst in einer späteren Phase, in der eine Entscheidung über diese Risikobeurteilung von der betroffenen Arbeitnehmerin bei einem Gericht oder einer anderen zuständigen Stelle angefochten wird, finden diese Beweisregelungen Anwendung (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Oktober 2017, Otero Ramos,C‑531/15, EU:C:2017:789, Rn. 67).

      Somit obliegt es nach Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54 der Arbeitnehmerin, die sich durch die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, bei einem Gericht oder einer anderen zuständigen Stelle Tatsachen oder Beweise vorzubringen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen (Urteil vom 19. Oktober 2017, Otero Ramos,C‑531/15, EU:C:2017:789, Rn. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung).

      (vgl. Rn. 73, 74, 83 und Tenor 2)

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