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Document 62016TJ0609

Urteil des Gerichts (Neunte Kammer) vom 14. Dezember 2017.
PB gegen Europäische Kommission.
Öffentlicher Dienst – Beamte – Einstellung – Bekanntmachung des Auswahlverfahrens EPSO/AD/309/15 (AD 11) – Ärztinnen und Ärzte für den Standort Luxemburg – Ablehnung der Zulassung zu den Prüfungen im Assessment-Center – Beschränkung der Wahl der zweiten Sprache auf eine begrenzte Anzahl von EU-Amtssprachen – Einrede der Rechtswidrigkeit – Offensichtlicher Beurteilungsfehler – Haftung – Immaterieller Schaden.
Rechtssache T-609/16.

Rechtssache T‑609/16

PB

gegen

Europäische Kommission

„Öffentlicher Dienst – Beamte – Einstellung – Bekanntmachung des Auswahlverfahrens EPSO/AD/309/15 (AD 11) – Ärztinnen und Ärzte für den Standort Luxemburg – Ablehnung der Zulassung zu den Prüfungen im Assessment-Center – Beschränkung der Wahl der zweiten Sprache auf eine begrenzte Anzahl von EU-Amtssprachen – Einrede der Rechtswidrigkeit – Offensichtlicher Beurteilungsfehler – Haftung – Immaterieller Schaden“

Leitsätze – Urteil des Gerichts (Neunte Kammer) vom 14. Dezember 2017

  1. Beamtenklage – Klage gegen die Entscheidung über die Ablehnung der Zulassung zu den Prüfungen im Assessment-Center – Möglichkeit, sich auf die Rechtswidrigkeit der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens zu berufen, um die Nichtzulassung zu beanstanden – Voraussetzungen

    (Beamtenstatut, Art. 91)

  2. Beamtenklage – Einrede der Rechtswidrigkeit – Handlungen, deren Rechtswidrigkeit geltend gemacht werden kann – Bekanntmachung des Auswahlverfahrens – Sprachenregelung – Zulässigkeit – Voraussetzungen – Rechtlicher Zusammenhang zwischen der angefochtenen Handlung und der fraglichen Bekanntmachung des Auswahlverfahrens

  3. Beamte – Auswahlverfahren – Auswahlverfahren aufgrund von Befähigungsnachweisen und Prüfungen – Zulassungsvoraussetzungen – Festlegung in der Ausschreibung des Auswahlverfahrens – Beurteilung der Berufserfahrung der Bewerber durch den Prüfungsausschuss – Gerichtliche Überprüfung – Grenzen – Offensichtlicher Beurteilungsfehler – Begriff

    (Beamtenstatut, Anhang III Art. 2)

  4. Beamtenklage – Schadensersatzklage – Aufhebung des angefochtenen rechtswidrigen Aktes – Keine angemessene Wiedergutmachung des immateriellen Schadens – Grenzen

    (Beamtenstatut, Art. 91)

  1.  Im Rahmen eines Einstellungsverfahrens, das ein komplexer Verwaltungsvorgang ist, der aus einer Folge eng miteinander verbundener Entscheidungen besteht, kann ein Bewerber eines Auswahlverfahrens mit einer gegen eine spätere Handlung gerichteten Klage die Rechtswidrigkeit der mit dieser Handlung eng verbundenen früheren Handlungen geltend machen und sich insbesondere auf die Rechtswidrigkeit der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens, auf die der betreffende Rechtsakt gestützt ist, berufen.

    Der Umstand, dass eine klagende Partei die Ausschreibung eines Auswahlverfahrens nicht fristgerecht angefochten hat, verwehrt es ihr nicht, Rechtsverstöße zu rügen, zu denen es im Lauf des Auswahlverfahrens gekommen ist, selbst wenn diese Rechtsverstöße auf den Wortlaut der Ausschreibung des Auswahlverfahrens zurückgeführt werden können. Eine klagende Partei ist nämlich berechtigt, Unregelmäßigkeiten betreffend die Durchführungsmodalitäten des Auswahlverfahrens im Rahmen einer Klage gegen die individuelle Entscheidung, mit der ihre Bewerbung zurückgewiesen worden ist, geltend zu machen, und zwar ohne dass ihr entgegengehalten werden könnte, fristgemäß weder Beschwerde noch Klage gegen die Entscheidung erhoben zu haben, mit der die Durchführungsmodalitäten des Auswahlverfahrens festgelegt werden.

    Insbesondere ist die Zulässigkeit der Klage gegeben, wenn ein Klagegrund, mit dem die Fehlerhaftigkeit der nicht rechtzeitig angefochtenen Bekanntgabe des Auswahlverfahrens geltend gemacht wird, die Begründung der angefochtenen individuellen Entscheidung betrifft. Einem Bewerber in einem Auswahlverfahren kann nämlich nicht das Recht abgesprochen werden, die ihm gegenüber aufgrund der Bedingungen der Bekanntgabe des Auswahlverfahrens getroffene individuelle Entscheidung in allen Punkten, einschließlich der in der Bekanntgabe festgelegten, in Frage zu stellen, da erst diese Durchführungsentscheidung seine rechtliche Stellung im Einzelnen festlegt und ihm Gewissheit darüber verschafft, wie und in welchem Maß seine persönlichen Interessen beeinträchtigt sind.

    Besteht hingegen kein enger Zusammenhang zwischen der Begründung der angefochtenen Entscheidung und dem auf die Rechtswidrigkeit der nicht rechtzeitig angefochtenen Ausschreibung des Auswahlverfahrens gestützten Klagegrund, ist dieser nach den zwingenden Rechtsvorschriften über die Klagefristen, von denen in einem solchen Fall nicht ohne Beeinträchtigung des Grundsatzes der Rechtssicherheit abgewichen werden kann, für unzulässig zu erklären.

    (vgl. Rn. 26-29)

  2.  Die Einrede der Rechtswidrigkeit der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens, die im Rahmen einer Nichtigkeitsklage gegen die Entscheidung über die Ablehnung der Zulassung zu den Prüfungen im Assessment-Center erhoben wird, ist unzulässig, wenn die angefochtene Entscheidung nicht auf Aspekte gestützt ist, die mit der in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens vorgesehenen und von der Klägerin beanstandeten Sprachenregelung des Auswahlverfahrens zusammenhängen.

    (vgl. Rn. 32, 38)

  3.  Es ist Aufgabe des Prüfungsausschusses, zu prüfen, ob die Bewerber über die Kenntnisse und die Berufserfahrung verfügen, die für die in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens erwähnten und mit der ausgeschriebenen Stelle verbundenen Aufgaben erforderlich sind. Er hat außerdem eine vergleichende Prüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten der Bewerber vorzunehmen, um die für die auszuübenden Tätigkeiten geeignetsten Bewerber auszuwählen.

    In diesem Rahmen hat der Prüfungsausschuss sicherzustellen, dass die Beurteilungen, die er gegenüber allen geprüften Bewerbern vornimmt, den Voraussetzungen der Gleichheit und der Objektivität entsprechen, und die Kriterien für die Bewertung müssen einheitlich sein und auf alle Bewerber kohärent angewandt werden.

    Insoweit verfügt der Prüfungsausschuss über ein Ermessen bei der Beurteilung sowohl von Art und Dauer der früheren Berufserfahrung der Bewerber als auch des mehr oder weniger engen Zusammenhangs, in dem diese Erfahrung mit den Anforderungen der zu besetzenden Stelle stehen kann.

    Außerdem hat sich das Gericht bei der Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Beurteilung der früheren Berufserfahrung der Bewerber auf die Prüfung zu beschränken, ob das vom Prüfungsausschuss ausgeübte Ermessen mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet ist, der der Entscheidung des Prüfungsausschusses die Plausibilität nimmt.

    Es ist Sache der klagenden Partei, dem Prüfungsausschuss für das Auswahlverfahren alle Auskünfte zu erteilen und Dokumente vorzulegen, die sie im Hinblick auf die von diesem vorzunehmende Prüfung ihrer Bewerbung für sachdienlich hält.

    Somit ist der Prüfungsausschuss im Rahmen der Beurteilung der Berufserfahrung des Bewerbers im Hinblick auf die für das Auswahlverfahren festgelegten Voraussetzungen nur verpflichtet, die Angaben und Dokumente zu berücksichtigen, die der Bewerber zur Stützung seiner Bewerbung eingereicht hat.

    In diesem Rahmen begeht der Prüfungsausschuss einen offensichtlichen Beurteilungsfehler, wenn er keinen Punkt für die Berufserfahrung in der Leitung eines medizinischen Teams zuerkennt, obwohl die Bekanntmachung des Auswahlverfahrens die Vergabe von Punkten hierfür vorsah und der Bewerbungsbogen nähere Erläuterungen enthielt, denen zu entnehmen war, dass die klagende Partei über Berufserfahrung in diesem Bereich verfügte. Ein solcher offensichtlicher Beurteilungsfehler ist unter Berücksichtigung der Punktzahl, die den Bewerbern für die Leitung eines medizinischen Teams zuerkannt werden kann, und der Punktzahl, die erforderlich ist, damit die Bewerber zu den weiteren Prüfungen des Auswahlverfahrens eingeladen werden, geeignet, die vom Prüfungsausschuss vorgenommene Gesamtbeurteilung der Berufserfahrung der klagenden Partei zu verfälschen.

    (vgl. Rn. 42-46, 48, 72, 73, 80, 88, 89)

  4.  Die Aufhebung einer rechtswidrigen Maßnahme kann als solche eine angemessene und grundsätzlich hinreichende Wiedergutmachung des gesamten immateriellen Schaden sein, den diese Maßnahme möglicherweise verursacht hat.

    Hingegen kann die Aufhebung einer rechtswidrigen Maßnahme als solche keine angemessene Wiedergutmachung sein, wenn zum einen die angefochtene Maßnahme eine explizit negative Beurteilung der Fähigkeiten der klagenden Partei enthält, die geeignet ist, sie zu verletzen, und zum anderen die klagende Partei nachweist, dass sie einen von der Rechtswidrigkeit, auf der die Aufhebung beruht, abtrennbaren immateriellen Schaden erlitten hat, der durch die Aufhebung nicht in vollem Umfang wiedergutgemacht werden kann.

    (vgl. Rn. 91, 92)

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